Urteil vom Arbeitsgericht Düsseldorf - 14 Ca 5371/14
Tenor
1.Die Kündigungschutzklage und die Klage auf Zahlung des Lohns für den Monat August 2014 wird - unter klarstellender Aufhebung des Versäumnisurteils vom 30.09.2015 - abgewiesen.
2.Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
3.Der Streitwert wird auf 5.092,41 € festgesetzt.
4.Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung sowie Zahlungsansprüche des Klägers.
3Der Kläger ist bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als 20 AN beschäftigt, auf Basis des Arbeitsvertrages vom 07.05.2014 seit dem 23.08.2013 als Servicekraft zu einem Bruttoentgelt von 1.500,00 € beschäftigt.
4Am 17.08.2014 kam es zu einer verbalen, dann auch tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Zeugen Z.. Der Kläger erlitt dabei Verletzungen. Mit Schreiben vom 19.08.2014 (vgl. Bl. 16 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Auch dem Zeugen Z. wurde außerordentlich gekündigt.
5Unter dem 01.09.2014 suchte der Kläger seine Prozessbevollmächtigte auf und erwähnte, dass es eine Insolvenz bei der Beklagten geben könne. Auf Recherche der Prozessbevollmächtigten im Internet auf der Seite "Insolvenzbekanntmachungen" konnte diese einen Eintrag unter Detailsuche / Firma: R. nicht finden. Eine Sucheingabe in der Suchmaschine "Google" ergab, dass ein Zeitungsartikel vom 31.07.2014 in RP-Online von dem Antrag eines Insolvenzverfahrens in "Eigenverantwortung" berichtete (vgl. Anlage H 9, Bl. 72 f. d.A.). Daraufhin diktierte die Prozessbevollmächtigte die Klageschrift und verfügte diese mit Datum 03.09.2014 an das Arbeitsgericht ab. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers ging "allenfalls" von einer Insolvenz in Eigenverwaltung aus. Die Beklagte hatte zunächst einen Antrag auf Eigenverwaltung nach § 270 InsO gestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 01.09.2014 wurde das (Regel)Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagte eröffnet. In den Insolvenzbekanntmachungen wurde der Eröffnungsbeschluss am 02.09.2014 veröffentlicht.
6Mit Klage vom 03.09.2014, eingegangen bei Gericht am 04.09.2014, griff der Kläger die streitgegenständliche Kündigung an. Sie wurde der Beklagten am 10.09.2014 zugestellt. Im Gütetermin erschien für die Beklagte niemand. Das daraufhin zugunsten des Klägers erlassene Versäumnisurteil (Bl. 27 f. d.A.) wurde der Beklagten nicht mehr zugestellt, da mit Schreiben vom 30.09.2014, eingegangen bei Gericht am selben Tag, der Insolvenzverwalter mitteilte, dass bereits am 01.09.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet worden sei. Zugleich legte die Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil mit Schriftsatz vom 08.10.2014 ein.
7Mit Schreiben vom 17.10.2014, dem Klägervertreter zugestellt am 22.10.2014 bzw. 23.10.2014 (vgl. Bl. 47a d.A.), wies das Gericht die Parteien darauf hin, dass die Klage bereits gegen den Insolvenzverwalter zu richten gewesen wäre und sich weder aus der Klageschrift noch aus den Umständen ableiten lasse, dass der Insolvenzverwalter verklagt werden sollte. Unter dem 20.10.2014 erreichte den Kläger ein Schreiben des Insolvenzverwalters (Bl. 61-63 d.A.) zur Forderungsanmeldung.
8Der Kläger erweiterte daraufhin mit Schriftsatz vom 23.10.2014, eingegangen bei Gericht am selben Tag und dem beklagten Insolvenzverwalter zugestellt unter dem 31.10.2014 (Bl. 76 d.A.), die Klage gegen den Insolvenzverwalter und stellte den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage. Im 2. Gütetermin am 02.12.2014 nahm der Kläger die Klage gegen die damalige Insolvenzschuldnerin und jetzige Beklagte zurück (Bl. 85 d.A.) und richtete die Klage nun ausschließlich gegen den Insolvenzverwalter.
9Mit Aufhebungsbeschluss vom 31.12.2014 (vgl. Bl. 111 d.A.) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der jetzigen Beklagten wieder aufgehoben.
10Die Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis bis zum 22.08.2015 ab und zahlte den anteiligen Augustlohn an den Kläger aus (vgl. Abrechnung Anlage B3, Bl. 113 d.A).
11Der Kläger behauptet, er habe die tätliche Auseinandersetzung nicht provoziert und habe sich nicht pflichtwidrig verhalten. Er sei im Küchenbereich angegriffen und mit mehreren Faustschlägen niedergestreckt worden. Auslöser der Auseinandersetzung sei ein aggressives und verärgertes Verhalten des Zeugen Z. gegenüber der Lebensgefährtin des Klägers und gegenüber diesem selbst gewesen. So habe der Zeuge Z. den Kläger mehrfach angepöbelt und habe Beleidigungen über den Kläger kund getan. Der Kläger habe jede Auseinandersetzung vermeiden wollen. Schließlich sei der Kläger vom Zeugen Z. an der Kasse als "Schwuchtel" bezeichnet worden. Daraufhin habe sich der Kläger in die vom Gastraum nicht einsehbare Spülküche zurückgezogen, wohin ihm der Zeugen Z. gefolgt sei. Dort habe der Kläger den Zeugen Z. mit den Worten "was ist los?" zur Rede gestellt. Ggfls. sei es dort zu wechselseitigen Beleidigungen gekommen, woraufhin der Zeuge Z. unvermittelt und ohne weitere Ankündigung den Kläger unmittelbar drei bis vier Mal ins Gesichts geschlagen habe. Der Kläger sei zu Boden gefallen und dort vom Zeugen Z. ins Gesicht getreten worden. Andere Mitarbeiter hätten dann die Beteiligten getrennt. Erst nachdem der Kläger aufgerichtet worden sei, habe er den Zeugen Z. in Notwehr ggfls. geschubst. Die Kündigung habe er am 25.08.2014 erhalten. Er ist der Ansicht, die Klage sei nachträglich zuzulassen, da er nach den vorhandenen Informationen alles Erforderliche getan habe. Weder aus den Insolvenzbekanntmachungen noch aus dem Kündigungsschreiben habe sich ein Hinweis auf ein Insolvenzverfahren und auf den Insolvenzverwalter ergeben. Aus den Internetrecherchen habe sich ergeben, dass eine Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt worden sei, in der die Insolvenzschuldnerin die Verfügungsbefugnis behalte. Eine Verpflichtung, auch am Folgetag in das Portal der Insolvenzbekanntmachung zu schauen, habe daher nicht bestanden.
12Der Kläger beantragt,
131.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.08.2014 nicht aufgelöst worden ist.
142.die Kündigungsschutzklagte gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG nachträglich zuzulassen.
153.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.500,00 € brutto abzüglich erhaltener 907,59 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2014 zu zahlen.
164.hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.384,62 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 26.08.2014 zu zahlen.
17Die Beklagte beantragt,
181.die Klage abzuweisen.
192.den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückzuweisen.
20Der Beklagte behauptet, am 17.08.2014 sei es zu einer wechselseitigen tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Zeugen Z. gekommen. Diese habe zunächst im Gastraum des Lokals, später in der offenen Küche stattgefunden, wobei auch wechselseitige Beschimpfungen erfolgt seien. Die Auseinandersetzung hätten Gäste zum Anlass genommen, das Lokal zu verlassen. Der Kläger habe die Kündigung ausweislich des Sendestatus (vgl. Bl. 112 d.A.) bereits am 22.08.2014 erhalten. Die ursprünglich gegen die Beklagte und nicht gegen den Insolvenzverwalter gerichtete Klage wahre die Klagefrist nicht. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei als Leistungsklage nach rechtskräftigem Abschluss des Insolvenzverfahrens bereits unzulässig. Der Kläger habe seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht zur Tabelle angemeldet. Die tätliche Auseinandersetzung führe zu einem Imageschaden, zumal beide Beteiligte über die besondere Betroffenheit der Beklagten aufgrund des laufenden Insolvenzverfahrens informiert gewesen seien.
21Für das weitergehende Vorbringen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.
22Entscheidungsgründe:
23Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung ist rechtswirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet. Ein weitergehender Zahlungsanspruch des Klägers für den Monat August 2014 besteht nicht.
24A.
25Die Kammer hat die Aufhebung des Versäumnisurteils tenoriert. Dies war angesichts der besonderen prozessualen Situation notwendig. Zum Zeitpunkt der Klagerücknahme waren neben der damaligen Insolvenzschuldnerin auch der Insolvenzverwalter als Partei am Verfahren beteiligt. Das Versäumnisurteil erging allein gegen die damalige Insolvenzschuldnerin, so dass die Klagerücknahme gegen diese das Versäumnisurteil insgesamt gegenstandlos machte, ohne dass es einer gesonderten Aufhebung bedurft hätte (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Da aber das Rubrum des damaligen Versäumnisurteil und des jetzt ergangenen Teilurteils durch die zwischenzeitliche Aufhebung des Insolvenzverfahrens (wieder) identisch ist, war eine entsprechende Klarstellung im Tenor erforderlich, dass das Versäumnisurteil keinen Bestand mehr hat.
26B.
27Die Kammer konnte in dem Verfahren gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch Teilurteil entscheiden. Der Streitgegenstand war teilbar und in dem entschiedenen Umfang auch entscheidungsreif. Es lag eine Mehrheit von selbständigen prozessualen Ansprüchen vor. Jedenfalls hinsichtlich der Klageanträge zur Kündigung und zum Augustentgelt war die Klage entscheidungsreif. Mit Blick auf den hilfsweise gestellten Antrag auf Urlaubsabgeltung, der der Kammer aufgrund der Abweisung des Kündigungsschutzantrags zur Entscheidung angefallen ist, war nach Auffassung der Kammer noch nach Hinweis auf die mögliche Unzulässigkeit einer Leistungsklage ein Schriftsatznachlass zu gewähren.
28C.
29Die Klage war abzuweisen. Die Kündigungsschutzklage ist verfristet und damit unbegründet. Die Kündigungsschutzklage war auch nicht nachträglich zuzulassen. Der Zahlungsantrag für den Monat August 2014 ist unbegründet.
30I.
31Die Kündigungsschutzklage ist verfristet. Die Kündigung der Beklagten gilt damit als rechtswirksam. Eine nachträgliche Zulassung der Klage nach § 5 KSchG kommt nicht in Betracht.
321.
33Die Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte ist nach §§ 4, 7 KSchG verfristet und gilt damit als rechtswirksam.
34a.
35§ 4 KSchG bestimmt, dass die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung geltend zu machen ist. Erfolgt eine fristgerechte Klageerhebung nicht, so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam (§ 7 KSchG). Die Kündigung ist dem Kläger hier am 22.08.2014 bzw. nach Klägervortrag am 25.08.2014 zugegangen, so dass die Frist des § 4 KSchG gemäß der §§ 187, 193 BGB spätestens am 15.09.2014 abgelaufen ist.
36b.
37Weder die ursprüngliche Kündigungsschutzklage vom 03.09.2014 noch die weitere Kündigungsschutzklage vom 23.10.2014 konnten die Frist des § 4 KSchG einhalten.
38aa.
39Die ursprüngliche gegen die Beklagte gerichtete Kündigungsschutzklage vom 03.09.2014 ging zwar am 04.09.2014 und damit noch innerhalb der Frist des § 4 KSchG bei Gericht ein. Durch diese Klage hat der Kläger jedoch die Klagefrist des § 4 KSchG nicht eingehalten.
40(1)
41Unabhängig von der Frage, ob die fristgerecht unter dem 10.09.2014 ausgewiesene Zustellung wirksam war, wurde die Klage in der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2014 zurückgenommen, so dass die Klage als nicht anhängig geworden anzusehen ist (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Damit konnte die Klage vom 03.09.2014 die Klagefrist nicht einhalten.
42(2)
43Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er durch die Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 23.10.2015 und der nachfolgenden Klagerücknahme gegen die Beklagte zu 1) keine Klageänderung, sondern lediglich eine Rubrumsberichtigung geltend machen wollte, so kann er auch mit dieser Auffassung nicht durchdringen. Denn eine Rubrumsberichtigung liegt nicht vor. Vielmehr hat der Kläger eine Parteiänderung vorgenommen.
44i.
45Ist bei Klageerhebung bereits ein Insolvenzverwalter bestellt, so ist die Kündigungsschutzklage gegen diesen in seiner Eigenschaft als Partei kraft Amtes zu richten. Eine Klage gegen die Schuldnerin macht den Insolvenzverwalter selbst dann nicht zur Partei, wenn er die Klageschrift tatsächlich erhält. Es ist jedoch in jedem Fall zu prüfen, ob eine Rubrumsberichtigung in Betracht kommt, wenn statt des Insolvenzverwalters die Schuldnerin verklagt wurde. Für das Vorliegen einer Rubrumsberichtigung (statt einer Parteiänderung) kommt es entscheidend darauf an, ob die rechtliche Identität der Partei gewahrt bleibt. Ist dies der Fall, liegt keine Parteiänderung, sondern lediglich eine Berichtigung vor. Ändert sich die rechtliche Indentität, liegt eine Parteiänderung vor. Dabei sind grundsätzlich die Parteien vom Kläger in der Klageschrift zu benennen. Ist die Bezeichnung nicht eindeutig, so ist die Partei durch Auslegung zu ermitteln. Selbst bei äußerlich eindeutiger aber offensichtlich unrichtiger Bezeichnung ist die Person als Partei angesprochen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen sein soll. Es kommt darauf an, welcher Erklärungswert der Parteibezeichung unter objektiver Würdigung aller Umstände beigemessen werden kann. Ergibt sich beispielsweise aus dem der Klageschrift beigefügten Kündigungsschreiben, wer als beklagte Partei gemeint ist, kommt regelmäßig eine Berichtigung in Betracht. Lässt sich daher der Klageschrift (oder dem beigefügten Kündigungsschreiben) entnehmen, dass der Insolvenzverwalter gekündigt hat, oder auch nur, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, so wird regelmäßig eine Rubrumsberichtigung in Betracht kommen. (vgl. BAG v. 17.01.2002 - 2 AZR 57/01, juris Rz. 20 ff.; BAG v. 28.08.2008 - 2 AZR 279/07, juris Rz. 14 ff.; BAG v. 21.01.2006 - 2 AZR 573/05, juris Rz. 22 ff.).
46ii.
47Da bereits am 01.09.2014 der Insolvenzverwalter bestellt wurde, hätte die Kündigungsschutzklage vom 03.09.2014 gegen diesen und nicht gegen die damalige Insolvenzschuldnerin gerichtet werden dürfen.
48Eine Auslegung der Klageschrift dahingehend, dass statt der damaligen Insolvenzschuldnerin der Insolvenzverwalter selbst hätte verklagt werden sollen, ist nicht möglich. Damit scheidet nach dem unter B.I.1.b.aa.(2).i. Gesagten eine Rubrumsberichtigung aus. Die Klageschrift richtet sich eindeutig gegen die Insolvenzschuldnerin. Es ist auch weder der Klage noch den Anlagen zu entnehmen, dass der Insolvenzverwalter hätte verklagt werden sollen. Es gibt weder in der Klageschrift noch in den beigefügten Anlagen einen Hinweis auf ein laufendes Insolvenzverfahren. Damit ergeben sich aber keinerlei Anhaltspunkte, die es rechtfertigen könnten, von der eindeutigen Parteibezeichnung im Passivrubrum der Klageschrift abzuweichen. Letztlich bestätigt der Kläger dieses Verständnis selbst. Denn nicht einmal er selbst behauptet, eigentlich den Insolvenzverwalter verklagt haben zu wollen. Er verweist im Gegenteil sogar darauf, dass man die damalige Insolvenzschuldnerin selbst verklagt habe, da man nichts zu einem Insolvenzverfahren gefunden habe, bzw. dass man allenfalls von einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung ausgegangen sei und daher vor der weiter bestehenden Prozessführungsbefugnis der damaligen Insolvenzschuldnerin ausgegangen sei.
49bb.
50Die Kündigungsschutzklage vom 23.10.2014 ging am selben Tage bei Gericht ein und damit deutlich nach dem 15.09.2014, so dass auch durch diese Klage die Frist nicht gewahrt wurde. Auch Eine nachträgliche Zulassung der Klage kommt nicht in Betracht.
51(1)
52Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Klage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben. Nach § 5 Abs. 2 KSchG ist die Klageerhebung mit dem Antrag auf nachträgliche Zulassung zu verbinden. Der Antrag muss die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und die Mittel der Glaubhaftmachung enthalten. Schließlich verlangt § 5 Abs. 3 KSchG, dass der Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zu stellen ist. Dabei ist der Partei auch ein etwaiges Verschulden des Prozessbevollmächtigten nach § 85 ZPO zuzurechnen (BAG v. 24.11.2011 - 2 AZR 614/10, juris Rz. 15; umfassend BAG v. 11.12.2008 - 2 AZR 472/08, juris Rz. 20 ff.; LAG Hamm v. 09.01.2014 - 15 Sa 1351/13, juris Rz. 39 m.w.N.). Die Anwendung des § 85 ZPO erstreckt sich dabei auch auf Handlungen vor Einleitung des Prozesses. Nicht erforderlich ist bereits das Bestehen eines Prozessrechtsverhältnisses, vielmehr ist § 85 Abs. 1 ZPO dahingehend zu verstehen, dass Prozesshandlung i.S. der Norm jede Handlung in einem bereits anhängigen Prozess, aber auch jede Handlung zur Einleitung eines solchen Verfahrens. Bevollmächtigter i.S.d. § 85 ZPO ist, wer im Innenverhältnis über ein wirksames Mandat verfügt. Ausreichend ist dafür, dass einer Person zur beabsichtigten Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses eine Prozessvollmacht erteilt wird (BAG v. 11.12.2008 - 2 AZR 472/08, juris Rz. 35). Der Arbeitnehmer, der eine Prozessvollmacht erteilt, begibt sich damit der (alleinigen) Verantwortung für die Einhaltung der Klagefrist (vgl. BAG v. 11.12.2008 - 2 AZR 472/08, juris Rz. 35). Die Frage einer verschuldeten Fristversäumnis richtet sich dabei nach § 276 Abs. 2 BGB. Verschulden umfasst danach jede Form von Vorsatz und Fahrlässigkeit. Entscheidend ist die üblicherweise zu erwartende Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei. Deshalb bestimmt im Fall eines der Partei zuzurechnenden Anwaltsverschuldens die erwartbare Sorgfalt eines ordentlichen Rechtsanwalts das rechtliche Maß (BAG v. 24.11.2011 - 2 AZR 614/10, juris Rz. 16 m.w.N.).
53(2)
54Nach diesen Voraussetzungen hat der Kläger, bzw. sein Prozessbevollmächtigter nicht die nach Lage der Umstände erforderliche Sorgfalt an den Tag gelegt, um die Klagefrist einzuhalten.
55i.
56Im Rahmen des einzuleitenden Verfahrens hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers den Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB verletzt, als sie ohne ausreichende Prüfung die Klage gegen die damalige Insolvenzschuldnerin gerichtet hat. Beurteilungsmaßstab ist die erwartbare Sorgfalt eines ordentlichen Rechtsanwalts in der Situation der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Zeitpunkt der Mandatierung.
57Ohne weiteres einsichtig ist, dass es zu den originären Aufgaben eines Rechtsanwalts gehört, den richtigen Klagegegner zu ermitteln. Nach Auffassung der Kammer wurde die Pflicht zur Ermittlung des richtigen Klagegegners nicht mit der erwartbaren Sorgfalt eines ordentlichen Anwalts erfüllt. Nach den Darlegungen des Klägers hatte die Prozessbevollmächtigte des Klägers bereits am 01.09.2014 mehrere Hinweise auf ein laufendes Insolvenzverfahren bei der damaligen Insolvenzschuldnerin und jetzigen Beklagten. Zum Einen hatte der Kläger selbst sie auf eine Insolvenz angesprochen, zum Zweiten war sie im Rahmen der Internetrecherchen auf einen Artikel gestoßen, wonach die Insolvenz in "Eigenverantwortung" eingeleitet worden sei.
58Vor dem Hintergrund, dass sie in den Insolvenzbekanntmachungen am 01.09.2014 keine Eintragungen vorfand, beließ sie es dabei und ging - wohl aufgrund des Artikels in der RP online - von einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung aus, bei der die Insolvenzschuldnerin selbst prozessführungsbefugt bleibt. Aus dieser Überzeugung heraus stellte sie weitere Nachforschungen nicht an und verfügte die Klage unter dem Datum 03.09.2014 ab.
59Dies ist nach dem Maßstab eines ordentlichen Rechtsanwalts nach Auffassung der Kammer nicht ausreichend gewesen. Nachdem sowohl der Kläger als auch die Internetrecherche auf ein laufendes Insolvenzverfahren hindeuteten, durfte die Prozessbevollmächtigte es nicht bei diesen Recherchen belassen, sondern hätte weitergehend ermitteln müssen, gegen wen die Klage zu richten ist. Denn offenbar lief ein Insolvenzverfahren. Das war von zwei Quellen aus bestätigt worden. Hinzu kommt, dass der im Internet befindliche Artikel aus der RP Online vom 31.07.2014 von zwei unterschiedlichen Insolvenzverfahren sprach. Ein Insolvenzantrag sei vor kurzem gestellt worden, ein weiteres Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung sei bereits vor einigen Wochen eingeleitet worden. Vor diesem Hintergrund, dass bereits gut einen Monat vor der Mandatierung eine Zeitung von der Einleitung eines Insolvenzverfahrens berichtete, wäre die Prozessbevollmächtigte gehalten gewesen, sich genauer zu informieren. Dabei durfte sie nicht darauf vertrauen, dass die in der Zeitung erwähnte "Insolvenz in Eigenverantwortung" rechtlich zutreffend ist. Bereits der rechtstechnisch ungenaue Begriff der "Eigenverantwortung" statt "Eigenverwaltung" zeigt, dass der Verfasser des Artikels nicht zwingend mit den Einzelheiten eines Insolvenzverfahrens vertraut gewesen ist. Ohne weiteres wäre es der Prozessbevollmächtigten zudem möglich gewesen, noch vor Absendung der Klageschrift innerhalb der Dreiwochenfrist den richtigen Beklagten zu ermitteln. Zum Einen hätte eine erneuten Abfrage der Insolvenzbekanntmachungen am 2.9.2014 Klarheit geschafft. Zum zweiten benannte der Artikel in der RP den bestellten Insolvenzverwalter. Auch hier wäre ohne großen Aufwand durch ein einfaches Telefonat Klarheit zu erlangen gewesen, ob bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Angesichts der Anhaltspunkte und der rechtlich unklaren Position hätte sie ggfls. die Klage sowohl gegen die damalige Insolvenzschuldnerin als auch zugleich gegen den Insolvenzverwalter selbst richten müssen.
60Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 22.05.2014 vorgetragen hat, er habe im Nachgang der Kündigung versucht zu erfahren, wie der Stand des (Insolvenz)Verfahrens sei, ist dieser Vortrag bereits unsubstantiiert, da er seine Nachforschungsaktivitäten nicht näher konkretisiert hat. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, da jedenfalls mit Einschaltung der Prozessbevollmächtigten am 01.09.2014 die dargestellten Sorgfaltspflichten einsetzten und auch noch innerhalb der Klagefrist hätten erfüllt werden können.
61ii.
62Der Kläger hat sich das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten auch zurechnen zu lassen.
63Die Prozessbevollmächtigte des Klägers wurde am 01.09.2014 durch den Kläger mandatiert. Er unterzeichnete an diesem Tag die Prozessvollmacht. Er hat sich damit seiner (alleinigen) Verantwortung für die Einhaltung der Klagefrist begeben und die Prozessbevollmächtigte des Klägers war ab diesem Zeitpunkt Prozessbevollmächtigte i.S.d. § 85 ZPO. Damit sind die Versäumnisse der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Rahmen der Einreichung der Klage dem Kläger zuzurechnen.
64II.
65Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des Lohns für August 2014 aus § 611 Abs. 1 BGB.
66Ein Anspruch besteht nicht, weil dem Kläger über den 22.08.2014 wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Lohnanspruch nicht zusteht. Bis zum 22.08.2014 ist der Lohnanspruch des Klägers wegen Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen.
67Nach dem Vortrag der Parteien war der seitens der Beklagten behauptete Zugang der Kündigung am 22.08.2014 zu unterstellen. Der Kläger hat behauptet, die Kündigung sei ihm erst am 25.08.2014 zugegangen und er habe lediglich den in der Abrechnung der Beklagten ausgewiesenen Lohn erhalten. Die Beklagte ist diesem Vortrag bzgl. des Zugangs der Kündigung unter Hinweis auf die als Anlage beigefügte Sendeverlaufsbestätigung entgegengetreten, die als Zugangsdatum den 22.08.2014 ausweist. Der Kläger hat auf dieses Vorbringen der Beklagten nicht weiter erwidert. Er hat im weiteren Verlauf auch nicht die zur Stützung des Beklagtenvortrags eingereichte Sendebestätigung in Zweifel gezogen. Lässt sich aber eine Partei zu einem (weitergehenden) konkreten Vorbringen der Gegenseite nicht hinreichend ein, so gilt nach § 138 Abs. 2, 3 ZPO deren Vortrag als zugestanden. Nach Auffassung der Kammer war daher - mangels weitergehender Einlassung des Klägers - der Vortrag der Beklagten zum Zugangszeitpunkt als zugestanden zu unterstellen.
68Bis zum 22.08.2014 hat die Beklagte den Lohnanspruch des Klägers erfüllt. Ausweislich der Abrechnung wurden für den Monat August ein Gehalt von 1.100,00 € brutto abgerechnet. Bei einem Monatslohn von 1.500,00 € brutto beträgt der auf 22 Tage entfallende Anteil 1.500,00 € ./. 30 x 22 = 1.100,00 €, so dass die Beklagte den gesamten dem Kläger für August zustehenden Lohn gezahlt hat.
69D.
70Die Kostenentscheidung bleibt wegen des Grundsatzes der Einheit der Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten, die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2, 61 Abs. 1 ArbGG, §§ 3 ff. ZPO. Gründe für eine gesonderte Zulassung der Berufung im Sinne des § 64 Abs. 3, 3a ArbGG lagen nicht vor. Diese ist aber bereits nach § 64 Abs. 2 lit c) ArbGG bzw. § 64 Abs. 2 lit b) statthaft.
71RECHTSMITTELBELEHRUNG
72Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
73Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
74Landesarbeitsgericht Düsseldorf
75Ludwig-Erhard-Allee 21
7640227 Düsseldorf
77Fax: 0211 7770-2199
78eingegangen sein.
79Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
80Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
81Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
821.Rechtsanwälte,
832.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
843.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
85Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
86* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
87w.
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Referenzen
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- § 5 Abs. 3 KSchG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag 1x
- § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 362 Erlöschen durch Leistung 1x
- § 5 Abs. 2 KSchG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 AZR 614/10 2x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 61 Inhalt des Urteils 1x
- § 7 KSchG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 276 Verantwortlichkeit des Schuldners 2x
- ArbGG § 64 Grundsatz 1x
- InsO § 270 Voraussetzungen 1x
- 15 Sa 1351/13 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht 1x
- § 4 KSchG 5x (nicht zugeordnet)
- 2 AZR 573/05 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 193 Sonn- und Feiertag; Sonnabend 1x
- §§ 3 ff. ZPO 1x (nicht zugeordnet)
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- 2 AZR 472/08 3x (nicht zugeordnet)
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