Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Kammer) - 2 Sa 59/14

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug nach vergleichsweiser Erledigung der übrigen Streitgegenstände noch um einen Schadensersatz- bzw. Vertragsstrafeanspruch des Arbeitgebers, der im Wege der Widerklage geltend gemacht wird.

2

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der, der Arbeitgeberin des Klägers (im Folgenden mit Schuldnerin bezeichnet). Die Gründung der Beklagten geht auf das Jahr 2002 zurück. Die LFW L. Fleisch- und Wurstspezialitäten GmbH & Co. KG (im Folgenden abgekürzt mit LFW bezeichnet) hatte seinerzeit die Gründung der Gesellschaft gefördert oder sogar betrieben, um mit ihr im Anschluss Verträge über die Erbringung von Teilleistungen aus dem gesamten eigenen Produktionsprozess abzuschließen. Diese Ausgliederung betraf zum einen den Bereich der Fleischzerlegung und zum anderen – sozusagen am anderen Ende des Produktionsprozesses – die Verpackung von Fleisch- und Wurstwaren. Sämtliche Leistungen hat die Schuldnerin auf dem Betriebsgelände der LFW mit Hilfe der dort installierten Maschinen erbracht. Basis der Zusammenarbeit waren drei Verträge (Zerlegung, Wurstverpackung, Fleisch- und SB-Fleisch-Verpackung), die alle beiderseits mit einer Frist von 3 Monaten kündbar waren. Außerhalb dieser drei Verträge ist die Schuldnerin nicht gewerblich tätig geworden. Die Bezeichnung der Schuldnerin hat in den Folgejahren mehrfach gewechselt, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Kläger trug sie seinerzeit den Namen "LWL GmbH".

3

Der Kläger, polnischer Staatsbürger mit Zweitwohnsitz im hiesigen Bezirk, ist seit dem 15. Dezember 2009 auf dem Betriebsgelände der LFW als Mitarbeiter der Schuldnerin im Bereich der SB-Fleischverpackung tätig. Die Arbeit besteht hier im Kern darin, von der LFW produzierte Fleischwaren in Einheiten zu verpacken, die in Selbstbedienungsmärkten des Einzelhandels verkauft werden können. Gelegentlich wurden die Fleischprodukte – insbesondere während der Grillsaison – vor ihrem Verpacken durch den Kläger und die übrigen Mitarbeiter in dieser Abteilung noch in Marinade eingelegt.

4

Der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der Schuldnerin lautet auszugsweise wie folgt (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Beklagten mit der Klageerwiderung überreichte Kopie, hier Blatt 25 ff, Bezug genommen).

5

"§ 5 Vergütung

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Der/Die Arbeitnehmer(in) erhält einen Brutto-Stundenlohn in Höhe von 6,80 EUR.

7

Dem Arbeitnehmer werden die Kosten der doppelten Haushaltsführung bis zu einem Höchstbetrag von 300,00 EUR ersetzt (Nachweis über Meldung an seinem auswärtigen Wohnsitz muss erbracht werden). Die Erstattung der doppelten Haushaltsführungskosten wird bei Krankheit pro angefangene Woche um je ein Viertel verringert.

8

Das Arbeitsentgelt wird jeweils zum 10. des Folgemonats fällig und erfolgt bargeldlos. Die Gewährung sonstiger Leistungen, soweit diese nicht anderweitig zwingend vorgeschrieben sind, erfolgt freiwillig, mit der Maßgabe, dass auch durch eine wiederholte Zahlung ein Rechtsanspruch für die Zukunft nicht begründet wird. Über-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeiten sind durch das gezahlte Bruttogehalt abgegolten.

9

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, über seine Vergütungen und sonstige Leistungen Stillschweigen zu bewahren...

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§ 9 Geheimhaltung

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Der Arbeitnehmer wird über alle Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers sowie alle sonstigen ihm im Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge des Arbeitgebers Stillschweigen bewahren. Der Arbeitnehmer wird dafür sorgen, dass Dritte nicht unbefugt Kenntnis erhalten. Dies gilt insbesondere für Kalkulations- und Verkaufsunterlagen, Kunden-, Personal- und Vertragsverhältnisse jeder Art. Die Geheimhaltungsverpflichtung gilt auch für Angelegenheiten und Vorgänge, die Geschäftspartner des Arbeitgebers betreffen. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung sämtlicher Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus.

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Ein Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht ist ein wichtiger Grund, der den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung dieses Vertrages berechtigt. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es nicht. Übt der Arbeitgeber in einem Fall das Recht zur fristlosen Kündigung nicht aus, so berührt die das Recht zur außerordentlichen Kündigung in einem Wiederholungsfall nicht. Weitergehende Ansprüche des Arbeitgebers, insbesondere die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, bleiben unberührt. Gegenüber den Ansprüchen des Arbeitgebers, wegen Verstößen gegen diese Geheimhaltungspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht aufrechnen...

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§ 11 Arbeits- und Geschäftsunterlagen

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Die Anfertigung von Aufzeichnungen und Unterlagen aller Art sowie die Überlassung von Arbeitsunterlagen erfolgt ausschließlich zu dienstlichen Zwecken für den dienstlichen Gebrauch. Der Arbeitnehmer wird alle Arbeits- und Geschäftsunterlagen ordnungsgemäß aufbewahren und dafür Sorge tragen, dass Dritte nicht Einsicht – bzw. diese an sich nehmen können. Die vorbezeichneten Gegenstände sind bei Beendigung dieses Vertrages oder bei Freistellung herauszugeben und im Betrieb des Arbeitgebers an diesen zu übergeben. Ein Zurückbehaltungsrecht ist ausgeschlossen. Auf Wunsch des Arbeitgebers wird der Arbeitnehmer ausdrücklich versichern, dass die genannten Gegenstände vollständig herausgegeben und insbesondere keine Abschriften, Kopien oder Mehrstücke behalten zu haben...

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§ 18 Vertragsstrafe

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Tritt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit vertragswidrig nicht an oder beendet er sie vertragswidrig vorzeitig, so wird für jeden angefangenen Monat, in dem der Arbeitnehmer vertragswidrig nicht tätig ist, eine Vertragsstrafe in Höhe von 1/12 eines Jahresverdienstes unter Berücksichtigung sämtlicher Verdienstbestandteile verwirkt. Zugrunde zu legen sind diejenigen Bezüge, die der Arbeitnehmer in dem Vertragsbruch vorausgegangenen 12 Monaten erhalten hat. Hat das Arbeitsverhältnis noch keine 12 Monate bestanden oder noch nicht begonnen, so ist der Betrag zugrunde zu legen, der vertragsmäßig bis zum Ablauf von 12 Monaten bei ordnungsgemäßer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erzielt worden wäre.

17

Die Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe durch den Arbeitnehmer besteht in gleicher Weise, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos kündigt, weil ein wichtiger Grund von Seiten des Arbeitnehmers vorliegt. Weitergehende Ansprüche des Arbeitgebers und insbesondere die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bleiben unberührt. Gegenüber diesen Ansprüchen des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer nicht aufrechnen...

18

§ 21 Abwerbungsklausel

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Während der Dauer der Zusammenarbeit und sechs Monate nach der Durchführung des letzten zwischen den Vertragspartnern geschlossenen Vertrages darf der Arbeitnehmer sich nicht direkt oder indirekt durch einen Auftraggeber der [LWL GmbH] oder durch ein für den Auftraggeber tätiges Unternehmen abwerben lassen und ein Dienstverhältnis begründen. Im Falle des Verstoßes gegen diese Verpflichtung zahlt die verletzende Partei der anderen Partei eine Vertragsstrafe in Höhe eines halbes Netto-Jahresgehalts, das der Mitarbeiter zuletzt bei der anderen Partei erhalten hat, oder in seiner letzten Position erhalten hätte. Weitere Schadensersatzansprüche bleiben unberührt, die Vertragsstrafe wird jedoch hierauf angerechnet."

20

Mit Schreiben vom 19. März 2013 hat die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beim Amtsgericht Schwerin beantragt. Mit Beschluss vom 20. März 2013 hat das Amtsgericht Schwerin sodann den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt (580 IN 66/13). Der Beklagte hat den Betrieb in Zusammenarbeit mit der Schuldnerin zunächst fortgeführt.

21

Dazu hat der Beklagte, weil die Verträge mit LFW nach seinem Dafürhalten nicht mehr auskömmlich waren, schon in der Insolvenzeröffnungsphase Gespräche zur Preisanpassung mit LFW aufgenommen, die allerdings ohne Erfolg blieben. Um die Preisanpassungsgespräche zu fördern, hat der Beklagte ebenfalls noch in der Insolvenzeröffnungsphase im Auftrag der Schuldnerin mit Schreiben vom 25. April 2013 den Auftrag über die Fleischverpackung und die SB-Fleischverpackung zum 31. Juli 2013 gekündigt und weitere Verhandlungen zur Fortführung des Auftrages angeboten (Kopie des Kündigungsschreibens ist als Anlage B 4 zur Akte gelangt, hier Blatt 56 f). Statt des erhofften Verhandlungserfolges hatte die LFW dann allerdings mit Schreiben vom 30. Mai 2013 zum 31. August 2013 ihrerseits auch den letzten noch bestehenden Vertrag über die Fleischzerlegung gekündigt.

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Mit Beschluss vom 1. Juni 2013 hat das Amtsgericht Schwerin das Insolvenzverfahren über das Vermögen der eröffnet und den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte hat auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst versucht, den Betrieb fortzuführen, ihm war es aber auch nach Insolvenzeröffnung nicht gelungen, bessere Preise mit der LFW auszuhandeln. Im Gegenteil. Mit Mail vom 24. Juli 2013 hat die LFW dem Beklagten mitgeteilt, dass eine Fortführung des Auftrages über das Monatsende hinaus ausgeschlossen sei, da die Aufgaben im Bereich der SB-Fleischverpackung ab dem 1. August 2013 von der polnischen Firma W. Sp.z.o.o. (im Folgenden abgekürzt als W. bezeichnet) ausgeführt würden. Weitere Verhandlungen über die Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter wurden dabei abgelehnt (Kopie als Anlage B 7 zur Akte gereicht, hier Blatt 71).

23

Da W. kein eigenes Personal stellen konnte, hat die LFW für die Arbeitnehmer des Beklagten – ohne dessen Einbindung – am 24. Juli 2013 eine Betriebsversammlung durchgeführt, auf der auch Vertreter von W. anwesend waren. Auf dieser Betriebsversammlung erhielten die Arbeitnehmer des Beklagten das Angebot, bei W. zu den bisherigen Konditionen weiterzuarbeiten. Da weder LFW noch W. die Einzelheiten dieser Konditionen kannten, wurden die an der Übernahme interessierten Arbeitnehmer aufgefordert, ihre bisherigen Arbeitsverträge und die letzte Lohnabrechnungen vorzulegen. Der Beklagte war zu dieser Betriebsversammlung nicht eingeladen, allerdings haben seine Arbeitnehmer mit Führungsaufgaben vor Ort daran teilgenommen, beispielsweise der Betriebs- und Produktionsleiter der Herr F., der Leiter der Abteilung Fleischzerlegung Herr A., der kaufmännische Leiter Herr B. sowie die Leiterin des Bereichs SB-Verpackung Frau S..

24

Von den anwesenden Arbeitnehmern haben wohl nahezu alle die Bereitschaft gezeigt, zukünftig unter Regie von W. die bisherigen Arbeiten weiter fortzuführen; dem Gericht ist jedenfalls kein Name eines Arbeitnehmers mitgeteilt worden, der sich für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beklagten entschieden hat.

25

W. seinerseits hat bereits mit Schreiben vom 24. Juli 2013 (Kopie hier Blatt 58) dem Beklagten mitgeteilt, dass man ab August 2013 der neue Subunternehmer für die Fleisch- und SB-Fleisch-Verpackung bei LFW sei und man daran interessiert sei, alle Mitarbeiter des Beklagten in diesem Bereich mit ihren aktuellen arbeitsvertraglichen Bedingungen zu übernehmen. Der Beklagte wurde gebeten, eine Weiterbeschäftigung dieser Arbeitnehmer ab August 2013 durch Abschluss von Aufhebungsverträgen zu ermöglichen.

26

Der Beklagte war zwar grundsätzlich bereit, ein Einvernehmen mit W. zu erzielen, er wollte jedoch, dass W. dafür eine Gegenleistung erbringt, mit der zumindest die Kosten abgegolten werden, die die Schuldnerin in die bei LFW beschäftigten Arbeitnehmer investiert hat (Kosten der Anwerbung und Kosten der Beibringung der Gesundheitszeugnisse und sonstiger Papiere). Ein Einvernehmen konnte nicht erzielt werden, es ist nicht einmal klar, ob es überhaupt ernsthafte Verhandlungen auf das Anschreiben vom 24. Juli 2013 hin gegeben hat.

27

Unter dem 31. Juli 2013 hat W. dann noch die Arbeitnehmer des Beklagten aus dem Bereich Verpackung im Sinne von § 613a Absatz 5 BGB über einzelne Aspekte des nach Auffassung von W. zum 1. August 2013 erfolgenden Betriebsübergangs informiert (Kopie eines solchen Anschreibens ist als Anlage B 2 zur Akte gelangt, hier Blatt 24, es wird Bezug genommen).

28

Der Kläger und seine Kollegen haben ihre Tätigkeit im Bereich der SB-Fleischverpackung wie gewohnt an ihrem bisherigen Arbeitsplatz auch ab August 2013 – nunmehr allerdings für W. – weiter ausgeführt.

29

Der Beklagte hat daraufhin das Arbeitsverhältnis zum Kläger – wie zu allen anderen Mitarbeitern, die ab August 2013 für W. tätig geworden sind – mit Schreiben vom 14. August 2013 (Kopie hier Blatt 4) außerordentlich und fristlos wegen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot und die Verschwiegenheitspflicht sowie wegen Vertragsbruchs gekündigt.

30

Mit seiner am 3. September 2013 beim Arbeitsgericht Schwerin eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die außerordentliche Kündigung zur Wehr gesetzt und Zahlung der offen gebliebenen Vergütung für den Monat Juli 2013 begehrt.

31

Während des Rechtsstreits hat der Beklagte mit außergerichtlichem Schreiben vom 10. Oktober 2013 (Kopie hier Blatt 40) vom Kläger eine Zahlung in Höhe von 8.861,39 EUR gefordert. Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2013 (hier Blatt 51 ff) hat der Beklagte sodann die Vertragsstrafe im Rahmen einer Widerklage in voller Höhe rechtshängig gemacht.

32

Das Arbeitsgericht Schwerin hat mit Urteil vom 29. Januar 2014 (3 Ca 2402/13) der Kündigungsschutzklage und der Lohnzahlungsklage für Juli 2013 stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Den Streitwert hat es auf 18.927,89 EUR festgesetzt.

33

Mit der rechtzeitig eingereichten und rechtzeitig begründeten Berufung hat der Beklagte das arbeitsgerichtliche Urteil teilweise angegriffen, und zwar wegen der Stattgabe der Kündigungsschutzklage, wegen der Höhe des zugesprochenen Julientgelts und wegen der Abweisung der Widerklage, die im Berufungsrechtszug allerdings nur noch in Höhe von 2.500,00 EUR weiter verfolgt wird. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2015 haben sich die Parteien über den Kündigungsschutzantrag und das Julientgelt verglichen, so dass nur noch die (reduzierte) Widerklage rechtshängig ist.

34

Der Beklagte meint, durch das kollusive Zusammenwirken von LFW, W. und seinen ehemaligen Arbeitnehmern und durch den gemeinsam provozierten gesetzlichen Übergang der Arbeitsverhältnisse nach § 613a BGB auf W. ab dem 1. August 2013 sei sein Betrieb als wirtschaftliche Einheit sozusagen über Nacht wertlos geworden. Damit sei eine aussichtsreiche Verhandlungsposition gegenüber LFW zerstört worden, denn wenn die Arbeitnehmer zu ihren Arbeitsverhältnissen zum Insolvenzverwalter gestanden hätten, wäre LFW zur Aufrechterhaltung der Produktion gezwungen gewesen, neue Verträge mit dem Insolvenzverwalter zu besseren Konditionen abzuschließen.

35

An diesem Eingriff in den Gewerbebetrieb sei auch der Kläger mit pflichtwidrigem Verhalten beteiligt gewesen. Durch die Weitergabe seines Arbeitsvertrages und seiner Lohnabrechnungen habe er gegen die Geheimhaltungspflicht aus § 9 des Arbeitsvertrages verstoßen. Außerdem habe er gegen die Abwerbungsklausel aus § 21 des Arbeitsvertrages verstoßen. Schließlich und vor allem habe der Kläger Vertragsbruch begangen, indem er seine Arbeit für den Beklagten ohne ordentliche Kündigung und grundlos zum Ende des Monats Juli 2013 eingestellt habe. Damit habe er die in § 18 des Arbeitsvertrages wirksam verabredete Vertragsstrafe in Höhe 1/12 des Jahresgehaltes verwirkt. 1/12 des Jahresgehalts sei mit 2.500,00 EUR anzusetzen, davon gehe der Kläger selber in seiner Klageschrift in anderem Zusammenhang aus.

36

Durch die Vertragsverstöße sei dem Beklagten ein großer Schaden entstanden, da die Belegschaft das einzige Geschäftspotential des fortgeführten Betriebes dargestellt habe. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass heutzutage eingespielte Teams, die das Verpacken von Fleischprodukten beherrschen, nur schwer zu finden seien. Hätten der Kläger und seine Kollegen zu den Arbeitsverträgen zum Beklagten gestanden, wäre es ein Leichtes gewesen, mit W. einen Preis für den Wunsch nach Übernahme des Personals auszuhandeln, mit dem zumindest die in diesen Belegschaftsteil investierten Kosten in Form der Anwerbekosten und der Kosten der Gesundheitszeugnisse und sonstigen Papiere, die der Beklagte auf ein bis zwei Monatsgehälter pro Arbeitnehmer beziffert, für die Masse hätten gewonnen werden können. Durch den Geheimnisverrat und den anschließenden Vertragsbruch habe der Beklagte auch jegliches Druckmittel in den Vertragsverhandlungen mit LFW verloren. Hätten die Arbeitnehmer zu ihren vertraglichen Pflichten zum Beklagten gestanden, wäre LFW wegen der drohenden Engpässe im Bereich der Fleischverpackung unter Druck geraten und er – der Beklagte – wäre dann in der Lage gewesen, mit LFW bessere Preise für die Leistungen auszuhandeln.

37

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

38

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Schwerin vom 29. Januar 2014 – 3 Ca 2402/13 – den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 2.500,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Erhebung der Widerklage zu zahlen.

39

Der Kläger beantragt,

40

die Berufung zurückzuweisen.

41

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Die arbeitsvertragliche Vertragsstrafenregelung sei schon nach §§ 305 ff BGB unwirksam. Im Übrigen habe er keinen Vertragsbruch begangen, denn er habe seinen Arbeitsvertrag – zu welchem Arbeitgeber er im Einzelnen auch bestanden haben mag – stets vollständig erfüllt.

42

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

43

Die Berufung des Beklagten ist, soweit sie noch zur Entscheidung ansteht, zulässig jedoch nicht begründet.

A

44

Die Berufung ist zulässig. Die notwendige Beschwer im Umfang von mehr als 600,00 EUR für die Berufung (§ 64 Absatz 2 ArbGG) ist rotz Reduzierung des mit der Widerklage geltend gemachten Betrages noch gegeben.

45

Mit der Reduzierung des Widerklageantrages verfolgt der Beklagte denselben Streitgegenstand weiter, eine Klageänderung, also ein Austausch des Streitgegenstandes, kann in der Antragsreduzierung nicht erblickt werden. Die Widerklage hat sich zwar erstinstanzlich auf das Vertragsstrafeversprechen aus § 21 des Arbeitsvertrages gestützt und sie stützt sich nunmehr auf das andere Vertragsstrafeversprechen aus § 18 des Arbeitsvertrages. Darin kann aber keine Auswechslung des Streitgegenstandes erblickt werden, denn es geht einheitlich um das Geschehen in der zweiten Julihälfte 2013, das letztlich dazu geführt hat, dass etliche Arbeitnehmer des Beklagten recht kurzfristig vom Beklagten zu dem neuen Auftraggeber W. gewechselt haben. Ob das vom Beklagten gesehene Fehlverhalten des Klägers sich unter § 21 oder unter § 18 des Arbeitsvertrages subsumieren lässt ist allein eine Frage der rechtlichen Bewertung des Geschehens.

B

46

Die Berufung ist nicht begründet. Dem Beklagten ist es nicht gelungen, die Voraussetzungen für einen Zahlungsanspruch gegen den Kläger aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes oder aus dem Gesichtspunkt einer verwirkten Vertragsstrafe schlüssig darzulegen.

I.

47

Die Widerklage lässt sich nicht auf die arbeitsvertraglichen Vertragsstrafeversprechen gründen.

1.

48

Der Anspruch lässt sich nicht auf das Vertragsstrafeversprechen aus § 18 Absatz 1 des Arbeitsvertrages stützen. Nach § 18 Absatz 1 des Arbeitsvertrags ist der Arbeitnehmer unter anderem zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe 1/12 eines Jahresverdienstes verpflichtet, wenn er die Tätigkeit vertragswidrig vorzeitig beendet. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger seine Tätigkeit für den Beklagten vertragswidrig vorzeitig beendet hat.

49

Der Kläger hat zwar ab August 2013 keine Arbeitsleistungen für den Beklagen mehr erbracht, er war dazu jedoch auch nicht mehr verpflichtet, da sein Arbeitsverhältnis zum selben Zeitpunkt nach § 613a BGB auf W. übergegangen ist. Dadurch hatte der Kläger keine Arbeitspflicht mehr gegenüber dem Beklagten, die er durch Nichtantritt der Arbeit hätte verletzen können.

50

Nach § 613a Absatz 1 BGB gehen die Arbeitsverhältnisse im Falle der Übertragung des Betriebes von dem bisherigen Arbeitgeber auf einen neuen Arbeitgeber per Gesetz automatisch über (Betriebsübergang). Ein Betriebsübergang kann nicht nur durch einen förmlichen Verkauf eines Betriebes bewirkt werden, sondern auch durch alle anderen denkbaren Rechtsgeschäfte, die dazu führen, dass der neue Inhaber des Betriebes im Ergebnis tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, diesen zu führen (vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 59). Das Tatbestandsmerkmal "durch Rechtsgeschäft" aus § 613a BGB wird heute also sehr weit ausgelegt und es dient eigentlich nur noch dazu, hoheitliche Übertragungsakte und Fälle der Gesamtrechtsnachfolge aus dem Anwendungsbereich von § 613a BGB auszuschließen (vgl. BAG 18. August 2011 – 8 AZR 230/10 – AP Nr. 412 zu § 613a BGB = ZInsO 2011, 2083 = NZA 2012, 267).

51

Insbesondere ist es anerkannt, dass § 613a BGB nicht notwendig ein Rechtsgeschäft zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Betriebserwerber voraussetzt (BAG 18. August 2011 aaO). Dies ist beispielsweise in der Rechtsprechung bereits anerkannt für den Fall, dass der Betriebserwerber mit dem Verpächter des Betriebes einen Pachtvertrag abschließt und damit den bisherigen Pächter aus der Rolle als Inhaber des Betriebes verdrängt (BAG 25. Februar 1981 – 5 AZR 991/78 – BAGE 35, 104 = AP Nr. 24 zu § 613a BGB = DB 1981, 1140). In diesem Sinne kann es bei bestimmten Betrieben, den sog. betriebsmittelarmen Betrieben, für einen Betriebsübergang auch ausreichen, wenn der neue Arbeitgeber den nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft durch Abschluss neuer Arbeitsverträge übernimmt (BAG 21. Juni 2012 AP Nr. 434 zu § 613a BGB = NZA-RR 2013, 6).

52

Andererseits stellt die bloße Auftragsnachfolge, die hier aus der Sicht von LFW zwischen dem Beklagten und W. stattgefunden hat, für sich genommen noch keinen Betriebsübergang dar (vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 37). Entscheidend wird vielmehr heute darauf abgestellt, ob eine "wirtschaftliche Einheit" den Inhaber gewechselt hat und der Neuinhaber diese Einheit in gleicher Weise oder zumindest in vergleichbarer Weise wie der Altinhaber für seine wirtschaftlichen Zwecke nutzt, die wirtschaftliche Einheit also ihre Identität, ihren Wiedererkennungswert, wahrt. Entscheidend ist demnach, ob durch die Übernahme des wesentlichen Personals gleichzeitig auch die Arbeitsorganisation und die Betriebsmethoden übernommen werden (vgl. ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 28).

53

Gemessen an diesem Maßstab ist vorliegend die wirtschaftliche Einheit "SB-Fleischverpackung" Anfang August 2013 vom Beklagten auf W. im Sinne von § 613a BGB übergegangen, weil W. den nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft dieser Einheit durch Abschluss neuer Arbeitsverträge übernommen hat.

54

Die Abteilung SB-Fleischverpackung im Betrieb der Schuldnerin, der vom Beklagten fortgeführt wurde, stellt in diesem Sinne eine wirtschaftliche Einheit dar, da mit der Abteilung innerhalb des Betriebes ein eigenständiger Zweck verfolgt wurde, der gegenüber dem Zweck der übrigen Abteilungen (Fleischzerlegung und Wurstverpackung) abgrenzbar ist. Die Abteilung war auch organisatorisch eigenständig gewesen, denn sie wurde von einem nur für diese Abteilung zuständigen Vorgesetzten geführt, was sich unter anderem in Dienstplänen, die nur für diese Abteilung galten, ausdrückt. Dem Bereich der SB-Fleischverpackung war auch ein fester Mitarbeiterstamm zugeordnet, der im Regelbetrieb auch nur dort eingesetzt wurde.

55

W. als Auftragsnachfolger des Beklagten hat auch den nach Anzahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft dieser Einheit übernommen. Das folgt schon daraus, dass W. alle dort eingesetzten Fachkräfte übernommen hat. Das Gericht hat allerdings weder positiv noch negativ festgestellt, ob auch der Vorgesetzte der Abteilung SB-Fleischverpackung von W. übernommen wurde. Die Frage kann dahinstehen. Denn der Wert dieser Einheit besteht auch nach der Auffassung des Beklagten, die er in Zusammenhang mit dem von ihm geltend gemachten Schaden vertritt, nicht in der – auswechselbaren – Führungskraft des Teams, sondern in dem funktionsfähigen und eingespielten Team an sich. Damit steht auch fest, dass mit der Übernahme der Fachkräfte dieser Abteilung der nach Sachkunde wesentliche Teil der Belegschaft nunmehr unter dem neuen Inhaber der Einheit arbeitet.

56

Obwohl dazu nur wenige Informationen vorliegen, muss das Gericht auch davon ausgehen, dass W. diese Einheit in gleicher oder vergleichbarer Weise nutzt wie der Beklagte. Darauf deutet schon der Umstand hin, dass die Arbeit dieser Einheit in den Produktionsprozess bei LFW eingebettet ist und LFW seine Produktionsabläufe mit Eintritt von W. in den Auftrag nicht abgeändert hat. Ergänzend stellt das Gericht darauf ab, dass der Kläger – und auch die Kläger in den zahlreichen Parallelverfahren – ohne Widerspruch des Beklagten schildern, dass sich an der Art und Weise der Arbeit vor und nach dem ersten Arbeitstag bei W. im August 2013 nichts geändert hat.

57

Der damit nach § 613a BGB gegebene Betriebsübergang der Abteilung SB-Fleischverpackung vom Beklagten auf W. kann nicht dadurch ausgeschlossen sein, dass der Betriebsübergang von der Belegschaft im Bereich der SB-Fleischverpackung durch ihr eigenes Verhalten mit provoziert worden ist. Dass die heutige Auslegung des § 613a BGB, die durch die europarechtliche Sichtweise und durch Entscheidungen des EuGH dazu vorgeprägt ist, dazu führen kann, dass es der Betriebserwerber gelegentlich in der Hand hat, durch sein Verhalten ein Betriebsübergang zu bewirken oder auszuschließen, ist bereits mehrfach Gegenstand juristischer Betrachtung gewesen (vgl. nur die Nachweise bei ErfK-Preis § 613a BGB RNr. 39). Dies ist die unausweichliche Folge der Anerkennung des Umstandes, dass ein Betriebsübergang bei den sogenannten betriebsmittelarmen Betrieben – hier vorliegend – auch allein durch Übernahme des wesentlichen Teils der Belegschaft erfolgen kann. Da diese Übernahme im Regelfall durch den Abschluss von Arbeitsverträgen erfolgt, an denen auch die Arbeitnehmer beteiligt sind, gehört es auch zu den vielleicht unerwünschten aber unvermeidlichen Nebeneffekten dieser neuen Rechtsprechung, dass eine Belegschaft, die sich einig ist und auf einen willigen Auftragsübernehmer trifft, tatsächlich in der Lage ist, einen Betriebsübergang zu provozieren.

2.

58

Der mit der Widerklage verfolgte Anspruch lässt sich nicht auf das Vertragsstrafeversprechen aus § 18 Absatz 2 des Arbeitsvertrages stützen. Nach § 18 Absatz 2 des Arbeitsvertrags soll der Arbeitnehmer auch dann zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe 1/12 eines Jahresverdienstes verpflichtet sein, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos kündigt, weil ein wichtiger Grund von Seiten des Arbeitnehmers vorliegt.

59

Die Vertragsstrafenabrede in § 18 Absatz 2 des Arbeitsvertrages ist unwirksam, da sie den Kläger als Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt; das hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Absatz 1 Satz 1 BGB). Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Absatz 1 Satz 2 BGB). Letzteres ist hier der Fall.

60

Wie dem Gericht aus den zahlreichen Parallelverfahren bekannt ist, ist der Arbeitsvertrag der Parteien von der Schuldnerin vorformuliert worden und er wurde in vielen Arbeitsverhältnissen der Schuldnerin zu Grunde gelegt. Bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrages sind daher die §§ 305 ff BGB heranzuziehen.

61

Globale Strafversprechen, die auf die Absicherung aller arbeitsvertraglichen Pflichten zielen, sind wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam (BAG 21. April 2005 – 8 AZR 425/04 – AP Nr. 3 zu § 307 BGB = NZA 2005, 1053 unter Verweis auf BAG 14. Dezember 1988 - 5 AZR 10/88 – und Müller-Glöge in ErfK §§ 339 bis 345 BGB Rn. 15). Eine wirksame Vertragsstrafen-Regelung muss erkennen lassen, welche konkreten Pflichten durch sie tatsächlich gesichert werden sollen. Nur so kann der Arbeitnehmer erkennen, was gegebenenfalls "auf ihn zukommt" (BAG 21. April 2005 aaO; BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - NZA 2005, 465). Soll beispielsweise die Vertragsstrafe verwirkt sein bei "schuldhaft vertragswidrigem Verhalten" handelt es sich um eine unwirksame Klausel, da sie ohne nähere Konkretisierung der Pflichtenlage nicht die nötige Warnfunktion enthält und im Übrigen wegen des Strafcharakters der Vertragsstrafe auch rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genügt (BAG 21. April 2005 aaO).

62

Gemessen an diesem Maßstab ist die vorliegende Vertragsstrafenabrede mangels ausreichender Bestimmtheit unwirksam. Die Verwirkung der vereinbarten Vertragsstrafe, "wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos kündigt, weil ein wichtiger Grund von Seiten des Arbeitnehmers vorliegt", ist nicht klar und verständlich, weil die Pflichtverletzungen, die die Vertragsstrafe auslösen, nicht hinreichend bestimmt sind. Die vereinbarte Vertragsstrafe muss nämlich nicht nur die zu leistende Strafe, sondern auch die sie auslösende Pflichtverletzung so klar bezeichnen, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann (BAG 21. April 2005 aaO).

63

Im Übrigen ist die vorliegende Vertragsstrafenregelung hinsichtlich des Verwirkungsgrundes zu weit gefasst und damit auch als solche inhaltlich unangemessen. Da die Vertragsstrafenregelung einseitig nur an Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zu Gunsten des Arbeitgebers anknüpft, muss die Verwirkung der Vertragsstrafe nach Treu und Glauben den Interessen beider Arbeitsvertragsparteien gerecht werden. Ist erkennbar, dass die Vertragsstrafe in erster Linie zur bloßen Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Verwenders losgelöster Geldforderungen eingesetzt wird, fehlt es am berechtigten Interesse des Arbeitgebers (BAG 21. April 2005 aaO unter Verweis auf Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag II V 30 Rn. 28 und im Anschluss an BGH 23. Januar 2003 - VII ZR 210/01 - BGHZ 153, 311, 324 = NJW 2003, 1805; 18. November 1982 - VII ZR 305/81 - BGHZ 85, 305, 313 f. = NJW 1983, 385).

3.

64

Der Anspruch lässt sich auch nicht auf das weitere Vertragsstrafeversprechen in § 21 des Arbeitsvertrages ("Abwerbungsklausel") stützen.

65

Nach § 21 des Arbeitsvertrages soll der Arbeitnehmer ein halbes Netto-Jahresgehalt Vertragsstrafe zahlen, wenn er sich durch den Auftraggeber der Schuldnerin – hier also LFW – oder durch ein für den Auftraggeber tätiges Unternehmen – hier beispielsweise W. – abwerben lässt und dort ein Dienstverhältnis begründet.

66

Diese Vertragsklausel ist unwirksam, weil sie den Arbeitnehmer im Sinne von § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch steht es dem Arbeitnehmer jederzeit frei, sein Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen oder gegebenenfalls der vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen zu beenden. Das gilt insbesondere auch dann, wenn er für sich entschieden hat, zukünftig für den Auftraggeber seines Arbeitgebers tätig zu werden oder für ein Unternehmen, das mit dem Auftraggeber des Arbeitgebers Geschäftsbeziehungen pflegt. Diese Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers ist Ausdruck seiner grundgesetzlich verbürgten Berufsausübungsfreiheit (Artikel 12 GG).

67

Von diesem Modell eines Arbeitsvertrages weicht § 21 des hier streitigen Arbeitsvertrages unangemessen zu Lasten des Arbeitnehmers ab, denn dort wird dem Arbeitnehmer eine Einschränkung seiner Freiheit, sich seinen Arbeitgeber frei auszusuchen, vorgesehen, ohne dass der Arbeitnehmer für diese Einschränkung seiner Freiheit angemessen entschädigt wird. Nach Überzeugung des Gerichts steht die Klausel einem entschädigungslosen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot gleich, denn das Verbot erstreckt sich nicht nur auf den Moment der Abwerbung, sondern auch auf die Zeit des danach entstehenden Arbeitsverhältnisses.

68

Eine weitere unangemessene Benachteiligung des Klägers ist darin zu sehen, dass die Höhe der verabredeten Vertragsstrafe eine offensichtliche Übersicherung des Arbeitgebers bewirkt. Selbst wenn man zu Gunsten des Beklagten seine Andeutungen zu den notwendigen Kosten, die durch die Anwerbung des Personals und die Besorgung der notwendigen Papiere entstehen, als substantiierten Parteivortrag zu Grunde legt, gelangt man nach den eigenen Angaben des Beklagten allenfalls zu Kosten in Höhe von ein bis zwei Bruttomonatsgehältern pro Arbeitnehmer. Bei dem im Arbeitsverhältnis der Parteien gezahlten Lohn können diese Kosten also maximal mit rund 4.000 EUR zu Buche geschlagen haben. Die in § 21 des Arbeitsvertrages vorgesehene Vertragsstrafe in Höhe einen halben Netto-Jahresgehalts ist demgegenüber unverhältnismäßig zu hoch. Erstinstanzlich hatte der Beklagte diesen Betrag auf rund 8.850 EUR beziffert und entsprechend eingeklagt. Das wäre mehr als doppelt so viel wie das freundlich geschätzte legitime Kosteninteresse des Arbeitgebers allenfalls betragen kann. Damit benachteiligt es den Arbeitnehmer unangemessen.

II.

69

Der Beklagte hat gegen den Kläger auch keinen Anspruch auf Schadensersatz.

70

Für diese Feststellung kann hier zu Gunsten des Beklagten unterstellt werden, dass der Kläger gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Absatz 2 BGB) verstoßen hat, indem er sich bereit erklärt hat, ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, die Arbeitsleistung für den Beklagten mit Ablauf des Juli 2013 einzustellen. Denn es ist nicht erkennbar, welcher Schaden dem Beklagten dadurch entstanden sein soll.

71

Der Beklagte macht geltend, wenn die Belegschaft zu ihm gestanden hätte, hätte er bessere Bedingungen bei LFW aushandeln können. Demnach sieht der Beklagte insoweit seinen Schaden in einem Gewinn, der ihm aufgrund des Fehlverhaltens des Klägers und anderer Arbeitnehmer entgangen ist. Entgangener Gewinn kann nach § 252 BGB aber nur dann als Schaden geltend gemacht werden, wenn er "nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge" mit Wahrscheinlichkeit entstanden wäre, oder wenn dies aufgrund "getroffener Anstalten und Vorkehrungen" zu erwarten gewesen wäre. Weder das eine noch das andere lässt sich feststellen.

72

Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge im Sinne von § 252 BGB war nicht damit zu rechnen, dass es dem Beklagten gelingen könnte, nochmals in Vertragsgespräche mit LFW einzutreten und diese auch noch erfolgreich in seinem Sinne abzuschließen.

73

Bei allem Respekt für den Einsatz des Beklagten für eine bessere Vergütung der erbrachten Leistung durch LFW muss doch festgehalten werden, dass der Kampf um bessere Preise unabhängig von der Entwicklung, die schließlich den Betriebsübergang bewirkt hatte, bereits seit etwa Mitte Juli 2013 verloren war. LFW hatte die Verhandlungen über die Weiterführung des Auftrages als beendet erklärt, was angesichts der Gesamtumstände auch nicht zu verwundern vermag. Das unternehmerische Konzept, Teilleistungen aus dem eigenen Produktionsprozess auszugliedern und per Werk- oder Dienstvertrag von Dritten erledigen zu lassen, dient bekanntermaßen in erster Linie dem Ziel, die unternehmerischen Kosten zu senken. Und diese Kostensenkung wird auch dadurch ermöglicht, dass man versucht, die für den Hauptunternehmer tätigen Subunternehmer austauschbar zu halten, damit deren Erwartungen von den eigenen Einkommensmöglichkeiten nicht zu optimistisch werden. Wenn nun ein Insolvenzverwalter in der Position des Subunternehmers den Mut zeigt, sich den Preisvorgaben des Hauptunternehmers entgegen zu stellen, darf er sich nicht wundern, wenn dieser – vielleicht sogar gegen die wirtschaftliche Vernunft handelnd – auf jeden Fall versuchen wird, diese Rechtsbeziehung schnellstmöglich und endgültig zu beenden.

74

Das Gericht kann auch nicht feststellen, dass der dem Beklagten entgangene Gewinn aufgrund "getroffener Anstalten und Vorkehrungen" mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

75

Es mag ein eingängiges Bild sein, wenn der Insolvenzverwalter meint, dadurch, dass seine Leistungen für LFW am Anfang und am Ende des Produktionsprozesses stünden, sei er in der Lage gewesen, das für erfolgreiche Verhandlungen mit LFW notwendige Druckpotential aufzubauen. Nüchtern betrachtet, handelt es sich insoweit nicht einmal um substantiierten Parteivortrag zu "getroffenen Anstalten und Vorkehrungen" im Sinne von § 252 BGB, denn es ist weder ersichtlich, dass LFW tatsächlich auf die Arbeitnehmer des Beklagten angewiesen war, noch ist erkennbar, welche Wirtschaftskraft der Beklagte seinerzeit noch hatte, um dem Druck, der durch die Verhandlungsphase ohne Fortführung der Aufträge entsteht, überhaupt Stand zu halten. Das Gericht hält es jedenfalls nicht für wahrscheinlich, dass der Beklagte, Insolvenzverwalter für ein Unternehmen, das wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung Insolvenz anmelden musste, in der Lage gewesen wäre, die Löhne seiner Arbeitnehmer in der erhofften Verhandlungsphase nach Ablauf des Auftrages zum Monatsende Juli 2013 weiter zu zahlen, bis diese Verhandlungsphase erfolgreich abgeschlossen sein würde. Statt von entgangenem Gewinn zu sprechen, liegt es nach Überzeugung des Gerichts näher, von Aufwendungen zu sprechen, die dem Beklagten durch den Übergang der Arbeitsverhältnisse auf W. erspart geblieben sind.

C

76

Die Kosten der Berufung hat der Beklagte als die unterlegene Partei zu tragen (§ 98 ZPO).

77

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG liegen nicht vor.

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