Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3. Kammer) - 3 Sa 310/12


Tenor

Die Klage wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Im Vorprozess der Parteien nahm die Klägerin mit ihrer beim Arbeitsgericht Mainz erhobenen Klage den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 240.000,00 EUR in Anspruch. Das Arbeitsgericht Mainz wies die Klage durch das am 12. Januar 2006 - 2 Ca 3602/03 - verkündete Urteil ab. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Schadensersatzanspruch in Höhe von 179.000,00 EUR weiterverfolgte, wurde vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 24. November 2006 - 8 Sa 165/06 - zurückgewiesen. Das vorgenannte Urteil wurde beiden Parteien am 22. Februar 2007 zugestellt und ist mit Ablauf der einmonatigen Frist für die - nicht eingelegte - Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig geworden.

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Der Beklagte wurde vom Amtsgericht Koblenz mit Urteil vom 16. Januar 2012 - 2050 Js 2932/04.26 Ls - wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, falscher Verdächtigung, versuchten Betrugs sowie Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dieses Strafurteil, das bzgl. des Beklagten seit dem 26. Januar 2012 rechtskräftig ist, wurde den anwaltlichen Vertretern der Klägerin von der Staatsanwaltschaft Koblenz mit Schreiben vom 01. Juni 2012 übersandt und ist bei diesen am 05. Juni 2012 eingegangen.

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Mit ihrer am 05. Juli 2012 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Restitutionsklage begehrt die Klägerin die Aufhebung der rechtskräftigen Urteile des Arbeitsgerichts Mainz vom 12. Januar 2006 - 2 Ca 3602/03 - sowie des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 2006 - 8 Sa 165/06 - und die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 240.000,00 EUR.

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Die Klägerin trägt vor, durch das Strafurteil sei erwiesen, dass der Beklagte sich der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr strafbar gemacht habe und daher ihr zum Schadensersatz aus §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 299 Abs. 1, 300 Nr. 1 und 2 StGB in Höhe der überhöhten Rechnungen von 240.000,00 EUR, mindestens aber in Höhe des von ihm erlangten Betrages von 179.000,00 EUR verpflichtet sei. Durch sein wahrheitswidriges Bestreiten im Vorprozess habe sich der Beklagte zudem des Betruges nach § 263 StGB strafbar gemacht, wie ebenfalls im Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 16. Januar 2012 erkannt worden sei. Die im Vorprozess ergangenen Urteile würden daher nach § 580 Nr. 4 ZPO mit der Restitutionsklage angefochten. Auch wenn im Vorprozess unstreitig geworden sei, dass der Beklagte den angeführten Betrag von insgesamt 179.000,00 EUR erhalten habe, seien gleichwohl aufgrund des Vortrags des Beklagten die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr streitig geblieben. Dieses Bestreiten habe dazu geführt, dass das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 24. November 2006 einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 823 Abs. 2 BGB verneint habe. Der Beklagte habe mit seinem Hinweis auf die Frist des § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO übersehen, dass diese Vorschrift für die Schadensersatzklage aus § 826 BGB nicht gelte. Für den Fall, dass das Landesarbeitsgericht für die erhobene Klage nicht zuständig sei, werde hilfsweise die Abgabe des Verfahrens an das dann zuständige Arbeitsgericht Mainz beantragt und für diesen Fall die Klage auf § 826 BGB gestützt. Die erhobene Klage sei jedenfalls unter dem rechtlichen Aspekt einer Klage aus § 826 BGB als Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 299 Abs. 1, 300 Nr. 1 und 2 StGB begründet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 05. Juli 2012 und die Schriftsätze der Klägerin vom 24. Juli 2012 und 30. August 2012 verwiesen.

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Die Klägerin beantragt,

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das rechtskräftige Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 2006 - 8 Sa 165/06 - und das rechtskräftige Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 12. Januar 2006 - 2 Ca 3602/03 - aufzuheben,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 240.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit des Rechtsstreits Arbeitsgerichts Mainz - 2 Ca 3602/03 - zu zahlen,
und hilfsweise,
den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Mainz abzugeben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er erwidert, die vorliegende Restitutionsklage sei gem. § 586 Abs. 2 S. 2 ZPO verfristet und dementsprechend abzuweisen. Er widersetze sich dem Antrag der Klägerin, den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Mainz abzugeben. Die Klägerin habe keine "Schadensersatzklage aus § 826 BGB" erhoben und könne im Rahmen der funktionellen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auch keinen allgemein-rechtlichen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB verfolgen. Im Übrigen habe die Klägerin auch keinen Restitutionsgrund im Sinne von § 580 ZPO vorgetragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 16. Juli 2012, 17. Juli 2012 und 28. September 2012 verwiesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unzulässig.

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1. Die von der Klägerin erhobene Restitutionsklage hat die in § 586 Abs. 2 S. 2 ZPO normierte Ausschlussfrist nicht gewahrt.

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a) Nach § 586 Abs. 2 S. 2 ZPO ist die Restitutionsklage nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tag der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, unstatthaft.

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Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 2006 - 8 Sa 165/06 -, durch das die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 12. Januar 2006 - 2 Ca 3602/03 - zurückgewiesen worden ist, ist nach der am 22. Februar 2007 erfolgten Urteilszustellung mit Ablauf der einmonatigen Frist (zum 22. März 2007) für die - nicht eingelegte - Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig geworden. Danach hat die erst am 05. Juli 2012 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangene Restitutionsklage die fünfjährige Ausschlussfrist des § 586 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht gewahrt, so dass sie gem. § 589 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen ist.

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b) Anders als die einmonatige Klagefrist des § 586 Abs. 1 ZPO, die gem. § 586 Abs. 2 S. 1 ZPO erst mit Kenntnis der Partei vom Anfechtungsgrund beginnt, greift die fünfjährige Ausschlussfrist des § 586 Abs. 2 S. 2 ZPO unabhängig von der Kenntnis ein.

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Bei der fünfjährigen Ausschlussfrist des § 586 Abs. 2 S. 2 ZPO handelt es sich um eine absolute Höchstfrist, die auch im Falle des § 580 Nr. 4 ZPO gilt und - ungeachtet einer noch ausstehenden strafrechtlichen Verurteilung (§ 581 ZPO) - ohne jedes Verschulden des Klägers verstreichen kann, etwa weil die Straftat zu spät entdeckt bzw. ein rechtzeitig in Gang gesetztes Strafverfahren nicht vor Fristablauf zum rechtskräftigen Abschluss gebracht wird (BGH 27. März 1968 - VIII ZR 141/65 - BGHZ 50, 115 = NJW 1968, 1275; Zöller ZPO 27. Aufl. § 586 Rn. 15; vgl. auch Eufach0000000031isches OLG 08. November 2005 - 3 U 90/04 - [juris]). Im Streitfall war das Strafverfahren bzgl. des Beklagten bereits seit dem 26. Januar 2012 und damit sogar noch vor Ablauf der Fünfjahresfrist rechtskräftig abgeschlossen. Dass die Klägerin bzw. deren anwaltlicher Vertreter hiervon erst am 05. Juni 2012 Kenntnis erlangt hat, ist unerheblich, weil die Ausschlussfrist des § 586 Abs. 2 S. 2 ZPO unabhängig von der Kenntnis eingreift.

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c) Soweit die Klägerin darauf verwiesen hat, dass § 586 Abs. 2 S. 2 ZPO für die "Schadensersatzklage aus § 826 BGB" nicht gelte, ändert dies nichts daran, dass die von der Klägerin erhobene Restitutionsklage der fünfjährigen Ausschlussfrist des § 586 Abs. 2 S. 2 ZPO auch dann unterliegt, wenn die von der Rechtsprechung des BGH aufgestellten Voraussetzungen für eine Klage aus § 826 BGB erfüllt sein sollten. Nach der Rechtsprechung des BGH gibt § 826 BGB - unabhängig von der Restitutionsklage nach § 580 ZPO - unter engen Voraussetzungen die Möglichkeit, klageweise gegen unrichtige, weil sittenwidrig herbeigeführte oder ausgenutzte rechtskräftige Urteile vorzugehen mit dem Ziel, unter Durchbrechung der Rechtskraft solcher Urteile den vermögensrechtlichen Zustand herzustellen, wie er bei richtiger Entscheidung entstanden wäre (vgl. BGH 27. März 1968 - VIII ZR 141/65 - BGHZ 50, 115 = NJW 1968, 1275). Diese Rechtsprechung geht davon aus, dass die genannten Urteile zunächst Rechtskraft erlangen. Demzufolge kann eine gegen sie gerichtete Restitutionsklage an der fünfjährigen Ausschlussfrist des § 586 Abs. 2 S. 2 ZPO scheitern (BVerwG 08. Juni 1990 - 5 B 41/90 - Rn. 4, [juris]).

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2. Die beim Landesarbeitsgericht erhobene Klage ist auch insoweit unzulässig, als sie von der Klägerin auf § 826 BGB gestützt worden ist.

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a) Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz ist als Berufungsgericht für die vorliegende Restitutionsklage, die die Klägerin mit Schriftsatz vom 05. Juli 2012 ausdrücklich als solche erhoben hat, gem. § 584 ZPO ausschließlich zuständig. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin über die von ihr erhobene Restitutionsklage hinaus nach ihrer Klagebegründung auch eine Schadensersatzklage aus § 826 BGB erhoben hat, fehlt es jedenfalls an der funktionellen Zuständigkeit des Landesarbeitsgerichts.

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Die nach der besonderen Regelung in § 584 Abs. 1 ZPO begründete ausschließliche Zuständigkeit des Landesarbeitsgerichts als Berufungsgericht bezieht sich nur auf die vorliegende Restitutionsklage und gilt nicht etwa auch für eine Schadensersatzklage aus § 826 BGB, für die vielmehr das Arbeitsgericht zuständig wäre. Die Restitutionsklage zielt auf die Beseitigung des rechtskräftigen Urteils und die Neuverhandlung der Sache. Nur für den Fall, dass ein Berufungsgericht in der Sache entschieden hat, soll auch für die Wiederaufnahmeklage das Berufungsgericht ausschließlich zuständig sein und etwaige Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens im erneuerten Berufungsverfahren beheben. Demgegenüber ist das Ziel einer auf § 826 BGB gestützten Schadensersatzklage nicht die Aufhebung des Urteils und dessen Ersetzung durch ein neues Urteil, also die Wiedereröffnung des Rechtsstreits. Vielmehr stellt die sachlich-rechtliche Klage aus § 826 BGB den Bestand des Urteils nicht in Frage, sondern räumt lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen die Möglichkeit ein, den durch das bestehende Urteil und seine Rechtsfolgen verursachten Schaden vermögensrechtlich auszugleichen (BGH 27. März 1968 - VIII ZR 141/65 - BGHZ 50, 115 = NJW 1968, 1275). Die sich aus § 584 Abs. 1 ZPO ergebende besondere Zuständigkeit des Berufungsgerichts für die Restitutionsklage kann in Anbetracht ihrer anderen Zielrichtung nicht auf eine Schadensersatzklage aus § 826 BGB erstreckt werden. Dementsprechend fehlt es für eine Schadensersatzklage aus § 826 BGB jedenfalls an der funktionellen Zuständigkeit des Landesarbeitsgerichts (vgl. Eufach0000000031isches OLG 08. November 2005 - 3 U 90/04 - Rn. 40 und 41, [juris]).

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b) Auch dem hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin auf Abgabe des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Mainz kann nicht entsprochen werden.

22

§ 48 Abs. 1 ArbGG ermöglicht ebenso wie § 281 ZPO keine Verweisung von einem funktionell unzuständigen (Berufungs-)Gericht an das zuständige Gericht (vgl. zu § 281 ZPO: BGH 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95 - NJW-RR 1997, 55; Zöller ZPO 27. Aufl. § 281 Rn. 4). Im Hinblick darauf, dass es für eine Schadensersatzklage an der funktionellen Zuständigkeit des Landesarbeitsgerichts als Berufungsgericht fehlt, kommt eine Verweisung im vorliegenden Fall nicht in Betracht (vgl. Eufach0000000031isches OLG 08. November 2005 - 3 U 90/04 - Rn. 42, [juris]).

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

24

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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