Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3. Kammer) - 3 Sa 446/13

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Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 21.08.2013, Az.: 10 Ca 370/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis, oder aber als Sub-unternehmer - und damit als selbständiges dienstvertragliches Verhältnis zu werten ist, sowie über die Beendigung dieses Rechtsverhältnisses.

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Der Kläger war ab dem 04.02.2013 für den Beklagten als Lkw-Fahrer im Güterverkehr tätig. Diese Tätigkeit verrichtete er unter Verwendung eines Lkws des Beklagten.

3

Am Freitag, den 08.02.2013, war der Kläger im Auftrag des Beklagten unterwegs, unter anderem um Ladung in Antwerpen bei der Firma X aufzunehmen. Aufgrund einer Brückensperrung in Antwerpen hat der Kläger die Firma X jedoch nicht rechtzeitig erreicht. Diesbezüglich fand ein Telefongespräch mit dem Beklagten statt, dessen Inhalt von den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits unterschiedlich dargestellt wird. Jedenfalls ist der Kläger sodann, ohne zu laden, mit dem leeren Lkw nach A-Stadt zurückgefahren und hat den Lkw dort abgestellt. Nachfolgend fand ein weiteres Telefongespräch am 11.02.2013 zwischen den Parteien statt, dessen Inhalt sie wiederum unterschiedlich darstellen.

4

Am 18.02.2013 richtete der Beklagte ein Schreiben mit im Wesentlichen folgenden Inhalt an den Kläger:

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"

Sehr geehrter Herr C.,
am 11.02.2013 habe ich Ihnen telefonisch mitgeteilt, dass es keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit mehr gibt und Diese auch beendet. Die Gründe hierfür sind Ihnen bekannt. Deshalb habe ich mit Verwunderung Ihr Fax vom 12.02.2013 zur Kenntnis genommen.

"

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Hinsichtlich des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl. 4 d. A. Bezug genommen.

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Mit Schreiben vom 10.04.2013, dem Kläger zugegangen am 11.04.2013, hat der Beklagte vorsorglich dem Kläger zum 15.05.2013 gekündigt.

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Am 01.03.2013 hat der Kläger bei der Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts Mainz Klage erhoben und folgenden Antrag angekündigt:

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Es wird festgestellt, dass das seit dem 04.03.2013 bestehende Arbeitsverhältnis aufgelöst worden ist.

10

Der Kläger hat vorgetragen,
mit dem Beklagten sei zunächst telefonisch eine Beschäftigung auf selbständiger Basis mit einer Vergütung von 160,00 EUR täglich zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart worden. Dies sei auch noch einmal Gegenstand eines Gesprächs in einer Weinstube zwischen dem Beklagten und dem Kläger am 02.02.2013, an dem ausschließlich die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits teilgenommen hätten, gewesen. Bei Arbeitsantritt am 04.02.2013 habe der Beklagte dann aber mitgeteilt, eine Beschäftigung auf selbständiger Basis sei nicht möglich, weil er am Wochenende diesbezüglich von einem Bekannten Informationen erhalten habe anlässlich einer Betriebsprüfung, wonach er Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen habe.

11

Der Beklagte habe zunächst 1.800,00 EUR angeboten. Man habe sich dann auf 2.500,00 EUR brutto monatlich zuzüglich 30,00 EUR Tagesspesen geeinigt. Außerdem sei vereinbart worden, dass der Kläger am 11.02.2013, an dem einen Gerichtstermin in S. wahrzunehmen gehabt habe, nicht fahren müsse.

12

Der Kläger hat beantragt,

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festzustellen, dass das seit dem 04.02.2013 bestehende Arbeitsverhältnis erst zum 15.05.2013 sein Ende gefunden hat.

14

Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

16

Der Beklagte hat vorgetragen,
die maßgeblichen Vereinbarungen der Parteien seien am 02.02.2013 vor Ort in A-Stadt und nicht telefonisch besprochen worden. Die Gespräche hätten in Anwesenheit der Zeugin A. in der Weinstube des Beklagten stattgefunden. Der Beklagte habe dem Kläger zunächst die Tätigkeit als Minijobber angeboten. Dies habe der Kläger jedoch abgelehnt und auf einer selbständigen Tätigkeit bestanden. Vereinbart worden sei dann, der Kläger solle für eine Woche ab dem 04.02.2013 für den Beklagten auf selbständiger Basis zu 160,00 EUR pro Tag zuzüglich Mehrwertsteuer tätig werden. Eine arbeitsvertragliche Vereinbarung bezogen auf eine Vergütung in Höhe von 2.500,00 EUR nebst Spesen sei nicht getroffen worden.

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Ebenfalls sei keineswegs vereinbart worden, dass der Kläger am 11.02.2013 arbeitsfrei habe. Daran sei der Beklagte nicht interessiert gewesen, weil der Kläger nur für eine Woche ab dem 04.02.2013 habe fahren sollen. Denn Herr P., der üblicherweise als selbständiger Fahrer für den Beklagten tätig sei, habe gerade in dieser Woche nicht zur Verfügung gestanden.

18

Am 08.02.2013 habe der Kläger die Firma X nicht rechtzeitig erreicht, da er entgegen der Vorgabe des Beklagten eine andere und damit falsche Route gefahren sei. Der Kläger habe sich folglich an die Vorgaben des Beklagten nicht gehalten. Darüber hinaus habe er die Firma X auch deswegen nicht rechtzeitig erreicht, weil er sich entgegen der Anweisung des Beklagten erst eine halbe Stunde später auf den Weg gemacht habe. Als der Kläger telefonischen Kontakt zu dem Beklagten am 08.02.2013 wegen der Vollsperrung aufgenommen habe, habe der Beklagte dem Kläger deutlich zu verstehen gegeben, der Lkw solle in Antwerpen stehen bleiben, er werde sich kurzfristig um einen Mietwagen bemühen. Der Kläger habe sich jedoch stattdessen über die Anweisung des Beklagten hinweg gesetzt und sei mit dem Lkw zurück nach A-Stadt gefahren.

19

Der Kläger hat dazu erwidert:

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Weder sei eine Minijobvereinbarung Gegenstand der Vertragsgespräche mit dem Beklagten gewesen, noch sei darüber gesprochen worden, dass die Tätigkeit irgendwie befristet sei.

21

Der Beklagte habe am 11.02.2013 im Übrigen in dem Telefongespräch auf die Nachfrage, wann er seine Tätigkeit fortsetzen solle, nur mit Schadensersatzforderungen gedroht und sodann den Hörer aufgelegt.

22

Das Arbeitsgericht Mainz hat daraufhin durch Urteil vom 21.08.2013 - 10 Ca 370/13 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 15.05.2013 fortbestanden hat. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf S. 64 bis 74 d. A. Bezug genommen.

23

Gegen das ihm am 24.09.2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte durch am 21.10.2013 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 23.12.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 19.11.2013 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 24.12.2013 einschließlich verlängert worden war.

24

Der Beklagte wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die zwischen den Parteien getroffene Abrede sei von vornherein darauf gerichtet gewesen, dass der Kläger für den Beklagten lediglich eine Arbeitswoche lang tätig werden solle. Das insoweit zustande gekommene Vertragsverhältnis könne nicht als Arbeitsverhältnis qualifiziert werden. Zumindest aber habe ein etwaig zwischen den Parteien zustande gekommenes Arbeitsverhältnis durch Befristungsablauf sein Ende gefunden. Die Gespräche am 02.02.2013 in der Weinstube der Mutter des Beklagten sei eine bereits im Sommer 2012 im Internet und in der Zeitung geschaltete Anzeige des Beklagten, wonach er einen Aushilfsfahrer suche. Daraufhin habe sich der Kläger gemeldet. Nachdem der Beklagte aufgrund eines Krankheitsfalls ab Januar 2013 einen Lkw von Aushilfsfahrern habe führen lassen müssen, sei Herr P. in der Woche vom 04. bis 11.02.2013 nicht verfügbar gewesen. Lediglich für diesen Zeitraum habe der Beklagte einen anderen Aushilfsfahrer gesucht. Dadurch sei der Kontakt zwischen den Parteien zustande gekommen. Dabei habe er dem Kläger gegenüber geäußert, dass er für ihn - dem Beklagten - nur in der Woche vom 04.02.2013 bis zum 09.02.2013 fahren solle, weil ab Montag, den 11.02.2013, wieder ein anderer Fahrer zur Verfügung stehe. Der Kläger habe mitgeteilt, dass für ihn nur eine Tätigkeit auf selbständiger Basis in Betracht komme. Über den 09.02.2013 hinausgehende Beschäftigung sei zu keinem Zeitpunkt gesprochen worden. Ab dem 11.02.2013 sei der fragliche Lkw dann noch weder durch den Zeugen P. geführt worden.

25

Dass die Befristungsabrede insoweit lediglich mündlich getroffen worden sei, sei unbeachtlich. Denn die damit einhergehende Formnichtigkeit sei geheilt, weil der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Befristung nicht rechtzeitig geltend gemacht habe.

26

Zur weiteren Darstellung des streitigen Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 23.12.2013 (Bl. 110 bis 117 d. A.) und auf den Schriftsatz vom 31.01.2014 (Bl. 129, 130 d. A.) Bezug genommen.

27

Der Beklagte beantragt,

28

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 21.08.2013, 10 Ca 370/13, abzuändern und die Klage abzuweisen.

29

Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

31

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, zwischen den Parteien habe es keine Befristungsabrede gegeben. Der Beklagte habe auch zu keinem Zeitpunkt die Befristung eines Arbeitsverhältnisses behauptet. Denn hinsichtlich des von ihm dargestellten Gespräches am 02.02.2013 in der Weinstube seiner Mutter trage er selbst vor, man habe nicht über ein Arbeitsverhältnis, sondern über eine selbständige Tätigkeit verhandelt. Darüber hinaus habe der Kläger im vorliegenden Verfahren von Anfang an eine Befristungsabrede selbst generell abgestritten.

32

Zur weiteren Darstellung des tatsächlichen Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 13.01.2014 (Bl. 126, 127 d. A.) Bezug genommen.

33

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

34

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 24.02.2014.

Entscheidungsgründe

35

I. Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

36

II. Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

37

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die Feststellung verlangen kann, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 15.05.2013 (fort-)bestanden hat.

38

Hinsichtlich der zutreffenden vom Arbeitsgericht angenommenen Rechtswegzuständigkeit, die von beiden Parteien im Berufungsverfahren nicht in Abrede gestellt wird, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 6 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 68 d. A.) Bezug genommen.

39

Mit dem Arbeitsgericht ist es weiterhin davon auszugehen, dass für die zutreffend erhobene Feststellungsklage ein hinreichendes Rechtsschutzbedürfnis im Sinne des § 256 ZPO gegeben ist.

40

Der Kläger hat in der Klageschrift vorgetragen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis vereinbart worden sei; eine Kündigung sei nicht, insbesondere, insbesondere auch nicht schriftlich, gegeben.

41

Dies trifft zu und wird von dem Beklagten letztlich auch nicht in Abrede gestellt. Das Schreiben des Beklagten vom 18.02.2013 (Bl. 4 d. A.) kann nämlich keineswegs als Kündigung des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien, insbesondere das Arbeitsverhältnisses ausgelegt und verstanden werden (§§ 133, 157 BGB).

42

Denn für den Inhalt einer Kündigung gilt der Grundsatz der Kündigungsklarheit und Eindeutigkeit. Mängel des Kündigungsverhaltens - mündlich oder schriftlich - gehen zu Lasten des die Kündigung Aussprechenden, vorliegend also des Be-klagten.

43

Im Verfahren vom 18.02.2013 kommt ein eigenständiger Beendigungswille des Beklagten nicht zum Ausdruck; der Beklagte ging vielmehr erkennbar davon aus, eine Kündigung sei nicht (mehr) erforderlich. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (S. 7 = Bl. 69 d. A.) Bezug genommen.

44

Falls bereits am 11.02.2013 eine mündliche Kündigung ausgesprochen worden sein sollte, wäre dies vom allgemeinen Feststellungsantrag des Klägers gemäß § 256 Abs. 1 ZPO umfasst. Ein besonderer Kündigungsschutzantrag nach § 4 KSchG - unter Einhaltung der gesetzlichen dreiwöchigen Klagefrist - ist demgegenüber nicht erforderlich. Die Anwendbarkeit des § 4 KSchG setzt nämlich eine schriftliche Kündigung voraus (§ 623 BGB), an der es vorliegend fehlt.

45

Der Klageantrag erfasst auch den Streit darüber, ob überhaupt eine Befristung vorliegt. Denn dann ist § 17 TzBfG nicht einschlägig, weil die Auseinandersetzung nicht die Rechtsunwirksamkeit der Befristung an sich betrifft, sondern der Existenz (BAG 20.02.2002 NZA § 17 TzBfG Nr. 1).

46

Mit dem Arbeitsgericht ist des Weiteren davon auszugehen, dass die Klage begründet ist. Folglich hat das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien erst zum 15.05.2013 sein Ende gefunden hat.

47

Das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis ist als Arbeitsverhältnis einzuordnen.

48

Nach dem schriftsätzlichen Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen bestand zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis; demgegenüber kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um ein "freies" Dienstverhältnis gehandelt hat.

49

Arbeitnehmer ist nach nationalem bundesdeutschem Recht, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages (oder eines diesem gleichgestellten Rechtsverhältnisses) über entgeltliche Dienste für einen anderen in persönlicher Abhängigkeit tätig ist (z.B. BAG 15.12.1999, 20.09.2000, 12.12.2001, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 78, 80, 84, 87; 20.08.2003, NZA 2004, 39; Reiserer/Freckmann NJW 2003, 180 ff.). Für die Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft werden zahlreiche Einzelmerkmale verwendet, die zur Feststellung der persönlichen Abhängigkeit herangezogen werden, in der das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses gesehen wird (BAG 13.01.1983, 1991 EzA § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 26, 27, 38; LAG Rheinland-Pfalz 02.05.2004 - 2 Ta 81/04 - ArbuR 2005, 161 LS; vgl. Dörner/ Luczak/ Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 10. Auflage 2012, Kap. 1 Rz. 46 ff.).

50

Dagegen gibt es für die Abgrenzung z. B. von Arbeitnehmern und "freien Mitarbeitern" kein Einzelmerkmal, das aus der Vielzahl möglicher Merkmale unverzichtbar vorliegen muss (BAG 23.04.1980 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 21; LAG Rheinland-Pfalz 02.05.2004 - 2 Ta 81/04 - ArbuR 2005, 161 LS).

51

Maßgeblich ist in materieller Hinsicht darauf abzustellen, inwieweit durch Fremdbestimmung der Arbeit in fachlicher, zeitlicher, örtlicher und organisatorischer Hinsicht eine persönliche Abhängigkeit des Dienstleistenden gegeben ist (LAG Rheinland-Pfalz 12.05.2004 - 2 Ta 81/04 - ArbuR 2005, 161 LS; zum europäischen Arbeitnehmerbegriff gem. Art. 45 AEUV s. EuGH 17.07.2008, NZA 2008, 995; 11.11.2010, NZA 2011, 143; Oberthür NZA 2011, 253 ff.).

52

Insoweit sind im Einzelnen folgende Kriterien maßgeblich:

53

fachliche Weisungsgebundenheit

54

Örtliche und zeitliche Weisungsgebundenheit (vgl. BAG 30.09.1998, 19.11.1997 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 74, 63; 14.03.2007 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 9), d. h. Weisungsrecht des Auftraggebers hinsichtlich Ort und Zeit der Arbeitsleistung und Pflicht zum regelmäßigen Erscheinen am Arbeitsort;

55

Eingliederung in den Betrieb (BAG 06.05.1998 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 66).

56

Angewiesensein auf fremdbestimmte Organisation, d. h. Einbindung in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation und Benutzung der betrieblichen Einrichtung (Arbeitsgeräte), Unterordnung bzw. Überordnung bezüglich andere im Dienste des Auftraggebers stehender Personen, Pflicht zur Übernahme von Vertretungen.

57

Andererseits begründen Organisationsanweisungen, die den Ablauf von dritter Seite getragener Veranstaltungen regeln, nicht die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Diese sind von arbeitsvertraglichen Weisungen zu unterscheiden. Dem selbständigen Tätigwerden steht auch nicht entgegen, dass bei der Bewirtung von Pausen- und Getränkeständen in einer Veranstaltungshalle die Ein- und Verkaufspreise für die von dem Betreiber der Halle vorgegeben werden. Denn damit werden keine arbeitsvertraglichen Weisungen erteilt, sondern nur wirtschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen (BAG 12.12.2011 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 87);

58

Leistungserbringung nur in eigener Person (BGH 21.10.1998 EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 30, BAG 12.12.2001 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 87); die tatsächliche Beschäftigung Dritter spricht regelmäßig gegen das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft. Dies gilt grds. auch für die - nur vertraglich vereinbarte - Berechtigung, Dritte einzuschalten.

59

Verpflichtung, angebotene Aufträge anzunehmen, bzw. Freiheit bei der Annahme von Aufträgen (BAG 16.06.1998 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 65);

60

Ausübung weiterer Tätigkeiten (BAG 30.09.1998 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 74);

61

Aufnahme in einen Dienstplan, der ohne vorherige Absprache mit dem Mitarbeiter erstellt wird (BAG 16.02.1994, 16.03.1994, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 52, 53);

62

Die Übernahme des Unternehmerrisikos (z.B. durch Vorhandensein eigenen Betriebskapitals, einer eigenen Betriebsstätte, eines Kundenstammes, eigener Mitarbeiter, unternehmerischer Entscheidungsbefugnisse, der Marktorientierung, Gewinnerzielung und Haftung) ist unerheblich (BAG 25.05.2005 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 6), weil sich Arbeitnehmer und Selbständige nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit unterscheiden;

63

Art der Vergütung (BAG 30.10.1991, 16.07.1997 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 44, 61);

64

Einheitliche Behandlung von Arbeitnehmern, die mit gleichartigen Aufgaben betraut sind;

65

Berichterstattungspflichten (Verhaltens- und Ordnungsregeln; Überwachung; BAG 19.11.1997 a. a. O.);

66

soziale Schutzbedürftigkeit;

67

Fremdnützigkeit der Arbeitsleistung, d. h. Arbeitnehmer z. B. von Rundfunk und Fernsehen können ihre Arbeitskraft nicht wie ein Unternehmer nach selbstgesetzten Zielen unter eigener Verantwortung und mit eignem Risiko am Markt verwerten. Sie sind vielmehr darauf angewiesen, ihre Arbeitsleistung fremdnützig dem Arbeitgeber zur Verwertung in der Rundfunkanstalt nach dem Programmplan zu überlassen (BAG 15.03.1978, 23.04.1980 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 16, 17, 21).

68

Entscheidend für die Abgrenzung ist die praktische Durchführung des Rechtsverhältnisses (BAG 08.06.1967 AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 6; LAG Schleswig-Holstein 19.09.2005, 08.04.2005, NZA-RR 2005, 656), wenn die Parteien ein Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis, sondern z. B. als freies Dienstverhältnis bezeichnen, der Beschäftigte jedoch tatsächlich weisungsgebundene Tätigkeiten verrichtet (BAG 25.01.2007, EzA § 233 ZPO 2002 Nr. 6).

69

Der Status eines Beschäftigten richtet sich also danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Wird der Vertrag abweichend von der ausdrücklichen Vereinbarung vollzogen, so ist i.d.R. die tatsächliche Durchführung maßgebend (BAG 03.04.1990, EzA § 2 HAG Nr: 1; 20.07.1994, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 54; LAG Schleswig-Holstein 19.09.2005 - 2 Ta 189/05 - EzA-SD 22/2005, S. 9 LS; LAG Hamm 07.02.2011, LAGE § 5 ArbGG 1979 Nr. 15; a.A. LAG Köln 21.11.1997, NZA-RR 1998, 394). Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Wille der Vertragsschließenden unbeachtlich ist. Haben die Vertragsparteien deshalb ihr Rechtsverhältnis, das die Erbringung von Diensten gegen Entgelt zum Inhalt hat, ausdrücklich als Arbeitsverhältnis bezeichnet, so genügt es grundsätzlich, wenn der Vertragsinhalt die für einen Arbeitsvertrag typischen Regelungen enthält. Es müssen keine Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass ein für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderliches Maß an persönlicher Abhängigkeit gegeben ist (LAG Nürnberg 12.01.2004, NZA-RR 2004, 400). Denn die Parteien können auch unabhängig von der tatsächlichen Vertragsdurchführung ein Arbeitsverhältnis vereinbaren (BAG 09.03.2005, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 3). Unbeachtlich ist lediglich, auf Grund fehlender Dispositionsmöglichkeiten über die Rechtsfolgen, eine sog. Falschbezeichnung. Eine solche liegt nur dann vor, wenn die Vertragsbezeichnung dem Vertragsinhalt oder der tatsächlichen Handhabung widerspricht, d. h. z. B. der Handhabung ein anderer Wille entnommen werden muss als er in der Vertragsbezeichnung seinen Niederschlag gefunden hat (Bauer/Baeck/Schuster Scheinselbständigkeit, Rz. 23, s.u. Rn. 79 f.).

70

Kommt nach den objektiven Gegebenheiten für die vertraglich vereinbarte Tätigkeit typologisch sowohl ein Arbeitsverhältnis als auch ein Rechtsverhältnis als freier Mitarbeiter (freier Dienstvertrag) oder die Beschäftigung im Rahmen eines Werkvertrages in Betracht, so entscheidet der im Geschäftsinhalt zum Ausdruck gekommene Wille der Vertragsparteien darüber, ob ein Arbeitsverhältnis oder ein Dienstvertragsverhältnis als freier Mitarbeiter besteht. Folglich ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BAG 09.06.2010, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18. s. a. BAG 14.09.2011, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 19; Dienstverhältnis durch Verwaltungsakt).

71

Haben die Parteien ein Rechtsverhältnis ausdrücklich als "Arbeitsverhältnis" vereinbart, so ist es dann in aller Regel auch als solches einzuordnen; ob dies auch dann gilt, wenn die Dienstleistung nicht im Rahmen einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation erbracht wird, hat das BAG (21.04.2005, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 8, s. a. LAG Nürnberg 21.12.2011 - 4 Ta 180/11 - EzA-SD 4/2012 S. 9 Ls) allerdings offen gelassen. Denn es ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Parteien auch unabhängig von der tatsächlichen Vertragsdurchführung ein Arbeitsverhältnis vereinbaren können (BAG 09.03.2005, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 3). Nicht entscheidend ist die gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung des Vertrages, die dem Geschäftsinhalt tatsächlich nicht entspricht (BAG 13.01.1983 EzA § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 26; zur Bedeutung von Statusvereinbarungen vgl. Stoffels NZA 2000, 690 ff.). Maßgeblich ist, ob das, was die Parteien vertraglich vereinbart haben, auch tatsächlich durchgeführt wurde. Bestehen zwischen Vertrag und Durchführung keine Differenzen, ist der aus dem Vertrag ermittelte Wille der Parteien maßgeblich. Bestehen Differenzen, ist der Wille primär anhand der tatsächlichen Vertragsdurchführung zu ermitteln. Ist dies nicht möglich, ist wieder auf den Willen abzustellen, der der Vertragsurkunde zu entnehmen ist. Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. So ist es z.B. nicht möglich, in den Vertrag weitgehende Pflichten und Kontrollrechte aufzunehmen und später zu argumentieren, diese seien tatsächlich nicht ausgeübt worden. Denn Kontrollrechte sind Rechte, die auch dann bestehen, wenn sie tatsächlich längere Zeit nicht ausgeübt werden; dies genügt (vgl. BAG 12.09.1996, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 58; Bauer/Baeck/Schuster Scheinselbständigkeit, Rz. 24 ff.).

72

Nach Maßgabe dieser Kriterien ist das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien mit dem Arbeitsgericht als Arbeitsverhältnis anzusehen. Insoweit folgt die Kammer ausdrücklich der Begründung des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (S. 9, 10 = Bl. 71, 72 d. A.) und nimmt darauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

73

Schließlich ist das Arbeitsverhältnis auch nicht vor dem 15.05.2013 beendet worden.

74

Dass eine Befristung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien vereinbart wurde, hat der Beklagte nicht hinreichend substantiiert nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen vorgetragen. Auch insoweit folgt die Kammer der Beurteilung des tatsächlichen Vorbringens durch das Arbeitsgericht und nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 10, 11 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 72, 73 d. A.) Bezug.

75

Das Berufungsvorbringen des Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts.

76

Denn es enthält zum einen keine neuen, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht lediglich - wenn auch aus Sicht des Beklagten verständlich - deutlich, dass der Beklagte der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des wechselseitigen schriftsätz-lichen Vorbringens der Parteien im vorliegenden zu entscheidenden Einzelfall, der die Kammer folgt, nicht teilt.

77

Soweit der Beklagte im Berufungsverfahren darauf hinweist, bei einer kurzfristigen Eingliederung in eine fremde Betriebsorganisation könne nicht von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen werden, folgt die Kammer dem nicht. Warum die zuvor dargestellten Grundsätze dann keine Anwendung finden sollen, erschließt sich nicht. Hinzu kommt, dass, wovon das Arbeitsgericht zutreffend davon ausge-gangen ist, von einer derart kurzen Bestandsdauer des Arbeitsverhältnisses ohnehin nicht ausgegangen werden kann. Soweit der Beklagte erstmals im Berufungsverfahren weitere Einzelheiten hinsichtlich des von ihm behaupteten Gesprächs am 02.02.2013 in der Weinstube seiner Mutter, unter Hinweis auch auf eine im Sommer 2002 geschaltete Anzeige, lässt sich dem schon nicht deutlich entnehmen, was denn nun im welchen Einzelheiten zwischen den Parteien vereinbart gewesen sein soll. Das gilt zum einen hinsichtlich der vereinbarten Vergütung, zum anderen hinsichtlich der Dauer der Tätigkeit. So hat der Beklagte einerseits behauptet, es sei eine Befristung bis zum 09.02.2013 einschließlich vereinbart worden. Andererseits ergibt sich aus seinem Schreiben vom 18.02.2013 keineswegs deutlich und nachvollziehbar, dass er sich auf eine Beendigung des Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien im Hinblick auf eine zuvor vereinbarte Befristung beruft. Die Formulierung: "Dass es keine Basis für eine weiteren Zusammenhalt ergibt und diese auch beendet……." lässt keineswegs klar erkennen, dass der Beklagte von einer Beendigung aufgrund Fristablaufs ausgegangen ist.

78

Nach alledem war die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

79

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

80

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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