Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 599/14

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 26. März 2015, Az. 5 Sa 599/14, wird aufrechterhalten.

2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über rückständiges Arbeitsentgelt.

2

Der 1979 geborene Kläger war bei der Beklagten vom 15.04.2013 bis zum 31.01.2014 als Jungkoch mit einer monatlichen Arbeitszeit von 173 Stunden zu einem Bruttolohn von € 1.357,00 beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag war auszugsweise folgendes geregelt:

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"§ 4 Vergütung

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Der Mitarbeiter erhält eine monatliche Vergütung von € 1.357,00 brutto. Die Vergütung erfolgt bargeldlos und wird grundsätzlich am 15. des Folgemonats fällig.

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§ 6 Gehaltsverpfändung/-abtretung, Pfändung von Vergütungsansprüchen

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Der Mitarbeiter darf seine Vergütungsansprüche weder verpfänden noch abtreten.

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§ 19 Ausschlussfristen

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Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten direkt bei der anderen Partei oder beim Arbeitsgericht schriftlich geltend gemacht werden."

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Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung der Beklagten vom 28.12.2013 zum 31.01.2014. Die Beklagte zahlte dem Kläger sowohl für Dezember 2013 als auch für Januar 2014 keinen Lohn. Für Dezember 2013 erstellte sie ihm mit Datum vom 06.01.2014 eine Lohnabrechnung über € 1.309,75 brutto. Mit Schreiben vom 01.04.2014 machte die Gewerkschaft NGG für den Kläger Lohnansprüche für Dezember 2013 und Januar 2014 schriftlich geltend. Die Beklagte bestreitet den Zugang dieses Schreibens. Mit Klageschrift vom 23.04.2014 macht der Kläger die Zahlung von insgesamt € 2.714,00 brutto gerichtlich geltend.

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Am 14.05.2014 hat das Arbeitsgericht ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil erlassen. Gegen das am 22.05.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23.05.2014 Einspruch eingelegt. Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil in Höhe eines Betrages von € 2.666,75 brutto (€ 1.309,75 für Dezember 2013 und € 1.357,00 für Januar 2014) nebst Zinsen aufrechterhalten. Im Übrigen hat es die Klage mit Urteil vom 03.09.2014 unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils abgewiesen. Gegen das am 10.10.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 07.11.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 09.01.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

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Sie macht geltend, der Lohnanspruch des Klägers für Dezember 2013 sei aufgrund der in § 19 des Arbeitsvertrags wirksam vereinbarten Ausschlussfrist verfallen. Die Ansicht des Arbeitsgerichts, sie habe durch die erteilte Lohnabrechnung den Anspruch anerkannt, sei unzutreffend. Eine Lohnabrechnung stelle kein Schuldanerkenntnis dar und habe keinen weitergehenden Erklärungswert. Der Lohnanspruch für Januar 2014 sei durch Aufrechnung mit einer abgetretenen Gegenforderung erloschen. Der Kläger sei am 16. und 17.11.2013 umgezogen. Diesen Umzug habe Frau K. für ihn organisiert und ihm dafür am 18.11.2013 einen Betrag in Höhe von € 1.996,37 in Rechnung gestellt. Der Kläger habe Anfang Dezember 2013 mit Herrn K. mündlich vereinbart, dass der Rechnungsbetrag - losgelöst von Pfändungsfreigrenzen - mit der Arbeitsvergütung verrechnet werden soll.

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Nachdem die Beklagte im Termin vor dem Landesarbeitsgericht am 26.03.2015 nicht erschienen ist, hat die Berufungskammer Versäumnisurteil erlassen, mit dem die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden ist. Die Beklagte hat gegen das ihr am 01.04.2015 zugestellte Versäumnisurteil am 08.04.2015 Einspruch eingelegt.

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Die Beklagte beantragt nunmehr,

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unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26.03.2015, Az. 5 Sa 599/14, das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 03.09.2014, Az. 3 Ca 749/14, teilweise abzuändern und die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts vom 15.04.2014 vollständig abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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das Versäumnisurteil vom 26.03.2015 aufrechtzuerhalten.

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Er trägt vor, die Beklagte habe seinen Umzug weder organisiert noch durchgeführt. Das Jobcenter des Landkreises Bautzen habe sich bereit erklärt, die Kosten für seinen Umzug in die Pfalz zu übernehmen, damit er die Arbeitsstelle bei der Beklagten antreten könne. Herr K. habe dem Jobcenter einen Kostenvoranschlag für seinen Umzug vorgelegt und später nach Auskunft des Leistungsträgers rund € 1.500,00 erhalten.

20

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

21

Der Einspruch der Beklagten ist statthaft (§§ 64 Abs. 7, 59 ArbGG) und auch im Übrigen zulässig, nämlich in der gesetzlichen Form (§ 340 ZPO) und Frist (§ 59 ArbGG) eingelegt. Die aufgrund der neuen Verhandlung zu erlassende Entscheidung stimmt mit der im Versäumnisurteil enthaltenen Entscheidung überein; das Versäumnisurteil vom 26.03.2015 ist deshalb aufrechtzuerhalten, §§ 342, 343 ZPO.

II.

22

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte nach § 611 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag verpflichtet ist, an den Kläger für die Monate Dezember 2013 und Januar 2014 Arbeitsentgelt in Höhe von insgesamt € 2.666,75 brutto nebst Verzugszinsen zu zahlen.

23

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung des arbeitsvertraglich geschuldeten Lohns für den Monat Dezember 2013 in abgerechneter Höhe von € 1.309,75 brutto. Der Lohnanspruch ist nicht gem. § 19 des schriftlichen Arbeitsvertrags verfallen.

24

Nach seit langem gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG 21.04.1993 - 5 AZR 399/92 - NZA 1993, 1091, mwN) und der Instanzgerichte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 05.06.2008 - 10 Sa 156/08 - Rn. 28, 29, Juris), der sich die Berufungskammer anschließt, wird die in einer schriftlichen Lohnabrechnung des Arbeitgebers ausgewiesene Lohnforderung streitlos gestellt und muss nicht noch einmal schriftlich geltend gemacht werden. Wer aufgrund eigener Abrechnung eine Forderung kennt, braucht von seinem Vertragspartner nicht noch einmal darauf hingewiesen zu werden, wie diese Forderung sich errechnet und dass sie erhoben werden soll.

25

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung des arbeitsvertraglich geschuldeten Lohns für den Monat Januar 2014 in Höhe von € 1.357,00 brutto. Der Lohnanspruch ist nicht durch Aufrechnung oder Abtretung erloschen.

26

Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit Herrn K., dem jetzigen Geschäftsführer der Beklagten, Anfang Dezember 2013 mündlich vereinbart hat, dass der Rechnungsbetrag über Umzugskosten in Höhe von € 1.996,37 "losgelöst von Pfändungsfreigrenzen" mit der Arbeitsvergütung verrechnet werden soll.

27

Nach § 400 BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist. Auch die Aufrechnung ist nach § 394 Satz 1 BGB verboten. Mit dem Abtretungsverbot und dem Aufrechnungsverbot soll der Arbeitnehmer - auch gegen seinen Willen - davor geschützt werden, dass er durch eine Abtretung oder Aufrechnung seiner Lohnansprüche die Geldmittel verliert, die er zur Bestreitung seines Lebensunterhalts benötigt. Ihm sollen unter allen Umständen die für unpfändbar erklärten Forderungen verbleiben, damit ihm die Lebensgrundlage nicht vollständig entzogen wird. Daher ist die Vorschrift zwingend und unabdingbar. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nach § 134 BGB nichtig (vgl. BAG 21.02.2013 - 6 AZR 553/11 - Rn. 36 mwN, AP BGB § 400 Nr. 4).

28

Bei Arbeitseinkommen bestimmt sich der pfändbare Teil gemäß § 850 Abs. 1 ZPO nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO. Im Dezember 2013 und im Januar 2014 war nach der Tabelle zu § 850c ZPO ein Nettobetrag von monatlich € 1.049,99 unpfändbar. Bei einem Bruttolohn von € 1.357,00 errechnet sich (bei Steuerklasse 1, ohne Freibeträge) für den Kläger ein Nettolohn, der diese Grenze nicht übersteigt.

29

3. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Fälligkeit des Monatslohns trat nach § 4 des Arbeitsvertrags am 15. des Folgemonats ein, so dass dem Kläger Verzugszinsen ab dem 16.01. und 16.02.2014 in gesetzlicher Höhe zustehen.

III.

30

Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

31

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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