Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (4. Kammer) - 4 Sa 44/16

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.12.2015, Az: 2 Ca 2646/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Darüber hinaus macht der Kläger gegenüber dem beklagten Land Ansprüche auf Zahlung von Arbeitsvergütung für die Monate Mai bis Oktober 2015 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges geltend.

2

Der Kläger ist Musiker (S.). Das beklagte Land unterhält das C. in K. mit insgesamt 69 Planstellen, davon zwei Stellen als S.. Für diese hat sich der Kläger im Rahmen entsprechender Ausschreibungsverfahren in 2007/2008 und 2009/2010 erfolglos beworben.

3

Im Repertoire des S.s gibt es eine Vielzahl von Werken, die nach den Vorgaben des Komponisten mit mehr als zwei S.n aufzuführen sind, so dass der Kläger ab der Spielzeit 2005/2006 als produktionsbezogene Aushilfe für Konzert- und Theaterdienste am Instrument Schlagzeug häufig engagiert wurde. Sein Einsatz erfolgte in den Spielzeiten 2005/2006 bis 2014/2015 in unterschiedlichem Umfang. So war er etwa in der Spielzeit 2007/2008 für 18 Dienste an insgesamt 12 Tagen, in der Spielzeit 2013/2014 für 151 Dienste an insgesamt 114 Tagen eingesetzt worden.

4

Soweit der Kläger für die einzelnen Produktionen engagiert wurde, waren die zu spielenden Termine bei ihm zuvor (telefonisch, per SMS oder E-Mail) von Seiten der Verwaltung (S. Geschäftsführung/S. Inspektor) oder von einem Mitglied der Schlagzeuggruppe, dem Einteiler der Schlagzeuggruppe, angefragt worden und abschließend unter Verwendung eines Formulars "Antrag für Aushilfen" mit einem bestimmten Honorar abgerechnet worden.

5

Mit Bescheid vom 23.02.2015 teilte die Künstlersozialkasse dem Kläger mit, dass seine Versicherungspflicht zum 28.02.2015 ende. Die Künstlersozialkasse vertritt diesbezüglich - ausweislich der Begründung ihres Widerspruchsbescheids vom 19.05.2015 (Bl. 10 f. d. A.) - die Ansicht, der Kläger sei nicht als selbständiger Künstler bzw. Musiker tätig, sondern stehe als Orchestermusiker in einem Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land.

6

Nachdem der Kläger letztmals für den Monat April 2015 eine Vergütung für einen Einsatz als S. erhalten und drei bereits mit ihm vereinbarte Einsatztermine (25.06., 28.06. und 01.07.2015) von Seiten des Orchesters abgesagt worden waren, hat er mit seiner am 07.08.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage die Feststellung des Bestehens eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses begehrt und mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 06.11.2015 das beklagte Land auf Zahlung von Arbeitsvergütung aus Annahmeverzug für die Monate Mai bis Oktober 2015 "auf der Basis einer halben Stelle" in Höhe von monatlich 1.530,00 EUR brutto in Anspruch genommen. Dabei hat er seine Zahlungsansprüche für die Monate Juni und Juli hilfsweise auf die Absage der bereits mit einem Honorar von jeweils 165,00 EUR fest vereinbarten drei Einsatztermine gestützt.

7

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.12.2015 (Bl. 176 bis 181 d. A.).

8

Der Kläger hat erstinstanzlich (zuletzt) beantragt,

9

1. festzustellen, dass sich der Kläger bei der Beklagten jedenfalls seit dem 01. August 2013 (Spielzeit 2013/2014) in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis auf der Basis einer halben Stelle (50 %) befindet,

10

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2015 zu zahlen,

11

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2015 zu zahlen,

12

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2015 zu zahlen,

13

5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2015 zu zahlen,

14

6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2015 zu zahlen,

15

7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.11.2015 zu zahlen sowie

16

hilfsweise

17

den Rechtsstreit an das Amtsgericht Koblenz zu verweisen.

18

Das beklagte Land, welches eine Zahlungsverpflichtung für die drei abgesagten Termine in Höhe eines "Ausfallhonorars" von jeweils 165,00 EUR anerkannt hat, hat beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Das Arbeitsgericht hat mit Teilanerkenntnis- und Endurteil vom 09.12.2015 die Beklagte verurteilt, an den Kläger ein Ausfallhonorar für Juni/Juli 2015 in Höhe von 495,00 EUR zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 8 bis 17 dieses Urteils (= Bl. 182 bis 191 d. A.) verwiesen.

21

Der Kläger hat mit am 29.01.2016 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz, dem eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beigefügt war, beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für eine gegen das ihm am 04.01.2016 zugestellte Urteil gerichtete Berufung zu bewilligen. Das Berufungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 14.04.2016 wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist dem Kläger am 02.05.2016 zugestellt worden.

22

Am 11.05.2016 hat der Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt, diese zugleich begründet und beantragt, ihm wegen der Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

23

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, zu Unrecht sei das Arbeitsgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass er beim beklagten Land als freier Mitarbeiter beschäftigt gewesen sei. Eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände führe vielmehr zu dem Ergebnis, dass sein Rechtsverhältnis mit dem beklagten Land als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sei. Er sei aufgrund zeitlicher, örtlicher und inhaltlicher Vorgaben nicht in der Lage gewesen, seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit im Wesentlichen frei zu bestimmen. Die Weisungen des beklagten Landes, denen er bei seiner Tätigkeit als S. unterlegen habe, hätten sich u. a. auf folgende Bereiche bezogen: Die zu spielenden Werke, Datum der Probe, Spieleinsätze abweichend vom Notenbild, Lautstärkenangaben, Beginn der Probe, Inhalt der Probe, Ende der Probe, Kleidung und Anwesenheitspflichten. Bei den Aufführungen sei er voll in den Betrieb des S.s eingegliedert gewesen. Auch habe eine zeitliche Weisungsgebundenheit bestanden. So habe er etwa nicht darüber entscheiden können, ob er den Proben fernbleibe. Auch habe eine persönliche Leistungsverpflichtung bestanden, da er gerade nicht wie ein "Selbständiger" einen Termin hätte annehmen, dann jedoch einen anderen Musiker mit der Übernahme der Tätigkeit hätte betrauen können. Zudem hätten sich am Ende nahezu seine gesamten Einnahmen auf die Tätigkeit bei der Philharmonie verengt. Aus der Anzahl der geleisteten Dienste ergebe sich, dass er seine Arbeitszeit nahezu ausschließlich dem beklagten Land zur Verfügung gestellt habe. Soweit das Arbeitsgericht darauf abgestellt habe, dass er habe frei darüber entscheiden können, ob er bei einer geplanten Produktion mitwirke, so sei dieses Kriterium zur Statusabgrenzung wenig geeignet. Insbesondere aufgrund der langjährigen und häufigen Zusammenarbeit könne aus Sicht eines Vertragspartners gerade nicht davon ausgegangen werden, dass stets nur befristete Einzelengagements zustande gekommen seien. Die Tatsache, dass es zwischen den einzelnen Engagements zu spielfreien Zeiten gekommen sei, rechtfertige ebenfalls nicht die Annahme eines befristeten Arbeitsverhältnisses. Da er fast ausschließlich für die Philharmonie tätig gewesen sei und dies nahezu seine einzige Einnahmequelle dargestellt habe, habe für ihn rein tatsächlich keinesfalls die Möglichkeit bestanden, ein Angebot abzulehnen. Auch das beklagte Land sei davon ausgegangen, dass er stets zur Verfügung stehe. Es könne allerdings durchaus sein, dass er einzelne Anfragen abgelehnt habe. Er sei nicht gehalten gewesen, eine Entfristungsklage zu erheben, weil kein befristetes Arbeitsverhältnis bestanden habe. Eine Befristung, die den Anforderungen des § 14 TzBfG entspreche, habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Demnach seien auch die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Verzugsentgelt gerechtfertigt. Das beklagte Land befinde sich in Annahmeverzug, nachdem er seine weitere Mitarbeit vor Mai 2015 erfolglos angeboten habe.

24

Der Kläger beantragt,

25

1. dem Kläger wegen der Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,

26

2. das am 04.01.2016 zugestellte Teilanerkenntnis- und Endurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.12.2015 - 2 Ca 2646/15 - dahingehend abzuändern, dass

27

a. festgestellt wird, das sich der Kläger bei der Beklagten jedenfalls dem 01. August 2013 (Spielzeit 2013/2014) in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis auf der Basis einer halben Stelle (50 %) befindet,

28

b. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 01.06.2015, abzüglich zugesprochener 247,50 EUR zu zahlen,

29

c. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 01.07.2015, abzüglich zugesprochener 247,50 EUR zu zahlen,

30

d. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 01.08.2015,

31

e. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 01.09.2015,

32

f. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 01.10.2015,

33

g. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.530,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 01.11.2015.

34

Das beklagte Land beantragt,

35

die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

36

Das beklagte Land vertritt die Ansicht, der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet. Im Übrigen verteidigt das beklagte Land das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungsschrift vom 16.06.2016 (Bl. 321 bis 325 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

37

Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 14.12.2016 (Bl. 349 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

38

Die nach § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthafte Berufung ist zulässig.

39

Der Zulässigkeit der Berufung steht die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist nach § 66 Abs. 1 ArbGG nicht entgegen, da dem Kläger gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

40

Das wegen Bedürftigkeit begründete Unvermögen einer Partei, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme von fristwahrenden Prozesshandlungen zu beauftragen, begründet eine unverschuldete Versäumnis von Rechtsmittelfristen, wenn die Partei alles in ihren Kräften stehende und ihr zumutbare getan hat, um die Frist zu wahren. Demgemäß besteht ein Wiedereinsetzungsgrund dann, wenn die Partei ein vollständiges Gesuch um Prozesskostenhilfe innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht eingereicht hat (LAG Rheinland-Pfalz v. 14.07.2015 - 6 Sa 22/15 - juris, m.w.N.).

41

Vorliegend sind die dargelegten Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO gegeben. Der Kläger hat innerhalb der Berufungsfrist unter Vorlage einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen Prozesskostenhilfe beantragt. Wiedereinsetzungsantrag, Berufungseinlegung und gleichzeitige -begründung sind nach Zustellung der Entscheidung über den PKH-Antrag innerhalb von zwei Wochen erfolgt. Der Kläger hat damit fristgerecht Wiedereinsetzung beantragt und gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die versäumten Prozesshandlungen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 ZPO) nachgeholt. Der Umstand, dass das PKH-Gesuch mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung i.S.v. § 114 ZPO zurückgewiesen wurde, steht einer Wiedereinsetzung nicht entgegen, da sich der Kläger in Ansehung des Inhalts der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für bedürftig halten durfte. Die erforderliche Kausalität zwischen Bedürftigkeit und Fristversäumung ist daher gegeben.

42

Anderweitige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht, insbesondere hat der Kläger sich in der Berufungsbegründung hinreichend mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung auseinandergesetzt.

II.

43

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit ihr nicht wegen eines Teilanerkenntnisses in geringem Umfang stattzugeben war, zu Recht abgewiesen.

1.

44

Der Feststellungsantrag (Berufungsantrag zu 2 a) ist unbegründet, da zwischen den Parteien kein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

45

Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. In einem Arbeitsverhältnis ist die vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (BAG v. 22.04.1998 - 5 AZR 342/97 -AP Nr. 26 zu § 611 BGB Rundfunk). Diese Grundsätze gelten auch für Musiker (BAG v. 22.08.2001 - 5 AZR 502/99 - AP Nr. 109 zu § 611 BGB Abhängigkeit).

46

Die Beschäftigung als Orchestermusiker ist nicht nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, sondern auch als freier Mitarbeiter möglich. Dabei ist für die Statusabgrenzung insbesondere maßgeblich, ob der betreffende Musiker auch im Rahmen seines übernommenen Engagements seine Arbeitszeit noch im Wesentlichen frei gestalten kann oder insoweit einem umfassenden Weisungsrecht der Orchesterleitung unterliegt. Hat der Orchestermusiker die Teilnahme an einer einzelnen Produktion oder einem bestimmten musikalischen Vorhaben und bei den dazu erforderlichen Einzeldiensten zugesagt, ohne dass diese nach Anzahl, Dauer und zeitlicher Lage bereits abschließend feststanden, so hat er sich in eine entsprechende Weisungsabhängigkeit begeben. Diese begründet regelmäßig seinen Arbeitnehmerstatus. Dagegen reicht es für den Arbeitnehmerstatus in der Regel nicht aus, dass ein Musiker die Teilnahme an bestimmten einzelnen Proben und Aufführungsterminen zugesagt hat, die zeitlich bereits feststanden. Zeitliche Vorgaben und Verpflichtungen, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, sind kein ausreichendes Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Das Versprechen, eine Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen oder zu einem bestimmten Zeitpunkt fertigzustellen, macht den Leistenden im arbeitsrechtlichen Sinne nicht weisungsabhängig (BAG v. 09.10.2002 - 5 AZR 405/01 - AP Nr. 114 zu § 611 BGB Abhängigkeit).

47

Vorliegend kann offen bleiben, ob zwischen den Parteien während der einzelnen Einsätze des Klägers als S. bzw. seiner Mitwirkung als S. an gesamten Produktionen des S. ein Arbeitsverhältnis bestand, oder ob die betreffende Tätigkeit des Klägers als diejenigen eines freien Mitarbeiters zu qualifizieren ist. Denn auch dann, wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, dass er während seiner einzelnen Engagements in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land stand, so rechtfertigt dies nicht die Annahme, zwischen den Parteien sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

48

Ob die Vertragsparteien einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben, richtet sich allein nach dem Parteiwillen. Dieser kann sich aus ausdrücklichen Erklärungen der Vertragsparteien, aber auch aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen ergeben, soweit sie Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien zulässt (BAG v. 31.07.2002 - 7 AZR 181/01 - AP Nr. 1 zu § 12 TzBfG m.w.N.). Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich im vorliegenden Fall häufig wiederkehrender kurzfristiger Beschäftigung. Vertraglich ist dies entweder als unbefristetes Teilzeitarbeitsverhältnis, gegebenenfalls als Abrufarbeitsverhältnis gemäß § 12 TzBfG zu konstruieren oder als kurzfristige, nicht zusammenhängende befristete Arbeitsverträge, denen nicht selten eine Rahmenvereinbarung zugrunde liegt. Beide Typen sind gesetzlich zulässig, eine Verpflichtung zur Begründung eines Dauerschuldverhältnisses besteht nicht (BAG v. 31.07.2002 - 7 AZR 181/01 - AP Nr. 2 zu § 4 TzBfG).

49

Die Parteien haben unstreitig zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet. Auch kann allein aus dem Umstand, dass die Einsätze des Klägers über Jahre hinweg und wohl - zumindest zuletzt - mit einer großen Häufigkeit erfolgten, das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nicht abgeleitet werden. Es kann nämlich aus Sicht eines verständigen Vertragspartners nach §§ 133, 157 BGB nicht angenommen werden, dass die Parteien dabei nicht lediglich eine jeweils auf das einzelne Engagement bezogene vertragliche Abrede getroffen haben (vgl. BAG v. 09.10.2002 - 5 AZR 405/01 - AP Nr. 114 zu § 611 BGB Abhängigkeit).

50

Sonstige Umstände, aus denen sich das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien herleiten ließe, sind nicht gegeben. Insbesondere lässt sich aus dem Verhalten der Parteien nicht schließen, dass dem beklagten Land über die einzelnen Engagements hinaus das Recht eingeräumt wurde, durch Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts die konkrete Leistungspflicht des Klägers herbeizuführen. Die Einsätze des Klägers erfolgten unstreitig stets nur nach vorheriger Anfrage seitens des S. und einer entsprechenden Zusage des Klägers. Eine Einigung erfolgte daher immer für den konkreten Einsatz bzw. für eine konkrete Produktion, begrenzt auf deren Dauer. Der Kläger konnte seine Heranziehung nur dahin verstehen, dass diese lediglich auf die einzelnen Produktionen bezogen sein sollten, nicht jedoch dahin, dass nunmehr ein unbefristetes Abrufarbeitsverhältnis begründet werden sollte. Der Kläger war auch nicht verpflichtet, überhaupt oder in bestimmten Umfang auf Anfragen des S. eine Zusage zu erteilen oder auf kurzfristige Mitteilungen hin zur Verfügung zu stehen. Anhaltspunkte dafür, dass das beklagte Land berechtigt gewesen sein sollte, den Kläger einseitig zur Teilnahme an einzelnen Produktionen einzuteilen, bestehen im vorliegenden Fall nicht. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass es durchaus sein könne, dass er einzelne Anfragen abgelehnt habe. Dass eine solche Ablehnung irgendwelche nachteiligen Konsequenzen für den Kläger hatte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Nichts anderes ergäbe sich daraus, wenn das beklagte Land den Kläger nach mehreren "Absagen" nicht mehr angefragt hätte. Vielmehr hätte das S. nach mehreren Absagen seitens des Klägers den Schluss ziehen können, dass dieser keine Möglichkeit oder kein Interesse an weiteren Einsätzen habe. Der Umstand, dass der Kläger - unter Zugrundelegung seines Vorbringens - (jedenfalls zuletzt) nahezu ausschließlich für das beklagte Land als S. tätig gewesen ist, diese Tätigkeit daher nahezu seine einzige Einnahmequelle dargestellt hat und er sich somit aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus zu Zusagen gezwungen sah, ist ohne Belang. Dies vermag zwar u.U. eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Klägers zu begründen, indiziert indessen noch nicht das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.

51

Der Feststellungsklage kann - selbst wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, dass er seine Tätigkeit jeweils im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht hat - auch nicht mit der Erwägung entsprochen werden, der letzte Einzelarbeitsvertrag der Parteien sei, etwa in Ermangelung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform, unwirksam befristet gewesen. Die Befristung gilt nämlich vorliegend gemäß § 17 Satz 1 und 2 TzBfG i.V.m. § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, da der Kläger diesbezüglich keine Entfristungsklage nach § 17 TzBfG erhoben hat. § 17 TzBfG erfasst alle Unwirksamkeitsgründe, auch die Beachtung des Schriftformerfordernisses (BAG v. 04.05.2011 - 7 AZR 252/10 - AP Nr. 11 zu § 17 TzBfG).

2.

52

Die Zahlungsklage (Berufungsanträge zu 2 b bis 2 g) ist ebenfalls unbegründet.

53

Der Kläger hat in dem Zeitraum, für den er die Zahlung von Arbeitsentgelt verlangt, unstreitig keine Tätigkeiten für das beklagte Land mehr erbracht, so dass Zahlungsansprüche unmittelbar aus § 611 Abs. 1 BGB nicht bestehen können. Solche ergeben sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges (§ 615 BGB). Denn das beklagte Land befand sich nicht mit der Annahme der Dienste des Klägers in Verzug, da nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen nach dem letzten Einsatz des Klägers als Schlagzeuger weder ein Arbeitsverhältnis noch ein (sonstiges) Dienstverhältnis mehr bestand.

54

Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

III.

55

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen