Urteil vom Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (7. Kammer) - 7 Sa 220/12
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 15. März 2012 – 4 Ca 3070/10 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldnerin neben der X... GmbH in M... erfolgt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die klagende Bundesagentur für Arbeit nimmt die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Firmenfortführung (§ 25 Abs. 1 HGB) bzw. der Betriebsübernahme (§ 613 a BGB) auf Zahlung von übergegangenem Arbeitsentgelt nach Gewährung von Insolvenzgeld in Anspruch.
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Die beklagte GmbH befasst sich unter ihrer Anschrift A…, B..., im Wesentlichen mit der Verlegung von Fliesen, Platten, Natursteinen und Mosaiken. Mit diesem Gegenstand ist sie seit August 2006 im Handelsregister Amtsgericht Stendal eingetragen, zusätzlich auch mit Handelstätigkeiten, Unternehmensberatungen und Ausführungen als Generalunternehmung aller Bauleistungen mit Nebengeschäften. Ihr Geschäftsführer ist Herr P... R..., der in Person oder als Alleingesellschafter und -geschäftsführer der F... Beteiligungs-GmbH die Beklagte gesellschaftsrechtlich dominierte.
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Mit Handelsregistereintrag vom 3. April 2008 benannte sich die Beklagte um in „X... Fliesen- und Natursteinausführungen GmbH“. Unternehmenssitz und Unternehmensgegenstand blieben unverändert. Unter dem 28. Mai 2008 wurde außerdem in das Handelsregister die Fa. „X... Fliesen- und Natursteinausführungen (N...) GmbH“ mit Sitz in B... eingetragen. Gesellschafter waren mit 75 % - Anteil die F... Beteiligungs-GmbH und mit 25 % Herr H..., der zuvor bei der Beklagten als Fliesenleger beschäftigt war. Unter dem 15. September 2008 wurde ferner die spätere Insolvenzschuldnerin als Firma „X... Fliesenspezial- und Schwimmbadbau GmbH“ in das Handelsregister eingetragen (im Folgenden: Schuldnerin). Mehrheitsgesellschafter mit ca. 75 % Anteilen war auch hier zunächst die F... Beteiligungs-GmbH, Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer Herr I..., der zuvor als Fliesenleger bei der Beklagten beschäftigt war. Die Gewerbeanmeldung der Schuldnerin vom 4. September 2008 ist inhaltlich identisch mit dem Unternehmensgegenstand der Beklagten (vgl. Bl. 133 d.A. wie auch - Gewerbeabmeldung - Bl. 126 d.A.). Betriebssitz, Telefon- und Faxnummer waren mit denjenigen der Beklagten identisch.
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Von den zuvor bei der Beklagten beschäftigten 42 Arbeitnehmern wechselten zum 1. August 2008 16 zu der Fa. „X... Fliesen- und Natursteinausführungen (N...) GmbH“ und 16 zur Schuldnerin. Auf deren Arbeitsverhältnisse fand kraft Allgemeinverbindlichkeit der Tarifvertrag Mindestlohn Baugewerbe BRD idF. vom 4. Juli 2008 (TV Mindestlohn) sowie der Bundesrahmentarifvertrag Bau (BRTV-Bau) Anwendung (vgl. Bundesanzeiger Nr. 109 v. 23. Juli 2008). Bei der Beklagten verblieben acht Auszubildende (in außerbetrieblicher Ausbildung) und zwei oder drei Arbeitnehmer, die im Jahre 2009 entlassen wurden.
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Die Schuldnerin nahm am 1. August 2008 ihre Geschäftstätigkeit auf. Im Zeitraum April – Juni 2009 geriet sie in Zahlungsschwierigkeiten. Den bei ihr zuletzt beschäftigten Arbeitnehmern blieb sie die Lohnzahlung für die Monate April und Mai 2009 (Arbeitnehmer S...), den Monat Mai 2009 (Arbeitnehmer H2) und den Monat Juni 2009 (Arbeitnehmer H3, L..., M1, M2, O... und U...) schuldig. Die Arbeitnehmer H2 und S... schieden zum 31. Mai 2009 aus, alle übrigen genannten Arbeitnehmer zum 30. Juni 2009.
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Unter dem 17. Juni 2009 fassten Herr R... handelnd für die F... Beteiligungs-GmbH und Herr I... als die Gesellschafter der Schuldnerin den Beschluss, die Firma der Gesellschaft in „X... GmbH“ umzuändern und ihren Sitz an den Wohnort des Geschäftsführers I... in M... zu verlegen. Nachfolgend übertrug die F... Beteiligungs-GmbH ihre Gesellschaftsanteile an der Schuldnerin auf Herrn I..., der seitdem Alleingesellschafter ist. Die Schuldnerin kündigte die ihr am bisherigen Betriebssitz in B... zur Verfügung gestellten Räume nebst Ausstattung sowie die Fahrzeugleasingverträge zum 30. Juni 2009.
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Zum 1. Juli 2009 stellte die Beklagte sechs oder sieben zuletzt von der Schuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer ein (U..., H3, L..., M2, O..., M1 - eventuell auch Herrn W...). Am 3. Juli 2009 wurde die Umfirmierung der Schuldnerin in „X... GmbH“ ins Handelsregister eingetragen (Bekanntmachung am 13. Juli 2009, vgl. Bl. 131 d.A.). Ob sie in der Folgezeit weiter am Markt tätig war, ist zwischen den Parteien streitig.
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Ende 2009/Anfang 2010 beantragten die o.g. Arbeitnehmer der Schuldnerin Insolvenzgeld bei der Klägerin (Bl. 11 ff. d.A.). Am 8. März 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet (Bl. 51 d.A.). Auf das Gutachten im Insolvenzantragsverfahren (Bl. 102-120 d.A.) wird Bezug genommen. Am 10. März 2010 ließ die Beklagte die Rückfirmierung in ihren ursprünglichen Firmennamen in das Handelsregister eingetragen.
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Nach Vorlage der Insolvenzgeldbescheinigung durch den Insolvenzverwalter (Bl. 68 ff. d. A.) bewilligte die Beklagte den o.g. Arbeitnehmern Insolvenzgeld für die o.g. Zeiträume in der unstreitigen Höhe von 13.387,88 €. Zu den Einzelheiten vgl. Bl. 52 ff. d.A.. In dieser Höhe verlangt die Klägerin von der Beklagten nach vergeblicher Zahlungsaufforderung mit Schreiben vom 26. August 2010 Zahlung des Arbeitsentgelts aus übergegangenem Recht (§ 187 SGB III aF.).
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Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe Unternehmen und Firma der Schuldnerin fortgeführt und hafte deshalb gemäß § 25 Abs. 1 HGB bzw. 613a Abs. 1 BGB. Die Beklagte habe das Unternehmen fortgeführt, indem sie es am selben Betriebssitz mit identischem Unternehmensgegenstand, identischen Betriebsräumlichkeiten und Telefon- und Faxanschlüssen und identischem „als Kopf und Seele der Unternehmung zu klassifizierenden Geschäftsführer“ (Herr P... R...) nahtlos mit allen zuletzt bei der Schuldnerin beschäftigten Arbeitnehmern fortgesetzt habe. Die Fortführung des Firmennamens folge daraus, dass beide Firmen den prägenden Bestandteil „X...“ verwendeten und im Übrigen sich mit Fliesenverlegungen und Ähnlichem befassten. Ihre Briefköpfe seien im Wesentlichen identisch und gleich strukturiert. Es sei unschädlich, dass beide Firmen zeitweilig nebeneinander bestanden hätten, da auch eine sukzessive Firmenfortführung möglich sei. Auf die Verfallfrist aus § 2 TV Mindestlohn könne sich die Beklagte nicht berufen, da die Ansprüche innerhalb der Verfallfrist durch Lohnabrechnungen Schuldnerin geklärt worden seien. Zudem greife die Verfallfrist allgemein nicht ein, wenn ein Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen die Lohn- und Gehaltszahlungen an alle seine Arbeitnehmer einstelle.
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Demgegenüber hat die Beklagte sowohl eine Firmenfortführung als auch einen Betriebsübergang in Abrede gestellt. Hierzu hat sie vorgetragen, nicht nur sie und die Schuldnerin seien gleichzeitig am Markt tätig gewesen, sondern darüber hinaus weitere drei mit dem Unternehmensgegenstand Fliesenverlegung befasste Unternehmungen, die unter dem Namen „X...“ firmierten (in Lb, Bg und N...). Zudem behauptet die Beklagte, dass die Firma X... GmbH nach dem 30. Juni 2009 ihre Tätigkeit am Markt fortgesetzt habe. Schließlich beruft sich die Beklagte auf den Verfall der Forderungen gemäß § 2 TV Mindestlohn und bestreitet, dass diese rechtzeitig vor Ablauf der Verfallfrist abgerechnet worden seien.
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Mit Urteil vom 15. März 2012, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt,
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an die Klägerin 13.387,88 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2010 zu zahlen.
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Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Haftung der Beklagten für die auf die Klägerin übergegangenen Entgeltansprüche aus § 25 Abs. 1 S. 1 HGB herleite. Die Ausschlussfristen stünden nicht entgegen, da die Arbeitgeberin die Ansprüche durch Erteilung der Verdienstbescheinigungen anerkannt habe und im Übrigen bei Einstellung der Lohn- und Gehaltszahlungen für alle Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Gründen tarifliche Ausschlussfristen nicht anzuwenden seien.
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Gegen das ihr am 16. Mai 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. Juni 2012 Berufung eingelegt und diese am 12. Juli 2012 begründet. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 12. Juli 2012. Insbesondere behauptet sie, die Schuldnerin habe zuletzt vor dem 1. Juli 2009 über die von der Beklagten übernommenen Arbeitnehmer hinaus weitere Arbeitnehmer beschäftigt und sei zudem nach dem 30. Juni 2009 weiterhin unter der Firma X... GmbH am Markt tätig gewesen. Die Firma „X...“ habe die Beklagte zudem nicht übernommen. Der Firmenbestandteil „X...“ sei auch nicht prägend. Im Übrigen seien die Forderungen verfallen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 15. März 2012 – 4 Ca 3070/10 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 24. September 2012.
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Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von sieben Arbeitnehmern und des Geschäftsführers der Schuldnerin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. Dezember 2012 verwiesen. Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen sowie ihre Protokollerklärungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 13.387,88 Euro (§ 187 SGB III idF bis zum 31. März 2012; jetzt § 169 SGB III iVm. § 611 Abs. 1, § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB, 25 Abs. 1 HGB) nebst Zinsen. Die Beklagte haftet dabei – wie zweitinstanzlich nur noch beantragt – als Gesamtschuldnerin neben der Schuldnerin.
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1. Die geltend gemachten Vergütungsansprüche der acht Arbeitnehmer der Schuldnerin aus dem Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni 2009 sind in unstreitiger und durch Insolvenzgeldbescheinigung belegter Höhe entstanden.
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2. Die Ansprüche der acht Arbeitnehmer sind auf die Klägerin übergegangen. Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, gehen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit über (§ 187 SGB III idF bis zum 31. März 2012; jetzt § 169 SGB III). Das Insolvenzgeld wird für rückständige Ansprüche auf Arbeitsentgelt gezahlt, die im Insolvenzgeldzeitraum - die letzten drei dem Insolvenzereignis vorausgehenden Monate des Arbeitsverhältnisses - entstanden sind. Der Übergang erfasst die Bruttoforderung (BAG 11. Februar 1998 - 5 AZR 159/97, AP BGB § 611 Lohnanspruch Nr. 19; BSG 20. Juni 2001 - B 11 AL 97/00 R, SozR 3-4100 § 141m Nr. 3).
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3. Die Beklagte haftet als Betriebsübernehmerin (§ 613a BGB) sowie wegen Firmenfortführung (§ 25 Abs. 1 HGB) für die vor dem 1. Juli 2009 entstandenen Ansprüche.
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a. Die Beklagte haftet als Betriebsübernehmerin für die rückständigen Ansprüche der vom Betriebsübergang erfassten Arbeitnehmer U..., H3, L..., M2, O... und M1 gemäß § 613a Abs. 2 BGB. Die Für die Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer S... und H2 haftet sie nicht aus § 613a Abs. 2 BGB, da diese Arbeitnehmer bereits zum 31. Mai 2009 und damit vor dem Betriebsübergang bei der Schuldnerin als Betriebsvorgängerin ausgeschieden waren. Die Beklagte hat den Betrieb der Schuldnerin iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB am 1. Juli 2009 übernommen. Das Insolvenzverfahren wurde am 8. März 2010 eröffnet. Die Haftung der Betriebserwerberin ist daher nicht insolvenzrechtlich beschränkt (vgl. BAG 20. Juni 2002 - 8 AZR 459/01, AP InsO § 113 Nr. 10). Die Beklagten ist gemäß § 613a Abs. 2 BGB in Bezug auf die Vergütungsansprüche der o.g. Arbeitnehmer Gesamtschuldnerin neben der Schuldnerin als der früheren Arbeitgeberin.
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aa. Die Betriebsnachfolge und damit die gesamtschuldnerische Haftung im oben genannten Umfang folgt aus dem rechtsgeschäftlichen Übergang des Betriebs der Schuldnerin auf die Beklagte zum 1. Juli 2009 gemäß § 613a BGB. Erforderlich hierfür ist nach der Rechtsprechung (vgl. etwa BAG 16. Februar 2006 – 8 AZR 204/05, AP Nr. 300 zu § 613a BGB) die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben.
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Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu. In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung ihrer Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) keinen Betriebsübergang dar. In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen.
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bb. Danach hat am 1. Juli 2009 ein Betriebsübergang von der Schuldnerin auf die Beklagte stattgefunden. Die Schuldnerin hatte im Wesentlichen Fliesen- und Steinverlegung betrieben. Für den Schwimmbadbau fehlte es bereits an der erforderlichen Gewerbeanmeldung. Bei der Fliesen- und Steinverlegung handelt es sich um ein betriebsmittelarmes Handwerk, in dem es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt. Dies bestätigt das Gutachten im Insolvenzantragsverfahren (Anlage 10, Bl. 102 ff <112> d.A.), wonach die Schuldnerin praktisch nicht über verwertbare materielle Betriebsmittel verfügte. Das zu verlegende Material wird jeweils individuell im Kundenauftrag bestellt und zählt nicht zu den Betriebsmitteln eines reinen Verlegebetriebs. Die zur Ausübung des Handwerks erforderlichen Gerätschaften wie Fliesenknacker, Fliesenschneider, Eimer und Quirl oder ein Fahrzeug, um zur jeweiligen Baustelle zu gelangen, treten im Verhältnis zu dem Anteil der menschlichen Arbeitskraft an der betrieblichen Wertschöpfung deutlich in den Hintergrund. In Anbetracht dessen bildet die zuletzt beschäftigte Belegschaft von mindestens sechs Fliesenlegern ein wesentliches Merkmal des Betriebes der Schuldnerin, das diese wirtschaftliche Einheit kennzeichnet. Diese Belegschaft hat die Beklagte durch Rechtsgeschäft, wie aufgrund der Beweisaufnahme (Aussage I...) und letztlich der eigenen Einlassung ihres Geschäftsführers in der letzten mündlichen Verhandlung feststeht, vollständig übernommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie abgesehen von der formellen Aufrechterhaltung einiger Ausbildungsverhältnisse in externer Ausbildung im Wesentlichen keine eigene betriebliche Tätigkeit mehr entfaltet. Sie hat ferner mit der im Wesentlichen vollständigen Belegschaft der Schuldnerin ohne zeitliche Unterbrechung am selben Standort, unter derselben Telefon- und Fax-Nummer die von der Schuldnerin betriebene Fliesen- und Steinverlegung fortgesetzt. Sie tat dies unter der Regie ihres Geschäftsführers R..., der nach unbestrittenem Vorbringen der Klägerin als vor Ort agierender Mehrheitsgesellschafter „Kopf und Seele“ der am Standort betriebenen Unternehmungen war.
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Ferner verfügte die Beklagte über einen Firmennamen, der sich von dem der Schuldnerin nur geringfügig unterschied und insbesondere die gleichen prägenden Firmenbestandteile („X...“ und „Fliesen“) enthielt. Die nahezu identische Gestaltung der Briefköpfe mit dem stets unterhalb der Firmenbezeichnung in auffälliger Schrift platzierten Zusatz „Fliesen Stein Mosaik“ verstärkte die einheitliche Außenwahrnehmung. Nahezu zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Beklagte die Belegschaft der Schuldnerin übernahm, legte diese sich einen anderen Firmennamen zu und verlegte ihren Sitz in die Privatwohnung ihres Geschäftsführers in einer anderen Ortschaft. Sie verschwand dadurch sozusagen von der Bildfläche. Beide Gesichtspunkte bewirkten so faktisch eine Übertragung des „good will“ der Schuldnerin als weiteres wesentliches immaterielles Betriebsmerkmal auf die Beklagte.
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Dass die Schuldnerin in der Folgezeit unter anderem Firmennamen und von einem anderen Standort aus noch einen Auftrag akquirierte und teilweise abwickelte, wie der Zeuge I... bekundete, steht dem Übergang ihres vormaligen Betriebs nicht entgegen. Diese Aktivitäten erfolgten unter der neuen Firma und vom neuen Standort aus sowie im Wesentlichen durch den Geschäftsführer der Schuldnerin allein, dh. ohne Arbeitnehmer (vgl. auch Insolvenzgutachten Bl. 105 u. 110 d.A.). Es handelte sich dabei um einen anderen Betrieb als den, den die Schuldnerin bis zum 30. Juni 2009 an ihrem Sitz in B... betrieben hatte und den die Beklagte übernommen hat.
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b. Ferner haftet die Beklagte – ebenfalls insolvenzrechtlich unbeschränkt und neben der Schuldnerin als Gesamtschuldnerin – aus § 25 Abs. 1 HGB. Sie hat ab dem 1. Juli 2009 das unter Lebenden erworbene Handelsgeschäft, das die Schuldnerin als Formkaufmann gemäß § 6 HGB bis zum 30. Juni 2009 führte, unter der bisherigen Firma fortgeführt. Diese Haftung erstreckt sich auf alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers und somit auch auf die (übergegangenen) Ansprüche der Arbeitnehmer S... und H2.
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aa. Unter Lebenden erfolgt der Erwerb eines Handelsgeschäfts, sofern er – wie hier – nicht von Todes wegen eintritt (§ 27 HGB).
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bb. Die Haftung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB greift nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird (BGH 24. September 2008 - VIII ZR 192/06, WM 2008, 2273, Rn 12; BGH 28. November 2005 - II ZR 355/03, NJW 2006, 1002, Rn 7 m.w.N.). Das ist hier der Fall.
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(1) Von einer Unternehmensfortführung geht der maßgebliche Verkehr aus, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kunden- und Lieferantenbeziehungen jedenfalls im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden. Es kommt für den Erwerb im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB auch nicht darauf an, ob ein rechtsgeschäftlicher, derivativer Erwerb zugrunde liegt. Erforderlich ist nur die bloße Tatsache der Geschäftsfortführung (BGH 24. September 2008, a.a.O.).
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Die Beklagte hat, wie bereits oben unter a) ausgeführt, am selben Ort, unter derselben Anschrift, Telefon- und Fax-Nummer nahtlos denselben Unternehmensgegenstand fortgeführt, den zuvor die Schuldnerin dort verfolgte. Sie hat dazu das vollständige qualifizierte Fachpersonal der Schuldnerin übernommen und hat in Person ihres Geschäftsführers überdies eine im Wesentlichen identische Unternehmensleitung, da dieser unbestritten auch bei der Schuldnerin faktisch als „Kopf und Seele“ der Unternehmung agierte. Der Umstand, dass die Beklagte und die Schuldnerin bereits seit etwa einem Jahr nebeneinander existierten, steht nicht entgegen. Zum einen war die Beklagte in dieser Zeit, wie oben unter a) ausgeführt, nicht werbend am Markt tätig. Zum anderen kann auch eine sukzessiv erfolgende Unternehmensübernahme eine Fortführung des Handelsgeschäfts im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB sein. Maßgeblich dafür ist, ob sich für den Rechtsverkehr die Betätigung des übernehmenden Unternehmens als Weiterführung des ursprünglichen Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt (vgl. BGH 4. November 1991 - II ZR 85/91, NJW 1992, 911; BGH 24. September 2008, a.a.O.). Dies war hier, wie oben unter a) ausgeführt, der Fall.
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(2) Die Beklagte hat das Handelsgeschäft auch unter der bisherigen Firma fortgeführt. Beim Wechsel des Inhabers ist die Firmenfortführung deshalb eine Voraussetzung für die in § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB vorgesehene Haftung, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, welche der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist. Dabei kommt es nicht auf eine wort- und buchstabengetreue Übereinstimmung zwischen alter und neuer Firma, sondern nur darauf an, ob aus der Sicht des Verkehrs trotz vorgenommener Änderungen noch eine Fortführung der Firma vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird (BGH 24. September 2008, a.a.O., m.w.N.).
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Aus der Sicht des Verkehrs ist im vorliegenden Fall von einer Fortführung der Firma ab dem 1. Juli 2009 auszugehen. Der für den Verkehr maßgebliche Firmenbestandteil sowohl der Schuldnerin (deren Firmenänderung in X... GmbH erst am 3. Juli 2009 in das Handelsregister eingetragen wurde) als auch der Beklagten ist das Wort „X...“ als – in Ermangelung eines Eigennamens – prägender Firmenbestandteil. In Kombination mit dem ebenfalls in der Firma aufgeführten Unternehmensgegenstand („Bau“ bzw. „Ausführung“ von Fliesen) sowie der einheitlichen und verwechselbaren Gestaltung der Briefköpfe rechtfertigt dies die Annahme einer Firmenfortführung. Dass darüber hinaus deutschlandweit weitere Firmen des Herrn R... oder seiner F... Beteiligungs-GmbH mit dem Namensbestandteil „X...“ existierten, ändert an der Fortführung gerade der Firma der Schuldnerin durch die Beklagte nichts.
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4. Die Ansprüche sind nicht verfallen.
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a) Nach dem auf die Arbeitsverhältnisse bei der Schuldnerin anzuwendenden § 2 Abs. 5 TV Mindestlohn iVm. § 15 BRTV Bau verfallen Ansprüche auf den Mindestlohn von Arbeitnehmern in den Lohngruppen 1 und 2, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Gemäß § 2 Abs. 4 TV Mindestlohn ist der Anspruch auf den Mindestlohn am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den er zu zahlen ist. Die Arbeitnehmer waren nicht auf eine Abrechnung des Arbeitgebers angewiesen, um ihre Ansprüche erkennen und erheben zu können (vgl. dazu etwa BAG 6. November 1985 – 4 AZR 233/84, AP Nr 93 zu § 4 TVG Ausschlussfristen); die Ausschlussfrist begann daher jeweils mit dem 15. des Folgemonats. Die hier allein in Streit stehenden Mindestlohnansprüche wurden gegenüber der Beklagten unstreitig nicht innerhalb der vorgenannten Frist geltend gemacht. Eine rechtzeitige Geltendmachung gegenüber der Schuldnerin ist ebenfalls nicht dargetan.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts braucht die Forderung eines Arbeitnehmers zur Wahrung einer Ausschlussfrist aber nicht mehr geltend gemacht zu werden, wenn der Arbeitgeber sie durch Abrechnung vorbehaltlos ausgewiesen hat (BAG 21. April 1993 - 5 AZR 399/92, BAGE 73, 54). Denn durch die vorbehaltlose Ausweisung der Ansprüche hat sich der Zweck der Geltendmachung bereits erübrigt. Der Arbeitgeber als Schuldner der abgerechneten Ansprüche weiß, was auf ihn zukommt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände ist festzustellen, dass die Schuldnerin als vormalige Arbeitgeberin und Vertragspartnerin in den hier streitigen Fällen noch vor Ablauf der sechsmonatigen Ausschlussfrist die Ansprüche durch Abrechnung vorbehaltlos ausgewiesen hat.
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Dafür spricht zunächst allgemein, dass die Ansprüche tatsächlich abgerechnet wurden. Die Abrechnungen liegen vor. Die vernommenen Zeugen haben zudem bestätigt, dass die Abrechnungen jedenfalls bei Stellung des Antrags auf Insolvenzgeld schon vorgelegen haben. Dies steht in Einklang damit, dass in den Anträgen die jeweiligen Brutto- und Nettobeträge so wie in den Abrechnungen ausgewiesen aufgeführt sind. Wurde demnach von der Schuldnerin abgerechnet, so spricht allein dieser Umstand deutlich dafür, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Abrechnung noch nicht verfallen waren. Denn ein Arbeitgeber des Baugewerbes wird im Zweifel verfallene Ansprüche nicht vorbehaltlos in Abrechnungen ausweisen.
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Die Abrechnungen für April und Mai (S... und H2) sind zur Überzeugung der Berufungskammer schon deshalb zeitnah und noch vor der Betriebsnachfolge erteilt worden, weil zu diesem Zeitpunkt der Betrieb der Schuldnerin noch unverändert fortbestanden hatte. Dafür spricht auch, dass der Arbeitnehmer S... unstreitig innerhalb der Verfallfrist seinen Lohn (erfolgreich) gegenüber der Schuldnerin eingeklagt und auch innerhalb der Frist Insolvenzgeld bei der Klägerin beantragt hat (Bl. 44 d.A.). Es erscheint fernliegend, dass die Abrechnung für Mai 2009 für den Arbeitnehmer H2 zu einem gesonderten Zeitpunkt erstellt worden sein könnte. Der Zeugen I... gab zudem aus der Erinnerung an, dass die Abrechnungen jeweils zum regulären Zeitpunkt erteilt worden seien. Daraufhin gestand der Geschäftsführer der Beklagten erstmals ein, persönlich an der zeitnahen Erstellung der Abrechnungen beteiligt gewesen zu sein, indem er diese durch das Datev-Programm berechnen ließ. Da die Abrechnungen für April und Mai 2009 vor dem Betriebsübergang erfolgten, gingen die Ansprüche insoweit bereits ohne das Recht zur Berufung auf Ausschlussfristen auf die Beklagte über.
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Auch die Abrechnungen für Juni 2009 wurden von der Schuldnerin jedenfalls innerhalb der Ausschlussfrist erteilt. Sie werden mit Wahrscheinlichkeit ebenfalls für alle betroffenen Arbeitnehmer zu einem einheitlichen Zeitpunkt erstellt und ihnen zugeleitet worden sein. Der Zeuge H3 gab an, dass ihm die Abrechnung für Juni 2009 im September 2009 zusammen mit einer Kündigung durch die Beklagte zugegangen sei. Dieser Zeitpunkt liegt innerhalb der Verfallfrist. Da die Abrechnung spätestens bei Beantragung des Insolvenzgeldes bereits erteilt sein musste, lag sie im Fall des Zeugen M1 jedenfalls am 27. Januar 2010 und damit wenige Tage nach Ablauf der Verfallfrist (15. Januar 2010) vor. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Abrechnung dem Zeugen in den wenigen Tagen zwischen dem 15. Und dem 27. Januar 2010 zuging und damit erst über sechs Monate nach Ablauf des Lohnzahlungszeitraums. Auch wenn sich die Zeugen nach ca. drei Jahren überwiegend nicht mehr an den genauen Zeitpunkt der Erteilung der Abrechnung für Juni 2009 erinnert haben, spricht schon auf den ersten Blick viel dafür, dass die Abrechnungen im tariflich vorgegebenen Abstand zum Lohnzahlungszeitraum und damit innerhalb der Ausschlussfrist erfolgten. Denn ein anderer Abrechnungszeitpunkt ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich. Es fehlt ein Anhaltspunkt dafür, dass sich die Schuldnerin zu einem späteren Zeitpunkt (über sechs Monate nach Ablauf des Lohnzahlungszeitraums) plötzlich zur Erteilung der Abrechnungen entschlossen haben könnte. Die Beklagte bestreitet demgemäß den Zeitpunkt auch nur mit Nichtwissen.
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Sprechen bereits danach alle Umstände für eine rechtzeitige Abrechnungserteilung durch die Schuldnerin innerhalb der Ausschlussfrist, so war die Kammer hiervon vollends überzeugt aufgrund der Aussage des Zeugen I..., der als Geschäftsführer der Schuldnerin und die Abrechnungserteilung persönlich Ausführender aus der Erinnerung und ohne Unterlagen angab, dass auch die Juni-Abrechnungen im gewöhnlichen Turnus erfolgt seien. An eine Erstellung erst Monate später könne er sich nicht entsinnen. Nachdem der Zeuge hinzufügte, dass die Datev-Berechnungen seinerzeit stets durch den Geschäftsführer der Beklagten selbst erfolgten, gab dieser erstmals zu, alle Abrechnungen grundsätzlich selber durch das Datev-Programm abgerechnet zu haben. Allein für den Monat Juni habe er insoweit keine Erinnerung mehr. Bei diesem Gesamtbild hatte die Kammer keinen Zweifel an der rechtzeitigen Erteilung aller streitigen Abrechnungen vor Ablauf der Ausschlussfristen.
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b) Die Beklagte beruft sich nicht darauf, dass die Ansprüche der Arbeitnehmer U..., H3, L..., M2, O... und M1 für Juni 2009 nur von der Schuldnerin und damit wegen eines Übergangs der Arbeitsverhältnisse zum 1. Juli 2009 auf die Beklagte (§ 613a Abs. 1 BGB) nicht gemäß § 2 Abs. 5 TV Mindestlohn iVm. § 15 BRTV Bau von der „anderen Vertragspartei“ vorbehaltlos abgerechnet worden seien. Eine solche Berufung wäre auch als unzulässige Rechtsausübung gemäß § 242 BGB rechtlich unbeachtlich.
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aa) Das Erlöschen von Forderungen infolge des Ablaufs von Ausschlussfristen gehört zu allerdings den Einwendungen, die der Schuldner nach § 404 BGB auch dem neuen Gläubiger entgegenhalten kann (st. Rspr., BAG 24. Mai 1973 - 5 AZR 21/73 - zu 1 der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 52; 23. September 2009 - 5 AZR 518/08 - Rn. 32, AP SGB X § 115 Nr. 15). Denn Ansprüche gehen so über, wie sie bestehen. Auf einen gesetzlichen Forderungsübergang findet § 404 BGB entsprechende Anwendung (§ 412 BGB).
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bb) Bei der Gesamtschuld entwickeln sich die Entstehung und der Untergang von Einwendungen in den einzelnen Schuldverhältnissen grundsätzlich unterschiedlich. Allein Erfüllung, Erlass und Gläubigerverzug wirken gemäß § 425 Abs. 1 BGB für und gegen jeden Gesamtschuldner. Andere „Tatsachen“, die weder in den §§ 422 bis 424 BGB genannt sind noch bezüglich derer sich aus dem Schuldverhältnis „ein anderes“ ergibt, wirken damit nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Dies gilt nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 22. August 2012 – 5 AZR 526/11, juris) auch für die Geltendmachung zur Wahrung von Ausschlussfristen. Im Fall des Betriebsübergangs sind danach über § 425 BGB hinausgehend nur die Tatsachen zu Lasten des Erwerbers zu berücksichtigen, die vor dem Betriebsübergang eingetreten sind.
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cc) Die Beklagte könnte sich jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht unter Berufung auf den Arbeitgeberwechsel zum 1. Juli 2009 darauf berufen, dass die vorbehaltlose Abrechnung nicht von der „anderen Vertragspartei“, sondern nur vom früheren Arbeitgeber erteilt worden ist. Weder die Beklagte als Betriebserwerberin noch die Schuldnerin als vormalige Inhaberin sind der Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB nachgekommen, wobei ein innerer Zusammenhang zwischen dieser Pflichtverletzung und der Fristversäumung gegeben ist. In diesem Fall einer unzulässigen Rechtsausübung iSv. § 242 BGB ist dem neuen Arbeitgeber die Berufung auf die Einwendung des Verfalls verwehrt (BAG 22. August 2012 – 5 AZR 526/11, juris).
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(1) Nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB hat der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer in Textform zu unterrichten. Zu den rechtlichen Folgen gehören insbesondere die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang als solchem ergebenden Rechtsfolgen, wie der Eintritt des Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und die Haftungssystematik des § 613a Abs. 2 BGB (BT-Drucks. 14/7760 S. 19; st. Rspr., vgl. nur BAG 26. Mai 2011 - 8 AZR 18/10 - AP BGB § 613a Nr. 407).
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(2) Die Unterrichtungspflicht ist Rechtspflicht. Ihre Nichterfüllung kann zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers führen (BAG 9. Dezember 2010 - 8 AZR 592/08, juris Rn. 30 m.w.N.). Zugleich stellt es eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn sich der Betriebserwerber auf Vorteile beruft, die ihm wegen der Verletzung der Unterrichtungspflicht entstanden sind. Steht der Erwerb der Rechtsposition in einem inneren Zusammenhang mit einem eigenen rechtsuntreuen Verhalten - sei es vertrags- oder gesetzeswidrig -, handelt rechtsmissbräuchlich, wer diese Rechtsposition geltend macht (vgl. BGH 7. März 2002 - IX ZR 293/00 - NJW 2002, 1788; 13. November 1998 - V ZR 386/97 - WM 1999, 551; Palandt/Grüneberg BGB 71. Aufl. § 242 Rn. 43). Überdies ist es widersprüchlich, wenn der Betriebsübernehmer, der einen Betriebsübergang leugnet, dem Arbeitnehmer (bzw. dessen Rechtsnachfolger) vorhält, ihn nicht (früher) als Betriebserwerber in Anspruch genommen zu haben. Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Das Vertrauen des anderen am Rechtsverhältnis beteiligten Teils, dass eine bestimmte Rechtslage gegeben sei, ist vor allem dann schutzwürdig, wenn er von dem anderen Teil in diesem Glauben bestärkt worden ist und im Hinblick darauf Dispositionen getroffen hat. In einem solchen Fall ist die Ausnutzung der durch das widersprüchliche Verhalten geschaffenen Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung unzulässig (BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 53 mwN, EzA AGG § 3 Nr. 7; BAG 22. August 2012 – 5 AZR 526/11, juris; entsprechende Überlegungen bereits in BAG 13. Februar 2003 - 8 AZR 236/02 - zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 244).
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(3) Hiernach ist es der Beklagten verwehrt, sich auf die Versäumung der Ausschlussfrist zu berufen. Die Beklagte hat im Rechtsstreit jeden Betriebsübergang nachdrücklich in Abrede gestellt. Damit hat sie ihre aus § 613a Abs. 5 BGB folgende gesetzliche Verpflichtung missachtet. Der besondere, rechtlich relevante Zusammenhang zwischen der Verletzung der Unterrichtungspflicht und der Versäumung der Ausschlussfrist ist gegeben. Hätte die Beklagte noch vor dem Betriebsübergang oder zumindest in zeitlichem Zusammenhang mit dem Betriebsübergang die zuletzt beschäftigten Arbeitnehmer der Schuldnerin über den Eintritt ihrer Gesamtschuld unterrichtet, wäre sogar die Beantragung von Insolvenzgeld und die Leistung durch die Klägerin in Frage gestellt worden. In jedem Fall hätte eine Unterrichtung den Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnet, gegenüber der Beklagten die laufende Ausschlussfrist zu wahren. Dementsprechend hat die Beklagte auch nicht behauptet, die Ausschlussfrist wäre auch dann versäumt worden, wenn sie ihrer Unterrichtungspflicht nachgekommen wäre (vgl. zur Beweislastumkehr BGH 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10 - Rn. 28, NJW 2012, 2427). Deshalb könnte sich die Beklagte nicht auf den gerade aus dem Betriebsübergang folgenden Eintritt in die mit dem Betriebsveräußerer vereinbarten Vertragsbedingungen berufen.
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5. Zinsen ab dem 1. Oktober 2010 kann die Klägerin gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen, da sie die Beklagte mit Schreiben vom 26. August 2010 in Verzug gesetzt hat.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Revision iSv. § 72 ArbGG bestand nicht.
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Auf die Möglichkeit, gemäß § 72a ArbGG gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde einzulegen, wird hingewiesen.
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Referenzen
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- 5 AZR 518/08 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 Abs. 4 TV 1x (nicht zugeordnet)
- HGB § 6 1x
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 3x
- 5 AZR 159/97 1x (nicht zugeordnet)
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- V ZR 386/97 1x (nicht zugeordnet)
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- 4 Ca 3070/10 2x (nicht zugeordnet)
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- § 2 Abs. 5 TV 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 424 Wirkung des Gläubigerverzugs 1x
- ArbGG § 72a Nichtzulassungsbeschwerde 1x
- BGB § 422 Wirkung der Erfüllung 1x
- 8 AZR 592/08 1x (nicht zugeordnet)
- HGB § 25 9x
- BGB § 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang 14x
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- BGB § 412 Gesetzlicher Forderungsübergang 1x
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