Urteil vom Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (6. Kammer) - 6 Sa 188/14

Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 21.03.2014 – 9 Ca 226/13 – wird hinsichtlich der Ziffer 2. des Urteilstenors (Urlaubsabgeltung) als unzulässig verworfen.

II.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 21.03.2014 – 9 Ca 226/13 – hinsichtlich der Ziffer 1. (Arbeitsvergütung für Juli und August 2013) und Ziffer 4. des Urteilstenors (Kostenentscheidung) teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.060,16 EUR netto nebst Jahreszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz auf 1.530,08 EUR seit dem 16.08.2013 und auf weitere 1.530,08 EUR seit dem 16.09.2013 zu zahlen.

4. Die Beklagte trägt 70%, der Kläger trägt 30% der Kosten des Rechtsstreits.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten aus einem beendeten Arbeitsverhältnis über Vergütungs- und Urlaubsabgeltungsansprüche.

2

Der Kläger war vom 01.05.2013 bis 31.08.2013 bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis während der gesetzlichen Probezeit mit Schreiben vom 16.08.2013 (Bl. 10 d. A.) zum 31.08.2013 und erteilte dem Kläger zugleich Hausverbot.

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Die Rechtsbeziehungen der Parteien bestimmten sich nach dem Arbeitsvertrag vom 11.04.2013 (Bl. 7 – 9 d. A.), wonach der Kläger als kaufmännischer Mitarbeiter bei einem monatlichen Bruttogehalt von 2.300,00 Euro, fällig am 15. des Folgemonats für die Beklagte tätig wird. Weiter sieht der Vertrag einen Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen (Fünftagewoche) vor.

4

Die Beklagte zahlte an den Kläger für die Monate Juli und August 2013 keinerlei Vergütung und händigte diesem auch zunächst keine Vergütungsabrechnungen für den vorgenannten Zeitraum aus. Für den Monat August 2013 überreichte sie im Kammertermin erster Instanz eine Vergütungsabrechnung. Darüber hinaus legte sie im Laufe des Berufungsverfahrens Vergütungsabrechnungen für die Monate Juli und August 2013 – datiert auf den 14.08. bzw. 13.09.2013 – in kopierter Form (Bl. 109 f d. A.) vor. Jene weisen einen Nettobetrag für die vorgenannten Monate in Höhe von jeweils 1.530,08 Euro aus.

5

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger Auszahlung der Bruttovergütung für die Monate Juli und August 2013 in Höhe von jeweils 2.300,00 Euro sowie Urlaubsabgeltung für sieben von ihm in natura nicht in Anspruch genommene Urlaubstage, die er mit 743,12 Euro brutto berechnet.

6

Der Kläger hat beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.600,00 Euro brutto nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 2.300,00 Euro seit dem 15. August 2013 und auf weitere 2.300,00 Euro seit dem 15. September 2013 zu zahlen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 743,12 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe die ihm übertragenen Aufgaben im Bereich Personalsachbearbeitung und Lohnabrechnung nur mangelhaft erfüllt. Es sei deshalb notwendig gewesen, die von ihm erstellten Vergütungsabrechnungen aber auch die Bearbeitung von Kranken- und Urlaubsscheinen durch andere Mitarbeiter zu korrigieren. Hierfür sei ein zusätzlicher Personalaufwand in Höhe von 920,00 Euro entstanden. Darüber hinaus seien ihr für die Schulung des Klägers im Juli (DATEV-Seminar) Kosten in Höhe von 800,00 Euro entstanden.

12

Bei dem Einstellungsgespräch habe der Kläger – so hat die Beklagte weiter behauptet – ausdrücklich versichert, auch über Fähigkeiten im Bereich Lohnabrechnung aufgrund mehrjähriger Tätigkeit in einem Steuerbüro zu verfügen. Wegen dieser nicht zutreffenden Angabe sei der Kläger eingestellt worden. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses habe sich herausgestellt, dass der Kläger mit den übertragenen Aufgaben offensichtlich überfordert gewesen sei. Bei dieser Sachlage – so hat die Beklagte gemeint – bestehe kein Vergütungsanspruch des Klägers für die Monate Juli und August 2013. Allerdings seien die Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuer für diese Monate abgeführt worden.

13

Der Kläger hat die von der Beklagten behaupteten Schlechtleistungen bestritten. Ebenso hat er die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer auf die streitigen Forderungen mit Nichtwissen bestritten.

14

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.03.2014 die Beklagte zur Zahlung von 4.600,00 Euro brutto Vergütung Juli und August 2013 sowie zur Zahlung von 743,05 Euro brutto Urlaubsabgeltung zuzüglich Zinsen verurteilt, im Übrigen die Klage abgewiesen und ihr die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der streitgegenständliche Vergütungsanspruch zu. Dieser entstehe unabhängig von dem Erfolg der von ihm erbrachten Arbeitsleistung. Eine Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen habe die Beklagte nicht erklärt. Da sie weiterhin die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer nicht hinreichend schlüssig dargelegt habe, sei die Beklagte auch zur Zahlung des von dem Kläger begehrten Bruttobetrages zu verurteilen. Ebenso stehe dem Kläger aus § 7 Abs. 4 BUrlG ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung zu. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Blatt 73 bis 80 der Akte verwiesen.

15

Gegen dieses, ihr am 14.04.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.05.2014 Berufung eingelegt und diese am 13.06.2014 begründet.

16

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie hält an ihrer Auffassung, dem Kläger stehe für die Monate Juli und August 2013 kein Vergütungsanspruch zu, fest. Ungeachtet dessen habe sie die für diese Monate auf das vereinbarte Bruttoentgelt anfallenden Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abgeführt, wie sich aus den von ihr vorgelegten Vergütungsabrechnungen ergebe.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 21.03.2014 abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

21

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Zu Recht habe das Arbeitsgericht ihm den vollen Bruttobetrag zugesprochen, da die Beklagte die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern erstinstanzlich nicht substantiiert habe darlegen können. Ein solcher Vortrag sei erstmals im Rahmen der Berufungsbegründung erfolgt.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

23

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, soweit sie sich damit gegen die Verurteilung zur Zahlung von Arbeitsvergütung für die Monate Juli und August 2013 zuzüglich Zinsen wendet. Im Übrigen (Urlaubsabgeltung) ist sie unzulässig.

I.

24

Die Berufung stellt das gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG statthafte Rechtsmittel dar. Die Beklagte hat die Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingehalten.

II.

25

Die Berufungsbegründung entspricht nur hinsichtlich der Rechtsverteidigung gegen Vergütungsansprüche für die Monate Juli und August 2013 den Voraussetzungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 ZPO, wonach sich der Berufungsführer dezidiert und in entscheidungserheblicher Weise mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinanderzusetzen hat.

26

Sie enthält aber keinerlei Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung, soweit das Arbeitsgericht dem Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von 743,05 Euro brutto zugesprochen hat. Die Ausführungen der Beklagten – kein Vergütungsanspruch wegen Schlechtleistung, Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern – beziehen sich ausschließlich auf die Vergütungsansprüche, lassen jedoch keinen Bezug zu dem weiter streitigen Anspruch auf Urlaubsabgeltung erkennen.

B.

27

Die Berufung der Beklagten ist begründet, soweit das Arbeitsgericht sie zur Zahlung von mehr als jeweils 1.530,08 Euro (netto) Arbeitsvergütung für Juli und August 2013 nebst Zinsen verurteilt hat. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

I.

28

Nach dem sich zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bietenden Sachstand besteht für den Kläger nur (noch) ein Anspruch auf Arbeitsvergütung für die Monate Juli und August 2013 in Höhe von jeweils 1.530,08 Euro netto.

29

1. Der Anspruch folgt bis zum Zugang der Kündigung der Beklagten vom 16.08.2013 aus § 611 BGB, wonach der Arbeitgeber zur Zahlung der für die geleisteten Dienste vereinbarten Vergütung an den Arbeitnehmer verpflichtet ist.

30

Der Kläger hat die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitsleistung im vorgenannten Zeitraum erbracht. Auch die Beklagte trägt nicht vor, der Kläger sei gar nicht im Betrieb anwesend gewesen oder habe sich dort mit anderweitigen Tätigkeiten beschäftigt. Ihr Vorbringen geht vielmehr dahin, der Kläger habe die ihm obliegenden Arbeitsaufgaben schlecht erfüllt. Dieser Einwand steht jedoch der Begründung eines Vergütungsanspruches nicht entgegen. Zutreffend hat das Arbeitsgericht unter Verweis auf die einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur ausgeführt, der Arbeitnehmer schulde keinen Erfolg. Der Arbeitgeber ist mithin im Fall der Schlechterfüllung der Arbeitsleistung nicht zur Kürzung oder gar Streichung der auf Stundenbasis vereinbarten Vergütung berechtigt. Für ihn besteht lediglich die Möglichkeit, den aus einer schuldhaft herbeigeführten Pflichtverletzung resultierenden Schaden im Wege der Aufrechnung unter Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenzen (§§ 394 BGB, 850c ZPO) geltend zu machen.

31

2. Für den verbleibenden Zeitraum ergibt sich der Vergütungsanspruch aus § 615 BGB, wonach der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch auch dann behält, wenn er seine Dienste nicht erbringt, der Arbeitgeber sich jedoch in Annahmeverzug befindet.

32

Vorliegend befand sich die Beklagte auch ohne ein tatsächliches oder wörtliches Angebot des Klägers (§§ 294, 295 BGB) in Annahmeverzug gemäß § 296 BGB, weil sie durch Ausspruch eines Hausverbotes deutlich gemacht hat, dass sie ihrer arbeitstäglich bestehenden Mitwirkungshandlung in Form der Bereitstellung eines Arbeitsplatzes bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31.08.2013 nicht mehr nachkommen werde.

33

3. Die Höhe der im streitgegenständlichen Zeitraum anfallenden Vergütung ist zwischen den Parteien nicht streitig.

34

4. Der Anspruch des Klägers ist jedoch in Höhe von jeweils 769,92 Euro durch Erfüllung seitens der Beklagten gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.

35

Nach dem sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bietenden Sachverhalt, insbesondere der vorgelegten Abrechnungen vom 14.08. und 13.09.2013, ist für die Entscheidungsfindung davon auszugehen, dass die Beklagte die auf die monatliche Bruttovergütung von 2.300,00 Euro anfallenden Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitnehmeranteil) und die Lohnsteuer mit befreiender Wirkung an die Beitragseinzugsstelle bzw. das zuständige Finanzamt abgeführt hat. Der Kläger hat den in der Berufungsbegründung substantiierten diesbezüglichen Sachvortrag der Beklagten nicht (mehr) bestritten. Ein solcher Erklärungswert ist seinem Vorbringen in der Berufungserwiderung nicht zu entnehmen. Er räumt dort vielmehr ein (Seite 4), die Beklagte habe nunmehr erstmalig substantiiert hierzu vorgetragen, ohne diesen Sachvortrag der Beklagten wiederum konkret zu bestreiten.

36

5. Darüber hinaus ist der Vergütungsanspruch des Klägers nicht gemäß § 389 BGB durch Aufrechnung seitens der Beklagten erloschen.

37

Es fehlt bereits an einer hinreichend bestimmten Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB) der Beklagten. Diese hat zwar schriftsätzlich Gegenforderungen aufgemacht, andererseits sowohl erst- als auch zweitinstanzlich erklärt, ihrer Auffassung nach schulde sie dem Kläger für Juli und August 2013 überhaupt keinen (Netto?)-Lohn. Angesichts dieses Vorbringens lässt sich eine auf die Nettolohnforderung bezogene Aufrechnungserklärung nicht – auch nicht hilfsweise – herleiten.

38

Im Übrigen wäre eine Aufrechnung gemäß §§ 394 BGB, 850c ZPO nur in Höhe von monatlich 339,47 Euro zulässig.

39

6. Die Zinsforderung folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB; § 3 Arbeitsvertrag.

II.

40

Nach alledem konnte das Rechtsmittel der Beklagten nur teilweise Erfolg haben.

C.

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

D.

42

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

43

Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.


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