Urteil vom Landgericht Aachen - 9 O 84/96
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 39.918,59 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 27.05.1995 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000,-- DM vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Beklagte schloß am 20.02.1989 mit einem Herrn L (im folgenden: Schuldner) einen Darlehensvertrag über einen Betrag von 75.000,-- DM, der durch eine Briefgrundschuld in gleicher Höhe gesichert war. Dem Darlehensvertrag lagen die allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten zugrunde. Darin heißt es in Ziffer 9. unter anderem:
3„Soweit dem Grundpfandrecht der Gläubigerin jetzt oder künftig Grundschulden im Rang vorgehen oder gleichstehen, tritt der Eigentümer des Pfandobjekts für die Dauer dieses Darlehensverhältnisses hiermit sämtliche Ansprüche, die ihm aus dem Bestehen dieser Grundschulden gegenüber den Grundschuldgläubigern jetzt oder künftig zustehen, an die Gläubigerin ab, insbesondere die Ansprüche auf:
4a)
5Rückübertragung, Löschung oder Verzicht dieser Grundschulden samt Nebenleistungen, und zwar im Ganzen oder teilweise …“.
6Am 08.03.1989 gewährt die H2 Lebensversicherung dem Schuldner ein weiteres Darlehen über einen Betrag von 110.000,-- DM, welchen ebenfalls durch eine Grundschuld gesichert werden sollte. In Ziffer 1. der allgemeinen Darlehensbedingungen heißt es unter anderem:
7„Der Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld wird beschränkt auf einen nichtabtretbaren Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung.“
8Der Schuldner war Inhaber eines Erbbaurechts an dem Gebäude H1 -Straße, welches im Grundbuch von C unter Blatt 5265 eingetragen war. Am 04.09.1989 wurden zugunsten der H2 Lebensversicherung der Beklagten aufgrund vorangegangener Bewilligungen die Grundschulden eingetragen, wobei die zugunsten der H2 Lebensversicherung bestehende Grundschuld erstrangig und die zugunsten der Beklagten bestehende Grundschuld zweitrangig war.
9Schließlich gewährte die Klägerin dem Schuldner am 21.11.1991 ein weiteres Darlehen über einen Betrag von 90.000,-- DM. Die zur Sicherung bestellte Grundschuld wurde unter der laufenden Nummer 4 eingetragen.
10Am 14.04.1993 wurde der Schuldner als Eigentümer des betreffenden Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Die zugunsten der Beklagten bestehende Grundschuld wurde aufgrund der Löschungsbewilligung vom 19.10.1992 gelöscht und am 07.07.1993 in unveränderter Höhe an dem Grundstück selber eingetragen. Die Beklagte hatte sich zu der Löschung unter der Bedingung bereit erklärt, daß die neue Grundschuld wiederum zweitrangig eingetragen wird.
11Zugunsten der Klägerin war bereits am 14.04.1993 eine Grundschuld über 90.000,-- DM eingetragen worden. Das hatte zur Folge, daß nunmehr die Grundschuld zugunsten der H2 Lebensversicherung erstrangig und die zugunsten der Klägerin zweitrangig eingetragen war. Die Grundschuld der Beklagten ging diesen Grundschulden im Range nach.
12Die H2 Lebensversicherung betrieb schließlich in dem Verfahren 21 K 93/93 AG Hamm die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Ein entsprechender Versteigerungsvermerk wurde am 08.07.1993 eingetragen. Das Grundstück wurde gegen ein Meistgebot von 255.000,-- DM zugeschlagen. Im Verteilungstermin meldete die H2 Lebensversicherung ihre volle dingliche Forderung an, obwohl das Darlehen nicht mehr in voller Höhe valutierte. Sie erzielte deshalb einen Übererlös in Höhe von 74.415,68 DM, während die Klägerin wegen eines Betrages in Höhe von 39.918,59 DM mit ihrer Forderung ausfiel. Nachdem die Beklagte der H2 Lebensversicherung mit Schreiben vom 05.08.1993 angezeigt hatte, daß der Schuldner den Rückübertragungsanspruch an sie abgetreten habe, kehrte diese den Übererlös in drei Raten an die Beklagte aus.
13Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 09.05.1995 unter Fristsetzung bis zum 26.05.1995 erfolglos zur Zahlung an sie auf.
14Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Übererlös habe in Höhe der Klageforderung ihr zugestanden. Die H2 Lebensversicherung habe diesen zu Unrecht an die Beklagte ausgezahlt, weil sie ihr im Rang nachgegangen und eine wirksame Abtretung des Rückgewähranspruches durch den Schuldner nicht erfolgt sei. Nach den Darlehensbedingungen der H2 Lebensversicherung beschränkte sich dieser Rückgewähranspruch auf einen nicht abtretbaren Anspruch auf Erteilung der Löschungsbewilligung.
15Die Klägerin beantragt,
16die Beklagte zu verurteilen, an sie 39.918,59 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 26.05.1995 zu zahlen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie vertritt die Auffassung, die Abtretung sei aufgrund ihrer Darlehensbedingungen wirksam erfolgt, so daß der Übererlös zu Recht an sie ausgekehrt worden sei.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
21Die Klage ist im wesentlichen begründet, lediglich hinsichtlich der Zinsforderung teilweise unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 39.918,59 DM gemäß § 822 BGB.
22Die H2 Lebensversicherung hat den Übererlös in Höhe von 74.415,68 DM ohne Rechtsgrund erlangt. Sie hat ihre volle dingliche Forderung zur Verteilung angemeldet, obwohl die Grundschuld nicht mehr in entsprechender Höhe valutierte. Deshalb hat sie mehr erhalten, als ihr materiell – rechtlich zustand.
23Diesen Übererlös durfte sie nicht in voller Höhe an die Beklagte auskehren. Die Klägerin war in der Zwangsversteigerung wegen eines Betrages in Höhe von 39.918,59 DM ausgefallen. In entsprechender Höhe stand jedenfalls ihr der Übererlös zu. Unstreitig ging die Klägerin der Beklagten im Rang vor, wobei hier dahinstehen kann, worin das seine Ursache hat. Die Grundschulden gehörten alle der Rangklasse 4 an (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG), so daß die Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 ZVG wegen ihrer Forderung vorrangig vor der Beklagten zu befriedigen gewesen wäre. Da die H2 Lebensversicherung den Übererlös indessen gegen die Reihenfolge der Beklagten unentgeltlich zugewendet hat, haftet diese der Klägerin gemäß § 822 BGB. Ein Anspruch der Klägerin gegen die H2 Lebensversicherung besteht nicht (mehr), weil diese nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB) und keine Gründe für eine verschärfte Haftung gemäß §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB ersichtlich sind.
24Entgegen der Auffassung der Beklagten bestand ihrerseits kein Anspruch auf den Übererlös. Ein solcher Anspruch läßt sich insbesondere nicht aus der Abtretungsvereinbarung vom 20.02.1989 herleiten.
25Die Beklagte ist nicht gemäß § 398 BGB Inhaberin eines Rückgewähranspruches des Schuldners gegen die H2 Lebensversicherung geworden. Zwar sollte der Schuldner als Eigentümer des belasteten Grundstücks nach Ziffer 9 der allgemeinen Darlehensbedingungen sämtliche Ansprüche, die ihm aus Grundschulden gegen vorrangige Grundschuldgläubiger zustehen, an die Beklagte abtreten. Jedoch ist bereits im Darlehensverhältnis zwischen dem Schuldner und der H2 Lebensversicherung ein abtretbarer Rückgewähranspruch des Schuldners nicht entstanden. Dieser hatte als Eigentümer des Grundstücks und Sicherungsgeber von seinem Wahlrecht hinsichtlich der Art der Grundstücksgewähr Gebrauch gemacht. Der Rückgewähranspruch geht nach Wahl des Eigentümers auf Übertragung (§§ 1192, 1154 BGB), Verzicht (§§ 1192, 1168 BGB) oder Aufhebung (§§ 1192, 1183 875 BGB). Gemäß der Vereinbarung der H2 Lebensversicherung hat er seine Rückgewähransprüche auf den Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung beschränkt (vgl. Ziffer 1 der allgemeinen Darlehensbedingungen). Andere Rückgewähransprüche wurden durch diese Klausel abbedungen. Diese Regelung begegnet auch im Hinblick auf eine Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG keinen Bedenken. Insbesondere stellt sie keine unangemessene Benachteiligung des Sicherungsgebers dar (vgl. BGH WM 1990, 464, 465).
26Zudem konnte die Beklagte aufgrund eines Abtretungsausschlusses gemäß § 399 2. Alternative BGB nicht Zessionarin einer Grundschuldrückgewährforderung gegen die H2 Lebensversicherung werden. Forderungsinhaberin blieb die H2 Lebensversicherung. Es handelt sich bei der Forderung des Schuldners gegen die H2 Lebensversicherung auf Erteilung der Löschungsbewilligung um eine nicht abtretbare Forderung. Die Vertragsparteien haben damit einen Abtretungsausschluß im Sinne des § 399 BGB vereinbart. Auf die Unwirksamkeit einer solchen Abtretung kann sich nicht nur die Schuldnerin, sondern jedermann berufen (vgl. BGHZ 56, 176 ff.).
27Nach alledem bleibt es deshalb dabei, daß die Klägerin vorranging vor der Beklagten zu befriedigen gewesen wäre.
28Zinsen stehen der Klägerin gemäß §§ 284, 286 BGB erst seit dem 27.05.1995 zu, weil sie die Beklagte mit Schreiben vom 08.05.1995 unter Fristsetzung bis zum 26.05.1995 zur Zahlung aufgefordert hat.
29Den Zinsanspruch in Höhe von 5 % über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank hat die Beklagte nicht bestritten.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 ZPO.
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