Urteil vom Landgericht Arnsberg - 3 S 116/13
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Menden (Sauerland) vom 02.10.2013 teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 437,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2012 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 51 % und die Beklagte 49 % nach einem Gegenstandswert von 900 €.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
A.
3Die Kläger nahmen bei der Beklagten zwei Privatdarlehn auf, am 20.08.2007 über 20.000 € mit einer Bearbeitungsgebühr von 600 € und am 03.03.2011 über 10.000 € mit einer Bearbeitungsgebühr von 300 €. Wegen des näheren Inhalts der Vertragsformulare wird auf Bl. 5 – 14 d.A. Bezug genommen. Die Darlehn wurden vollständig getilgt.
4Das Darlehn aus 2007 war in 35 Raten zu je 652,54 € zurückzuzahlen, beginnend mit dem 15.10.2007. Mit Schreiben vom 04.12.2012 wurde die Beklagte zur Rückzahlung der geleisteten Bearbeitungsgebühren zum 17.12.2012 aufgefordert. Die Klage wurde am 16.04.2013 eingereicht.
5Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Vereinbarung von Bearbeitungsgebühren. Die Beklagte hat zudem die Einrede der Verjährung erhoben. Außerdem hätten die Kläger nicht hinreichend unter Beweis gestellt, dass die Bearbeitungsgebühren von Beklagtenseite als Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgegeben worden seien.
6Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es zulässig sei, die Bearbeitungsgebühr in die Preishauptabrede einzupreisen, wenn sich dieses aus der Darlegung des effektiven Jahreszinses ergebe (Bl. 369 ff).
7Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger.
8Beide Parteien vertiefen nochmals ihre unterschiedlichen Rechtsstandpunkte zur Frage, ob es sich bei der Vereinbarung von Bearbeitungsgebühren um der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff BGB unterliegende allgemeine Geschäftsbedingungen handelt.
9B.
10Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt, §§ 511, 517, 519 ZPO, und ordnungsgemäß begründet worden, § 520 ZPO.
11Die Berufung der Kläger hat in Höhe von 437,22 € teilweise Erfolg, soweit ihre Forderung nicht verjährt ist (462,76 €).
12Der Anspruch der Kläger auf teilweise Rückzahlung der Bearbeitungsgebühren ergibt sich aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB.
13Die Beklagte hat durch die jeweilige Zahlung der Bearbeitungsgebühr etwas erlangt im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB, da sich ihr Vermögen durch die Zahlung der Bearbeitungsgebühr vermehrt hat. Bei der Zahlung der Bearbeitungsgebühr durch die Kläger handelt es sich auch um eine Leistung der Kläger, da diese zweckgerichtet und bewusst das Vermögen der Beklagten vermehrt haben.
14Diese Leistung erfolgte ohne rechtlichen Grund. Die Grundlage der Leistung, die in den Darlehensverträgen vereinbarte Bearbeitungsgebühr, war als allgemeine Geschäftsbedingung nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
15Bei der Vereinbarung der Bearbeitungsgebühr handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB, da diese eine für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingung, die den Klägern bei Abschluss des Vertrags durch die Beklagte gestellt wurde, darstellt. Insoweit schließt sich die Kammer der Rechtsprechung u.a. der Oberlandesgerichte Hamm, Düsseldorf und des Landgerichts Düsseldorf an (vgl. OLG Hamm, Urt. V. 11.04.2011, 31 U 192/10; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.02.2011, I-6 U 162/10, LG Düsseldorf, Teilurteil vom 11.09.2013, 23 S 391/12, jeweils zitiert nach juris).
16Die Beklagte hat nicht hinreichend dazu vorgetragen, dass die Gebühr individuell ausgehandelt wurde; auch hat sie keinen Beweis angeboten. Zwar muss grundsätzlich derjenige, der sich auf den Schutz der §§ 305 ff. BGB beruft, darlegen und beweisen, dass es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt (vgl. Palandt, 72. Aufl. 2013, § 305 Rn. 23; BGH Urt. v. 14.05.1992, VII ZR 204/90; zitiert nach juris).
17Durch das Vorlegen des in Rede stehenden Vertrages kann der Vertragspartner allerdings seiner Darlegungs- und Beweislast genügen, wenn es sich um einen Vertrag handelt, der nach seiner inhaltlichen Gestaltung aller Lebenserfahrung nach für eine mehrfache Verwendung entworfen wurde und durch den Verwender gestellt worden ist; denn dann spricht bereits der erste Anschein für einen Formularvertrag und damit für das Vorliegen allgemeiner Geschäftsbedingungen (vgl. BGH a.a.O.; BGH NJW 2009, 3717; OLG Düsseldorf, BeckRS 2009, 86417). In diesem Falle trifft den anderen Vertragsteil die Darlegungs- und Beweislast; dieser muss insbesondere darlegen und beweisen, dass eine Klausel individuell ausgehandelt wurde (OLG Düsseldorf a.a.O.).
18Vorliegend lässt der äußere Anschein der durch die Kläger vorgelegten Darlehensverträge darauf schließen, dass es sich bei der Bearbeitungsgebühr um eine vorformulierte Bedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB handelt. Darüber hinaus enthält auch das Berechnungsbeispiel im Darlehnsvertrag vom 03.03.2011 der Beklagten einen Hinweis auf die anfallende Bearbeitungsgebühr. Die Gebühr wird dort als Bestandteil des Effektivzinssatzes angegeben. Dass es sich bei dieser Angabe nur um Berechnungsbeispiele handelt, steht der Annahme einer allgemeinen Geschäftsbedingung nicht entgegen. Ein Rechenbeispiel ohne Einbeziehung einer Bearbeitungsgebühr ist hingegen nicht vorhanden. Dies lässt ebenfalls darauf schließen, dass im Regelfall eine Bearbeitungsgebühr bei Abschluss eines Kreditvertrags anfällt (vgl. auch LG Düsseldorf vom 11.09.2013 a.a.O.). Desweiteren weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass die jeweiligen Bearbeitungsgebühren linear abhängig von der jeweiligen Darlehnssumme sind. Bereits der Umstand, dass in jedem der Kreditverträge der Höhe nach derselbe prozentuale Anteil für eine Beratungsgebühr vereinbart wurde, lässt den Rückschluss darauf zu, dass die Beratungsgebühr tatsächlich nicht individuell ausgehandelt wurde und die Kläger auf deren Höhe keinen Einfluss nehmen konnten.
19Der Einordnung als allgemeine Geschäftsbedingung steht auch nicht entgegen, dass die Bearbeitungsgebühr für die Kläger als solche klar erkennbar war. Denn eine Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen findet nicht deshalb statt, weil die hierin enthaltenen Klauseln für den Vertragspartner nicht erkennbar sind, sondern weil dieser durch die einseitige Stellung durch den Verwender keinen Einfluss auf die Gestaltung der Klausel nehmen kann (LG Düsseldorf m.w.N.).
20Die Erhebung der Bearbeitungsgebühr ist als vorformulierte Vertragsbedingung nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da sie die Kläger unangemessen benachteiligt.
21Die Bearbeitungsgebühr ist einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB zugänglich. Der Ausschlusstatbestand des § 307 Abs. 3 BGB greift nicht, da es sich bei der Bearbeitungsgebühr nach zutreffender Ansicht, der sich die Kammer anschließt, um eine bloße Preisnebenabrede, nicht um eine vertragliche Hauptleistungspflicht (Hauptpreisabrede) handelt (OLG Hamm, a.a.O.)
22Eine Preisnebenabrede liegt vor, wenn die Regelung kein Entgelt für eine Leistung, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht wird, zum Gegenstand hat, sondern sie lediglich allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden abwälzt (BGH NJW 2011, 2640; LG Düsseldorf a.a.O., m.w.N.).
23Eine (nicht kontrollfähige) Hauptpreisabrede liegt hingegen vor, wenn der Preis der vertraglichen Hauptleistung oder das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung vereinbart wird (LG Düsseldorf a.a.O.).
24Bei der Bearbeitungsgebühr handelt es sich nicht um eine Hauptpreisabrede. Denn die Bearbeitungsgebühr ist weder eine vertragliche Hauptleistung noch das Entgelt für eine zusätzlich angebotene Sonderleistung der Beklagten.
25Sie ist weder einem Zins vergleichbar noch ist ersichtlich, dass die Bearbeitungsgebühr Entgelt für eine zusätzlich durch die Beklagte angebotene Sonderleistung ist. Vielmehr handelt es sich bei der Bearbeitungsgebühr um eine Preisnebenabrede, da durch sie lediglich allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden abgewälzt werden (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; LG Düsseldorf a.a.O.). Die in der Gebühr enthaltene Beratung des Kunden, Überprüfung dessen Bonität und Prüfung der Erforderlichkeit und gegebenenfalls Bestellung von Sicherheiten erfolgen im eigenen Interesse der Beklagten. Zweck dieser Bearbeitungsschritte ist in erster Linie, das Forderungsausfallrisiko der Beklagten zu minimieren.
26Durch die Erhebung einer Bearbeitungsgebühr wird der Darlehnsnehmer auch unangemessen benachteiligt im Sinne des § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
27Sie ist mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweicht, nicht zu vereinbaren. Entgeltklauseln, durch welche ein Kreditinstitut einen Vergütungsanspruch für Tätigkeiten normiert, zu deren Erbringung es bereits gesetzlich oder auf Grund einer selbständigen vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet ist oder die es ausschließlich im eigenen Interesse vornimmt, sind mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen nicht vereinbar, da nach dem gesetzlichen Leitbild für solche Tätigkeiten ein Entgelt nicht beansprucht werden kann (vgl.OLG Hamm a.a.O.). Durch die Unvereinbarkeit einer Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen wird eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung der Kunden des Verwenders indiziert, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (BGH NJW 2011, 2640 m.w.N.). Es sind keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen, aus welchen folgt, dass die Regelung dennoch den Kreditnehmer nicht unangemessen benachteiligt.
28Der Anspruch der Kläger ist jedoch teilweise nicht durchsetzbar. Die Ansprüche wegen der Bearbeitungsgebühr des Darlehensvertrags aus 2007 sind teilweise verjährt. Die Beklagte kann die Rückzahlung der gezahlten Bearbeitungsgebühren insofern nach § 214 Abs. 1 BGB dauerhaft verweigern.
29Die Verjährungsfrist begann jeweils mit Zahlung der in den einzelnen Raten enthaltenen Bearbeitungsgebühr zu laufen. Sie endete für den Anteil der Bearbeitungsgebühren, welche in den Raten bis einschließlich des Jahres 2009 enthalten waren, mit Ablauf des Jahres 2012. Das sind die Raten vom 15.10.2007 bis zum 15.12.2009, mithin 27 Raten. Auf jede Rate entfällt eine Bearbeitungsgebühr von (600:35) 17,14 €, mithin ist der Rückforderungsbetrag in Höhe von 462,78 € (600:35x27) verjährt.
30Gemäß § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
31Dabei ist nach allgemeiner Ansicht lediglich die Kenntnis der tatsächlichen Umstände erforderlich; eine zutreffende rechtliche Wertung ist hingegen nicht erforderlich (vgl. nur BGH NJW 2008, 1729; BGH NJW 2008, 2427, BGH NJW 2008, 2576; BGH NJW-RR 2008, 1237; BGH NJW-RR 2005, 1148, jeweils zitiert nach beck-online).
32Die Kläger hatten mit Abschluss der Kreditverträge Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen. Die Frage, ob eine allgemeine Geschäftsbedingung vorliegt, ist eine reine Rechtsfrage. Die für diese rechtliche Wertung erforderlichen Tatsachen normiert § 305 Abs. 1 S. 1 BGB: Es muss sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung handeln, die eine Vertragspartei der anderen bei Abschluss des Vertrags stellt. Nach dem eigenen Vortrag der Kläger konnten sie auf die Bearbeitungsgebühr keinen Einfluss nehmen; dies war ihnen dementsprechend bei Vertragsschluss bereits bekannt. Ob die Kläger aus den objektiven Umständen die zutreffende rechtliche Wertung, nämlich dass hieraus das Vorliegen einer allgemeinen Geschäftsbedingung folgt, gezogen haben, ist für den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist unerheblich.
33Der (hier gegenständliche) bereicherungsrechtliche Rückzahlungsanspruch ist mit Zahlung der Bearbeitungsgebühr, nicht hingegen mit Abschluss des Vertrags entstanden. Denn erst mit der Zahlung der Bearbeitungsgebühr hat die Beklagte "etwas erlangt" im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Fall BGB.
34Die Bearbeitungsgebühr war anteilig in den jeweiligen Raten enthalten. Dies folgt aus der Auslegung des Vertrags nach dem objektiven Empfängerhorizont, §§ 133, 157 BGB. Der Kreditvertrag trifft zu der Frage der Verrechnung keine ausdrückliche Regelung, weshalb er einer Auslegung zugänglich ist. Diese ergibt jedoch, dass, wenn bei einem Ratenkredit aus der Gesamtsumme von Kapital und Kosten gleiche Zahlungsraten gebildet werden, mit jeder Einzelrate dem Verhältnis der Gesamtbeträge entsprechende Kapital- und Kostenanteile fällig werden; dabei werden vereinbarungsgemäß gezahlte Ratenbeträge diesen Anteilen entsprechend verrechnet.
35Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286 BGB.
36Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
37Ein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
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- BGB § 305 Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag 3x
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- §§ 305 ff. BGB 1x (nicht zugeordnet)
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- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
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