Urteil vom Landgericht Hamburg (18. Zivilkammer) - 318 S 47/14
Tenor
1. Die Berufungen der Beklagten gegen das Teilurteil des Amtsgerichts Hamburg vom 13.02.2014, Az.: 102d C 56/131, sowie gegen das Schlussurteil des Amtsgerichts Hamburg vom 12.06.2014, Az.: 102d C 56/13, werden zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.800,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um die Gültigkeit des zum Tagesordnungspunkt 10 (im Nachfolgenden „TOP 10“) auf der Eigentümerversammlung vom 16.04.2013 gefassten Beschlusses.
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Gegenstand des zum TOP 10 gefassten Beschlusses war die „Wiederbestellung der GHN Verwaltungsgesellschaft für G. in H. + N. mbH ab 01.01.2014 auf Basis eines beigefügten Vertragsvorschlages (siehe Anlage)- Diskussion und Beschlussfassung über Abschluß und Vertragsdauer“. Die Wohnungseigentümer beschlossen mehrheitlich bei einer Gegenstimme:
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1. Der Vertrag mit der GHN Verwaltungsgesellschaft für G. in H. + N. mbH wird für die Dauer von 5 Jahren ab 01.01.2014 fortgesetzt.
2. Der der Einladung beigefügte Verwaltervertrag wird beschlossen.
3. Der Verwaltungsbeirat wird bevollmächtigt, den neuen Verwaltervertrag für die Gemeinschaft gegenzuzeichnen.
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Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).
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Mit Teilurteil vom 13.02.2014 hat das Amtsgericht hinsichtlich der Anfechtung des zu TOP 10 gefassten Beschlusses der Klage stattgegeben und diesen Beschluss der Versammlung vom 16.04.2013 für ungültig erklärt. Mit Schlussurteil vom 12.06.2014 hat das Amtsgericht den Beklagten hinsichtlich der Anfechtung des zu TOP 10 gefassten Beschlusses die Kosten auferlegt.
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Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, ein Beschluss über die Vereinbarung eines Verwaltervertrages widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn der Vertrag Klauseln enthalte, die ordnungsgemäßer Verwaltung widersprächen. Auf Basis dieses Verwaltervertrages habe auch der Beschluss über die Wiederbestellung der Verwaltung ordnungsgemäßer Verwaltung widersprochen. Der Beschluss zum TOP 10 sei eine einheitliche Entscheidung. Er enthalte sowohl eine Verwaltungsentscheidung der Wohnungseigentümer über den Abschluss eines Verwaltervertrages als auch einen Beschluss über die Fortdauer der Bestellung der Verwalterin. Dies ergebe sich aus dem Kontext der Beschlussfassung. Die Wiederbestellung der Verwaltung sei explizit an einen spezifischen Vertragsentwurf geknüpft.
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Der Ungültigkeit des Beschlusses stehe im Übrigen nicht entgegen, dass die Bestellung des Verwalters und der Abschluss des Verwaltervertrages grundsätzlich zwei verschiedene Akte seien. Denn die Frage sei, ob die Verwaltung auf Basis des Vertrages fortgeführt werden könne. Der Verwaltervertrag sei als Verwaltungsentscheidung der Wohnungseigentümer wohnungseigentumsrechtlich unter Berücksichtigung des Ermessensspielraums der Mehrheit der Eigentümer im Rahmen des § 21 Abs. 3 WEG zu prüfen. Trotz der rechtsdogmatischen Trennung zwischen Bestellung eines Verwalters und Abschluss eines Verwaltervertrages läge keine ordnungsgemäße Bestellung des Verwalters vor, wenn für dessen Tätigkeit keine ordnungsgemäße vertragliche Vereinbarung vorhanden sei. Die Beklagten verwechselten Ungültigkeit mit Nichtigkeit. Die WEG würde nicht verwalterlos, da sie bis zur Rechtskraft über eine wirksam bestellte Verwaltung verfüge. Bis zum Eintritt der Rechtskraft könne sie neu und wirksam über ihre Verwaltung entscheiden, so dass ein verwalterloser Zustand nicht eintreten müsse. Die Einwände der Klägerin richteten sich im Übrigen nicht gegen die Person des Verwalters, seine fachliche Eignung und Integrität, sondern gegen den Verwaltervertrag.
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Zu den für unwirksam erachteten Klauseln des Verwaltervertrages führt das Amtsgericht im Einzelnen aus:
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§ 2 Ziff. 2 4. Spiegelstrich des Vertrages widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung, da die Klausel eine umfassende Delegation vorsehe, die schon nicht per Mehrheitsbeschluss möglich sei. Sie sei zu weit gefasst. Die Entscheidung über den Abschluss und die Auflösung von Verträgen habe die Gemeinschaft zu treffen und nicht der Verwalter.
- 10
§ 3 Ziff. 1 Abs. 1 des Vertrages sei hinsichtlich des Vorsitzes und Versammlungsleitung zu weit gefasst und bedürfe der Ergänzung „ ... sofern die Versammlung nichts anderes beschließt“.
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§ 3 Ziff. 1 Abs. 1 des Vertrages widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung, da die Überprüfung der Identität der Eigentümer und der grundbuchlichen Verhältnisse nicht abdingbar sei.
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§ 3 Ziff. 1 Abs. 2 des Vertrages enthalte eine unzulässige Haftungsbegrenzung hinsichtlich etwaiger Ladungsmängel.
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§ 5 Ziff. 3 b) des Vertrages widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung, da das Tätigwerden in gerichtlichen Auseinandersetzungen zu den gesetzlichen Aufgaben des Verwalters gehöre, für die er keine Sondervergütungen beanspruchen könne.
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§ 5 Ziff. 3 e) des Vertrages widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung, da es zum gesetzlichen Auftrag des Verwalters gehöre, WEG Versammlungen durchzuführen und er insoweit keine Sondervergütung für Umlaufbeschlüsse verlangen könne.
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§ 5 Ziff. 3 f) des Vertrages setze die Höhe einer Mahngebühr für zahlungssäumige Wohnungseigentümer auf 10,00 Euro netto fest, was jenseits von verkehrsüblichen anerkannten Mahnspesen liege.
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Das Gericht könne eine Verwalterbestellung und den Abschluss eines Verwaltervertrages nicht auf der Basis eines verbleibenden Restvertrages als gültige Verwaltungsentscheidung bestätigen.
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Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 10.03.2014 zugestellte Teilurteil haben die Beklagten mit einem am 10.04.2014 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie zugleich begründet haben. Gegen das ihren Prozessbevollmächtigen am 30.07.2014 zugestellte Schlussurteil haben die Beklagten mit einem am 01.09.2014 (einem Montag) beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie zugleich begründet haben.
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Die Beklagten tragen vor, das Amtsgericht habe die Rechtslage im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung unzutreffend gewürdigt. Zum einen liege kein Verstoß gegen eine ordnungsgemäße Verwaltung bei Genehmigung des Verwaltervertrages durch Beschluss vor, auch wenn einzelne Vertragsklauseln unwirksam seien. Denn das Amtsgericht habe nur einige wenige Nebenpunkte des Verwaltervertrages für unwirksam erachtet; keiner beträfe aber den notwendigen Mindestinhalt des Vertrages; zentrale Vertragspunkte, wie Aufgaben, Pflichten, Laufzeit, Vergütung seien nicht berührt. Deswegen sei davon auszugehen, dass der Vertrag auch ohne die beanstandeten Klauseln gebilligt worden wäre. Der Beschluss müsse nur teilweise, soweit einzelne Klauseln gegen die allgemeinen Schranken des Vertragsrechts verstießen, für ungültig erklärt werden.
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Zum anderen meinen die Beklagten, die Schlussfolgerung des Amtsgerichts, wonach aufgrund unwirksamer Klauseln des Verwaltungsvertrages auch die Wiederbestellung des Verwalters für ungültig erklärt wurde, widerspreche der in ständiger Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof vertretenen Trennung von Bestellungsrechtsverhältnis und Anstellungsverhältnis. Die Klägerin habe keinen einzigen Grund dargetan, der es objektiv unvertretbar machen könne, die Wiederbestellung für ungültig zu erklären. Die Klägerin beschränke sich mit ihren rechtlichen Angriffen ausschließlich auf einzelnen Klauseln im Verwaltervertrag und wende sich nicht gegen die Person des Verwalters. Einzelne unwirksame Vertragsklauseln ließen den Verwaltervertrag im Übrigen nicht hinfällig werden. Es entspräche bei lebensnaher Betrachtung dem mutmaßlichen Parteiwillen, den amtierenden Verwalter in jedem Falle wieder zu bestellen. Nur bei wirksamer Amtsbesetzung hätte die Wohnungseigentümergemeinschaft einen gesetzlichen Vertreter.
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Zur Vermeidung einer rechtskräftigen Kostengrundentscheidung müsse ebenfalls Berufung gegen das Schlussurteil eingelegt werden, um die Kostenentscheidung neu zu fassen.
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Die Beklagten beantragen,
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1. das Teilurteil des Amtsgerichts Hamburg vom 13.02.2014 aufzuheben, soweit der in der Eigentümerversammlung vom 16.04.2013 zu TOP 10 gefasste Beschluss für ungültig erklärt wurde (Urteilstenor zu 3.) und die Klage insoweit abzuweisen;
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2. das Schluss-Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 12.06.2014, zugestellt am 30.07.2014, abzuändern und über die Kosten des Rechtsstreits entsprechend der Berufung zum gerichtlichen Aktenzeichen 318 S 47/14 des Berufungsgerichts über das Teil-Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 13.02.2014 neu zu entscheiden unter Berücksichtigung des Verhältnisses von Obsiegen und Unterliegen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufungen zurückzuweisen.
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Die Klägerin trägt vor, es habe eine einheitliche Entscheidung über die Fortdauer der Bestellung und den abzuschließenden Verwaltervertrag vorgelegen. Es könne nicht von einer ordnungsgemäßen Verwalterbestellung ausgegangen werden, wenn für dessen Tätigkeit keine ordnungsgemäße vertragliche Vereinbarung vorliege. Der Verwaltervertrag enthalte zahlreiche Regelungen, die keiner ordnungsgemäßen Verwaltung entsprächen. Insofern könne der Beschluss durch Anfechtung aufgehoben werden. Die Beklagte bringe vorliegend die Trennungstheorie in einen falschen Zusammenhang. Gegenstand der Beschlussfassung sei offenkundig eine einheitliche Entscheidung sowohl über die Fortdauer der Bestellung als auch über den erneuten Abschluss eines Verwaltervertrages. Anhaltspunkte, aus denen sich ergebe, dass eine getrennte Entscheidung über die Fortdauer der Bestellung und über den insoweit abzuschließenden Verwaltervertrag erfolgen sollte, seien nicht gegeben. Da der Verwaltervertrag Klauseln enthalte, die nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprächen, habe die Gemeinschaft weder einen Vertragsschluss noch eine Fortbestellung der Verwaltung auf dieser Basis ordnungsgemäß beschließen können.
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Darüber hinaus richteten sich die Einwände der Klägerin auch gegen die Person des Verwalters, seine fachliche Eignung und Integrität. Bei der Beschlussanfechtungsklage sei es im Teilurteil auch in Bezug auf den TOP 3 um eine potentielle Haftung des Verwalters aufgrund einer überhöhten Rechnung für die energetische Maßnahme an der Giebelseite des Hauses gegangen. Ferner sei in der nachfolgenden Eigentümerversammlung vom 31.03.2014 das Teilurteil von der Verwaltung kaum angesprochen worden. Eine außerordentliche Versammlung wegen des ungültigen Verwaltervertrages sei dort nicht einmal erwähnt worden. Ein weiteres „Beispiel unseriösen Verhaltens“ der Verwaltung liege in der Beschlussfassung vom 01.03.2010 an, wodurch die Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems bei Kosten von 28.000 € zzgl. Klempnerarbeiten sowie die gleichzeitige mauermäßige Instandsetzung bei Kosten von 24.000 € beschlossen worden sei, obwohl ausschließlich die Instandsetzung der Mauerseite am Giebel notwendig gewesen sei.
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Hinsichtlich der Berufung gegen das Schlussurteil bestünden Zweifel an der Zulässigkeit der eingelegten Berufung, da die Beklagten nicht dargelegt hätten, dass die erforderliche Beschwer für die Einlegung eines Rechtsmittels erreicht sei. Die Beklagten hätten sich konkret zur Höhe der Beschwer zu äußern.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird ergänzend auf die von den Parteien im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
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Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 24.10.2014 haben die Beklagten ihr Vorbringen zum Verhältnis von Verwalterbestellung und Verwaltervertrag ergänzt.
II.
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Die zulässigen Berufungen der Beklagten gegen das Teil- und Schlussurteil sind unbegründet.
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1. Die Berufungen der Beklagten gegen das Teil- und Schlussurteil sind jeweils form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519, 520 Abs. 2 ZPO. Im Übrigen kann dahinstehen, ob hinsichtlich des Schlussurteils die erforderliche Beschwerdesumme erreicht ist. Denn das Rechtsmittel ist auch zulässig, wenn der Betrag der dem Rechtsmittelführer auferlegten Kosten den Beschwerdewert des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erreicht (BGHZ 29, 126; BGH NJW 1959, 578). Die Kosten sind zwar grundsätzlich nicht isoliert berufungsfähig (§ 99 Abs. 1 ZPO). Der Kostenpunkt ist aber ausnahmsweise selbstständig anfechtbar, wenn nach Teilurteil über die Hauptsache ein Schlussurteil über die Kosten ergeht. Denn die Kostenentscheidung ist eine notwendige Folge der Entscheidung in der Hauptsache (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 511, Rn. 20).
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2. Die Berufung gegen das Teil- und Schlussurteil hat in der Sache aber keinen Erfolg.
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a.) Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht mit Teilurteil vom 13.02.2014 den Beschluss vom 16.04.2013 zum TOP 10 insgesamt für ungültig erklärt. Dieser Beschluss widersprach ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3 WEG.
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Das Amtsgericht ist zunächst zu Recht und mit zutreffender Begründung von einer einheitlichen Entscheidung des Beschlusses zum TOP 10 sowohl über die (Wieder-) Bestellung der Verwaltung als auch über den Verwaltervertrag ausgegangen. Die Wohnungseigentümer wollten über die Wiederbestellung sowie über den Verwaltervertrag in einem Beschluss einheitlich beschließen. Denn ausweislich des Wortlauts war Gegenstand des TOP 10 die Wiederbestellung der Verwaltung auf Basis eines beigefügten Vertragsvorschlages. Dabei war auch der Inhalt des konkreten Verwaltervertrages ausweislich des Protokolls in die Diskussion einbezogen worden. Zwei rechtlich zu trennende Beschlüsse liegen damit nicht vor.
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Das Begehren der Klägerin war auch zutreffend dahingehend auszulegen, dass der Beschluss insgesamt, d.h. sowohl hinsichtlich der Wiederbestellung der Verwaltung als auch hinsichtlich des gesamten Verwaltervertrages und nicht nur teilweise hinsichtlich einzelner Vertragsregelungen, für ungültig erklärt werden sollte. Werden nur einzelne Vertragsklauseln angegriffen, ist das gerichtliche Prüfungsrecht hierauf beschränkt. Die Klägerin begehrte vorliegend die Ungültigerklärung des gesamten Beschlusses und nicht nur einzelner Vertragsklauseln.
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Dies vorangestellt, hat das Amtsgericht zu Recht die in dem TOP 10 getroffenen Regelungen hinsichtlich des neuen Verwaltervertrages (aa.) sowie hinsichtlich der Wiederbestellung der Verwaltung (bb.) als Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG angesehen. Die Wohnungseigentümer haben mit der einheitlichen Beschlussfassung zu TOP 10 inhaltlich zwei selbstständige Regelungen getroffen. Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln zur Ungültigkeit des gesamten Beschlusses über den Abschluss des Verwaltervertrages geführt hat (§ 139 BGB analog) und die Unwirksamkeit des Beschlusses über den Abschluss des Verwaltervertrages im hier zu beurteilenden Fall auch die Ungültigkeit des Bestellungsbeschlusses zur Folge hatte (§ 139 BGB analog).
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aa.) Der Beschluss über den Abschluss des Verwaltervertrages widersprach ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG. Die Parteien sind in der Gestaltung des Vertrags grundsätzlich frei. Jedoch gelten die allgemeinen Schranken des Vertragsrechts (§§ 134, 138, 242 BGB). Andere Mängel, die nicht kraft Gesetzes zur Nichtigkeit der betreffenden Klausel führen, können die Anfechtbarkeit des Beschlusses begründen, auf dem der Abschluss des Verwaltervertrages beruht. In Betracht kommen insbesondere Verstöße gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung oder ein Widerspruch zu der zwischen den Wohnungseigentümern geltenden Gemeinschaftsordnung. Der Vertrag ist, soweit die Voraussetzungen dafür vorliegen, der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB zu unterziehen (vgl. OLG München, Beschluss vom 20.03.2008, 34 Wx 46/07, Rn. 34 – zitiert nach juris).
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Sind nach einer Gesamtwürdigung letztlich nicht nur Nebenpunkte des Verwaltervertrages unwirksam bzw. anfechtbar, sondern auch zentrale Aufgaben und Pflichten berührt, ist nicht anzunehmen, dass der Vertrag auch ohne die zu beanstandenden Klauseln gebilligt worden wäre (vgl. OLG München, Beschluss vom 20.03.2008, 34 Wx 46/07, Rn. 61 – zitiert nach juris). Der Vertrag ist aufzuheben, wenn er insgesamt angefochten wird und er hinsichtlich seiner Kernaussagen einer Inhaltskontrolle nicht standhält. Ist die Summe der unwirksamen Klauseln so groß, dass nur ein leerer Vertragstorso zurückbleibt, ist der gesamte Beschluss unwirksam (Jennißen/Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 26, Rn. 119).
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Die Beklagten wenden sich mit ihrer Berufung nicht im Einzelnen gegen die jeweiligen vom Amtsgericht für unwirksam erachteten Klauseln des Vertrages, sondern greifen mit ihrer Berufung gegen das Teilurteil die vom Amtsgericht angenommenen Rechtsfolgen einzelner unwirksamer Vertragsregelungen an, d.h. die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages sowie des (Wieder-)Bestellungsbeschlusses.
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Die vom Amtsgericht zutreffend als gegen eine ordnungsgemäße Verwaltung verstoßend angesehenen Klauseln des Vertrages sind in der Summe zu weit gefasst, da sie u.a. die Aufgaben der Verwaltung zu weit fassen (§ 2 Spiegelstrich 2, § 3 Ziff. 1 des Vertrages) und zudem auch zu weit gehende Haftungsbeschränkungen der Verwaltung (§ 3 Ziff. 2 2. Abs. des Vertrages) vorsehen. Der Vertrag sieht des Weiteren Sondervergütungen vor (§ 5 Ziff. 3 b), 3 e) des Vertrages), die den gesetzlichen Regelungen des Wohnungseigentumsrechts widersprechen. Deshalb ist nicht anzunehmen, dass die Wohnungseigentümer den Vertrag In Kenntnis der Teilunwirksamkeit einzelner Klauseln gebilligt hätten. Die für unwirksam erachteten Klauseln sind auch nicht nur Nebenpunkte des Vertrages, sondern betreffen die Aufgabenverteilung zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und der Verwaltung sowie bestimmten Haftungsbeschränkungen und Sondervergütungen der Verwaltung. Dass die Wohnungseigentümergemeinschaft ausnahmsweise den Vertrag auch ohne die unwirksamen Klauseln zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 16.04.2013 beschlossen hätte, ist mangels tatsächlicher Feststellungen und Angaben nicht anzunehmen, da insbesondere eine Vielzahl von Klauseln betroffen ist, die auch nicht lediglich Nebenpunkte regeln sollten. Die lediglich teilweise Ungültigerklärung des Verwaltungsvertrages bzgl. der jeweils unwirksamen Bestimmungen war deswegen nicht angezeigt, sondern der Beschluss war insgesamt für ungültig zu erklären.
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bb.) Das Amtsgericht hat schließlich zu Recht auch den Bestellungsbeschluss für ungültig erklärt. Haben die Wohnungseigentümer mit einer Beschlussfassung zwei selbstständige Regelungen getroffen, so hat die Unwirksamkeit eines Teils der Beschlussfassung regelmäßig in entsprechender Anwendung des § 139 BGB die Unwirksamkeit des gesamten Beschlusses zur Folge. Ausnahmsweise kann ein Eigentümerbeschluss über die Verwalterbestellung trotz Ungültigkeit des Beschlusses betreffend den Abschluss eines Verwaltervertrages gültig bleiben, wenn anzunehmen ist, dass die Verwalterbestellung auch ohne den nichtigen Teil beschlossen worden wäre (OLG Köln, Beschluss vom 04.01.2007, 16 Wx 232/06, zitiert nach juris). Erstreckt sich die Klage auf die Ungültigerklärung des gesamten Beschlusses und ist dieser nur bezüglich einer Teilregelung mangelhaft, so ist der Beschluss entsprechend § 139 BGB grundsätzlich in seiner Gesamtheit für ungültig zu erklären, es sei denn, die Wohnungseigentümer hätten den mangelfreien Teil auch ohne den ungültigen Teil beschlossen (Merle in: Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 10. Aufl., § 23, Rn. 191). Maßgeblich ist, welche Entscheidungen die Wohnungseigentümer bei Kenntnis der Teilungültigkeit nach Treu und Glauben und bei vernünftiger Abwägung aller maßgeblichen Umstände zum Zeitpunkt der Beschlussfassung getroffen hätten (Niedenführ in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10. Aufl., § 26, Rn. 21). Nicht ausreichend ist dabei die Feststellung, dass die Beschlussfassung über die Verwalterbestellung in jedem Fall, aber vielleicht mit anderem Inhalt, erfolgt wäre. Es muss vielmehr feststehen, dass der Beschluss so gefasst worden wäre, wie er sich ohne den nichtigen Teil darstellt (OLG Köln, Beschluss vom 04.01.2007, 16 Wx 232/06, Rn. 5 – zitiert nach juris).
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Unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls konnte vorliegend nicht festgestellt werden, dass die Wohnungseigentümer in Kenntnis der Sachlage – Teilnichtigkeit des Beschlusses aufgrund eines unwirksamen Verwaltervertrages – gleichwohl den Verwalter bestellt hätten. Die Annahme der Gültigkeit eines Beschlusses über die Wiederbestellung trotz Unwirksamkeit eines Teils der Beschlussfassung, im vorliegenden Fall über den Verwaltervertrag, ist als Ausnahme vorgesehen. Denn in entsprechender Anwendung des § 139 BGB hat ein unwirksamer Teil eines einheitlich gefassten Beschlusses regelmäßig die Unwirksamkeit des gesamten Beschlusses zur Folge. Insoweit kommt es nach Ansicht der Kammer im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die Klägerin Gründe dargetan hat, die die Wiederbestellung der Verwaltung der Sache nach objektiv unvertretbar erscheinen lassen. Aufgrund der einheitlichen Beschlussfassung über die Wiederbestellung und den Verwaltervertrag ist entscheidend darauf abzustellen, ob die Wohnungseigentümer zum Zeitpunkt der Beschlussfassung und in Kenntnis des unwirksamen Teils der Beschlussfassung über den Verwaltervertrag gleichwohl die Verwaltung wiederbestellt hätten.
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Die Wohnungseigentümer wollten die Verwaltung auf Basis des Verwaltungsvertrages wiederbestellen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie die Verwaltung in jedem Fall in der Eigentümerversammlung vom 16.04.2013 mit Beginn zum 01.01.2014 auch ohne den beigefügten (unwirksamen) Verwaltervertrag wiederbestellt hätten, hat das Amtsgericht nicht festgestellt und diese sind im Übrigen auch nicht in der Berufungsinstanz dargetan. Die Annahme, die Wohnungseigentümer hätten den Bestellungsbeschluss auf jeden Fall gefasst, um einen verwalterlosen Zustand ab dem 01.01.2014 zu vermeiden, vermag nicht zu überzeugen. Bei lebensnaher Betrachtung hätten die Wohnungseigentümer mutmaßlich erst in einer späteren Eigentümerversammlung und bei Vorlage eines wirksamen Verwaltervertrages die Verwaltung wiederbestellt. Hierfür hätte in den verbleibenden 8 Monaten bis zum Ablauf des Bestellungszeitraums ausreichend Zeit bestanden.
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Ob die Klägerin zudem die Wiederbestellung des Verwalters mit den ihrerseits behaupteten Gründen, der fehlenden persönlichen Eignung, Integrität und fachlichen Kompetenz, mit Erfolg hätte angreifen können, muss vorliegend nicht entschieden werden.
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Im Übrigen steht die vorliegende amtsgerichtliche Entscheidung insbesondere nicht im Widerspruch zu der vom Bundesgerichtshof angewandten sog. Trennungstheorie. Die Trennungstheorie differenziert zwischen dem organschaftlichen Bestellungsakt sowie dem schuldrechtlichen Verwaltervertrag. Ein Bestellungsbeschluss kann auch dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wenn der Inhalt des Verwaltervertrages noch nicht im Einzelnen festgelegt ist (so Merle in: Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 12. Aufl., § 26, Rn. 22, m.w.N.; vgl. auch BGH ZWE 2012, 427 zitiert nach juris).
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Die Ungültigerklärung des streitgegenständlichen Beschlusses erfolgte unter Anwendung des § 139 BGB. Vorliegend haben die Wohnungseigentümer in einem Beschluss einheitlich über die Bestellung sowie den Vertrag beschlossen. Die Wirksamkeit der Bestellung aufgrund eines unwirksamen Vertrages war deswegen entsprechend § 139 BGB analog zu bewerten.
- 48
b.) Das Schlussurteil ist in der Folge zu Recht ergangen. Die hinsichtlich des mit der Klage angegriffenen TOP 10 unterlegenen Beklagten haben die Kosten zu tragen.
- 49
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
- 50
4. Die Revision wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung, da lediglich über einen konkreten Einzelfall entschieden wurde. Die Kammer weicht dabei von der BGH-Rechtsprechung zur Trennungstheorie und zur entsprechenden Anwendung des § 139 BGB auf Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung nicht ab, sondern wendet diese im Einzelfall an, ohne eine generelle Aussage dahingehend zu treffen, dass analog § 139 BGB im Fall der Ungültigerklärung des Beschlusses über den Abschluss eines Verwaltervertrages stets auch der Beschluss über die Verwalterbestellung für ungültig zu erklären sei.
- 51
5. Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil die Kammer die Revision gegen dieses Urteil nicht zulässt und die Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde gesetzlich ausgeschlossen ist (§ 62 Abs. 2 WEG).
- 53
7. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 24.10.2014 gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
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Referenzen
- ZPO § 517 Berufungsfrist 1x
- ZPO § 519 Berufungsschrift 1x
- ZPO § 520 Berufungsbegründung 1x
- BGB § 134 Gesetzliches Verbot 1x
- BGB § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher 1x
- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 1x
- §§ 305 ff. BGB 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 139 Teilnichtigkeit 9x
- § 49a GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 21 Abs. 3 WEG 4x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 511 Statthaftigkeit der Berufung 1x
- ZPO § 99 Anfechtung von Kostenentscheidungen 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x
- ZPO § 543 Zulassungsrevision 1x
- § 62 Abs. 2 WEG 1x (nicht zugeordnet)
- 102d C 56/13 2x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Landgericht Hamburg (18. Zivilkammer) - 318 S 47/14 1x
- 34 Wx 46/07 2x (nicht zugeordnet)
- 16 Wx 232/06 2x (nicht zugeordnet)