Urteil vom Landgericht Hamburg (29. Zivilkammer) - 329 O 223/19

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, das Fahrzeug Audi Typ A4 3.2 FSI, FIN …, amtl. Kennzeichen … an den Kläger zurück zu übereignen Zug-um-Zug gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.951,00 € vom Kläger an die Beklagte.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 5.024,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines sog. „sale-and-lease-back“ Vertrages betreffend den Verkauf und die Rückvermietung eines Kraftfahrzeuges.

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Die Beklagte ist ein deutschlandweit tätiges Unternehmen. An insgesamt 20 Standorten bietet sie den Service „Cash & Drive“ an. Dieser wird als „Kredit-Alternative von P.“ beworben, bei der man „in drei Schritten Bargeld in 60 Minuten erhalte“: „Auto mitbringen, Geld erhalten, Auto weiterfahren“ (vgl. Anl. K 11).

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Der Kläger, der dringend Geld benötigte, war auf diese Werbung aufmerksam geworden und begab sich am 06.06.2019 mit seinem Kraftfahrzeug – einem Audi A4 Typ 3.2 FSI, FIN … – zur Niederlassung der Beklagten in H.. Er schloss dort zwei von der Beklagten vorbereitete Standardverträge ab. Mit dem ersten dieser Verträge verkaufte er sein Fahrzeug an die Beklagte zu einem Preis von 2.500,00 EUR (vgl. Anl. K1), mit dem zweiten dieser Verträge mietete er das Fahrzeug für sechs Monate zu einer monatlichen Rate von 225,00 EUR zurück (vgl. Anl. K2). Das Fahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen Kilometerstand von 250.946 km.

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Für das Ende der Mietzeit wurde vereinbart, dass das Fahrzeug von der Beklagten verwertet werden soll (vgl. § 13 a, Anl. K2) und zwar entweder im Wege der öffentlichen Versteigerung durch einen staatlich zugelassenen Auktionator (vgl. § 13 b) Anl. K2) oder für den Fall, dass eine solche Versteigerung „gleich aus welchem Grund“ scheitere, durch freihändigen Verkauf (vgl. § 13 h), Anl. K2). Sofern eine andere Person als der Kläger das Fahrzeug ersteigere oder kaufe, so solle er den Übererlös erhalten (vgl. § 13 g), h), Anl. K2).

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Für die weiteren Einzelheiten der Verträge wird auf die Anlagen K1 und K2 verwiesen.

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Der Kläger übergab der Beklagten vor Ort die Fahrzeugpapiere und den Zweitschlüssel für das streitgegenständliche Kraftfahrzeug, im Gegenzug erhielt er den vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 2.500,00 €. Hierauf angerechnet wurden jedoch die ersten zwei Monatsmieten in Höhe von je 225,00 € zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr von 99,00 €. Der Kläger entrichtete vor Ort also insgesamt 549,00 € an die Beklagte (vgl. Anl. K3).

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Er verließ die Filiale am Ende mit einem Scheck über 1.951,00 EUR und dem Fahrzeug.

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Nur einen Monat später erreichte den Kläger eine Zahlungsaufforderung der Beklagten (vgl. Anl. K4). Kurz darauf erfolgte die Kündigung des Vertrages (vgl. Anl. K5). Infolge der von ihr erklärten Kündigung verlangte die Beklagte das Fahrzeug unverzüglich heraus.

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Der Kläger hat das Fahrzeug bis zum heutigen Tag nicht herausgegeben. Er verlangt stattdessen die Rückabwicklung der geschlossenen Verträge.

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Der Kläger behauptet, er sei über den Inhalt der abgeschlossenen Verträge arglistig getäuscht worden. Die Beklagte habe ihm stets vorgespiegelt, er würde das Fahrzeug nur verpfänden, nicht aber verkaufen. Er fechte daher alle von ihm abgegebenen Erklärungen an. Davon abgesehen verstoße die Beklagten mit der von ihr verwendeten Vertragsgestaltung aber ohnehin gegen das Verbot des Rückkaufhandels aus § 34 Abs. 4 GewO, die Verträge seien auch bereits aus diesem Grund nichtig und rückabzuwickeln.

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Gleichzeitig liege auch ein Verstoß gegen § 32 KWG vor, da die Beklagte ohne Erlaubnis Bankgeschäfte betreibe. Es bestünde zudem auch ein Widerrufsrecht des Klägers, da das Geschäft der Beklagten eine entgeltliche Finanzierungshilfe darstelle und er hierüber nicht belehrt worden sei. Schließlich sei das ganze Geschäft auch wucherisch, da der für das Fahrzeug gezahlte Kaufpreis um mehr als 100% unter dem Marktwert liege, die im Gegenzug verlangten monatlichen Mieten (in Höhe von ca. 9% des Kaufpreises) dagegen viel zu hoch seien.

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Der Kläger beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, das Fahrzeug Audi Typ A4 3.2 FSI, FIN …, amtl. Kennzeichen … an den Kläger zurückzuübereignen, Zug-um-Zug gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.500 €; und

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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 549,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte verwehrt sich gegen die vom Kläger erhobenen Vorwürfe. Er sei im Verkaufsgespräch über das „sale-and-lease-back“ Konzept der Beklagten umfassend aufgeklärt worden. Ein Rückkauf des Fahrzeugs sei zu keiner Zeit in Aussicht gestellt worden. Auch im Übrigen würden die von der Beklagten verwendeten Verträge nicht gegen § 34 Abs. 4 GewO verstoßen. Diese Vorschrift solle lediglich davor schützen, dass der gewerblich tätige Ankäufer nach Ablauf der Rückkauffrist frei, also ohne Bindung an die für Pfandleiher geltenden Verwertungsvorschriften, über die gekaufte Sache verfügen könne. So liege es hier aber nicht. Denn die Verträge der Beklagte sähen gerade eine pfandmäßige Verwertung der Sache vor (vgl. § 13 der Anl. K2). Eine Gefahr der Benachteiligung von Kunden gäbe es nicht. Im Übrigen handele es sich bei der Beklagten um ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus, so dass auch aus diesem Grund keine Umgehung der Vorschriften vorliege.

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Für den umfangreichen Parteivortrag im Übrigen wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie für die vom Gericht erteilten Hinweise auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2020 verwiesen. Im Hinblick auf die vom Klägervertreter in dieser Verhandlung bestrittene Unterbevollmächtigung des Terminsvertreters der Beklagten wird auf die zur Akte nachgereichte unterzeichnete Originalvollmacht verwiesen (Bl. 115 d.A.).

Entscheidungsgründe

I.

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Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Hamburg örtlich und sachlich zuständig. Der die sachliche Zuständigkeit des Gerichts begründende Streitwert ist trotz des hohen Alters und des fortgeschrittenen km-Stands des streitgegenständlichen Fahrzeugs erreicht (vgl. Ziff. III), §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 21 Abs. 1 ZPO. Bei dem Ladengeschäft der Beklagten handelt es sich bereits dem äußeren Anschein nach (vgl. Bl. 46 d.A.) um eine Zweigniederlassung der Beklagten, auch wenn ihr Hauptsitz sich in B. befindet. Der Kläger hat das Geschäft auch unmittelbar vor Ort abgeschlossen. Die hier gegenständlichen Verträge sind zudem auch explizit mit dem Firmenstempel „P. C. & D., H. … , ... H.“ unterzeichnet worden.

II.

20

Die Klage ist auch ganz überwiegend begründet.

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1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 134 BGB i.V.m. § 34 Abs. 4 GewO. Die von der Beklagten gewählte Vertragsgestaltung verstößt gegen das Verbot des Rückkaufhandels (a). Der zwischen den Parteien geschlossene Kauf- sowie der zeitgleich abgeschlossene Rückvermietungsvertrag waren daher unwirksam. Die auf dieser Basis ausgetauschten Leistungen sind zurück zu gewähren (b).

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a) Verstoß gegen das Verbot des Rückkaufhandels (§ 34 Abs. 4 GewO)

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1) Prüfungsmaßstab

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Gemäß § 34 Abs. 4 GewO ist der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen unter Gewährung eines Rückkaufsrechts verboten. Mit der Vorschrift soll die Umgehung der Bestimmungen der Pfandleihverordnung sichergestellt und das Publikum vor finanziell nachteiligen Geschäften geschützt werden. Die besondere Gefahr von Rückkaufgeschäften liegt nämlich darin, dass der ausbedungene Rückkaufpreis, den der ursprüngliche Verkäufer dem Rückkaufhändler zu zahlen hätte, den ursprünglichen Verkaufspreis erheblich übersteigen und dass der Rückkaufhändler nach Ablauf der Rückkauffrist frei über die Sache verfügen kann (vgl. BGH, Urt. v. 14.05.2009, Az: I ZR 179/07, Rn. 17; ausführlich auch VG München, Urt. v. 29.11.2019, Az: M 16 K 14.5826, Rn. 21 mwN; BT-Drs. III/318, S. 17). Der Rückkaufhändler kann sich damit erhebliche Gewinne auf Kosten des Verkäufers verschaffen. Dies soll durch die in der PfandleihVO vorgesehenen Schutzmechanismen (z.B. §§ 5, 9, 11 PfandleihVO) aber gerade verhindert werden.

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Vor dem Hintergrund dieses Schutzzweckes wird die Vorschrift des § 34 Abs. 4 GewO grundsätzlich weit ausgelegt. Sie findet nicht nur Anwendung auf jeden Gewerbetreibenden (BGH, a.a.O., Rn. 20 ff.), sondern auch auf alle Geschäfte, die nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein „verschleiertes Pfandleihgeschäft“ darstellen. Entscheidend ist, ob „der Sache nach gewerbsmäßig durch Pfandrechte an beweglichen Sachen gesicherte Darlehen gegeben werden“ (BGH, a.a.O., Rn. 25). Die konkrete rechtliche Bezeichnung, die die Parteien für die vertragliche Konstruktion gewählt haben, ist dagegen nicht maßgeblich. Auch die Bezeichnung der vertraglichen Rechte – als Rückkaufsrecht, Rücktrittsrecht „oder sonstwie“ – ist irrelevant (BGH, a.a.O., Rn. 26). Das Verbot des § 34 Abs. 4 GewO erfasst damit alle vertraglichen Gestaltungen, bei denen der Verkäufer dem gewerblich handelnden Käufer das Eigentum an einer beweglichen Sache überträgt und sich dieses durch Rückzahlung des Kaufpreises und Erbringung einer weiteren vertraglich vereinbarten Leistung als Entgelt für die Überlassung des Kapitals und/oder den Verwaltungsaufwand des Käufers wieder verschaffen kann (BGH, a.a.O., Rn. 26). Allein die Möglichkeit der Rückerlangung ist daher bereits ausreichend (vgl. auch LG Frankfurt, Urt. v. 08.06.2020, Anl. K15, S. 9).

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Einzig einschränkende Voraussetzung ist, dass der Verkäufer beim „Rückkauf“ neben dem ursprünglich gezahlten Kaufpreis noch eine weitere Leistung erbringen muss, die über einen Nutzungsersatz für die Kaufsache hinausgeht (BGH, a.a.O., Rn. 26). Ein Rückerwerb zum gezahlten Kaufpreis oder einem geringeren Betrag bleibt nach der Rechtsprechung des BGH dementsprechend zulässig (vgl. VG München, a.a.O., Rn. 33).

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2) Geschäftsmodell: „Cash & Drive“

28

Die Beklagte betreibt das Geschäftsmodell „Cash & Drive“ bereits seit mehreren Jahren. Früher bediente sie sich hierzu jedoch einer anderen Vertragsgestaltung. Danach war im Kaufvertrag ein vertragliches Rücktrittsrecht des Verkäufers vorgesehen, so dass dieser nach Ablauf der Mietzeit das gesamte Geschäft durch Erklärung des Rücktritts und ohne weitere Vorbedingungen rückabwickeln konnte. Das OLG Frankfurt hat diese Geschäftspraxis als unzulässigen Rückkaufhandel qualifiziert und das Vorgehen der Beklagten wettbewerbsrechtlich untersagt (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 01.02.2018, Az: 6 U 49/17, Anl. K 12). Auch die im hiesigen Fall verwendete Vertragsgestaltung ist mittlerweile von verschiedenen Gerichten überprüft und für unwirksam befunden worden (vgl. jüngst u.a. OLG Frankfurt, Urt. v. 05.06.2020, Az: 2 U 90/19, Rn. 28 ff. sowie sehr ausführlich LG Frankfurt, Urt. v. 08.06.2020, Anl. K 15; LG Mannheim, Urt. v. 17.04.2020, Anl. K16). Das erkennende Gericht schließt sich dieser Einschätzung an. Das vorliegende Vertragsmodell verstößt gegen das Verbot aus § 34 Abs. 4 GewO.

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Denn tatsächlich ist dem Verkäufer der Rückerwerb seines Fahrzeugs gleich auf zwei Wegen möglich: Er kann entweder an der Versteigerung seines Fahrzeugs teilnehmen (vgl. § 13 e) des Mietvertrags Anl. K2 unter Verweis auf § 1239 BGB) und dort durch Zuschlag das Eigentum am Fahrzeug wiedererlangen oder er kann im Wege des „freihändigen Erwerbs“ das Eigentum zurückerlangen. Ein freihändiger (Rück-)verkauf kann erfolgen, sobald die Versteigerung „gleich aus welchem Grunde“ scheitert (vgl. § 13 h) des Mietvertrags Anl. K2). Damit besteht faktisch die Möglichkeit für jeden Kunden nach dem Ablauf der Mietzeit das Eigentum an der Sache zurückzuerlangen. Hiervon wird praktisch auch regelmäßig Gebrauch gemacht, wie die Beklagte mittlerweile selbst einräumt (vgl. Schriftsatz v. 23.03.2020, Bl. 103 d.A. sowie OLG Frankfurt, Urt. v. 05.06.2020, Az: 2 U 90/19, Rn. 28).

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Hieran zeigt sich bereits deutlich, dass bei der hiesigen Vertragsgestaltung nicht der Verkauf und die anschließende vorübergehende Nutzungsüberlassung des Fahrzeugs im Vordergrund stehen, sondern das Prinzip „Cash & Drive“ letztlich der Verschaffung kurzfristiger Liquidität gegen Übergabe einer Sicherheit dient. Danach soll der ursprüngliche Eigentümer das Fahrzeug zurückerlangen. Die gewählte Konstruktion steht wirtschaftlich einem Darlehen mit Sicherungsübereignung gleich, das die Beklagte jedoch nicht ausgeben darf, da es ihr an einer Banklizenz fehlt (§§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 5, § 32 Abs. 1 KWG). Es handelt sich auch nicht um ein echtes Pfandgeschäft, da dies die Übergabe der Sache erfordern würde (§ 1205 BGB), die in der hiesigen Konstellation von beiden Parteien gerade nicht gewollt ist. Vielmehr wird durch die Konstruktion ein „verschleiertes Pfandleihgeschäft“ abgeschlossen (vgl. auch OLG, Urt. v. 05.06.2020, Az: 2 U 90/19, Rn. 28). Das ist deswegen problematisch, weil auf diesem Weg die Schutzvorschriften der PfandleihVO umgangen werden (dazu bereits oben). So ist der Pfandleiher z.B. gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 PfandleihVO verpflichtet, für die Hingabe seines Darlehens einen monatlichen Zins i.H.v. 1% zu verlangen. Die hiesige Beklagte generiert über die ihr gezahlten Mietraten hingegen einen monatlichen Zins von insgesamt 9%. Zwar handelt es sich bei der Mietrate nicht ausschließlich um ein Entgelt für die Überlassung des Kapitals, sondern jedenfalls auch um ein Nutzungsentgelt für das Fahrzeug (s. dazu sogleich). Dieses Beispiel allein zeigt jedoch auch, dass die Beklagte bei der von ihr gewählten Vertragskonstellation – anders als normalerweise im Pfandleihgeschäft – an keinerlei rechtliche Rahmenbedingungen gebunden ist, obwohl sie faktisch dasselbe Geschäft betreibt. Genau hiervor soll § 34 Abs. 4 GewO schützen.

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Der Einwand der Beklagten, dass ihre Vertragsbedingungen an die rechtlichen Vorgaben des Pfandrechts angelehnt seien und eine Benachteiligung der Kunden vor diesem Hintergrund ausgeschlossen sei, überzeugt das Gericht nicht. Zwar ist es richtig, dass nach den Vertragsbedingungen ein offizielles Verwertungsverfahren für die Fahrzeuge und eine Auskehr eines etwaigen Übererlöses an den Kunden vorgesehen ist (vgl. § 13 g) und h) des Mietvertrags Anl. K2). Dies gilt nach den ausdrücklichen Vorgaben des Vertrages indes nur, wenn der Kunde an der Auktion selbst nicht teilnimmt (vgl. § 13 g) des Mietvertrages Anl. K2). Nimmt der Kunde dagegen teil und bietet die Beklagte ebenfalls mit, so kann sie den Rückkaufpreis beliebig hoch treiben. Alternativ kann die Beklagte „gleich aus welchem Grund“ von der Versteigerung Abstand nehmen und zum freihändigen Verkauf „zum handelsüblichen Marktpreis“ schreiten (vgl. § 13 h) des Mietvertrags Anl. K2). Auch in diesem Fall ist sie kaum Beschränkungen bei der Festsetzung des Preises unterworfen. Ein Übererlös muss nur ausgekehrt werden, wenn sie nicht an den Kunden verkauft (vgl. § 13 g), h)). Es liegt aber regelmäßig im Interesse gerade dieses Kunden sein Fahrzeug zurückzuerwerben; er steht der Beklagten bei der Preisfestsetzung dann aber schutzlos gegenüber. Genau das soll § 34 Abs. 4 GewO verhindern. Unabhängig von den Modalitäten der Verwertung, soll § 34 Abs. 4 GewO aber auch darüber hinaus den Schutz bieten, dass Geschäfte, die de facto Pfandleihgeschäfte sind nur von staatlich zugelassenen Pfandleihern nach den Vorgaben der PfandleihVO durchgeführt werden. Dass diese Vorgaben durchweg eingehalten werden, behauptet nicht einmal die Beklagte. Soweit sie vorträgt, dass sie immerhin ein staatlich anerkanntes Pfandleihhaus sei, so ist diese Tatsache bestritten und kein entsprechendes Beweisangebot unterbreitet worden.

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3) Leistungen des Klägers übersteigen bloßen Nutzungsersatz

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Das Verbot gemäß § 34 Abs. 4 GewO setzt weiter voraus, dass der Verkäufer sich das Eigentum an der Sache nur durch Rückzahlung des Kaufpreises sowie durch Erbringung einer weiteren vertraglich vereinbarten Leistung als Entgelt für die Überlassung des Kapitals und/oder den Verwaltungsaufwand des Käufers wieder verschaffen kann, die über einen Nutzungsersatz hinausgeht (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 26; ausführlich OLG Frankfurt, a.a.O., Rn 37 ff.).

34

Bei dieser Beurteilung sind der Kaufvertrag und der Mietvertrag als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten, so dass die im Mietvertrag vereinbarten Leistungen des Klägers bei der Frage, ob für die Rückerlangung des Eigentums über einen Nutzungsersatz hinausgehende Leistungen erbracht werden müssen, gleichfalls zu berücksichtigen sind. Denn aus den Erklärungen der Parteien ergibt sich der Wille, dass die äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte nur einheitlich geschlossen werden und miteinander stehen und fallen sollten. Nach dem Geschäftsmodell der Beklagten, das von ihr selbst als „sale-and-lease-back“ bezeichnet wird, stehen die beiden Verträge in unmittelbarem Zusammenhang. Der eine ist ohne den anderen nicht denkbar, insbesondere ist für den Abschluss des Mietvertrages der Kaufvertrag zwingend erforderlich, da nur so das Ziel der Parteien erreicht werden kann, durch Übereignung des Fahrzeugs eine Sicherung für den überlassenen Geldbetrag zu erhalten (vgl. auch § 6a des Kaufvertrags, Anl. K1; ebenso OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 38).

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Der Kläger muss für den Rückerwerb des Fahrzeugs nach der Vertragskonstellation nicht nur die genannten Mieten i.H.v. 225,00 € pro Monat über eine Laufzeit von 6 Monate zahlen, sondern im Fall der Ersteigerung auch noch andere Kosten wie z.b. Behördengebühren, Auktionskosten, etc. tragen (vgl. § 13 f Ziff. 1-4 des Mietvertrags, Anl. K2). Zudem trägt er auch den vollen wirtschaftlichen Wertverlust, den das Fahrzeug allein aufgrund Zeitablaufs während der Dauer des Mietverhältnisses erleidet. Allein schon die Miethöhe entspricht jedoch angesichts des Alters des Fahrzeugs und des fortgeschrittenen km-Stands nicht dem, was als Nutzungsersatz gem. §§ 346, 347, 100 BGB hier zu zahlen wäre. Dieser gesetzliche Nutzungsersatz berechnet sich nach den Grundsätzen der zeitanteiligen linearen Wertminderung grundsätzlich wie folgt = Bruttokaufpreis x gefahrene km ./. voraussichtliche Restlaufleistung.

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Diese Formel lässt sich auf den hiesigen Fall indes nicht 1:1 übertragen. Denn der von den Parteien angesetzte „Bruttokaufpreis“ entspricht nicht annähernd dem tatsächlichen Wert des Fahrzeugs. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass sich die Festlegung des „Kaufpreises“ allein am Finanzierungsbedarf des Klägers orientiert hat. Statt der vereinbarten 2.500 € ist hier also vom geschätzten Wert des Fahrzeugs in Höhe von 4.475 € auszugehen (vgl. dazu auch Ziff. III.). Auch hinsichtlich der avisierten Laufleistung pro Monat kann nicht von den vertraglich vorgegebenen 3000 km ausgegangen werden, sondern es muss das tatsächliche Nutzungsverhalten des Klägers angesetzt werden. Danach bewegt dieser das Fahrzeug durchschnittlich 1.500 km im Monat (vgl. Schriftsatz v. 25.02.2020, Bl. 82 d.A.). Schließlich schätzt das Gericht die verbleibende Restlaufleistung des Fahrzeugs in Übereinstimmung mit den Parteien auf ca. 33.333 km (vgl. zur Berechnung auch OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 41 ff.).

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Danach ergäbe sich eine monatliche Nutzungsentschädigung von 112,50 €. Daneben hat der Kläger für die Überlassung des Kaufpreises von 2.500,00 € entsprechende Schuldzinsen erspart, die unter Anwendung des § 10 der PfandleihVO mit monatlich 1 %, mithin 25,00 €, anzusetzen sind, so dass sich ein monatlicher Gebrauchsvorteil in Höhe von insgesamt 137,50 € ergibt. Allein die von der Beklagten verlangte monatliche Mietrate i.H.v. 225,00 € ist ohne Berücksichtigung aller weiteren zusätzlichen Kosten demnach so hoch angesetzt, dass sie den vom Kläger erlangten Nutzungsvorteil bei Weitem überschreitet.

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b) Rechtsfolge: Rückgewährschuldverhältnis

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Folge des Verstoßes gegen § 34 Abs. 4 GewO ist die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts und zwar sowohl des zwischen den Parteien geschlossenen Kauf- als auch des Mietvertrags, §§ 134, 139 BGB. Diese Nichtigkeitssanktion entspricht dem Sinn und Zweck des verletzten Verbotsgesetzes. Dass es sich um ein lediglich einseitiges Verbotsgesetz handelt, ist dagegen nicht maßgeblich (vgl. Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 134 Rn. 34 f. m.w.N.). Da beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden, sollen sie auch gemeinsam „stehen und fallen“, § 139 BGB (s. bereits oben). Das auf der Basis dieser Verpflichtungsgeschäfte Geleistete ist rechtsgrundlos geleistet und muss zurückgewährt werden, §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB. Im synallagmatischen Rückgewährschuldverhältnis sind die ausgetauschten Leistungen grundsätzlich zu saldieren Da es sich hier jedoch um ungleichartige Leistungen handelt, kann eine Saldierung nicht stattfinden, vielmehr ist Zug-um-Zug rückabzuwickeln (vgl. auch LG Frankfurt, Urt. v. 08.06.2020, Anl. K15, S. 15 f., sowie ausführlich Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2007, § 818 Rn. 47). Danach ergibt sich, dass die Beklagte das erlangte Eigentum zurück zu übertragen hat. Der Kläger hat zwar ursprünglich 2.500 € als Kaufpreis gezahlt, hieraus aber auch im selben Zug 549 € Miete und Bearbeitungsgebühr gezahlt. Er ist daher nur noch Zug-um-Zug zur Zahlung von 1.951,00 € verpflichtet.

40

Darüber, ob der hier geschlossene Vertrag noch aus anderen Gründen nichtig war oder vom Kläger wirksam widerrufen worden ist, war nach alldem nicht mehr zu entscheiden. Auch die Wirksamkeit der vom Kläger erklärten Anfechtung kann dahinstehen.

41

2. Die Klage war abzuweisen, soweit der Kläger die direkte Rückzahlung der von ihm geleisteten 549,00 EUR zuzüglich Zinsen verlangt hat. Denn das vom Kläger auf den Mietvertrag Geleistete ist im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Rückgewährschuldverhältnisses zu berücksichtigen und dementsprechend nur Zug-um-Zug zurück zu gewähren (s.o.). Eine Differenzierung danach, was vom Kläger auf den Kaufvertrag und was auf den Mietvertrag geleistet worden ist, kommt hier nicht in Betracht. Beide Geschäfte bilden eine wirtschaftliche Einheit; die Leistungen wurden bei derselben Gelegenheit ausgetauscht. Es ist daher nicht ersichtlich, warum die Beklagte das von ihr Geleistete nur Zug-um-Zug und ohne Zinsen, der Kläger das von ihm Geleistete aber einredefrei zzgl. Zinsen zurückverlangen können sollte. Ein sachlicher Grund dafür, den Kläger im Rahmen der Rückabwicklung dieses einheitlichen Geschäfts so zu privilegieren, ist für das Gericht nicht ersichtlich.

42

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, 709 ZPO.

III.

43

Der Streitwert war gemäß §§ 63 Abs. 2, 62 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO festzusetzen. Dabei ist der Wert der vom Kläger zu Beginn des Verfahrens geltend gemachten Ansprüche zu addieren, § 5 ZPO. Neben die Rückforderung der geleisteten Mieten in Höhe von 549,00 € (Antrag zu 2) tritt hier der Antrag auf Rückübereignung des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs (Antrag zu 1). Den Wert des Antrags zu 1) hat das Gericht anhand der vom Kläger mit Schriftsatz vom 26.03.2020 vorgelegten Angebote auf 4.475 € geschätzt, § 3 ZPO. Dabei hat es insbesondere den hohen km-Stand des Fahrzeugs berücksichtigt. Die Zug-um-Zug zu erbringende Gegenleistung bleibt bei der Festsetzung des Streitwerts unberücksichtigt (vgl. Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 3 Rn. 16 unter „Zug-um-Zug-Leistung“).

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