Urteil vom Landgericht Köln - 20 O 493/17
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 41.104,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.01.2018 zu zahlen Zug-um-Zug gegen Auskunftserteilung und Rechnungslegung, welche anteiligen Erlöse die Klägerin aus der Vermarktung von Verkaufsverpackungen aus Papier, Pappe und Kartonagen, die im Jahre 2014 im Gebiet der C im Rahmen der haushaltsnahen Sammlung von Altpapier miterfasst wurden, erzielt hat.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist seit dem 01.01.2013 öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger gemäß der §§ 17, 20 KrWG in Verbindung mit dem Abfallgesetz NRW. Bei der Beklagten handelt es sich um einen nach der Verpackungsverordnung (VerpackV) anerkannten Systembetreiber, welcher die flächendeckende Rücknahme und Entsorgung von PPK (Papier, Pappe, Kartonagen) -Verkaufsverpackungen privater Endverbraucher im Sinne von § 3 Abs. 11 VerpackV gewährleistet und auf diese Weise die Hersteller und Vertreiber der Verkaufsverpackungen von ihrer Verpflichtung zur unentgeltlichen Rücknahme und Entsorgung verbrauchter Verkaufsverpackungen befreit (§ 6 VerpackV). Zur Erfüllung dieser Aufgabe nutzt die Beklagte das kommunale Erfassungssystem für Altpapier mit und beauftragte bis Ende 2013 die Klägerin als operativ tätigen Entsorger im Gebiet der Stadt C. Dementsprechend werden die den dualen Systemen nach der VerpackV zugewiesenen PPK-Verkaufsverpackungen sowie die kommunale Altpapierfraktion aus den privaten Haushaltungen (sog. „kommunales Altpapier“) gemeinsam erfasst.
3Die Aufgabe der Verwertung des überlassungspflichtigen Altpapiers aus privaten Haushalten hat die C mit Wirkung zum 01.06.2010 befreiend auf den Zweckverband Rheinische Entsorgungs-Kooperation (REK) übertragen.
4Zwischen der Beklagten und der vormals zuständigen C als öffentlicher Entsorgungsträger bestand seit dem Jahre 2008 bis einschließlich 31.12.2013 ein entsprechender Vertrag über die Entsorgung gebrauchter Verkaufsverpackungen aus Papier, Pappe und Karton (PPK-Vertrag). Nach dem Auslaufen des PPK-Vertrages 2013 kam kein neuer Vertrag zwischen den Parteien zustande, entsprechende Verhandlungen scheiterten. Mit Schreiben vom 18.10.2017 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung des klageweise geltend gemachten Anspruchs auf; diesen erkannte die Beklagte dem Grunde nach an, bestritt ihn jedoch der Höhe nach.
5Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu, den sie gegenüber der Forderung der Beklagten aufrechnet. Bei der Miterfassung von Verkaufsverpackungen handele es sich objektiv um ein „auch fremdes“ Geschäft, welches den Fremdgeschäftsführungswillen indiziere.
6Sie behauptet, es seien ihr im Rahmen der Sammlung von Altpapier Gesamtkosten in Höhe von 2.449.435,78 € entstanden. Aus der im Jahr 2014 durch die Klägerin veranlassten Sortieranalyse ergebe sich ein tatsächlicher prozentualer Volumenanteil von 24,61 % an Verkaufsverpackungen. Die Klägerin meint, eine volumenorientierte Bemessung des auf die Beklagten anfallenden Anteils sei sachgerecht, da sich auch der Umfang des Entsorgungsbedarfs bei der Sammlung nach dem Volumen und nicht nach dem Gewicht der Abfälle bemesse. Unter Zugrundelegung dieser Parameter und unter Berücksichtigung eines – insoweit unstreitigen – durchschnittlichen Marktanteils der Beklagten von 8,93 % für das Jahr 2014 ergebe sich demnach ein Aufwendungsanspruch in Höhe von 53.830,59 €.
7Von diesem Betrag sei ein anteiliger Verwertungserlös der Beklagten in Höhe von 12.726,15 € abzuziehen. Auf Grundlage der für das Jahr 2014 erstellten Abfallbilanz der Klägerin sei von einer Gesamtmenge an Altpapier in Höhe von 25.067,40 to im Jahr auszugehen. Unter Zugrundelegung eines Masseanteils für Verkaufsverpackungen von 9,07 % und eines durchschnittlichen Marktanteils der Beklagten von 8,93 % ergebe sich ausgehend von einem Reinerlös von 62,68 € pro Tonne ein anteiliger Gesamterlös von 12.726,15 €. Bei dieser Berechnung habe die Klägerin vorhandene Wertunterschiede zwischen grafischen Papieren und Verpackungspapieren zugunsten der Beklagten unberücksichtigt gelassen. Den „dualen“ rechnerisch verbleibenden Masseanteil der nicht überlassungspflichtigen Papiermengen, der separat nicht ausweisbar sei, verwerte die Klägerin über die S GmbH, einem Tochterunternehmen des S1 ; dabei stünden dem Verwertungserlös Aufwendungen für den Transport des Sammelgemisches zur Sortieranlage der S GmbH (11,87 € / t) sowie die Kosten der Sortierung (32,54 € / t ) gegenüber.
8Ursprünglich hat die Klägerin die Zahlung von 42.010,24 € Zug-um-Zug gegen Auskunftserteilung und Rechnungslegung beantragt.
9Nunmehr beantragt die Klägerin,
10die Beklagte zu verurteilen, an sie 41.104,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, auf Verlangen der Beklagten Zug-um-Zug gegen Auskunftserteilung und Rechnungslegung, welche anteiligen Erlöse die Klägerin aus der Vermarktung von Verkaufsverpackungen aus Papier, Pappe und Kartonagen, die im Jahre 2014 im Gebiet der C im Rahmen der haushaltsnahen Sammlung von Altpapier miterfasst wurden, erzielt hat.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie bestreitet, dass die von der Klägerin verlangten Kosten den tatsächlichen Sach- und Personalkosten für die Geschäftsführung entsprechen und dass die Klägerin diese für erforderlich halten durfte. Im Einzelnen bestreitet die Beklagte die klägerseits behaupteten Gesamtkosten von 2.449.435,78 € sowie den zugrunde gelegten Systemanteil von 24,61 %. Letzterer habe im Zeitraum Juli 2012 bis Dezember 2013 lediglich 9,07 % betragen. Im Übrigen spreche für einen überhöhten Berechnungsansatz im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruchs der Umstand, dass die Beklagte an andere kommunale Betriebe für die Miterfassung von Verkaufsverpackungen im Durchschnitt 97,56 € / t zahle, die Klägern demgegenüber einen Betrag von ca. 265,13 € / t verlange. Zudem widerspreche die Berechnung auf Grundlage des Volumenanteils der gängigen Praxis anderer kommunaler Betriebe, welche den Anteil der Systembetreiber nach dem Gewicht bemessen. Schließlich sei im Rahmen des Aufwendungsanspruchs zu berücksichtigen, dass es sich bei sämtlichen Positionen um „Sowieso-Kosten“ handele, zumal der Verkaufsverpackungsanteil lediglich 9,07 %, die Systemquote der Beklagten 8,93 % betrage.
14Ferner ist sie der Auffassung, bei der Verwertung der PPK-Verkaufsverpackungen handele es sich um eine angemaßte Eigengeschäftsführung gegen den Willen der Beklagten als Systembetreiberin, sodass die Klägerin umfassend zur Auskunft und Rechnungslegung über die erzielten Vermarktungserlöse verpflichtet sei. Diesen Anspruch macht die Beklagte einredeweise geltend. Die Beklagte bestreitet die im Rahmen der Berechnung des Verwertungserlöses zugrunde gelegte Gesamtmenge an Altpapier sowie den von der Klägerin behaupteten Reinerlös von 62,68 € pro Tonne. Aufwendungen für Sortierung und Transport seien nicht erlösmindernd anzusetzen. Im Übrigen meint sie, die Erfassung und Verwertung würden grundsätzlich nicht in den satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Klägerin fallen.
15Die Kammer hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Insoweit wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl-Kfm. T vom 06.02.2020 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 21.06.2018 verwiesen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist zulässig und begründet.
18Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist eröffnet, da die in Rede stehenden Ansprüche aus einer privatrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag herrühren. Die Entsorgungsverpflichtungen der Beklagten beruhen auf Verträgen mit den Herstellern und Vertreibern von Verkaufsverpackungen und sind mithin privatrechtlicher Natur. Dementsprechend ist die Klägerin im Rahmen ihrer Geschäftsführung auch nicht im öffentlich-rechtlichen Pflichtenkreis der Beklagten tätig geworden (LG Köln, Urteil vom 20. April 2012 – 7 O 146/11 –, Rn. 15, Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 24. August 2006 – 23 C 06.1986 –, Rn. 4).
19Auch ist die Beschränkung des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.
20Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen in Höhe von 53.830,59 € nach den §§ 677, 683, 670 BGB aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag zu.
21Die Anspruchsvoraussetzungen liegen vor. Durch die Vornahme der flächendeckenden Erfassung der anteiligen PPK-Verkaufsverpackungen hat die Klägerin ein Geschäft für die Beklagte geführt und zwar nicht (nur) als eigenes, sondern (auch) als fremdes, in dem Bewusstsein und mit dem Willen, zumindest auch im Interesse eines anderen zu handeln. Dabei handelt es sich um ein Geschäft, das zumindest auch dem Interessen- und Pflichtenkreis der Beklagten zuzuordnen ist, da diese gemäß § 6 Abs. 1, 2 VerpackV für die den Vertreibern und Herstellern von Verkaufsverpackungen auferlegte Pflicht zur Rücknahme und Entsorgung derselben zuständig ist. Dabei ist ohne Belang, ob es sich um ein fremdes oder ein „auch fremdes“ Geschäft für die Klägerin handelt, da der für die Qualifizierung der Geschäftsbesorgung maßgebliche Fremdgeschäftsführungswille gleichermaßen vermutet wird. In der vorliegenden Konstellation ist der Fremdgeschäftsführungswille der Klägerin überdies durch die während der jahrelangen Vertragsbeziehung vereinbarte Vergütung der Leistung ersichtlich.
22Mangels Zustandekommens eines neuen Vertrages im Jahr 2014 handelte die Klägerin ohne Auftrag, aber im objektiven Interesse der Beklagten, welche nach § 6 Abs. 2 VerpackV die Aufgabe der Rücknahme und Entsorgung der PPK-Verkaufsverpackungen privater Endverbraucher wahrnimmt. Die Übernahme der Geschäftsführung entsprach auch dem Willen der Beklagten, § 683 Satz 1 BGB. Die Beklagte hatte in dem hier in Rede stehenden Zeitraum nicht erklärt, die Sammlung selbst durchführen zu wollen, sondern war grundsätzlich stets daran interessiert, dass die Klägerin diese Aufgabe für sie übernimmt und auch gewillt, sie vertraglich zu beauftragen. Der Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung scheiterte nur am Dissens über Einzelheiten der Abrechnung bzw. Vergütung. Unabhängig davon wäre ein entgegenstehender Wille der Beklagten nach §§ 679, 683 Satz 2 BGB auch unbeachtlich, da die Erfüllung der Entsorgungsverpflichtung im öffentlichen Interesse lag.
23Die Klägerin kann nach den Grundsätzen des Auftragsrechts Ersatz ihrer bereits tatsächlich getätigten Aufwendungen verlangen. Dabei genügt es, dass sie die Aufwendungen den Umständen nach für erforderlich halten durfte, d.h. wenn sie diese nach sorgfältiger Prüfung ihrer Pflichten vernünftigerweise aufzuwenden hatte (Palandt/Sprau, BGB, 79. Auflage 2019, § 670 Rn. 4).
24Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die von der Klägerin zugrunde gelegten Sach- und Personalkosten in Höhe von 2.448.604,07 € tatsächlich entstanden sind und es sich dabei um Aufwendungen handelt, die sie im Zusammenhang mit der Abholung von Altpapier für erforderlich halten durfte. Dies folgt zum einen aus dem Gutachten des Sachverständigen T . In diesem stellt er nachvollziehbar, plausibel und frei von Widersprüchen fest, dass der Klägerin in der von ihr geltend gemachten Höhe Aufwendungen in Form von Sach- und Personalkosten entstanden sind. Dies ergibt sich insbesondere aus der Prüfung der klägerischen Jahresabschlüsse für das Geschäftsjahr 2014 durch die unabhängigen Wirtschaftsprüfer F GmbH, welche bereits einen uneingeschränkten, beanstandungsfreien Bestätigungsvermerk zugunsten der Klägerin erteilt hatten. Der Sachverständige T setzte sich dezidiert mit den einzelnen Positionen der Kostenrechnung auf Grundlage der Finanzbuchhaltung auseinander. Im Ergebnis stufte er die Zuordnung der Kostenarten ebenfalls als sachgerecht und ordnungsgemäß ein und bestätigte insofern die Bewertung von F .
25Auch im Übrigen ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass der Klägerin Aufwendungen in der geltend gemachten Höhe entstanden sind und sie diese nach entsprechender sorgfältiger Prüfung als notwendig erachten durfte. Sie legt schlüssig und substantiiert unter Vorlage ausführlicher und detaillierter Kostenaufstellungen dar, welche Einzelkosten im Zusammenhang mit der Altpapierentsorgung konkret angefallen sind. Dabei durfte sie entsprechend dem betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff nach § 6 Abs. 2 S. 1 KAG NRW neben Personal-, Material- und Sachkosten auch anteilige Verwaltungsgemeinkosten einkalkulieren. Ebenfalls ist nicht zu beanstanden, dass sie Personalkosten über die Vergütung der eingesetzten Arbeitskräfte hinaus – etwa Beihilfe- und Reisekosten – veranschlagt. Diese stehen im engen sachlichen und funktionalen Zusammenhang zu der Geschäftsbesorgung, zumal die Klägerin als Anstalt des öffentlichen Rechts in noch größerem Umfang an gesetzliche Vorgaben im Rahmen ihrer Arbeitgeber- und Dienstherrenfunktion gebunden ist und Kosten für Beihilfen oder vergleichbare Leistungen schlichtweg systembedingt anfallen.
26Grundsätzlich schuldet der Geschäftsherr dem Geschäftsführer nach dem Wortlaut der §§ 683, 670 BGB zwar lediglich den Ersatz seiner tatsächlichen Aufwendungen, d.h. seiner freiwilligen Vermögensbußen. Jedoch schließt der Aufwendungsersatzanspruch anerkanntermaßen auch die übliche Vergütung mit ein, wenn die auftragslose Besorgung eines fremden Geschäfts im Rahmen des Berufs oder des Gewerbes des Geschäftsführers erfolgt, da es hier - anders als beim unentgeltlichen Auftrag - an der Vereinbarung der Unentgeltlichkeit fehlt (BGH, Urteil vom 27. April 2005 – VIII ZR 140/04 –, Rn. 23, juris). Trotz ihrer öffentlich-rechtlichen Entsorgungspflicht ist hier die Vergleichbarkeit zu einer Berufs- bzw. Gewerbeausübung gegeben, auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin gemäß § 22 Abs. 4 S. 1 VerpackG für die Mitbenutzung ihres Sammelsystems ein angemessenes Entgelt verlangen kann (LG Köln, Urteil vom 20. April 2012 – 7 O 146/11 –, Rn. 25; VG Köln, Urteil vom 02. August 2012 – 13 K 1221/10 –, Rn. 73, juris), sodass die im Rahmen der Altpapierentsorgung tatsächlich angefallenen Kosten auch Aufwendungen im Sinne des § 670 BGB darstellen.
27Ferner ist eine Berechnung der Aufwendungen auf Basis des Volumenanteils in Höhe von 24,61 % gerechtfertigt. § 22 Abs. 4 S. 5 VerpackG eröffnet explizit die Möglichkeit einer Berechnung des auf den Systembetreiber anfallenden prozentualen Anteils auf Grundlage des festgestellten Volumens der Verkaufsverpackungen. Darüber hinaus hat die Klägerin plausibel dargetan, dass der Entsorgungsbedarf im C Entsorgungsgebiet ausschließlich volumenbezogen erfolgt. Die Orientierung am Volumenmaßstab für den Umfang des Entsorgungsbedarfs ermöglicht der Klägerin eine bedarfs- und verursachergerechte Inanspruchnahme der Abfallsammlung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Behältergrößen und Abfuhrrhythmen. Vor diesem Hintergrund durfte sie auch den prozentualen Volumenanteil der PPK-Verkaufsverpackungen in Ansatz bringen, da es – anders als bei der Ermittlung der Erlösbeteiligung – auf den Gewichtsanteil der Verkaufsverpackungen für die Konzeption des hiesigen Sammelsystems nicht ankommt.
28Soweit die Beklagte dagegen einwendet, dass andere öffentliche Träger demgegenüber einen gewichtsbezogenen Anteil zugrunde legen und dieser deutlich geringer ausfallen würde, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Klägerin hat – im Gegensatz zu den meisten öffentlich-rechtlichen Vertragspartnern der Beklagten – eine spezifische Sortieranalyse durchgeführt, welche die jeweiligen Volumen- und Masseanteile konkret ermittelt. Ohne die Durchführung einer solchen Sortieranalyse ist den öffentlichen Entsorgungsträgern in der Regel die Bestimmung des Volumenanteils der PPK-Verkaufsverpackungen nicht möglich, sodass insoweit nur auf den Gewichtsanteil abgestellt werden kann. Da die Klägerin aufgrund der von ihr in Auftrag gegebenen Sortieranalyse imstande ist, den Volumenanteil substantiiert zu bestimmen, ist ihr eine Berücksichtigung desselben ohne Weiteres nach § 22 Abs. 4 S. 5 VerpackG im Rahmen der Berechnung des Aufwendungsersatzanspruchs möglich.
29Auch geht die Beklagte in der Annahme fehl, sämtliche Personal- und Transportkosten seien als „Sowieso-Kosten“ unberücksichtigt zu lassen. Entsprechend dem schlüssigen Vortrag der Klägerin orientieren sich Behältergrößen, Behälterzahl und Abfuhrrhythmen am tatsächlichen und individuellen Entsorgungsbedarf der Abfallfraktion und unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Bei einer Nichterfassung der für die Beklagten maßgeblichen Verkaufsverpackungen käme für die Klägerin beispielsweise das im Gegensatz zum Holsystem kostengünstigere Bringsystem für die ausschließliche Erfassung des kommunalen Altpapiers in Betracht. Die Beklagte entsprechend des Anteils an PPK-Verkaufsverpackungen und unter Berücksichtigung ihres eigenen Marktanteils an den Entsorgungskosten zu beteiligen ist vor diesem Hintergrund nur sachgerecht.
30Zusammenfassend berechnet sich der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin wie folgt:
31Gesamtkosten der Altpapiersammlung:
322.449.435,78 €
33Davon prozentualer Anteil auf Volumenbasis
34der Systembetreiber in Höhe von 24,61 %: 602.806,15 €
35Davon durchschnittlicher Marktanteil
36der Beklagten von 8,93 %:
3753.830,59 €
38Hiergegen kann die Beklagte einen Anspruch auf anteiligen Verwertungserlös gemäß §§ 681 S. 2, 667 BGB in Höhe von 12.726,15 € geltend machen. Danach ist der Geschäftsführer verpflichtet, alles, was er aus der Geschäftsführung erlangt hat, herauszugeben. Erlangt im Sinne von § 667 Alt. 2 BGB sind alle Vorteile, die dieser aufgrund eines inneren Zusammenhangs mit dem im Interesse des Geschäftsherrn geführten Geschäfts erhalten hat und die nicht ihm, sondern dem Geschäftsherrn gebühren (BGH, Urteil vom 04. Februar 2000 – V ZR 260/98 –, Rn. 10, juris).
39Dem Anspruch ist die Gesamtmenge des tatsächlich erfassten Altpapiers für das Jahr 2014 in Höhe von 25.067 t zugrunde zu legen. Dies ergibt sich aus der für das Jahr 2014 erstellten vorgelegten Abfallbilanz der Klägerin. Soweit die Beklagte die Gesamtmenge pauschal bestreitet und sie für ersichtlich unzutreffend hält, fehlt es indes an substantiiertem Gegenvortrag.
40Des Weiteren sind entsprechend des klägerischen Vortrags die Kosten für Transport (11,87 € / t) und Sortierung (32,54 € / t) in Abzug zu bringen. Nach dem schlüssigen Vortrag der Klägerin nimmt die von ihr beauftragte S GmbH die Verwertung für die Klägerin vor und erzielte – nach entsprechender Saldierung – im Jahr 2014 einen durchschnittlichen Erlös von 62,68 € pro Tonne. Sowohl der Transport des Sammelgemisches von der Sortieranlage zu den Papierfabriken als auch die Sortierung des Sammelgemisches, welches durch zahlreiche Fehlwürfe verunreinigt ist, stellen zwingend notwendige und sachgerechte Maßnahmen im Rahmen der Weiterveräußerung dar, welche die Vertragspartnerin der Klägerin ihr – wirtschaftlich nachvollziehbar – in Rechnung gestellt hat. Diesen Erlös erhielt die Klägerin für das Jahr 2014 auch im Rahmen der Verwertung „ihrer“ kommunalen Altpapiermengen. Da sie ausschließlich das aus der Geschäftsbesorgung unmittelbar Erlangte herauszugeben hat, ergibt sich kein weitergehender Anspruch der Beklagten. Im Übrigen ist auch hier ein pauschales Bestreiten der im Rahmen des Herausgabeanspruchs darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht ausreichend, um den mit Beweisantritt seitens der Klägerin vorgetragenen und insoweit auch plausiblen Mengen- und Wertangaben entgegenzutreten.
41Im Ergebnis schlüsselt sich der Herausgabeanspruch der Beklagten wie folgt auf:
42Gesamtmenge Altpapier im Jahr 2014
4325.067,40 t
44Davon Verwertungsanteil Systembetreiber
45In Höhe von 9,07 %:
462.273,61 t
47Davon durchschnittlicher Marktanteil der Beklagten
48In Höhe von 8,93 %:
49203,03 t
50Unter Berücksichtigung des durchschnittlich
51erzielten Reinerlös von 62,68 € / t :
5212.726,15 €
53Nach Abzug des Herausgabeanspruchs der Beklagten verbleibt der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin in der beantragten Höhe von 41.104,44 €.
54Gemäß §§ 681 S. 2, 666 BGB ist die Klägerin verpflichtet, der Beklagten auf Verlangen Auskunft über den Stand der von ihr vorgenommenen Verwertung der gebrauchten Verkaufsverpackungen zu erteilen und entsprechende Rechnungen offenzulegen. Die Pflicht zur Auskunft und Rechnungslegung besteht allerdings – wie bereits in der Klageforderung formuliert – lediglich Zug-um-Zug gegen Zahlung des eingeklagten Aufrechnungsersatzanspruchs (§ 273 Abs. 1 BGB; vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 04. Februar 2015 – VI-U (Kart) 16/14 –, Rn. 23, juris). Soweit die Beklagte meint, die Auskunftspflicht der Klägerin sei durch diese zuerst zu erfüllen, steht dem bereits die gesetzlich vorgesehene Wirkung des Zurückbehaltungsrechts nach § 274 BGB sowie die daraus resultierende Zug-um-Zug-Verurteilung entgegen.
55Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges seit Rechtshängigkeit gemäß der §§ 288, 291 BGB.
56Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 S. 1 ZPO. Die Beschränkung des Klageantrags wirkt sich – da damit kein Gebührensprung verbunden war – kostenrechtlich nicht aus.
57Streitwert: 41.104,44 €
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Referenzen
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- KrWG § 20 Pflichten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger 1x
- BGB § 677 Pflichten des Geschäftsführers 1x
- BGB § 683 Ersatz von Aufwendungen 1x
- BGB § 670 Ersatz von Aufwendungen 2x
- BGB § 681 Nebenpflichten des Geschäftsführers 2x
- BGB § 667 Herausgabepflicht 1x
- BGB § 666 Auskunfts- und Rechenschaftspflicht 1x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- BGB § 291 Prozesszinsen 1x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- § 6 VerpackV 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 274 Wirkungen des Zurückbehaltungsrechts 1x
- § 3 Abs. 11 VerpackV 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 264 Keine Klageänderung 1x
- § 6 Abs. 1, 2 VerpackV 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 2 VerpackV 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 2 S. 1 KAG 1x (nicht zugeordnet)
- § 22 Abs. 4 S. 1 VerpackG 1x (nicht zugeordnet)
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- VIII ZR 140/04 1x (nicht zugeordnet)
- 7 O 146/11 1x (nicht zugeordnet)
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