Urteil vom Landgericht Landau in der Pfalz (3. Zivilkammer) - 3 S 166/12


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Tenor

1. Die Berufungen der Beklagten und der Beigetretenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 01.08.2012, Az. 5 C 40/11, werden zurückgewiesen.

2. Die Beklagten und die Beigetretene haben die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte zu tragen.

Gründe

1

Die zulässigen Berufungen haben in der Sache keinen Erfolg.

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1. Beide Berufungen sind zulässig eingelegt.

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a) Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt die in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgesehene Erwachsenheitssumme, so dass die Berufungen auch ohne Zulassung dieses Rechtsmittels in der angegriffenen Entscheidung statthaft sind. Das Interesse der Beigetretenen daran, eine Klageabweisung, und damit die Fortdauer ihrer Bestellung, zu erreichen, übersteigt mit Blick auf die von ihr während der Bestellungszeit zu verdienende Verwaltervergütung ohne weiteres den Betrag von 600 €. Weil die Beschwer für beide Berufungsführer zusammenzurechnen ist (§ 5 ZPO), folgt schon hieraus die Statthaftigkeit der Berufung der Beklagten.

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b) Die Berufung der Beklagten ist nicht deswegen unzulässig, weil die Verwalterin nicht gem. § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG befugt gewesen wäre, einen Auftrag zur Berufungseinlegung zu erteilen. Denn dieser Umstand ist für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung unerheblich. Entscheidend ist, dass dem Beklagtenvertreter in erster Instanz, wie es auch die Kläger sehen, nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG wirksam Prozessvollmacht erteilt werden konnte und auch wurde. Diese setzte den Prozessbevollmächtigten ohne weiteres in die Lage, Berufung gegen das Urteil erster Instanz einzulegen (vgl. MünchKommZPO-Toussaint, 4. Aufl. 2013, § 81 Rn. 8 m.w.N.).

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2. Die Berufungen sind aber nicht begründet, weil das Amtsgericht auf die Anfechtungsklage der Kläger den angegriffenen Beschluss im Ergebnis zu Recht für ungültig erklärt hat. Denn der Versammlungsleiter hat zu Unrecht festgestellt, dass die Beigetretene bei der Abstimmung zu TOP 6 in der Versammlung am 13.08.2011 bis zum 31.12.2016 wieder zur Verwalterin bestellt worden sei. Nach dem richtigerweise anzunehmenden Abstimmungsergebnis ist nämlich nicht die Beigetretene, sondern ein anderes Verwaltungsunternehmen zur Verwalterin bestellt worden, so dass das in der Versammlung tatsächlich festgestellte Beschlussergebnis unrichtig war. Mangels Erhebung einer positiven Beschlussfeststellungsklage kann dabei durch die Kammer nur die Ungültigerklärung des angegriffenen Beschlusses bestätigt werden.

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a) Ein Beschluss ist anfechtbar, wenn er nicht die erforderliche Mehrheit in der Versammlung erreicht hat, beispielsweise weil zu Unrecht Einzelstimmen berücksichtigt worden sind, die keine Berücksichtigung hätten finden dürfen. In diesem Fall kommt eine Ungültigerklärung des als zustande gekommen festgestellten Beschlusses allerdings nur in Betracht, wenn ohne die zu Unrecht berücksichtigten Stimmen der Beschluss nicht zustande gekommen wäre (vgl. dazu Bärmann-Merle, WEG, 12. Aufl. 2013, § 23 Rn. 194 ff. m.w.N.).

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b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil jedenfalls die vom Versammlungsleiter bei der Abstimmung zu TOP 6 als zugunsten der Beigeladenen gewertete Stimmabgabe durch die Beigetretene bzw. deren Mitarbeiter in Stellvertretung der Eigentümer A., B. und C. mangels Vertretungsmacht nicht hätte berücksichtigt werden dürfen und ohne diese Stimmen der Beschluss nicht zustande gekommen wäre.

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aa) Zwar ist eine Stimmabgabe in Stellvertretung bei der Beschlussfassung in der Versammlung der Wohnungseigentümer - nach näherer Maßgabe der Regelung in § 13 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung (dazu noch unten unter d)) - grundsätzlich zulässig. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Stimmabgabe ist aber, dass der Stellvertreter, hier also der entsprechende Mitarbeiter der Beigetretenen, gem. § 164 Abs. 1 BGB mit Vertretungsmacht für die vertretenen Eigentümer handelt, weil ansonsten die Stimmabgabe gem. § 180 S. 1 BGB unwirksam oder jedenfalls nach §§ 180 S. 2 BGB iVm § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam ist.

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bb) An der danach notwendigen Vertretungsmacht der Beigetretenen für die drei genannten Wohnungseigentümer bei der Versammlung am 13.08.2011 fehlte es hier. Die Beigetretene konnte sich nämlich (jedenfalls) für die Eigentümer A., B. und C. schon deswegen nicht mehr auf die von ihr vorgelegten Generalvollmachten aus den Jahren 1998 (A.), 2004 (B.) bzw. 1999 (C.) berufen, weil die betreffenden Wohnungseigentümer diese Bevollmächtigungen der Beigetretenen inzwischen widerrufen hatten.

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(1) Der Widerruf als einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung des Vollmachtgebers kann unabhängig davon, ob die Vollmacht als Außen- oder Innenvollmacht erteilt worden ist, sowohl gegenüber dem Bevollmächtigten als auch dem Dritten, demgegenüber sie besteht, erklärt werden (vgl. §§ 168 Satz 3, 167 Abs. 1 BGB; OLG Hamburg, Beschl. v. 28.01.2005, 2 Wx 44/04, Rz. 14 m.w.N., zit. nach ). Er kann dabei auch stillschweigend, insbesondere durch Bestellung eines anderen Bevollmächtigten, erfolgen (vgl. OLG Hamburg, aaO, Orientierungssatz 3)

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(2) Der Widerruf der ursprünglich der Beigetretenen erteilten Generalvollmachten erfolgte gegenüber der Geschäftsführerin der Beigetretenen, bei welcher es sich um die Versammlungsleiterin der Versammlung am 26.10.2010 handelte, dadurch, dass die betreffenden Eigentümer dem Wohnungseigentümer D. jeweils eine Urkunde über eine Generalvollmacht für Abstimmungen in den Wohnungseigentümerversammlungen zur Vorlage gegenüber dem Versammlungsleiter aushändigten und der Wohnungseigentümer D. diese der Versammlungsleiterin vorlegte.

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Dass die Wohnungseigentümer Dr. E., B. und C. dem Wohnungseigentümer D. im Jahr 2010 Generalvollmacht erteilt haben und entsprechende Vollmachtsurkunden in der Versammlung am 26.10.2010 vorgelegt wurden, steht zur Überzeugung der Kammer nach Anhörung des Eigentümers D., der Geschäftsführerin der Beklagten und bei Berücksichtigung der auf Anforderung vorgelegten Anwesenheitsliste der Versammlung am 26.10.2010 sowie des ebenfalls auf Anforderung vorgelegten Protokolls dieser Versammlung mit Anlagen, d.h. insbesondere der beigefügten Vollmachten, zur vollen Überzeugung der Kammer fest.

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Wie der Eigentümer D. nachvollziehbar und glaubhaft bekundete, konnte nur derjenige auf der Anwesenheitsliste bei den von ihm zu vertretenden Eigentümern mit seinem Namen abzeichnen, der für diese eine aktuell gültige Vollmachtsurkunde besaß und diese an die Verwalterin bzw. deren Mitarbeiter aushändigte. Dieses Prozedere hat auch die Geschäftsführerin der Beigetretenen bestätigt und ergänzt, dass auch nachgefragt werde, ob weitere (also andere als die vorgelegten) noch gültige Vollmachten bestünden. Wie die Kammer anhand der auf Aufforderung vorgelegten Anwesenheitsliste weiter festgestellt hat, hat der Wohnungseigentümer D. (u.a.) bei den drei Eigentümern A., B. und C. abgezeichnet. Daraus ist auf Grundlage des von den Parteien übereinstimmend angenommenen Prozederes zu schließen, dass der Eigentümer D. für die Eigentümer A., B. und C. im Jahr 2010 Vollmacht besessen haben muss und hierfür auch entsprechende Vollmachtsurkunden existiert haben müssen. Denn ansonsten hätte er nicht auf der Anwesenheitsliste abzeichnen können. Weil sich diese Vollmachtsurkunden, welche auf Grundlage der übereinstimmend angenommenen Vorgehensweise als Anlage zum Protokoll der Versammlung am 26.10.2010 vorhanden sein müssten, nicht unter den als Anlage zum Protokoll der Versammlung am 26.10.2010 genommenen Vollmachten befinden, die auf Anordnung vorgelegt worden sind, nimmt die Kammer die Behauptung der Kläger über die Erteilung von Generalvollmachten und Aushändigung entsprechender Urkunden als bewiesen an (§ 427 S. 2 ZPO).

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cc) Der angegriffene Beschluss wäre angesichts des angenommenen Abstimmungsergebnisses von 357,906/1.000 MEA (für die Fa. I.) zu 360,412/1.000 MEA (für die Beigetretene) ohne die Stimmen der Eigentümer A., B. und C., die mit 4,694/1.000 MEA, 4,491/1.000 MEA und 4,694/1.000 MEA berücksichtigt wurden, nicht zustande gekommen.

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c) Die Kläger können sich auf das fehlerhaft festgestellte Beschlussergebnis auch berufen, weil die Anfechtungsfrist nicht versäumt worden ist. Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die erste Zustellung an die Beigetretene wirksam war und auch noch demnächst erfolgt ist. Die Einzahlung des Vorschusses war jedenfalls mit Blick auf den Feiertag am 03.10.2011 noch "demnächst" iSd § 167 ZPO. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung verwiesen.

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d) Es ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die jedenfalls von der Beigetretenen geübte Praxis, ihr einmal erteilte Generalvollmachten aus früheren Jahren bei den Abstimmungen zu berücksichtigen, nicht mit den in der Gemeinschaftsordnung unter § 13 Nr. 4 vorgesehenen Förmlichkeiten zu vereinbaren ist. Denn danach muss für eine zulässige Vertretung stets eine besondere, schriftliche Vollmacht (gemeint: Vollmachtsurkunde) vorliegen, die dem jeweiligen Versammlungsprotokoll beizufügen ist. Jedenfalls zukünftig wird daher eine Zurückweisung von Stellvertretern nach § 174 S. 1 BGB in Betracht kommen, die sich nicht in der von der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Art und Weise legitimieren können.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, weil eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht statthaft ist und die Entscheidung daher in Rechtskraft erwächst.

18

Beschluss

19

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf eine Gebührenstufe bis zu 10.000,00 € festgesetzt.

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