Urteil vom Landgericht Magdeburg (11. Zivilkammer) - 11 O 409/13
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 89.940 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.12.2012 zu bezahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Zugleich wird beschlossen: Der Streitwert wird auf 89.940 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten wegen der Folgen einer Insolvenzanfechtung.
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Am 3.12.2012 eröffnete das Amtsgericht M das Insolvenzverfahren über das Vermögen der M Sachsen-Anhalt GmbH, einer öffentlich geförderten Forschungsgesellschaft (nachfolgend die Schuldnerin) und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Schuldnerin fällige Verbindlichkeiten in Höhe von 547.106,19 €, die sie nicht mehr bedienen konnte (Gläubigerliste Beiakten 340 IN 486/12, Blatt 6). Zum 31.12.2009 hatte sie fällige Verbindlichkeiten von 387.877 € bei verfügbaren Mitteln von 170.761 € und war auch überschuldet (Anlage 2 der Anlage K 3).
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Die Schuldnerin war bis Juni 2012 Mieterin der Beklagten und ging in den Mieträumen ihren Forschungsinteressen nach. Sie leistete – trotz Aufforderung (Anlage K 13, Band I, Blatt 105 d.A.) - bereits im Jahre 2009 nicht mehr regelmäßig den geschuldeten Mietzins. In der Folgezeit äußerte die Schuldnerin die Annahme auch zukünftig Fördermittel und weiterer Aufträge zu erhalten, weshalb es zu Stundungsvorschlägen der Schuldnerin kam (Anlage K 15, Band I, Blatt 107 d.A.). Mit Schreiben vom 28.4.2010 unterbreitete der Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Schuldnerin (vgl. Bericht des Insolvenzverwalters vom 29.11.2012, Beiakten Band I, Blatt 181 f), Herr Prof. Dr, S, der Beklagten schließlich den Vorschlag, Verbindlichkeiten in Höhe von 78.492,53 € in einem Zeitraum von 24 Monaten zu tilgen, forderte eine Minderung der laufenden Miete in Höhe von 791,67 € netto und kündigte an, die „regulären Zahlungen“ bei Verbesserung der wirtschaftlichen Lage wieder aufzunehmen (Anlage B 15, Band I, Blatt 132 d.A.).
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Am 7.5.2010 wurde das Anliegen im Aufsichtsrat der Beklagten erörtert, wobei die Beklagte zu diesem Zeitpunkt von einem Schuldenstand von ca. 78.000 € ausging. Nach dem vorgelegten Protokoll der Aufsichtsratssitzung stand der Aufsichtsrat den Vorschlägen der Schuldnerin mit geteilter Meinung gegenüber. Der Aufsichtsratsvorsitzende regte danach an, dass auf die „Abgabe eines detaillierten Zahlungsplanes“ verzichtet werden könne, weil „eine vollständige Zahlung der Mietrückstände aus EU Mitteln in Aussicht gestellt war“. Von einer Kündigung des Mietvertrages sollte vorerst Abstand genommen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage B 5 (Band I, Blatt 58 d.A.) Bezug genommen.
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Am 19.5.2010 thematisierte der Geschäftsführer der Beklagten in einem Schreiben an die Schuldnerin die Frage ihrer Verlässlichkeit und verlangte von ihr eine „belastbare Planung der Zahlungen“. Er erklärte vorgelegte Unternehmensplanungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft G und Partner für unzureichend zu halten, da eine Beurteilung der Planung nicht möglich sei, weil „die Konten nicht untersetzt“ gewesen seien und forderte die Schuldnerin auf, ihren Zahlungspflichten umgehend nachzukommen (Anlage K 16, Band I, Blatt 108 d.A.). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 20.5.2010 forderte die Beklagte von der Schuldnerin aufgrund einer Betriebskostenabrechnung des Jahres 2009 schließlich auch eine Nachzahlung in Höhe von 36.410,01 € (Anlage K 17, Band I, Blatt 109 d.A.).
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Am 22.7.2010 stellten die Schuldnerin und die Beklagte einen Schuldenstand von 106.628 € zum 15.6.2010 fest und verabredeten eine von dem ursprünglichen Vorschlag abweichende Stundungsvereinbarung. Danach war der rückständige Mietzins in monatlichen Raten von 3.110 €, zusätzlich zu dem vereinbarten Mietzins, bei einem maximalen Stundungszeitraum von 36 Monaten zurückzuzahlen (Anlage K 2, Bl. 9 d.A.). Seit dem 1.1.2010 betrug der monatliche Mietzins 4.217 €, die monatliche Forderung mithin 7.327 € (3.110 + 4217). Der Mietzins erhöhte sich jährlich jeweils um 2 %. Ab 1.1.2011 betrug er monatlich 4.302,33 €, die monatliche Forderung mithin 7412, 33 € (3110 + 4.302,33 €). Wegen der Einzelheiten wird auf § 5 des Mietvertrages (Anlage B 2, Band I, Blatt 40 d.A) Bezug genommen.
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In der Stundungsvereinbarung vom 22.7.2010 heißt es unter anderem:
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„Die Stundung wird nur für den Fall gewährt, dass sämtliche vertraglich zu leistenden Zahlungen gemäß den vertraglichen Regelungen geleistet werden. Sollte M (die Schuldnerin) erneut in Zahlungsverzug geraten, wird die gestundete Summe sofort fällig“. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 2 (Bd. I, Blatt 9 d.A. ) Bezug genommen.
- 10
In der Zeit vom 2.8.2010 – 15.11.2011 flossen der Beklagten in unterschiedlichen monatlichen Beträgen insgesamt 89.940 € anstelle in dieser Zeit geschuldeter 115.058,11 € zu (46.650 € + 21.085 € + 47.323,21 € = 115.058,11 €). Im Einzelnen handelte es sich um folgende Beträge:
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2.8.2010 8.000 €
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3.9.2010 3.940 €
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3.9.2010 5.000 €
- 14
29.9.2010 5.000 €
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11.11.2010 5.000 €
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07.02.2011 30.000 €
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09.02.2011 15.000 €
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07.04.2011 15.000 € -
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15.11.2011 3.000 €
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Aufgrund dieser Zahlungen befand sich die Schuldnerin jedenfalls im Oktober 2010 wieder in Zahlungsverzug.
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Im November 2010 verlangte die Beklagte von Prof. S schließlich eine selbstschuldnerische Bürgschaft (Anlage B 9 , Blatt 62 d.A.), sprach eine fristlose Kündigung aus, erklärte ferner den Mietvertrag mit der Schuldnerin fortzusetzen und die Fälligstellung der Forderungen für den Fall zurückzuziehen, dass die Stundungsvereinbarung ab Januar 2011 eingehalten wird (Anlage G 1 , Beiakten 340 IN 486/12, Band I, Blatt 206 ). Zuletzt erklärte sie die Vertragskündigung und setzte den Räumungsanspruch gerichtlich durch (Landgericht M, 10 O 630/12 vom 22.6.2012 ).
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Mit Schreiben vom 6.3.2013 forderte der Kläger die in der Zeit vom 2.8.2010 bis 15.11.2011 zugeflossenen Beträge zurück.
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Der Kläger verweist auf die Überschuldungsprüfung des Jahresabschlusses 2009 und meint, die Beklagte habe von Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit Kenntnis gehabt. Es genüge, dass die Geschäftsführung der Beklagten wusste, dass ihre Miet- und Darlehensforderungen seit langem überfällig gewesen seien. Die Beklagte habe ihre Forderungen bereits vor Abschluss der Stundungsvereinbarung ernsthaft eingefordert. Die unternehmerische Tätigkeit der Schuldnerin sei der Beklagten ebenfalls bekannt gewesen, weshalb sie davon auszugehen hatte, dass es noch weitere Gläubiger geben könne. Die Schuldnerin habe auch die Stundungsvereinbarung vom 22.7.2010 nicht bedienen können, ohne abermals in Zahlungsverzug zu geraten. Der Stundungsvereinbarung lasse sich deshalb bereits entnehmen, dass die Schuldnerin die Verbindlichkeiten nur noch vor sich hergeschoben habe.
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Da zu vermuten sei, dass die Beklagte gewusst habe, dass die Klägerin nicht in der Lage sei ihre Verbindlichkeiten zu bedienen, sei auch ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz zu vermuten. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet gewesen sich um zusätzliche Informationen zu bemühen. Dem sei sie nicht ausreichend nachgekommen. Dass von den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die spezifische Zahlungsfähigkeit geprüft worden sei, bestreite sie.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 89.940 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 4.12.2012 zu bezahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie meint, dass es im Jahre 2009 aufgrund des Wegbrechens von Aufträgen, verzögerter Auszahlungen von Fördermitteln und Zahlungsstockungen bei der IM TM GmbH, einer Schuldnerin der M GmbH, nur zu Zahlungsstockungen der Schuldnerin gekommen sei. Die M GmbH sei von der G und Partner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, als auch von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft D und T GmbH M überprüft worden. Beide Wirtschaftsprüfungsgesellschaften hätten in den Jahren 2010 und 2011 geprüft und eine positive Fortführungsprognose attestiert. Hiervon sei auch Prof. S ausgegangen.
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Zu der Zeit als die Schuldnerin Zahlungen an die Beklagte vorgenommen habe, sei sie weder zahlungsunfähig noch überschuldet gewesen. Es fehle bereits an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung, weil nicht dargetan sei, dass anderen Gläubigern Mittel vorenthalten worden seien. Da es sich bei der Schuldnerin um eine öffentlich geförderte Forschungseinrichtung gehandelt habe, war von vornherein klar, dass der Schuldnerin externe Mittel zufließen werden.
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Hierauf habe sich die Beklagte auch deshalb verlassen können, weil die Prüfberichte der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auch dazu dienten, den öffentlichen Mittelzufluss zu kontrollieren. Im Übrigen sei es bei gewerblichen Forschungseinrichtungen nicht ungewöhnlich, dass Zahlungen im „Rhythmus ihrer externen Mittelzuflüsse“ erfolgen, weshalb Zahlungsverzüge in der Entwicklungsphase des Unternehmens nicht auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Das müsse berücksichtigt werden, weil ansonsten die Gründung von „Start ups“ und damit auch die Ansiedlungspolitik gefährdet wäre.
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Im Juli 2010 seien der Schuldnerin 29.510,40 € an öffentlichen Mitteln zugesagt gewesen die zur Bedienung anderer Gläubiger verwendet worden sind. Der Geschäftsführer der Schuldnerin habe eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 45.000 € übernommen, die im Januar 2011 an die Beklagte ausgezahlt worden sei. Ferner habe die Schuldnerin in einer Aufsichtsratssitzung der Beklagten vom 20.10.2011 ein neues Projekt in Millionenhöhe vorgestellt.
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Die Beklagte habe ferner auch akzeptiert, dass die Schuldnerin andere Gläubiger zuerst bedient habe. Dieses Verhalten sei nichts anderes als ein Rangrücktritt.
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Wegen der Übrigen Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
I.
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Der Kläger hat aufgrund der erfolgten Insolvenzanfechtung gemäß den §§ 143 Abs. 1 Satz 1, 133 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO Anspruch auf Ersatz des Wertes der aufgrund der Stundungsvereinbarung vom 22.7.2010 geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 89.940 €, weil diese Zahlungen der M GmbH an die Beklagte mit dem Vorsatz erfolgt sind, Gläubiger zu benachteiligen. Die gesetzliche Vermutung, dass auch die Beklagte gewusst hat, dass die M GmbH mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat (§ 133 Abs.1 Satz 2 InsO), ist auch nicht widerlegt, weil die Beklagte die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin kannte und auch nicht der Fall vorgelegen hat, dass die Kenntnis einer objektiven Gläubigerbenachteiligung ausgeschlossen gewesen ist, weil eine Einwilligung in eine nachrangige Befriedigung, etwa zum Zwecke der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin, vorgelegen hätte.
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a) Die Voraussetzungen der spezifischen insolvenzrechtlichen Rückforderungslage nach § 133 InsO lagen vor.
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aa) Zahlungsunfähigkeit und keine Zahlungsstockung ist schon deshalb nach § 17 Abs. 1 Satz 2 InsO zu vermuten gewesen, weil die Schuldnerin die Mietzahlungen nicht nur für wenige Wochen sondern über einen längeren Zeitraum eingestellt hatte. Andernfalls wäre es nicht möglich gewesen, dass bei einem Mietzins von 4.217 € monatlich bis zum April 2010 unstreitige Verbindlichkeiten von mehr als 78.000 € allein aus Mietschulden aufgelaufen sind. Für die Zahlungsunfähigkeit genügt es, wenn bei Eintritt der Fälligkeit der Forderungen und dem ernsthaften Verlangen nach Ausgleich durch den oder die Gläubiger, diese mangels Liquidität nicht innerhalb von 3 Wochen in einer Höhe von etwa 90 % zum Ausgleich gebracht wird. Gleichgestellt ist der Fall, dass der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine Zahlungspflichten fristgemäß in diesem Umfang zu erfüllen ( = drohende Zahlungsunfähigkeit, § 18 Abs. 2 InsO; vgl. hierzu etwa BGH WuM 2009; 144 bei juris Rn 4 ; BGHZ 163,134,145).
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Die Behauptung der Beklagten, sie hätte zugunsten der anderen Gläubiger auf die Durchsetzung ihrer Forderung verzichtet, ist durch den vorgelegten Schriftverkehr widerlegt. Denn danach hat die Beklagte die Schuldnerin bereits im November 2009 unter Androhung der Kündigung des Mietvertrages zur Zahlung von damals bereits mehr als 68.000 € aufgefordert (Anlage K 13) und die Zahlungsaufforderung im Mai 2010, vor Abschluss der Stundungsvereinbarung, wiederholt (Anlage K 16, K 17). Damit hat die Beklagte die Forderungen auch ernsthaft verlangt. Wie sich erst aus den Insolvenzakten ergeben hat und von der Beklagten verschwiegen worden ist, hat sie auch Anstrengungen unternommen, die schließlich zustande gekommene Stundungsvereinbarung vom 22.7.2013 abermals unter Androhung der Kündigung des Mietvertrages durchzusetzen, nachdem die Schuldnerin aufgrund der in der Stundungsvereinbarung enthaltenen vereinbarten Vorfälligkeitsklausel abermals in Zahlungsverzug geraten ist (Anlage G 1 , Beiakten 340 IN 486/12, Band I, Blatt 206 ).
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bb) Die streitgegenständlichen Zahlungen haben die Gläubiger nach § 129 Abs. 1 InsO auch objektiv benachteiligt, weil aufgrund der erfolgten Zahlungen die Aktivmasse der Schuldnerin in Höhe der erfolgten Zahlungen vermindert wurde und die angemeldeten Forderungen dementsprechend nur noch zu einer niedrigeren quotalen Befriedigung der Gläubiger führen. Das jedenfalls lässt sich dem Bericht des Insolvenzverwalters über die mögliche Überschuldung der M GmbH zum 31.12.2009 (Anlage K 3) entnehmen, weil schon damals die Verbindlichkeiten das Vermögen um ca. 400.000 € überstiegen haben (hierzu Anlage 2 der Anlage K 3). Zwar hat die Schuldnerin hinsichtlich der Beträge die auf laufende Mietzahlungen erbracht worden sind, unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung erlangt, weil sie die gemieteten Räume weiterhin hat nutzen können. Die Frage des Unmittelbarkeitszusammenhangs ist gemäß § 142 InsO für den Anfechtungstatbestand des § 133 Abs. 1 InsO allerdings nicht erheblich und schließt eine mittelbare Benachteiligung deshalb auch nicht aus.
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cc) Die Schuldnerin hat auch mit dem Vorsatz gehandelt, ihre Gläubiger zu benachteiligen. Insoweit genügt ein bedingter Vorsatz. Für das Vorliegen eines Benachteiligungsvorsatzes ist es nicht erforderlich, dass die Benachteiligung der Gläubiger das (ausschließliche) Ziel der Handlung gewesen ist (etwa BGH ZIP 1996, 83 bei juris Rn 19). Ausreichend ist, dass die Schuldnerin die Benachteiligung der Gläubiger als mutmaßliche Folge der geleisteten Zahlungen erkannt und gebilligt hat (BGH ZIP 1997, 853 bei juris Rn 20; BGH ZIP 1994, 423). Eine Billigung der Benachteiligung anderer Gläubiger liegt jedenfalls dann vor, wenn die Bemühungen Zahlungserleichterungen zu erreichen, nicht dem Zweck gedient haben, die Zahlungsfähigkeit des Unternehmen im Interesse aller Gläubiger in ernsthafter Weise sicher zu stellen (Sanierungsversuch), sondern tatsächlich nur den Interessen eines einzigen Gläubigers an der Durchsetzung seiner Forderung gedient haben, weil niemand behaupten kann, dass dann, wenn den Interessen nur eines Gläubigers Rechnung getragen wird, die Benachteiligung der anderen Gläubiger nur eine vorsatzausschließende unerwünschte Nebenfolge ist. So liegt der Fall hier, weil der Schuldnerin bewusst gewesen ist, dass sie die drohende Kündigung des Mietvertrages nicht mehr hat abwehren können, ohne damit zugleich die Aktivmasse zu Lasten der anderen Gläubiger zu vermindern. Der Schuldnerin ist dies bewusst gewesen, weil der Stundungsvereinbarung kein schlüssiges Sanierungskonzept zugrunde gelegen hat, dass in überschaubarer Zeit eine ernsthafte und begründete Erfolgssausicht hätte erwarten lassen (zu dieser Anforderung, etwa KG ZIP 2013, 1486).
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Zunächst ergibt sich bereits aus den vom Insolvenzverwalter vorgelegten Schriftverkehr, dass die Geschäftsführung der M GmbH – auf deren Kenntnis kommt es nach den § 35 GmbHG, 166 Abs.1 BGB an - um ihre Zahlungsunfähigkeit ( § 17 Abs. 2 InsO) wusste, weil ihr spätestens im Februar 2010 klar gewesen ist, dass ohne weitere Zuführung von Mitteln die Schuldnerin nicht mehr in der Lage gewesen ist, weitere Zahlungen zu leisten. Das lässt sich den Anlagen K 13 und K 15 entnehmen. Ferner ist auch nicht erkennbar, dass die Zweckbindung der noch erwarteten öffentlichen Fördermittel, die in der Aufsichtsratssitzung vom 7.5.2010 angekündigt worden sind, es überhaupt gestattet hätten, diese Mittel, über den laufenden Forschungsbetrieb hinaus, zur Tilgung bereits entstandener Verbindlichkeiten, also zu Sanierungszwecken, zu verwenden. Einen derartigen Förderzweck hat die Beklagte im Übrigen auch nicht behauptet, sondern – augenscheinlich ohne weitere Sachprüfung - bedenkenlos vorausgesetzt. Den beigezogenen Insolvenzakten lässt sich ein derartiger Förderzweck jedenfalls nicht entnehmen. Danach waren die Fördermittel die der Schuldnerin zur Verfügung gestellt worden sind, für Forschungen für Tuberkulosetherapie, trypanozide Wirkstoffe, tuberkulostatische und tuberkulozide Wirkstoffe bestimmt. Ferner war noch eine Nachzahlung aus dem Intenant-Programm der EU offen (Beiakten, Band I, Blatt 4 ).
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Auch liegen keine konkreten Angaben über einen zukünftigen Auftrag in Millionenhöhe vor, die eine hinreichend rechtlich gesicherte Erwartung zugelassen hätte, dass tatsächlich mit weiteren Einnahmen zu rechnen gewesen sei. Dass es etwa bereits rechtsverbindliche Absichtserklärungen oder gar Vorverträge gegeben hätte die eine im Rahmen eines Sanierungskonzeptes verwendbare Prognose zugelassen hätten, ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr hat es sich so verhalten, dass die Nachfrage auf dem Markt nach biochemischen Analyseleistungen bereits in den Jahren 2010 spürbar zurückgefahren worden ist (vgl. den Zwischenbericht des Insolvenzverwalters, Beiakte, Band I, Blatt 184). Auf die subjektiven Vorstellungen und Ziele, die etwa im Rahmen einer Präsentation vorgestellt werden, kommt es nicht an. Davon abgesehen ist die Erwartung eines weiteren Millionenauftrages nach dem Vortrag der Beklagten auch erst im Oktober 2011 vorgetragen worden und spielt für den hier relevanten Zeitraum keine Rolle. Einer Vernehmung von Prof. S hat es deshalb nicht bedurft.
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dd) Die Beklagte hat auch zumindest die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gekannt, weil diese bereits vor Abschluss der Stundungsvereinbarung nicht nur über wenige Wochen sondern monatelang nicht in der Lage gewesen ist, die Mietschulden trotz Aufforderung, Mahnung und Androhung der Kündigung des Mietvertrages zu bedienen und sie im Übrigen auch nach Abschluss der Stundungsvereinbarung die Einhaltung der Ratenzahlungsvereinbarung schließlich auch nur über das Druckmittel der Kündigung des Mietvertrages durchsetzen konnte. Das ergibt sich aus der bereits erwähnten Anlage G 1 (Beiakten, Band I, Blatt 206).
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ee) Die Beklagte hat auch gewusst, dass die übrigen Gläubiger mit der Stundungsvereinbarung benachteiligt werden. Mit Recht hat der Kläger darauf hingewiesen, dass die Beklagte im unternehmerischen Verkehr nicht davon ausgehen kann, dass sie die einzige Gläubigerin der Schuldnerin ist und Zahlungen, die sie trotz Kenntnis drohender Zahlungsunfähigkeit außerhalb eines Insolvenzverfahrens durchsetzt, ausschließlich ihr zur Verfügung stehen. Insoweit kann es zwar für die Beurteilung der Kenntnislage im Einzelfall von Bedeutung sein, welche anderen Gläubiger noch vorhanden sind und wie hoch deren fällige Forderungen sind. Darauf kommt es hier aber nicht entscheidend an.
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Denn es kann kein vernünftiger Zweifel bestehen, dass der Beklagten – entgegen ihren Behauptungen - völlig klar gewesen sein muss, dass die Kündigung des Mietvertrages über kurz oder lang den Gang der Schuldnerin in die Insolvenz nach sich gezogen hätte, weil der Verlust der Räumlichkeiten in denen der Geschäftsbetrieb ausgeübt wurde und die, wie die Beklagte selbst vorgetragen hat, auf die speziellen Forschungsbedürfnisse der Beklagten eingerichtet waren, den weiteren Geschäftsbetrieb empfindlich beeinträchtigt, wenn nicht sogar vorübergehend unmöglich gemacht hätte ( vgl. hierzu auch den Bericht des Insolvenzverwalters, Beiakten, Bd.I. Blatt 176 f) Angesichts des auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellten wirtschaftspolitischen Interesses an der Aufrechterhaltung des Forschungsunternehmens wäre zwangsläufig Öffentlichkeit hergestellt worden und damit auch die Unfähigkeit der Schuldnerin, ihre Mietschulden zu begleichen, allgemein bekannt geworden. Dies hätte die absehbare Folge gehabt, dass die Beitreibung von Rückständen gescheitert wäre, weil die Beklagte selbst nur noch die Insolvenzquote hätte erlangen können. Anders als vor diesem Hintergrund lässt es sich jedenfalls nicht vernünftig erklären, dass die Kündigung des Mietvertrages trotz des aufgelaufenen hohen Schuldenstandes immer weiter hinausgezogen worden ist. Dass es sich genau so verhalten hat, dafür spricht ganz erheblich der Diskussionsstand der Aufsichtsratssitzung vom 7.5.2010 und die Intervention des Aufsichtsratsvorsitzenden, der nach dem Inhalt des von der Beklagten vorgelegten Protokolls, trotz des hohen Schuldenstandes, augenscheinlich nicht nur vermeiden wollte, dass der Mietvertrag gekündigt wird, sondern, mit Verweis auf ausstehende Fördermittel, auch auf die Abgabe eines detaillierten Zahlungsplanes verzichten wollte.
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ff) Bereits der Verhaltensmaßstab eines ordentlichen Geschäftsmannes, der gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG anzuwenden ist, hätte stattdessen bei den Verhandlungen über den Abschluss der Stundungsvereinbarung im Hinblick auf strafrechtliche Risiken einer Beteiligung an einem Verstoßes gegen Zweckbindungsbestimmungen öffentlicher Zuwendungen ( §§ 264 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 7, 25 ff StGB) eine detaillierte Überprüfung verlangt, ob die Mittelzuflüsse und ihre vorgesehene Verwendung zur Schuldtilgung mit den Verwendungszweckbestimmungen der jeweiligen noch zu erwartenden Zuwendungen überhaupt vereinbar sind. Bereits diese naheliegende Überlegung lässt sich den vorgelegten Dokumenten nicht entnehmen.
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gg) Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, auf Prüfberichte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vertraut zu haben, die ihr eine positive Fortführungsprognose attestiert hätten. Tatsächlich hat es sich so verhalten, dass der Geschäftsführung der Beklagten noch am 19.5.2010 völlig klar gewesen ist, dass keine belastbaren Zahlen vorgelegen haben und ihr auch bewusst gewesen ist, dass die Unternehmensplanungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft G und Partner unzureichend gewesen sind. Das hat der Geschäftsführer der Beklagten in dem Schreiben vom 19.5.2010 (Anlage K 16) der Schuldnerin ausdrücklich so erklärt und gerade aus diesem Grunde belastbare Angaben eingefordert. Woraus sich zu einem späteren Zeitpunkt eine grundsätzlich andere Erkenntnislage ergeben haben soll, dazu hat die Beklagte nichts Näheres mehr ausgeführt. Belastbare Angaben“ hat sie weder vorgelegt, noch ergeben sie sich aus den vorgelegten Dokumenten. Beweisangebote, die sich auf den Glanz einer weltweit renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und ihres Internetauftritts stützen ( Klageerwiderung Seite 4 ), sind ohne inhaltliche Substanz geblieben und bereits deshalb nicht erheblich. Das weitere Gutachten von dem die Beklagte gesprochen hat, hat sie weder erläutert, geschweige denn vorgelegt. Demgegenüber hat der Geschäftsführer der Beklagten – persönlich angehört- entgegen der bisherigen Behauptung man habe sich auf eine „positive Fortführungsprognose“ gestützt - schließlich eingeräumt, dass die Beklagte sich im Zusammenhang mit der Stundungsvereinbarung tatsächlich keinerlei Gedanken über insolvenzrechtliche Konsequenzen gemacht habe (Protokoll vom 30.7.2013). Bei dieser Sachlage ist die differenzierte Betrachtung der Angelegenheit, wie sie die Kammer noch mit Hinweisbeschluss vom 18.6.2013 für möglich gehalten hat, allerdings ausgeschlossen, weil die Vermutungswirkung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, wonach die Beklagte ebenfalls mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat, nicht widerlegt ist. Eine Vernehmung der noch schriftsätzlich angebotenen Zeugen bzw, die Einholung eines Sachverständigengutachtens war nach § 288 ZPO deshalb ebenfalls entbehrlich.
- 49
d) Der Wertersatz erstreckt sich demnach auf folgende Zahlungen:
- 50
2.8.2010 8.000 €
- 51
3.9.2010 3.940 €
- 52
3.9.2010 5.000 €
- 53
29.9.2010 5.000 €
- 54
11.11.2010 5.000 €
- 55
07.02.2011 30.000 €
- 56
09.02.2011 15.000 €
- 57
07.04.2011 15.000 €
- 58
15.11.2011 3.000 €, mithin auf 89.940 €.
- 59
e) Der Anspruch auf Wertersatz war auch nicht deshalb zu reduzieren, weil in den Zahlungen nicht nur Leistungen der Schuldnerin sondern auch eine Leistung des Mitgesellschafters Prof. S als Bürge in Höhe von 45.000 € enthalten gewesen sei.
- 60
Die Beklagte hat zwar behauptet, dass sie die im November 2010 eingeforderte selbstschuldnerische Bürgschaft im Januar 2011 gezogen hat, weshalb in den Zahlungen rechnerisch auch Eigenmittel des Prof. S in dieser Höhe hätten enthalten sein können.
- 61
Dass eine Bürgschaftsleistung erbracht wurde, ist aber nicht bewiesen. Aus dem als Beweismittel vorgelegten Kontoauszug (Anlage B 10) ergibt sich weder, dass Prof. S als Bürge geleistet hat, noch auf welche Verbindlichkeit geleistet worden ist. Dem vorgelegten Kontoauszug lassen sich nur Mittelzuflüsse entnehmen, die als Umbuchung und Kontenclearing bezeichnet sind. Einen weiteren Beweiswert haben sie nicht (§ 416 ZPO). Ferner taucht Prof. S in dem von ihm schließlich gestellten Eigenantrag als Gläubiger auch nur mit rückständigen Gehältern und Spesen für den Zeitraum Februar 10 - bis Januar 12 in Höhe von 30.406,27 € auf (Beiakten, Band I, Blatt 6.d.A.). Im qualifizierten Gläubigerverzeichnis (Beiakte Band I, Blatt 63 d.A.) sind die rückständigen Gehälter sodann bis Juni 2012 auf 40.099,17 € fortgeschrieben worden. Eine Forderung aus übergeleitetem Recht (§ 774 Abs.1 BGB) aufgrund einer Bürgschaft, die als nachrangige Forderung zählen würde (§§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 44 a InsO, 774 Abs.1 Satz 1 BGB) lässt sich den Insolvenzakten auch nicht entnehmen. In der Zusammenschau sind dies bei objektiver Betrachtung keine Umstände, die es als zweifelsfrei erscheinen lassen, dass in den von der Beklagten entgegengenommenen Leistungen tatsächlich Eigenmittel von Prof. S enthalten sind. Weitere Beweisangebote hat die Beklagte insoweit nicht vorgelegt. Im Übrigen kommt es auf die weiter thematisierte Frage der Kenntnis von einer Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO nicht mehr an.
II.
- 62
Die Nebenforderung folgt aus den §§ 280, 286, 288 BGB, die Kostenentscheidung aus § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
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