Urteil vom Landgericht Magdeburg - 11 O 1637/16

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag (VersNr. 70118.551114) wegen geltend gemachter Schadensersatzansprüche folgender Kunden der Klägerin aus der Vermittlung von Immobilien des Objekts B 28/29 in B Versicherungsschutz zu gewähren:

P. K, ..., ... M

J. und N. T, ..., ... A

D. K, ..., ... Q

H. G, ..., ... N

R. H, ..., ... B

M. N, ..., ... B

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt 55 %, die Beklagte 45 % der Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der jeweils zu vollstreckenden Forderung vorläufig vollstreckbar.

Zugleich wird beschlossen: Der Streitwert wird auf bis zu 115.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Deckungsschutz aus einer zwischen ihnen seit dem 5.7.2005 bestehenden Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, die unstreitig fortbesteht. Als vertragsführende Niederlassung der Beklagten ist im Versicherungsschein ein Herr S mit Sitz in Q angegeben (Anlage K 1).

2

Gegenstand der Vermögenshaftpflichtversicherung sind Vermögensschäden aus der Tätigkeit als Sachverständiger, Hausverwalter sowie aufgrund der besonderen Bedingungen auch als hauptberuflicher Grundstücks- und Hypothekenmakler (VersNr. 70.118.55114).

3

In den besonderen Bedingungen ( VSH 51/01.2002, Anlage K 3 ) heißt es hierzu:

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1. Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf folgende Tätigkeiten

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a) Hauptberuflicher Haus-, Grundstücks- und Hypothekenmakler

6

….

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Eingeschlossen sind ferner:

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Haftpflichtansprüche

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2a) aus dem Nachweis und der Vermittlung von Grundstückskaufverträgen

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die besonderen Bedingungen Bezug genommen (Anlage K 3).

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Die Klägerin schloss mit der Grundstücksgemeinschaft Jan und Sascha L in B 26.4.2010 einen als Geschäftsbesorgungsvertrag überschriebenen Vertrag (Bl. 179 d.A.)

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Darin heißt es unter anderem:

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Die E wird bevollmächtigt und beauftragt, den Auftraggeber bei allen Fragen der Projektentwicklung des Objektes

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Ensemble aus ehemaligen Verwaltungs- und Schulgebäuden, B 28/29 in ... B

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mit dem Ziel der Sanierung und

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1.) Verkauf von Teileigentum (Wohnungen)
2). Verkauf des gesamten Hinterhauses
3). Vermietung der Wohnungen

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umfassend zu beraten und die komplette Objektabwicklung vorzunehmen.

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Ausgenommen dabei sind Rechts- und Steuerberatung.

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Die Beratungstätigkeit und Objektabwicklung umfasst folgende Bereiche:

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Rentabilitätsberechnung

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……

23

Entwicklung von Finanzierungsmodellen

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Erstellung von Verkaufsunterlagen

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Objektofferte und Vertrieb der Teileigentumseinheiten

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Kundenberatung bis zum Abschluss der Kaufverträge

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Die Bevollmächtigung erstreckt sich auch auf die Abwicklung und Ausführung daraus resultierender Geschäftsvorfälle.

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Für die Beratung und Objektabwicklung erhält die E ein Honorar in Höhe von

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1. Buchführungsaufgaben, Schriftwechsel, Vertragsvorbereitung etc.
monatliche Pauschalvergütung in Höhe von 1.500 € zzgl. MWSt. ab Mai 2010 bis Ende der Bauzeit.

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2.Abschluss von Kaufverträgen einschl. aller bis dahin notwendigen Vorarbeiten
erfolgsabhängiges Honorar bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages in Höhe von max. 10 % des Verkaufspreises zzgl. MWSt.

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3. Vermietung
zwei Kaltmieten + Inseratkosten zzgl. gesetzlicher MWSt bei Erstvermietung

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Geschäftsbesorgungsvertrag (Bl. 179 d.A.) Bezug genommen.

35

Zwischen März 2010 und Mitte 2012 veräußerten die Auftraggeber, vertreten durch die Klägerin, mehrere Wohnungen an Kunden die unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes saniert worden sind und von ihr gegenüber den Käufern auch mit steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten nach § 7 i EStG beworben worden sind.

36

Die Klägerin und die betroffenen Erwerber gehen übereinstimmend davon aus, dass die Erwerber aufgrund einer fehlerhaften Beratung der Klägerin Steuerschäden erlitten haben. Die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten, die den Vertragsabschlüssen zugrunde gelegt worden sind, haben sich nicht im angenommenen Umfang realisieren lassen. Der von der Klägerin verantwortete Prospekt enthalte fehlerhafte Angaben zur Aufteilung des Kaufpreises nach Grund und Boden, Altbausubstanz und Sanierungskostenanteile. Auf der Grundlage einer Prüfung des Finanzamts habe sich ergeben, dass die Aufteilung des Kaufpreises auf Herstellungskosten und Altbausubstanz anders vorzunehmen sei als prospektiert. Es seien höhere Kaufpreisanteile der Altbausubstanz zuzurechnen, weshalb von den Käufern über Jahre nur geringere steuerliche Abschreibungen in Anspruch genommen werden können. Ansprüche seien bislang, überwiegend bereits beziffert angekündigt, die Klägerin aber noch nicht gerichtlich in Anspruch genommen worden.

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Die Klägerin behauptet, ihr Geschäftsfeld, insbesondere auch die Sanierung und Vermarktung denkmalgeschützter Immobilien sei der Beklagten in zurechenbarer Weise aufgrund der Kenntnis ihres Vertreters, Herrn S aus Q bekannt gewesen.

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Nachdem ein Deckungsvergleich gescheitert ist,

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beantragt die Klägerin

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1. die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin:

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a) von einem Anspruch des Herrn P. K, wohnhaft ... M., ..., in Höhe von 3.965,74 € freizustellen;
b) von einem gesamtschuldnerischen Anspruch der Eheleute J. und N. T, wohnhaft ... A ..., ..., in Höhe von 47.347,98 € freizustellen;
c) von einem Anspruch der Frau D. K, geborene M, wohnhaft ... Q ..., ..., in Höhe von 916,62 € freizustellen;
d) von einem Anspruch des Herrn H. G, wohnhaft ... N, ... dem Grunde nach freizustellen;
e) von einem Anspruch des Herrn R. H, wohnhaft ... B, ..., dem Grunde nach freizustellen sowie
f) von einem Anspruch des Herrn M. N wohnhaft ... B ..., ... dem Grunde nach freizustellen.

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2. Es wird festgestellt, dass in den Versicherungsfällen unter Ziffer a) bis f) Versicherungsschutz besteht.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

45

Sie wendet fehlende örtliche Zuständigkeit des Gerichts ein und führt aus, dass die behaupteten Ansprüche keine Grundlage in der Vermittlungs- und Vermarktungstätigkeit der Klägerin haben, sondern ihre Grundlage in einer fehlerhaften Objektentwicklung und -abwicklung haben.

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Gegenstand der behaupteten Ansprüche der Kunden seien steuerliche Nachteile aufgrund von unrichtigen Modellrechnungen, mit denen die Objekte aus Gründen der Steuerersparnis beworben worden sind.

47

Die Klägerin sei insoweit, anders als der klassische Makler, über seine Vermittlungstätigkeit hinausgegangen und habe als Erfüllungsgehilfe der Objekteigentümer gehandelt. Die Tätigkeit die zu dem behaupteten Steuerschaden geführt habe, entspreche nicht dem Bild eines selbstständigen Immobilienmaklers und wäre auch nicht versicherbar gewesen. Es liege ein Fall der Prospekthaftung vor (Bl. 88 d.A.)

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Wegen der Übrigen Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

49

Die Klage ist zulässig. Das Gericht ist nach § 10 der Bedingungen die eine nach § 38 Abs. 1 ZPO zulässige Gerichtsstandvereinbarung enthält, weil beide Parteien Formkaufleute sind, örtlich zuständig. Denn danach kann die Klage auch am Geschäftssitz der vertragsführenden Niederlassung erhoben werden. Diese befindet sich unstreitig in Q, mithin im Bezirk des Gerichts

50

Es besteht nach § 256 Abs. 2 ZPO auch ein Feststellungsinteresse, dass der Klägerin Versicherungsschutz zu gewährleisten ist, weil die Beklagte der Klägerin Versicherungsschutz verweigert hat.

51

II. Die Klage ist, soweit ein Feststellungsbegehren verfolgt wird auch begründet, nämlich soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass sich aufgrund der besonderen Bedingungen als Haus- und Grundstücksmakler Versicherungsschutz wegen der streitgegenständlichen Geschäftsvorfälle genießt.

52

a) Unerheblich ist zunächst, dass die Klägerin auf der Seite der Verkäuferin als sog. Vertrauensmakler tätig geworden ist und ein gemischter Vertrag vorliegt, der auch Elemente eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages nach § 675 BGB enthält, wie sich der Vergütungsabrede und den weitgefassten Beratungspflichten entnehmen lassen.

53

Denn eine den Auftraggeber beratende Tätigkeit ist, wie sich aus § 654 BGB ergibt, zunächst typisch für einen Makler, wenn der Verkäufer der Auftraggeber ist. Erheblich ist vielmehr, dass die Klägerin zwischen ihrem Auftraggeber und den Käufern auch eine vermittelnde Tätigkeit entfaltet hat, weil sie mit der Objektabwicklung betraut war, nicht im eigenen Namen veräußert sondern auf die Willensbildung der Interessenten durch ihre vorbereitende Tätigkeit eingewirkt hat und für den Abschluss der Kaufverträge mit ihrem Auftraggeber mit einer Provision vergütet worden ist. Insoweit folgt die entfaltete Tätigkeit der eines Haus- und Grundstücksmaklers

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b) Auch eine unzulässige Doppeltätigkeit die nach § 654 BGB mit dem Berufsbild des Immobilienmaklers nicht vereinbar ist, liegt nicht vor, weil nur ihre Auftraggeberin, als die Verkäuferin der jeweiligen Objekte provisionspflichtig gewesen ist, nicht die Käufer. Die Klägerin ist, auch wenn sie zum Vertragsabschluss bevollmächtigt und beauftragt gewesen ist, gleichwohl nach den §§ 166 Abs. 2, 675 Abs. 1, 665 BGB gegenüber ihrem Auftraggeber weisungsgebunden geblieben. Das genügt in der Regel eine unzulässige Doppeltätigkeit rechtlich auszuschließen (vgl hierzu BGH VersR 1998, 715, bei juris Rn 9, OLG Dresden NZM 1998, 1017 bei juris Rn 8 ).

55

c) Die Abgrenzung, ob die klägerische Tätigkeit noch der vereinbarten Bedingung entspricht, ist demnach eine Frage der Auslegung der vereinbarten Versicherungsbedingung, die allerdings aus der Perspektive des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, der zwar über keine versicherungsrechtlichen Spezialkenntnisse verfügen muss, von dem aber eine aufmerksame Durchsicht und die Beachtung erkennbarer Sinnzusammenhänge verlangt werden darf (vgl. etwa BGH VersR 2012, 1253, bei juris Rn 19). Hierzu gehört, insbesondere, weil Gegenstand des versicherten Risikos die hauptberufliche Tätigkeit der Klägerin als Haus- und Grundstücksmakler ist, auch die Erwartung, dass sie ihr Berufsbild kennt. Versicherungswirtschaftliche Überlegungen sind demgegenüber nur insoweit von Interesse, als sie sich unmittelbar aus dem Bedingungswortlaut erschließen (BGH VersR 2012, 1253, bei Juris Rn 19).

56

d) Da das Maklerrecht dispositiv ist, sind Abweichungen vom typischen Berufsbild des Maklers unter Beachtung spezialgesetzlicher Einschränkungen grundsätzlich zulässig. (Palandt - Sprau, BGB 76. Aufl. Einf v. § 652 Rn 4 m.w.N auf die Rechtsprechung),

57

Dass es sich um keinen gemischten Vertrag handeln darf und aufgrund der Geschäftsbesorgungselemente eine uneingeschränkte Selbstständigkeit im Sinne von Weisungsfreiheit gegeben sein muss, verlangen die Bedingungen objektiv nicht. Danach genügt eine hauptberufliche Tätigkeit, die sich hier schon deswegen annehmen lässt, weil die Klägerin in einer professionellen Rechtsform organisiert ist, nur geringe Pauschaleinnahmen hat, dafür aber hohe Provisionssätze nehmen kann.

58

Wenn ein Immobiliengeschäft steuerbegünstigt ist, muss der Immobilienmakler allerdings auch einer erweiterten Pflichtenlage Rechnung tragen. Denn er muss sowohl über die einschlägigen steuerrechtlichen Vorschriften, als auch die Praxis der Finanzämter informieren (vgl. Palandt-Sprau, a.a.O, § 652 Rn 16) und alle Informationen die für das vermittelte Geschäft erheblich sind, nach dem Erwartungshorizont des Empfängers sorgfältig, vollständig und richtig geben. Von dieser Rechtslage ist bei der Bestimmung, ob aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers noch eine hauptberufliche Haus- und Grundstücksvermittlung vorliegt auszugehen, weshalb es für sich nicht erheblich sein kann, ob die von den Kunden behauptete Pflichtverletzung unmittelbar aus dem Vermittlungsgeschäft abzuleiten ist oder in der dem jeweiligen Kaufvertrag vorausgehenden Beratungstätigkeit liegt.

59

Folgt man gedanklich den erhobenen Einwänden der Beklagten, kann die informationsbeschaffende und -aufbereitende Tätigkeit das Berufsbild des hauptberuflichen Haus- und Grundstücksmaklers allerdings erst dann verlassen, wenn sie in den Anwendungsbereich spezialgesetzlicher Vorschriften vordringt und die wesentliche Beratung, nach § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG auch zulässige rechtsberatende Tätigkeit, nach Inhalt und Umfang keine Nebenleistung einer Immobilienvermittlung mehr darstellt. Das wäre dann der Fall, wenn die tatsächliche hauptberufliche Tätigkeit der Klägerin nicht die Vorbereitung und Vermittlung eines Immobiliengeschäfts sondern die Vermittlung einer Kapitalanlage gewesen wäre, die besonderen rechtlichen Beratungsanforderungen und soweit Prospekte erstellt werden, entsprechenden gesetzlichen Prüfungsvoraussetzungen unterliegen.

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e) Das ist hier nicht der Fall. Denn Gegenstand des Vermittlungsgeschäfts ist weder ein Finanzinstrument nach § 2 Abs. 2 b WpHG noch eine Vermögensanlage nach § 1 Abs. 2 Nr. 7 des VermAnlG, das gemäß § 8 Abs.1 VermAnlG eine Billigung des Verkaufsprospekts durch die BaFiN verlangt. Noch unterfallen die Grundstücksgeschäfte dem Kapitalanlagegesetzbuch.

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Der vorgelegte Prospekt beschränkt sich allein auf die Darstellung der Baubeschreibung, der Objektgrößen und einer Preisliste die nach Grund und Boden, Altbausubstanz und Sanierungsanteil aufgegliedert ist. Da die Klägerin dargelegt hat, dass sie die Verkaufsunterlagen selbst entwickelt hat und sich ergeben hat, das die Aufteilung der Kosten mit der Praxis des zuständigen Finanzamtes nicht übereinstimmt und es möglich ist, dass den Kunden deshalb ein Steuerschaden entstanden sein kann, ist es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass Schadensersatzansprüche aus der Vermittlung der Kaufobjekte wegen einer Nebenpflichtverletzung nach den §§ 280 Abs. 1 und 2, 241 Abs. 2 BGB in Betracht kommen können.

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Dem Feststellungsantrag war daher stattzugeben.

III.

63

Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

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Sie ist schon deshalb unbegründet, weil die Beklagte als Haftpflichtversicherer selbst dann nicht verpflichtet wäre, die Klägerin freizustellen, wenn ein Versicherungsfall vorläge.

65

Die Haftpflichtversicherung deckt das jeweils als Versicherungsfall versicherte Interesse ab, von einem Dritten – zu Recht oder zu Unrecht – auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, weshalb dem Haftpflichtversicherer insoweit auch eine Abwehrverpflichtung unterliegt. Ein Anspruch auf Freistellung gegenüber der Versicherung entsteht erst dann, wenn der Anspruch dem Grunde oder der Höhe nach rechtskräftig feststeht.

66

Das ist hier nicht der Fall, weil die Klägerin dargelegt hat, dass sie bislang noch nicht gerichtlich in Anspruch genommen worden ist.

IV.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO. Hinsichtlich des Streitwerts hat das Gericht berücksichtigt, dass zum einen teilweise unbezifferte Freistellungsanträge gestellt worden sind. Diese hat das Gericht mit 20 % des geforderten Freistellungsbetrages bewertet. Zum anderen entspricht das rechtliche Interesse am erstrebten Versicherungsschutz dem Wert des Freistellungsbegehrens, weshalb nach den Regeln der Wertermittlung von positiven Feststellungsklagen ein Abschlag von 20 % auf den Wert des Freistellungsbegehrens angemessen gewesen ist.


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