Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-16 U 117/13
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28. Mai 2013 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landesgerichts geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 58.080,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2011 sowie 1.761,08 € außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Sie wurde 1995 mit einem Eigenkapital in Höhe von 38.373.400,00 € gegründet; ihr traten rund 600 Gesellschafter bei. Initiatorin der Klä-gerin ist die G… … W… (im Folgenden: G…), eine 100%ige Gesellschaft des Landes Berlin. Der Beklagte trat der Klägerin mit Erklärung vom 18.08./02.09.1996 bei. Er zeichnete eine Beteiligung in Höhe von 100.000,00 DM.
4Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin enthält u.a. folgende Regelungen:
5§ 3 Beitragspflicht und sonstige Pflichten der Gesellschafter
6(1) [...]
7- Jeder Gesellschafter ist verpflichtet, die persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu übernehmen und Nachschüsse bei fehlender Liquidität zu leisten, jedoch nur stets quotal entsprechend seiner Beteiligung an der Gesellschaft.
8(3)
9Erfüllt ein Gesellschafter seine Pflichten nicht, so kann er aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden (§ 14 AVB II).
10§ 4 Beteiligung an der Gesellschaft
11(2)
12Es ist vorgesehen, so viele Gesellschafter in die Gesellschaft aufzunehmen, dass eine Gesamtbeitragspflicht von DM 73.795.000,-- besteht. Die Gesamtbeitragspflicht entspricht dem für die Finanzierung des Investitionsvorhabens geplanten Eigenkapital (Nominalkapital der Gesellschaft). Zu einer not-wendigen Nachfinanzierung kann das Nominalkapital um bis zu 10% erhöht werden durch Beitragserhöhung der Gesellschafter oder durch Aufnahme weiterer Gesellschafter.
13(5)
14Die Beteiligungsquote kann sich verringern, sofern der Gesellschafter bei einer Beitragserhöhung nach Absatz 2 nicht mitwirkt.
15§ 8 Gesellschafterbeschlüsse
16(8)
17Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Der Gesellschaftsvertrag kann nur mit mindestens 75% der abgegebenen Stimmen geändert werden.
18§ 14 Ausschluss eines Gesellschafters
19(1)
20Die Gesellschafter können durch Beschluss einen Gesellschafter aus wichtigem Grunde aus der Gesellschaft ausschließen.
21(2)
22Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
23...c) ein Gesellschafter seiner Nachschusspflicht nach § 3 Abs. 1 AVB II nicht nachkommt.
24Die beiden in Berlin gelegenen Fondsgrundstücke befinden sich nicht im Eigentum der Klägerin. Sie ist erbbauberechtigt bis zum 31.12.2095. Der Erbbauzins wurde in kapitalisierter Form vollständig gezahlt. Die Klägerin erhielt vom Land Berlin Förde-rungen im ersten und zweiten Förderweg und zwar bis zum August 2010 bzw. Juni 2015. Eine Anschlussförderung wurde bzw. wird nicht gewährt. Die Einnahmen der Klägerin blieben hinter den zur Zeit ihrer Auflegung prognostizierten Erwartungen zurück. Der Generalmietvertrag für eines der beiden Objekte lief zum August 2010 aus. Seit 2007 wurden die Gesellschafter durch Gesellschafterversammlungen und durch Rundschreiben über finanzielle Probleme und Handlungsoptionen der Gesellschaft informiert. Am 03.06.2009 wurden sie zu einer Gesellschafterversammlung am 23.06.2009 eingeladen. Bei dieser Versammlung wurden die Gesellschafter über den Stand der Verhandlungen mit den Gläubigerbanken informiert. Mit Schreiben vom 16.11.2009 wurden die Gesellschafter zur Gesellschafterversammlung am 02.12.2009 eingeladen. Ihnen wurden die Tagesordnung sowie der Sachstandsbericht des Geschäftsbesorgers übersandt. Sie erhielten die Fassung der vorgesehenen Beschlüsse unter Darstellung der Handlungsalternativen, der Kalkulationen und der Kalkulationsgrundlagen. Per 02.12.2009 ergaben sich ab 2010 Unterdeckungen der Klägerin in Höhe von rund 1,6 Mio. €. Die noch ausstehende öffentliche Förderung belief sich auf insgesamt 3.705.000,00 €; sie wäre bei einer Liquidation der Klägerin eingestellt worden. Auf der Gesellschafterversammlung am 2.12.2009 wurden die Situation der Gesellschaft, die verschiedenen Handlungsoptionen und deren Implikationen, einschließlich des Sanierungskonzepts im Einzelnen vorgestellt und erörtert. Die Gesellschafter fassten einen Feststellungsbeschluss mit 95,53% der zu berücksichtigenden Stimmen, in dem es heißt, dass die sanierungsbedürftige Gesellschaft sanierungsfähig sei, dass das den Gesellschaftern vorab übersandte Sanierungskonzept tragfähig sei und die Zuführung frischen Kapitals unvermeidlicher Bestandteil einer Sanierung sei. Ferner fassten die Gesellschafter einen Beschluss zur Umsetzung des Sanierungskonzepts, der insbesondere folgende Sanierungsschritte enthielt:
25• Herabsetzung des bestehenden (und vollständig verbrauchten) Nominalkapitals der Klägerin von 38.373.400,00 € auf 38.373,40 € (1 Promille);
26• Kapitalerhöhung des herabgesetzten Kapitals um 36.454.730,00 € auf bis zu 36.493.103,40 €;
27• Aufforderung der Gesellschafter zur - freiwilligen – Übernahme der Kapitalerhöhung entsprechend ihrer quotalen Beteiligung;
28• Ausschluss derjenigen Gesellschafter, die nicht bis zum Einzahlungsstichtag – spätestens bis zum Sanierungsstichtag - sich an der Kapitalerhöhung beteiligt haben.
29Dieser Beschluss wurde mit einer Mehrheit von 90,71% der abgegebenen Stimmen gefasst. Der Beklagte stimmte nicht zu.
30Bei einer Zerschlagung der Klägerin statt ihrer Sanierung hätte sich das Haftungsrisiko der Gesellschafter auf zwischen 167% bis zu 234% des gezeichneten Eigenkapitals belaufen. Der Sanierungsbeitrag, der mit 95% des Eigenkapitals prognostiziert worden war, belief sich auf 87% des Eigenkapitals. Zum Ende 2010 konnte die Klägerin ein Darlehn der L… Berlin nicht mehr bedienen. Im März 2011 schloss die Klägerin mit der L… Berlin AG und der I… Berlin eine Sanierungsvereinbarung. Es wurde darin eine Haftentlassung für die ausscheidenden Gesellschafter vereinbart.
31Die Sanierung wurde mittlerweile erfolgreich umgesetzt. Die mitwirkungsbereiten Gesellschafter zahlten ihren quotalen Anteil an der Kapitalerhöhung. Der Beklagte zahlte bis zum Sanierungsstichtag, d.h. zum 31.03.2011, nicht. Seine Beteiligungsquote belief sich zu diesem Stichtag auf 0,138083%. Die Klägerin ließ zum Sanierungsstichtag eine Auseinandersetzungsbilanz erstellen. Die Bilanz vom 15.08.2011 schloss mit einem Bilanzfehlbetrag in Höhe von 42.061.540,54 € ab. Die Verbindlichkeiten der Gesellschaft überstiegen somit deren Vermögenswerte um rund 109,6% des Eigenkapitals. Die Auseinandersetzungsbilanz berücksichtigt keine etwaige Anpassung des Erbbauzinses und ebenfalls nicht einen bereits im Mai 2009 anhängigen Prozess der Klägerin gegen die G… AG wegen Baumängeln sowie etwaige Ansprüche wegen einer Altlastenproblematik. Wegen der Baumängel hat die Klägerin zwischenzeitlich eine Vergleichssumme in Höhe von 425.000,00 € erhalten.
32Mit Schreiben vom 26.09.2011 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung des Auseinandersetzungsfehlbetrags, den sie auf der Grundlage der Auseinandersetzungsbilanz und der quotalen Beteiligung des Beklagten errechnete, auf. Sie mahnte mit anwaltlichem Schreiben vom 17.01.2012, wodurch Kosten in Höhe von 1.761,08 € entstanden.
33Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der Beklagte mit dem Gesellschafterbeschluss vom 02.12.2009 zum 31.03.2011 aus der Gesellschaft ausgeschieden sei. Hierzu hat sie vorgetragen:
34Der Beklagte sei aus gesellschaftsvertraglicher Treuepflicht verpflichtet gewesen, seinem Ausscheiden zuzustimmen. Sie sei sanierungsbedürftig gewesen, da sie – ausweislich der Auseinandersetzungsbilanz – überschuldet gewesen sei. Ihre Zahlungsunfähigkeit sei ohne Sanierung – spätestens zum Ende 2010 – angesichts des Wegfalls der öffentlichen Förderung und des Endes des Generalmietvertrags unvermeidlich gewesen. Ab 2010 hätten die Einnahmen die Ausgaben überstiegen. Sie sei auch sanierungsfähig gewesen, was bereits durch die – unstreitig - erfolgreiche Sanierung belegt werde. Ihre Sanierung sei auch sinnvoll gewesen, insbesondere da sie zum Erhalt der öffentlichen Förderung geführt habe. Der Verbleib der nicht zahlungswilligen Gesellschafter sei den übrigen Gesellschaftern nicht zumutbar gewesen sei, da sie insbesondere andernfalls – bei geglückter Sanierung – einen Gewinnanteil erhalten hätten, der allein durch den Einsatz der zahlenden Gesellschafter möglich geworden sei. Der Beklagte habe sich durch sein Ausscheiden auch nicht schlechter gestanden als im Falle einer Insolvenz. Ein weiteres wirtschaftliches Entgegenkommen der Banken – über die Fortführung der Finanzierung und den Verzicht auf eine Fälligstellung hinaus -- sei nicht erzielbar gewesen. Eine schonendere Sanierung sei nicht möglich gewesen. Die Entscheidung zugunsten des beschlossenen Konzepts sei aufgrund umfangreicher Diskussion erfolgt. Der Beschluss, der das Ausscheiden der nicht mitwirkungsbereiten Gesellschafter vorsehe, sei auch ausreichend bestimmt. Die Umsetzung der Sanierung sei zunächst für den 30.03.2010 vorgesehen gewesen, habe sich jedoch durch notwendige Verhandlungen, insbesondere mit Banken, um ein Jahr verzögert. Die Nichtberücksichtigung etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Baumängeln in der Auseinandersetzungsbilanz sei dem Vorsichtsprinzip geschuldet. Die Altlastenproblematik habe sich zum Zeitpunkt der Erstellung der Bilanz als unbegründet herausgestellt. Die Möglichkeit, den Erbbauzins anpassen zu lassen, sei zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung nicht erkennbar gewesen. Die Auseinandersetzungsbilanz sei von den Gesellschaftern in der Gesellschafterversammlung am 16.09.2011 einstimmig festgestellt worden.
35Die Klägerin hat beantragt,
36den Beklagten zu verurteilen, an sie 58.080,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2011 sowie weitere 1.761.08 € für außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten zu zahlen,
37hilfsweise,
38Zug um Zug gegen Vorlage einer Erklärung der Klägerin, dass der Beklagte in Höhe des auf ihn entfallenden negativen Auseinandersetzungsfehlbetrags in Höhe von 58.080,01 € von seiner anteiligen persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten der Klägerin befreit ist sowie Zug um Zug gegen Vorlage einer Erklärung der L… Berlin AG und der I… des Landes Berlin, den Beklagten aus seiner anteiligen persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber der L… Berlin AG und der I… des Landes Berlin zu befreien und nicht in Anspruch zu nehmen.
39Der Beklagte hat beantragt,
40die Klage abzuweisen.
41Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert und nicht prozessführungsbefugt. Er hat vorgetragen:
42Der Sanierungsbeschluss sei ihm gegenüber mangels seiner Zustimmung unwirksam und er sei folglich noch Gesellschafter der Klägerin. Er habe angesichts der Regelung in § 4 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags, die auch für die Bewirtschaftungsphase gelte, lediglich eine Verwässerung seiner Anteile hinnehmen müssen. Als Kleinanleger treffe ihn keine gesellschaftsvertragliche Treuepflicht. Der Ausschließungsbeschluss sei auch deshalb unwirksam, weil er gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit verstoße. Es sei eine schonendere Sanierung, insbesondere durch Erhöhung der Einlagen allein der zahlungswilligen Gesellschafter und ohne seinen Ausschluss, möglich gewesen. Das Sanierungskonzept sei unvollständig, fehlerhaft und wirtschaftlich unvorteilhaft: Es lasse – unstreitig - die Reduzierung der laufenden Kosten (z.B. Geschäftsbesorgung, Hausverwaltung) außer Betracht und enthalte – unstreitig - keine Regelung für einen Erwerb des Erbbaugrundstücks. Die Zinsbelastung in Höhe von 5% sei inakzeptabel hoch; hier seien Nachverhandlungen erforderlich gewesen. Es fehle eine generelle Reduzierung des Fremdkapitals auf einen geringen, leichter bedienbaren Valutenstand, insbesondere in Form eines Teilerlasses. Ebenso wie in der Auseinandersetzungsbilanz fehlten im Sanierungskonzept die Liquiditätszuflüsse aufgrund der Anpassung des Erbbauzinses, des Bauprozesses und der Altlastenproblematik, was unstreitig ist. Die der Klägerin gegenüber der G… AG zustehenden Zahlungsansprüche (Baumängelprozess, Altlasten) hätten eine Sanierung der Klägerin in der beschlossenen Form obsolet gemacht. Es sei im Übrigen treuwidrig, wenn der nicht sanierungswillige Gesellschafter durch den drohenden Ausschluss letztlich gezwungen werde, an der Kapitalerhöhung teilzunehmen. Die von der Klägerin behauptete Überschuldung rechtfertige seinen Ausschluss nicht, weil die Bilanzsituation per 02.12.2009 im Wesentlichen bereits zum Zeitpunkt seines Eintritts gegeben gewesen sei. Zudem sei er im Vorfeld der Gesellschafterversammlung nicht ausreichend informiert worden. Bei dem Vergleich zwischen dem Haftungsrisiko im Falle der Liquidation und dem Auseinandersetzungsfehlbetrag sei die quotale Nachhaftung zu berücksichtigen, so dass die von ihm im Falle des Ausscheidens zu tragenden Lasten sich auf 277% beliefen. Er hat ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, soweit die Klägerin diese Positionen nicht bilanziert habe. Ferner hat er die Aufrechnung mit seinem Anspruch auf Abtretung des quotal auf ihn entfallenden Anteils der Forderungen erklärt. Die Klägerin müsse ihn von jeglicher Inanspruchnahme, die aus seiner Beteiligung resultiere, freistellen.
43Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat dazu die Ansicht vertreten, dass die vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 19.10.2009 (II ZR 240/08, „Ausscheiden oder Sanieren“) dargestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar seien, da es sich vorliegend nicht um eine OHG, sondern um eine GbR gehandelt habe. Von einem Kaufmann könne erwartet werden, dass er das wirtschaftliche Risiko überblicke, während ein in wirtschaftlichen Dingen häufig unerfahrener Gesellschafter einer GbR eingehender Belehrung bedürfe. Die Regelung in § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags werde ein beitretender Gesellschafter ohne weitere Belehrung als Risikobegrenzung dahingehend verstehen, dass weitere Forderungen nicht auf ihn zukommen würden. Eine solche Regelung sei in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nicht ersichtlich. Es gehe auch um eine weit über 10% hinausgehende Beitragserhöhung; die Gesellschafter hätten mehr als nur 60% des ursprünglich aufgewandten Betrags erneut riskieren müssen. Schließlich scheitere die Annahme einer gesellschaftsvertraglichen Treuepflicht daran, dass der Beklagte bis zum Sanierungsstichtag von Seiten der Klägerin nicht über den Abschluss der Sanierungsvereinbarungen informiert worden sei. Die Treuepflicht setze aber voraus, dass der Gesellschafter über diejenigen Umstände informiert worden sei, aus denen sich seine Pflicht zur Zustimmung ergebe.
44Dieses Urteil greift die Klägerin mit der Berufung an. Sie behauptet, dass der Beklagte über den Prozess der Sanierung laufend mit Schreiben vom 08.01.2010, 22.01.2010, 01.03.2010, 03.06.2010, 30.06.2010, 03.09.2010, 28.10.2010, 08.11.2010 informiert worden sei. Die Gesellschafter seien vor Umsetzung der Sanierung zum Sanierungsstichtag nochmals auf die Rechtsfolgen einer möglichen Nichtbeteiligung hingewiesen worden. Der Beklagte sei ausreichend informiert gewesen, um an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen und ggfs. einen Berater zu konsultieren. Sie ist der Ansicht, dass das Landgericht vor seiner Entscheidung einen Hinweis nach § 139 ZPO hätte erteilen müssen. § 4 Abs. 2 GV enthalte keine Risikobegrenzungsregel, was sich auch aus dem Prospekt ergebe. Die vom BGH aufgestellten Grundsätze seien nicht an eine prozentuale Höchstgrenze des Sanierungsbeitrags geknüpft. Die Berücksichtigung der Nachhaftung im Falle des Ausscheidens des Gesellschafters sei mit den Grundsätzen der BGH-Entscheidung nicht vereinbar. Die Frage, ob eine Sanierungsvereinbarung zustande komme, sei für den Nichtzahler hinsichtlich des Vergleichs der ihn treffenden Zahlungspflichten ohne Konsequenz. Eine Sanierung im Wege einer Sanierungsgesellschaft sei den sanierungswilligen Gesellschaftern nicht zumutbar gewesen, weil sie dafür höhere finanzielle und rechtliche Risiken hätten eingehen müssen. Das Verfahren bezüglich der Erbbaurechtsanpassung sei im Dezember 2012 angestrengt worden. Es habe auf sich auf die Erforderlichkeit des Sanierungsbeschlusses oder Auseinandersetzungsbilanz nicht auswirken können.
45Die Klägerin beantragt,
46das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 28.05.2013, 9 O 222/12, aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 58.080,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2011 sowie weitere 1.761,08 € für außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen,
47hilfsweise
48den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 28.05.2013 (Az. 222/12) zu verurteilen, an sie 58.080,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2011 sowie weitere 1.761,08 € für außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen,
49Zug um Zug gegen die Befreiung des Beklagten von seiner anteiligen persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten des Beklagten aus dem Darlehn der L… Berlin 4… unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des auf ihn entfallenden Auseinandersetzungsfehlbetrags in Höhe von 35.593,37 € an die Klägerin durch Vorlage einer Enthaftungserklärung der L… Berlin mit vorgenanntem Inhalt
50sowie
51Zug um Zug gegen die Befreiung des Beklagten von seiner anteiligen persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten der Klägerin aus dem Darlehn der I… Berlin (Aufwendungsdarlehn Nr. …, Verwaltungskosten, Beitragsdarlehn Nr. … und Baudarlehn Nr. … und …) unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung des auf ihn entfallenden Auseinandersetzungsfehlbetrags in Höhe von 23.487,64 € an die Klägerin durch Vorlage einer Enthaftungserklärung der I… Berlin mit vorgenanntem Inhalt.
52Der Beklagte beantragt,
53die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
54Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er meint, die Berufungsbegrün-dung werde den Anforderungen des § 520 ZPO nicht gerecht. Es sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruhe oder nicht richtig angewendet worden sei. Er ist der Ansicht, dass ein gerichtlicher Hinweis hinsichtlich der Information des Beklagten nicht erforderlich gewesen sei, da bereits erstinstanzlich der Umfang der erfolgten Informationen streitig gewesen sei. Entsprechende Kenntnis habe die Klägerin auch aufgrund der Entscheidung des LG Rottweil, die in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren erörtert worden sei, in einem Parallelverfahren gehabt. Er sei im Vorfeld des Sanierungsbeschlusses nicht ausreichend über das Sanierungskonzept informiert worden, da zu diesem Zeitpunkt die Ergebnisse der Verhandlungen mit den Gläubigerbanken noch nicht festgestanden hätten. Es sei zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht absehbar gewesen, welche Änderungen sich bis zum Sanierungsstichtag, z.B. hinsichtlich der Zinslast, noch ergeben würden. Die Behauptungen der Klägerin zu den Informationsschreiben, die er nicht erhalten habe, seien verspätet. Er ist der Ansicht, dass es sich bei § 4 Abs. 2 und 5 GV um eine Risikobegrenzung handele, die sich allerdings – entgegen der Ansicht des Landgerichts – nicht auf die Investitionsphase beschränke. Der Ausschließungsbeschluss sei unverhältnismäßig: Die Klägerin hätte anstelle des eingeschlagenen Wegs eine Sanierungsgesellschaft mit sanierungswilligen Gesellschaftern gründen sollen, die dann den Gläubigerbanken einen Teil der Forderungen abgekauft und gegen sanierungsunwillige Gesellschafter vorgegangen wäre. In diesem Fall hätten die sanierungswilligen Gesellschafter verbleiben können. Die Klägerin verklage die G… AG vor dem Landgericht Berlin auf Rückzahlung von rund 36 Mio. € Erbbaurechtseinmalentschädigung, was die Klägerin im Schriftsatz vom 03.01.2014 unstreitig stellt. Daher sei sowohl eine schonendere Sanierung möglich gewesen als auch die Auseinandersetzungsbilanz fehlerhaft. Mehrere Gesellschafter der Klägerin hätten bereits im Mai 2011 in Absprache mit der Klägerin klageweise einen Anspruch auf Erbbaurechtszinsanpassung geltend gemacht.
55Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen. Die Klägerin hat dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten Haftentlassungschreiben der L… Berlin und der I… Berlin überreicht.
56II.
57A.
58Die Berufung ist entgegen der Ansicht des Beklagten zulässig. Nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 ZPO muss die Berufungsbegründung erkennen lassen, auf welche nach § 513 ZPO zulässigen Gründe der Berufungsführer sein Änderungsbegehren, das die Berufungsanträge nach § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO festlegen, stützen will. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung. Ihr lässt sich ohne Weiteres entnehmen, dass die Klägerin das angegriffene Urteil für änderungsbedürftig hält, weil das Landgericht – nach Ansicht der Klägerin – unter Missachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine gesellschafterliche Treuepflicht des Beklagten zur Zustimmung zum Ausschließungsbeschluss verneint und damit zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung eines Auseinandersetzungsfehlbetrags abgelehnt hat.
59B.
60Die Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 58.080,01 € gegen den Beklagten zu.
61I.
62Die Klage ist zulässig, die Klägerin ist prozessführungsbefugt. Dem stehen die zwischen der Klägerin und der I… Berlin getroffenen Vereinbarungen über eine Sicherheitentauschoption vom 11.03.2011 nicht entgegen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung darf jemand ein fremdes Recht aufgrund einer ihm vom Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen im Prozess verfolgen, sofern er hieran ein schutzwürdiges Interesse hat. Neben der Ermächtigung, die hier gemäß der jeweiligen Ziff. VI.3 der Vereinbarung zwischen der Klägerin und der I… Berlin durch die I… erklärt wurde, und Übertragbarkeit der Forderung ist ein schutzwürdiges Eigeninteresse der Klägerin und des Rechtsinhabers an der Prozessführung notwendig; auf Seiten der Beklagten müssen schutzwürdige Belange fehlen. Das erforderliche eigene Interesse der Klägerin an der Geltendmachung der abgetretenen Forderung folgt daraus, dass ihr auf diesem Weg der angestrebte Sicherheitentausch, insbesondere die Entlassung der ausgeschiedenen Gesellschafter aus ihrer persönlichen quotalen Haftung ermöglicht wird. Entsprechendes gilt für das Interesse der Banken an der Geltendmachung durch die Klägerin. Schutzwürdige Interessen des Beklagten, die einer Geltendmachung der Ansprüche durch die Klägerin entgegenstehen, sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.
63II.
64Die Klage ist auch begründet. Der Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten folgt aus § 739 BGB i.Vm. § 17 des Gesellschaftsvertrages (im Folgenden: GV). Der Beklagte ist wirksam als Gesellschafter der Klägerin ausgeschieden und aus der Auseinandersetzungsbilanz zum maßgeblichen Stichtag ergibt sich unter Berücksichtigung der Quote des Klägers ein Fehlbetrag in Höhe der Klageforderung.
651.
66Die Klägerin ist gemäß den überreichten Vereinbarungen mit der I… vom 11.3.2011 berechtigt und verpflichtet, Zahlungsansprüche gegen ausscheidende Gesellschafter im eigenen Namen geltend zu machen. Ist der Zedent gegenüber dem Abtretungsempfänger berechtigt, die Forderung im eigenen Namen einzuziehen, ohne die Abtretung offenlegen zu müssen, so macht er die Forderung als Berechtigter geltend. Die Sicherungsabtretung berührt damit nicht seine Befugnis, das übertragene Recht außergerichtlich oder gerichtlich geltend zu machen (BGH Urt. v. 23.3.1999, VI ZR 101/98, NJW 1999, S. 2110 ff., BGH Urt. v. 22.12.1988, VII ZR 129/88, NJW 1989, S. 1932 ff.).
672.
68Grundlage des Ausscheidens ist der Beschluss vom 02.12.2009. Dieser Beschluss der Gesellschafterversammlung ist formell wirksam gefasst worden. Die Gesellschafter wurden am 16.11.2009 zur Gesellschafterversammlung am 02.12.2009 schriftlich eingeladen unter Beifügung der Tagesordnung sowie der Fassung der vorgesehenen Beschlüsse. Die Einladungsfrist des § 8 Abs. 3 S. 5 GV sowie die in § 8 Abs. 3 S. 2, 3 GV vorgeschriebene Form wurde eingehalten. Mit seinem Einwand, er sei im Vorfeld nicht ausreichend informiert worden, dringt der Beklagte daher nicht durch.
69Nach § 8 Abs. 8 Satz 1 GV genügt grundsätzlich die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen zur Beschlussfassung. Für Beschlüsse, durch die der Gesellschaftsvertrag geändert wird, schreibt § 8 abs. 8 Satz 2 GV eine Mehrheit von mindestens 75% der abgegebenen Stimmen vor. Der Beschluss, durch den der neue Ausschließungsgrund in den Gesellschaftsvertrag eingefügt wurde, wurde mit 90,71% der abgegebenen Stimmen gefasst, so dass die nach § 8 Abs. 8 S. 2 GV notwendige Mehrheit erreicht war.
70Darüber hinaus sieht § 8 Abs. 10 GV vor, dass über Beschlüsse innerhalb einer Woche eine Niederschrift anzufertigen ist, deren Inhalt als anerkannt gilt, wenn nicht innerhalb von vier Wochen nach Absendung der Niederschrift an die Gesellschafter eine mit Gründen versehene Einwendung erhoben wird. Nach Fristablauf ist jede Beanstandung ausgeschlossen. Eine entsprechende Beanstandung des Beklagten ist nicht ersichtlich.
713.
72Über die formelle Wirksamkeit hinaus muss der Beschluss, mit dem der neue Ausschließungsgrund in den Gesellschaftsvertrag eingefügt wurde, auch gegenüber dem Beklagten materiell wirksam sein (BGH Urteil vom 19.10.2009, II ZR 240/08 Rn.15 m.w.N.). Auch dies ist gegeben.
73a)
74Der Beschluss sah unter Ziffer 7.4.1 vor, dass diejenigen Gesellschafter, die bis zum Einzahlungsstichtag – spätestens jedoch bis zum Sanierungsstichtag – nicht einen Anteil in Höhe ihres jeweiligen Gesellschafterbeitrags auf den Erhöhungsbeitrag übernahmen und bewirkten, aus der Gesellschaft ausscheiden, ohne dass es einer weiteren Erklärung der Gesellschaft bedurfte. Die neue Regelung legt also das zwangsweise Ausscheiden derjenigen Gesellschafter fest, die sich an der – ebenfalls am 02.12.2009 beschlossenen – freiwilligen Kapitalerhöhung nicht beteiligten.
75b)
76Der Entzug der Gesellschafterstellung durch zwangsweises Ausscheiden ist nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters möglich. Die Zustimmung kann dabei sowohl antizipiert durch eine eindeutige Regelung im Gesellschaftsvertrag erfolgen oder durch Zustimmung zu einem Beschluss, durch den - nachträglich eine Ausschlussregelung in den Gesellschaftsvertrag eingefügt wird (BGH II ZR 240/08, Urteil vom 19.10.2009, Rn. 16, BGH II ZR 122/09, Urteil v. 25.01.2011, Rn. 18). Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Versäumung der Beanstandungsfrist ersetzt diese Zustimmung nicht (vgl. BGH Urteil vom 19.10.2009, II ZR 240/08 Rn. 16).
77c)
78Trotz Fehlens dieser Zustimmung ist der Beklagte jedoch aus gesellschafterlicher Treuepflicht verpflichtet gewesen, sich so behandeln zu lassen, als habe er dem Beschluss zugestimmt. Er verhält sich treuwidrig, weil er zwar an den Sanierungsbemühungen nicht teilnehmen, aber dennoch in der Klägerin verbleiben wollte.
79aa)
80Ein Gesellschafter ist im Allgemeinen nicht verpflichtet, einer seine Gesellschafterstellung aufhebenden Änderung des Gesellschaftsvertrages zuzustimmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich in besonders gelagerten Ausnahmefällen für jeden einzelnen Gesellschafter jedoch etwas Abweichendes ergeben (BGH Urteil vom 19.10.2009, II ZR 240/08 Rn. 23 m.w.N., BGH II ZR 122/09, Urteil v. 25.01.2011, Rn. 20). Eine Zustimmungspflicht kommt dann in Betracht, wenn sie mit Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis oder auf die bestehenden Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander dringend erforderlich ist und die Änderung des Gesellschaftsvertrages dem Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen Belange zumutbar ist. Die Verpflichtung des einzelnen Gesellschafters kann daher nur angenommen werden, wenn dem schützenswerte Belange des Gesellschafters nicht entgegenstehen (BGH Urteil vom 19.10.2009, II ZR 240/08 Rn. 23 m.w.N., BGH II ZR 122/09, Urteil v. 25.01.2011, Rn. 20). Diese Grundsätze hat der BGH in seiner Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ dahingehend präzisiert, dass, wenn die Gesellschafter einer zahlungsunfähigen und überschuldeten Publikumspersonengesellschaft mit der im Gesellschaftsvertrag für Änderungen des Vertrags vereinbarten Mehrheit beschließen, die Gesellschaft in der Weise zu sanieren, dass das Kapital „herabgesetzt“ und jedem Gesellschafter freigestellt wird, eine neue Beitragspflicht einzugehen („Kapitalerhöhung“), dass ein nicht sanierungswilliger Gesellschafter aber aus der Gesellschaft ausscheiden muss, die nicht zahlungsbereiten Gesellschafter aus gesellschafterlicher Treuepflicht jedenfalls dann verpflichtet sind, diesem Gesellschafterbeschluss zuzustimmen, wenn sie infolge ihrer mit dem Ausscheiden verbundenen Pflicht, den auf sie entfallenden Auseinandersetzungsfehlbetrag zu leisten, finanziell nicht schlechter stehen, als sie im Falle der sofortigen Liquidation stünden (BGH Urteil vom 19.10.2009, II ZR 240/08, Leitsatz). Die Frage, ob eine gesellschafterliche Treuepflicht besteht, kann dabei stets nur anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden (vgl. hierzu Strohn ZInsO 2013, S. 12, 13).
81bb)
82Zu Unrecht hat das Landgericht die Auffassung vertreten, dass die vorstehenden Grundsätze vorliegend keine Anwendung fänden, weil es sich um eine Publikumsgesellschaft in Gestalt einer GbR und nicht einer OHG – wie in dem vom BGH im Jahr 2009 entschiedenen Fall - handele. Das Landgericht hebt dabei hervor, dass von einem Kaufmann erwartet werden könne, dass er eigenständig ein von ihm eingegangenes wirtschaftliches Risiko überblicke, während ein in wirtschaftlichen Angelegenheiten häufig unerfahrener Gesellschafter bürgerlichen Rechts einer Publikumsgesellschaft eingehender Belehrung bedarf. Für die vom Landgericht angenommene Differenzierung besteht keine Veranlassung. Publikumsgesellschaften sind Personengesellschaften, die zum Zwecke der Kapitalsammlung eine unbestimmte Vielzahl rein kapitalistisch beteiligter und persönlich nicht miteinander verbundener Gesellschafter aufgrund eines vorformulierten Gesellschaftsvertrags aufnehmen. Betreibt die Gesellschaft kein Handelsgewerbe, so kann – z.B. bei einem Immobilienfonds – eine GbR gegründet werden (Bamberger/Roth/Schöne § 705 BGB Rn. 192, Palandt/Sprau § 705 BGB Rn. 47). Die Frage, ob die Publikumspersonengesellschaft also als OHG oder als GbR geführt wird, richtet sich damit maßgeblich danach, ob die Gesellschaft ein Handelsgewerbe ausübt. Demgegenüber ist – entgegen der Annahme des Landgerichts – weder der Beitritt zur OHG Kaufleuten vorbehalten, noch ist Ausfluss dessen, dass eine Publikumspersonengesellschaft eine GbR ist, dass ihr „in wirtschaftlichen Angelegenheiten häufiger unerfahrenere“ Personen beitreten. Schließlich hat auch der BGH in seinem Leitsatz zur Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ allgemein auf Publikumspersonengesellschaften abgestellt. Darüber hinaus betraf die Folgeentscheidung des BGH vom 25.01.2011 (II ZR 122/09), in der der BGH eine gesellschafterliche Treuepflicht im Ergebnis verneinte, einen Immobilienfonds in Form einer GbR, ohne dass der BGH diesem Gesichtspunkt für die Frage der Anwendbarkeit von ihm in der Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ entwickelten Grundsätze eine Bedeutung zugemessen hätte.
83dd)
84Der Beklagte war gemessen an den oben dargestellten Grundsätzen zur Zustimmung verpflichtet.
85(1)
86Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Beschlusses sanierungsbedürftig, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits überschuldet und zum Ende 2010 zahlungsunfähig gewesen war. Sie hat dazu vorgetragen, dass die Verbindlichkeiten der Gesellschaft – ausweislich des Sachstandsberichts zur Sanierung - geschätzt auf 130,5% des Eigenkapitals bzw. ausweislich der später erstellten Auseinandersetzungsbilanz auf 109,6% des Eigenkapitals beliefen. Demgegenüber hat der Beklagte die Überschuldung nur pauschal und damit unzureichend bestritten. Mit den einzelnen von der Klägerin dargestellten Daten, hat sich der Beklagte nicht auseinandergesetzt. Der Hinweis des Beklagten, dass die Bilanzsituation zum Zeitpunkt seines Beitritts bereits so gewesen sei wie am 02.12.2009 ändert an der Überschuldung per 02.12.2009 nichts.
87(2)
88Nach dem weiteren Vortrag der Klägerin – unter Verweis wiederum auf den Sachstandsbericht zur Sanierung - deckten die Einnahmen die Ausgaben zwar noch in 2009, nicht mehr aber ab 2010. Mit seinem Einwand, die Voraussetzungen für den Ausschließungsbeschluss nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH lägen deshalb nicht vor, weil die Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht vorgelegen hätten, dringt der Beklagte nicht durch. Ihm ist zwar einzuräumen, dass der BGH in der Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ die Zahlungsunfähigkeit, die dort vorlag, als Merkmal der Sanierungsbedürftigkeit aufführte. Ein Verständnis der Entscheidung dahingehend, dass – erst – die eingetretene Zahlungsunfähigkeit, nicht aber die drohende Zahlungsunfähigkeit die Sanierungsbedürftigkeit einer Publikumspersonengesellschaft als Voraussetzung einer Sanierung nach den Grundsätzen „Sanieren oder Ausscheiden“ begründet, würde jedoch bedeuten, dass die Gesellschaft mit der Sanierung warten muss, bis Zahlungsunfähigkeit tatsächlich eingetreten ist. Ein solches Zuwarten, das die Sanierung erschwert, liegt jedoch weder im Interesse der zahlungswilligen noch der zahlungsunwilligen Gesellschafter angesichts der damit einhergehenden Verschärfung der finanziellen Situation. Für eine Gleichbehandlung der Zahlungsunfähigkeit sowie der drohenden Zahlungsunfähigkeit spricht die vergleichende Überlegung, dass nach § 18 InsO die drohende Zahlungsunfähigkeit ebenso wie die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO ein Eröffnungsgrund gemäß § 16 InsO darstellt. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Entscheidung des BGH vom 25.01.2011 (II ZR 122/09) ein Sachverhalt zugrunde lag, in dem der Gesellschaft ebenfalls die Zahlungsunfähigkeit drohte, ohne dass der BGH deshalb die Grundsätze aus der Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ für nicht anwendbar erachtet hätte.
89(3)
90Letztlich räumt auch der Beklagte eine Sanierungsbedürftigkeit der Klägerin ein, wenn er vorträgt, dass er ein von ihm nicht für sinnvoll erachtetes Sanierungskonzept nicht habe mittragen wollen.
91(4)
92Die Sanierungsfähigkeit der Klägerin steht zwischen den Parteien außer Streit. Sie wird letztlich durch die unstreitige erfolgreiche Sanierung der Klägerin belegt.
93(5)
94Die Sanierung durch Aufbringen neuen Kapitals war wirtschaftlich sinnvoll. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ zu dieser Frage einen Vergleich der Folgen einer sofortigen Liquidation einerseits und einer Sanierung andererseits herangezogen (BGH BGH Urteil vom 19.10.2009, II ZR 240/08 Rn. 26 f.).
95(a)
96Für den Fall der Liquidation betrug die Haftung der Gesellschafter 167% - 234% des ursprünglichen Eigenkapitals. Im Fall des Verkaufs der Immobilien vor Liquidation hätte sich eine Haftung in Höhe von 156% des ursprünglichen Eigenkapitals ergeben. Demgegenüber wurde für den Fall einer Sanierung eine Beteiligung in Höhe von 95% des ursprünglichen Eigenkapitals prognostiziert, die sich letztlich auf 87% belief. Ein Vergleich dieser Haftungs- bzw. Beteiligungsquoten lässt den eingeschlagenen Weg der Sanierung nicht von vorneherein sinnlos erscheinen, insbesondere da die Sanierung zugleich den Erhalt der noch ausstehenden Fördermittel bedeutete. Hinzu kommt, dass eines der beiden Objekte vollständig vermietet war (in dem anderen Objekt stellte sich die Vermietungssituation ausweislich des Sachstandsberichts „schwierig“ dar).
97(b)
98Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, dass nach der Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ der von den Gesellschaftern aufzubringende Sanierungsbeitrag nicht höher als 60% liegen dürfe, trifft das nicht zu. Die Quote der Gesellschafter in dem vom BGH entschiedenen Fall lag zwar bei 60%, jedoch kann der Entscheidung nicht entnommen werden, dass eine Sanierung bereits deshalb von vorneherein wirtschaftlich sinnlos ist, weil der Sanierungsbeitrag 60% übersteigt (vgl. BGH Urteil vom 19.10.2009, II ZR 240/08, Rn. 27).
99(c)
100Erstinstanzlich hat der Beklagte behauptet, das Sanierungskonzept sei unvollständig, fehlerhaft und wirtschaftlich unvorteilhaft. Es lasse – unstreitig - die Reduzierung der laufenden Kosten (z.B. Geschäftsbesorgung, Hausverwaltung) außer Betracht und sehe – unstreitig - keine Regelung zum Erwerb des Erbbaugrundstücks vor. Die Zinsbelastung von 5% sei inakzeptabel hoch; insoweit seien Nachverhandlungen erforderlich gewesen. Es fehle an einer generellen Reduzierung des Fremdkapitals auf einen geringeren, leicht bedienbaren Valutenstand, insbesondere in Form eines Teilerlasses. Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich darauf hingewiesen, dass dieser Vortrag nicht ausreichend konkret ist. Der Beklagte wiederholt ihn auch in der zweiten Instanz nicht mehr ausdrücklich. Es kann dahinstehen, ob diese Posten in dem Sanierungskonzept fehlten mit der vom Beklagten implizierten Folge, dass eine Sanierung dann zu geringeren Kosten möglich gewesen wäre. Da die Sanierung, so wie sie beschlossen worden ist, aufgrund des nach der Rechtsprechung des BGH anzustellenden Situationsvergleichs bereits „nicht von vorneherein sinnlos“ war, würde der Situationsvergleich erst recht in diesem Sinne ausfallen, wenn die vom Beklagten monierten Posten im Sanierungskonzept eingestellt worden wären. Entsprechendes gilt dann auch für die nach der Ansicht des Beklagten zu Unrecht im Sanierungskonzept nicht berücksichtigten Liquiditätszuflüsse wegen der Baumängel, des Erbbauzinses und der Altlastenproblematik.
101(d)
102Die Teilnahme an der Kapitalerhöhung – nach vorheriger Herabsetzung des Eigenkapitals stützte sich nicht auf § 3 Abs. 1 2. Spiegelstrich GV, sondern war freiwillig. Jeder Gesellschafter konnte sich daher entscheiden, ob er einen Betrag in Höhe von – prognostiziert – 95% des ursprünglichen Eigenkapitals erneut riskieren wollte, verbunden einerseits mit der Chance, dass die Klägerin mittelfristig wieder in die Gewinnzone gelangen könnte, aber andererseits auch mit dem jedem Sanierungsversuch immanenten Risiko, auch noch diesen Betrag im Falle des Scheiterns zu verlieren, oder ob er lieber sofort als anteiligen Auseinandersetzungsfehlbetrag – prognostiziert – ca. 130,5% des bereits einmal eingezahlten Kapitals aufbringen und danach für die Zukunft von jeder Zahlungsverpflichtung frei seien wollte.
1033.
104Die Annahme einer gesellschafterlichen Treuepflicht des Beklagten scheidet nicht aufgrund der Regelungen im Gesellschaftsvertrag aus.
105a)
106Grundlage einer gesellschafterlichen Treuepflicht eines Gesellschafters kann stets nur die auf dem konkreten Gesellschaftsverhältnis beruhende berechtigte Erwartungshaltung der übrigen Gesellschafter sein. Der Gesellschaftsvertrag bildet die Grundlage der gesellschafterlichen Treuepflicht und bestimmt deren Inhalt und Umfang; der einzelne Gesellschafter ist nur insoweit verpflichtet, wie er es im Gesellschaftsvertrag versprochen hat. Erlaubt das einzelne Gesellschaftsverhältnis keine berechtigte Erwartungshaltung gegenüber einzelnen Gesellschaftern, so besteht auch keine Treuepflicht, diese zu erfüllen. Der Gesichtspunkt der gesellschafterlichen Treuepflicht rechtfertigt es nicht, in eine sachlich nicht unvertretbare gesellschaftsrechtliche Regelung ändernd einzugreifen, nur weil dies für angemessener erachtet wird (BGH II ZR 122/09, Urteil v. 25.01.2011, Rn. 21 m.w.N.). Nach dem Gesellschaftsvertrag konnte der Beklagte nicht davon ausgehen, dass eine Teilnahme an einer Kapitalerhöhung in einem Sanierungsfall ausgeschlossen ist.
107b)
108Die Auslegung des Gesellschaftsvertrages einer GbR richtet sich grundsätzlich nach den in §§ 133, 157 BGB normierten, für die Auslegung von Rechtsgeschäften geltenden Maßstäben (vgl. BGH, Urteil vom 28.09.1995, II ZR 87/94, NJW 1995, 3313 – 3314; Urteil vom 21.01.1957, Az.: II ZR 147/56, WM 1957, 512 – 514; MüKo/Ulmer/Schäfer, BGB, 6. Auflage, § 705 Rdn. 171; Staudinger/Habermeier, § 705 BGB Rdn. 13). Der Gesellschaftsvertrag einer GbR ist grundsätzlich subjektiv auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2005, II ZR 194/03, NJW 2005, 2618 – 2620; Urteil vom 18.05.1998, II ZR 19/97, WM 1998, 1535 – 1537; Urteil vom 28.09.1995, II ZR 87/94, NJW 1995, 3313 – 3314). Allerdings gelten für die Auslegung von Verträgen von Publikumspersonengesellschaften nach allgemeiner Meinung Besonderheiten, da diese Verträge typischerweise von einigen mit den Gesellschaftern nicht oder nur zu kleinen Teilen identischen Personen erstellt werden und zum Beitritt für eine meist große Zahl über den Kapitalmarkt geworbener, untereinander nicht verbundener Anleger offenstehen. Daher richtet sich die Auslegung dieser Verträge nach objektiven, an Wortlaut, Systematik und auch Zielsetzung orientierten Kriterien (BGH II ZR 73/06, Urteil vom 19.03.2007, Rn. 18, BGH II ZR 231/07, Urteil vom 09.02.2009 Rn. 14, MüKo/Ulmer § 705 BGB Rn. 174b, Palandt/Sprau § 705 BGB Rn. 14). Der Prospekt, den die Klägerin erwähnt, kann angesichts der notwendigen objektiven Auslegung nicht herangezogen werden (BGH, Urteil vom 04. Juli 2005 – II ZR 354/03 Rn. 27).
109c)
110Vor diesem Hintergrund enthält der Gesellschaftsvertrag – entgegen der Ansicht des Landgerichts - keine Regelung, die einer Erwartungshaltung der Gesellschafter, dass jeder Gesellschafter in der Schieflage der Gesellschaft weiteres Risiko auf sich nimmt und sich an einer Kapitalerhöhung beteiligt, entgegensteht. Insbesondere enthält § 4 Abs. 2, 5 GV eine solche Bestimmung nicht. § 4 Abs. 2 legt die Gesamtbeitragspflicht fest (S. 1), die nach Satz 2 dem für die Finanzierung des Investitionsvorhabens geplanten Eigenkapital entspricht. Für eine notwendige Nachfinanzierung kann das Nominalkapital um bis zu 10% durch Beitragserhöhung der Gesellschafter oder durch Aufnahme weiterer Gesellschafter erhöht werden. Nach Absatz 5 kann sich die Beteiligungsquote verringern, sofern der Gesellschafter bei einer Beitragserhöhung nach Absatz 2 nicht mitwirkt. Die Regelung beschränkt sich mit der Bezugnahme auf das für die Finanzierung des Investitionsvorhabens geplanten Eigenkapitals auf die Investitionsphase. Nur für diese Phase regelt Absatz 5 eine Verwässerung der Beteiligungsquote für den Fall, dass sich ein Gesellschafter nicht beteiligt. Demgegenüber wird die Bewirtschaftungsphase von diesen Regelungen nicht erfasst.
111Für diese Phase sieht vielmehr § 3 Abs. 1, 2. Spiegelstrich GV vor, dass die Gesellschafter verpflichtet sind, Nachschüsse bei fehlender Liquidität quotal entsprechend seiner Beteiligung zu leisten. Nach § 14 Abs. 2 lit. c) GV stellt die Verletzung der Nachschusspflicht einen wichtigen Grund für den Ausschluss eines Gesellschafters dar. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Regelung in § 3 Abs. 1, 2. Spiegelstrich GV deshalb unwirksam ist, weil Umfang und Fälligkeit der darin normierten Nachschusspflicht nicht abschließend festgelegt sind (vgl. dazu MüKo/Schäfer § 707 BGB Rn. 4). Denn jedenfalls bestätigt sie das obige Ergebnis, dass § 4 Abs. 2, 5 GV die Bewirtschaftungsphase nicht erfasst, für die im Vertrag ein anderes Regelungskonzept – wenn auch unwirksam - vorgesehen war.
112Im Ergebnis fehlte es damit an einer gesellschaftsvertraglichen Regelung, wonach die zahlungswilligen Gesellschafter von vorneherein nur erwarten konnten, dass die nicht zahlungswilligen Gesellschafter lediglich eine Verwässerung ihres Anteils in Kauf nehmen mussten, aber mit diesem verringerten Anteil Gesellschafter bleiben konnten.
113d)
114Vor diesem Hintergrund war es den zahlungsbereiten Gesellschaftern nicht zumutbar, die Gesellschaft mit den nicht zur Investition weiteren Kapitals bereiten Gesellschaftern fortzusetzen. Denn andernfalls hätte derjenige Gesellschafter, der sich nicht an der freiwilligen Kapitalerhöhung beteiligte, zwar eine Verringerung seiner quotalen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen hinnehmen müssen. Allerdings hätte er, für den Fall der erfolgreichen Sanierung, mit seinem – verringerten – Anteil an dem Gewinn der Klägerin partizipiert, ohne selbst einen finanziellen Einsatz dafür geleistet zu haben. Diesen Gewinnanteil hätte er jedoch ohne den Einsatz der sanierungswilligen Gesellschafter niemals erlangen können. Ferner wäre er – wiederum ohne eigenen finanziellen Einsatz, sondern aufgrund der Risikobereitschaft der zahlungswilligen Gesellschafter – zusätzlich – jedenfalls teilweise - von Gesellschaftsschulden frei geworden. Eine solche Finanzierung der Schuldenfreiheit unter gleichzeitiger Ermöglichung einer Gewinnteilnahme ist den finanzierenden Gesellschaftern nicht zumutbar (BGH Urteil vom 19.10.2009, II ZR 240/08 Rn. 31).
1154. Schützenswerte Belange stehen seiner aus der Gesellschafterbeteiligung folgenden Treuepflicht zur Erteilung der Zustimmung zur Sanierung nicht entgegen.
116a)
117Der Beklagte wird durch sein Ausscheiden nicht schlechter gestellt, als er im Fall der Liquidation gestanden hätte. Im Fall der sofortigen Zerschlagung hätte er zwischen 167% bis zu 234% seines ursprünglichen Beitrags aufbringen müssen. Der Auseinandersetzungsfehlbetrag war demgegenüber mit 130,5% der ursprünglichen Einlage prognostiziert worden und belief sich tatsächlich auf 109,6%. Der Beklagte steht sich somit aufgrund seines Ausscheidens finanziell besser da, als er im Falle der sofortigen Zerschlagung gestanden hätte.
118b)
119Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf das Urteil des LG Rottweil Urteil vom 20.12.2012 3 O 151/12, Rn. 16, zit. nach juris) die Ansicht vertreten, dass eine gesellschafterliche Treuepflicht vorliegend deshalb ausscheide, weil für die nicht zahlungswilligen Gesellschafter zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 02.12.2009 nicht vorhersehbar gewesen sei, ob es zu Sanierungsvereinbarungen kommen würde. Es sei nicht erkennbar, dass der Beklagte über die Sanierungsvereinbarungen, die erst kurz vor dem Sanierungsstichtag geschlossen worden seien, von der Klägerin informiert worden sei. Es habe deshalb für ihn keine ausreichende Information über die Umstände, aus denen sich ergeben hätte, dass er durch die mit dem Ausscheiden verbundene Pflicht, den auf ihn entfallenden Betrag zu leisten, nicht schlechter stünde als im Falle der sofortigen Liquidation. Die Überlegungen des Landgerichts treffen nicht zu.
120Bei der Frage der schützenswerten Belange des zahlungsunwilligen Gesellschafters kommt es auf den Vergleich des Verlustausgleichs im Falle der Liquidation und desjenigen im Falle des Ausscheidens an. Hierfür ist der erfolgreiche Abschluss der Sanierungsvereinbarung ohne Bedeutung. Zum anderen ist Maßstab für die Zustimmungspflicht des zahlungsunwilligen Gesellschafters der Zeitpunkt des Gesellschafterbeschlusses, d.h. der 02.12.2009, auf den bezogen der dargestellte Vergleich anzustellen ist. Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat schließlich in seiner Entscheidung vom „Sanieren oder Ausscheiden“ (BGH Urteil vom 19.10.2009, II ZR 240/08) eine entsprechende Information vor dem Sanierungsstichtag nicht gefordert.
121c)
122Mit seinem Einwand, unter Berücksichtigung seiner Nachhaftung gemäß § 160 HGB analog belaufe sich sein Haftungsrisiko im Falle seines Ausscheidens auf 277% und übersteige damit sein maximales Haftungsrisiko im Falle der Liquidation, dringt der Beklagte nicht durch. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Frage der Zumutbarkeit – lediglich – der Verlustausgleich wegen Ausscheidens mit dem bei Liquidation zu vergleichen. Diese Betrachtung, d.h. ohne Berücksichtigung der Nachhaftung, ist auch deshalb gerechtfertigt, weil andernfalls für den Verlustausgleich bei Liquidation berücksichtigt werden müsste, dass sich die Verlustausgleichspflicht bis zum Ende der Liquidation hingezogen und alle Abwicklungsverluste umfasst hätte (vgl. K. Schmidt JZ 2010, S. 125, 128).
123d)
124Der Beklagte meint, dass die Annahme einer gesellschafterlichen Treuepflicht der nicht zahlungswilligen Gesellschafter deshalb ausscheide, weil die Sanierung, so wie sie beschlossen worden, nicht die schonendste der Sanierungsmöglichkeiten gewesen sei. Die gesellschafterliche Treuepflicht gebietet es zwar, auf die Interessen von Mitgesellschaftern insoweit Rücksicht zu nehmen, dass das schonendeste Mittel unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu wählen ist (BeckOK/Schöne § 705 BGB Rn. 104). Der Beklagte behauptet, es sei eine Sanierung ohne seinen Ausschluss möglich gewesen. In der zweiten Instanz trägt er dazu vor, dass die Möglichkeit bestanden hätte, eine Sanierungsgesellschaft zu gründen. Der sehr pauschale Vortrag des Beklagten ist als neues Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Er übersieht zudem, dass bei der Frage der Zumutbarkeit des Verbleibs des zahlungsunwilligen Gesellschafters in der Gesellschaft nach der Entscheidung „Sanieren oder Ausscheiden“ maßgeblich ist, dass die Finanzierung der Schuldenfreiheit unter gleichzeitiger Ermöglichung einer Gewinnteilnahme den finanzierenden Gläubigern nicht zumutbar ist. Damit kommt es bei der Abwägung nicht darauf an, ob eine Sanierung auch unter der Voraussetzung gelingen konnte, dass nicht alle Gesellschafter neues Kapital beisteuern, da der nicht zu rechtfertigende wirtschaftliche Vorteil der nicht zahlungsbereiten Gesellschafter nur durch ihr Ausscheiden verhindert werden konnte (BGH Urteil vom 19.10.2009, II ZR 240/08 Rn. 31 a.E.). Die Frage der Zumutbarkeit ist nur anhand des eingeschlagenen Sanierungsweges zu beantworten. Bei diesem Verständnis kommt es auf die vom Beklagten als im Sanierungskonzept fehlend beanstandeten Positionen (Baumängel, Altlastenproblematik, Erbbauzins) nicht an.
125e)
126Der Beklagte ist der Auffassung, es sei treuwidrig, wenn der nicht sanierungswillige Gesellschafter durch den drohenden Ausschluss letztlich gezwungen werde, an einer Kapitalerhöhung teilzunehmen. Mit diesem Einwand verkennt der Beklagte die bereits dargestellte Funktionsweise der beschlossenen Sanierung: Jeder Gesellschafter konnte sich entscheiden, ob er einen Sanierungsbeitrag in Höhe von – prognostiziert – 95% des ursprünglichen Eigenkapitals erneut riskieren wollte, verbunden mit der Chance, dass die Klägerin mittelfristig wieder in die Gewinnzone gelangen könnte, aber auch andererseits mit dem jedem Sanierungsversuch immanenten Risiko, auch noch diesen Betrag im Falle des Scheiterns zu verlieren, oder ob er lieber sofort als anteiligen Auseinandersetzungsfehlbetrag – prognostiziert - ca.130,5% des bereits einmal eingezahlten Kapitals aufbringen und danach für die Zukunft von jeder Zahlungsverpflichtung frei seien wollte. Zwischen diesen Handlungsalternativen konnte jeder Gesellschafter frei wählen. Ein Zwang, sich zu beteiligen, bestand, wie der Fall des Beklagten belegt, nicht.
127f)
128Der Annahme dieser gesellschafterlichen Treuepflicht steht – entgegen der vom Beklagten vertreten Ansicht - auch nicht entgegen, dass es sich bei ihm um Kleinanleger handelt. Zwar hat der Treuepflichtgrundsatz eine umso größere Bedeutung, je enger der persönliche Zusammenschluss ist und je größer das Mitspracherecht des einzelnen Gesellschafters ist (Ulmer GbR und PartGes § 705 BGB Rn. 185). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch anerkannt, dass auch den Minderheitsgesellschafter in der Publikumspersonengesellschaft Treuepflichten treffen können (BGH, Urteil vom 05. November 1984 – II ZR 111/84 –, juris, BGH Urteil vom 20. März 1995 – II ZR 205/94 für Kleinaktionäre; K. Schmidt GesR § 57 II). Dementsprechend betrafen die Urteile des BGH vom 19.10.2009 (II ZR 240/08) und vom 25.01.2011 (II ZR 122/09) ebenfalls Kleinanleger.
1295.
130Der Ausschließungsbeschluss ist – entgegen der Ansicht des Beklagten – auch nicht mangels Bestimmtheit unwirksam. Der Beschluss einer Publikumsgesellschaft ist ein mehrseitiges Rechtsgeschäft, dessen Inhalt bestimmt sein muss. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls und durch Auslegung des betreffenden Beschlusses zu festzustellen (BGH II ZR 185/12 Urteil vom 24.07.2012, Rn. 3). Da durch den Ausschließungsbeschluss der Gesellschaftsvertrag geändert wird, gelten auch insofern die oben dargelegten objektiven Maßstäbe. Auf dieser Grundlage konnte dem Ausschließungsbeschluss unter Ziff. 7.4.1 entnommen werden, bis wann der Sanierungsbeitrag übernommen werden musste. In Ziffer 7.4.1 wird insoweit auf die Bestimmungen der Ziff. 7.3.2 verwiesen. Nach Ziff. 7.3.2.4 lit. a) wurde der Geschäftsbesorger ermächtigt, bis zum Einzahlungsstichtag, der in Ziff. 7.3.2.3. auf den 10.03.2010 festgelegt wurde, Zeichnungen entgegenzunehmen. Nach Ziff. 7.3.2.4. lit. b) konnte der Geschäftsbesorger nach dem Einzahlungsstichtag, spätestens bis zum Sanierungsstichtag, in begründeten Ausnahmefällen, wobei der Geschäftsbesorger das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls nach billigem Ermessen beurteilen sollte, Zeichnungen entgegennehmen. Aus der Zusammenschau dieser Regelungen konnte der Gesellschafter also erkennen, dass er bis zum 10.03.2010 zeichnen musste, um in der Gesellschaft zu verbleiben. Nach dem 10.03.2010 konnte er nur in einem begründeten Ausnahmefall mit seinem Verbleib in der Gesellschaft verbleiben. Dies genügt dem Bestimheitserfordernis.
1316.
132Die von der Klägerin vorgelegte Auseinandersetzungsbilanz zum 31.03.2011, die am 15.08.2011 erstellt wurde, weist einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 42.061.540,54 € auf. Gegen die Richtigkeit der Berechnung bestehen keine Bedenken.
133Die Auseinandersetzungsbilanz dient dazu, durch eine Gegenüberstellung des Aktivvermögens mit den Verbindlichkeiten der Gesellschaft – einschließlich der Gesellschaftereinlagen – festzustellen, ob und in welcher Höhe ein Überschuss verteilt werden kann oder von den Gesellschaftern Nachschüsse benötigt werden, um die Verbindlichkeiten zu begleichen. Bestehen bei der Aufstellung der Bilanz ernsthafte Zweifel an der Werthaltigkeit von Forderungen der Gesellschaft, ist diesem Umstand in angemessener Weise Rechnung zu tragen (BGH II ZR 266/09, Urteil vom 15.11.2011, Rn. 30). Forderungen, die nicht aus Lieferung oder Leistung eines Unternehmens herrühren, sind dann zu berücksichtigen, wenn sie nach ihrem Grund und ihrer Höhe hinreichend konkretisiert sind (Ellrott/Roscher in Beck’scher Bilanzkommentar § 247 HGB Rn. 120, 124; Baumbach/Hopt/Merkt § 252 HGB, Rn. 10).
134Vor diesem Hintergrund ergibt sich für die einzelnen vom Beklagten angeführten Forderungen Folgendes:
135a)
136Erstinstanzlich hatte der Beklagte zunächst – unter Verweis auf die Ausführungen im Sicherungskonzept lediglich erhebliche Liquiditätszuflüsse behauptet. Erst mit nachgelassenem Schriftsatz vom 23.04.2013 hat er erstmals behauptet, dass die Klägerin wegen der Baumängel 1,6 Mio. € eingeklagt und im Vergleichswege 425.000,00 € erhalten habe, obwohl sich der Schriftsatz der Klägerin vom 27.03.2013, zu dem ihm diese Schriftsatzfrist gewährt wurde, zu diesem Komplex nicht verhielt. Es kann offenbleiben, ob der Vortrag deshalb erstinstanzlich verspätet war (§ 296a ZPO). Er ist jedenfalls zweitinstanzlich unstreitig. Aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15.05.2013 ergibt sich, dass das Hauptsacheverfahren bereits seit 2008 lief und den Bilanzerstellern bekannt war. Es lief zu diesem Zeitpunkt noch und wurde 2012 mit einem Vergleich, aufgrund dessen die Klägerin ca. ein Viertel der eingeklagten Summe erhalten hat, beendet. Angesichts dieses Prozessverlaufs kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Forderung jedenfalls der Höhe nach zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung bereits ausreichend konkretisiert gewesen war. Zu Recht ist deshalb eine Aufnahme in der Bilanz unterblieben.
137b)
138Zu der Altlastproblematik fehlt jede Bezifferung durch den Beklagten, der insoweit wiederum auf die Ausführungen im Sicherungskonzept verwiesen hat. Im nachgelassenen Schriftsatz vom 23.04.2013 hat er mit Bezug auf die Altlastenproblematik eine „nicht unerhebliche Schadstoffmenge“ beschrieben, obwohl sich der Schriftsatz der Klägerin vom 27.03.2013, zu dem ihm diese Schriftsatzfrist gewährt wurde, zu diesem Komplex nicht verhielt. Die Klägerin hat hierzu im nicht nachgelassenen Schriftsatz vorgetragen, dass die Altlastenproblematik sich nicht bewahrheitet habe. Ohne weitere Darlegungen dieser Position ist die Forderung bislang nur schlagwortartig umschrieben; es fehlt eine Konkretisierung sowohl zum Grund als auch zur Höhe.
139d)
140Schließlich ist zwischen den Parteien zweitinstanzlich unstreitig, dass die Klägerin gegen die G… AG gerichtlich einen Betrag in Höhe von 36 Mio. € wegen Rückzahlung des Erbbauzinses geltend macht. Wie sich aus dem vom Beklagten mitgeteilten Aktenzeichen ergibt, stammt das Verfahren aus 2012, nach Darstellung der Klägerin stammt die Klage aus Dezember 2012. Es war damit zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung noch nicht anhängig. Entgegen der Ansicht des Beklagten war eine entsprechende Rückzahlungsforderung auch nicht in die Auseinandersetzungsbilanz einzustellen. Zwar besteht ein etwaiger Rückzahlungsanspruch unabhängig von seiner gerichtlichen Geltendmachung. Dass sich ein Rückzahlungsanspruch insbesondere der Höhe nach zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung bereits ausreichend konkretisiert hatte, lässt sich auch nicht dem Vortrag des Beklagten entnehmen. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das Urteil des KG Berlin, mit dem – in einem anderen Verfahren, dem ein anderer Vertrag zugrunde lag und an dem die hiesigen Parteien auch nicht beteiligt waren – einer – zukünftigen – Anpassung des Erbbauzinses stattgab, vom 23.08.2011 stammt, und damit aus der Zeit vor Bilanzerstellung. Das vorangegangene erstinstanzliche Urteil hatte demgegenüber – ebenso wie das KG in einem weiteren Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt (Urteil vom 02.11.2012) – die Klage abgewiesen.
141Ferner behauptet der Beklagte in zweiter Instanz, dass es bereits im Mai 2011 eine Klage der Gesellschafter (actio pro socio) wegen der Anpassung des Erbbauzinses gegeben habe. Die Klägerin bestreitet zwar nicht die Klage, jedoch dass sie die Anpassung des Erbauzinses betrifft. Diese Behauptung des Beklagten ist damit gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, Gründe für den erstmaligen Vortrag in der Berufungsinstanz hat der Beklagte nicht vorgetragen.
142III.
143Die Klageforderung ist nach Maßgabe der Auseinandersetzungsbilanz der Höhe nach berechtigt. Bei Multiplikation der Beteiligungsquote des Beklagten (0,138083 %) mit dem Auseinandersetzungsfehlbetrag (42.061.540,54 €) ergibt sich die Klageforderung.
144IV.
145Die Forderung der Klägerin ist nicht durch Aufrechnung erloschen. In der Klageerwiderung hat der Beklagte die Aufrechnung mit seinem quotalen Anteil an den Forderungen wegen der „Rückzahlung des Erbbauzinses sowie Schadensersatz“ erklärt. Diese Forderungen hat er zu keinem Zeitpunkt weiter konkretisiert. Er hat sie auch zweitinstanzlich nicht wieder explizit aufgegriffen. Der Senat geht davon aus, dass der Beklagte die Aufrechnung fallengelassen hat. Sieht man das anderes, so ist die Aufrechnung mangels Bestimmtheit (vgl. dazu BGH, Urteil vom 07. November 2001 – VIII ZR 263/00 –, BGHZ 149, 120-129) unzulässig.
146V.
147Soweit der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, solange die Klägerin die Positionen „Rückzahlung des Erbbauzinses sowie Schadensersatz“ nicht bilanziert, ist auch dies zu unbestimmt. Dieses Zurückbehaltungsrecht hat er nicht näher konkretisiert und es trotz fehlender Erwähnung im Urteil des Landgerichts zweitinstanzlich nicht wieder explizit aufgegriffen. Auch dieses Zurückbehaltungsrecht dürfte er damit fallengelassen haben. Andernfalls ist es als nicht ausreichend bestimmt zurückzuweisen (vgl. dazu Zöller/Greger § 253 ZPO, Rn. 13c, 18).
148VI.
149Nach § 17 S. 2 GV in der am 02.12.2009 geänderten Fassung steht die Klägerin den ausscheidenden Gesellschaftern dafür ein, dass sie für Schulden der Gesellschaft nicht in Anspruch genommen werden. Die Klägerin hat entsprechende Schreiben der Banken über die Haftentlassung im Termin im Original dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten übergeben. Von daher bedarf es es einer Zug-um-Zug-Verurteilung nicht, da sich auch aus dem Vortrag des Beklagten nicht ergibt, dass weitere Schulden der Gesellschaft bestehen.
150VII.
151Der Anspruch auf Zinsen und auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus Verzug (§§ 286 Abs. 1, 288 BGB). Der Beklagte hat den Auseinandersetzungsfehlbetrag trotz des Schreibens vom 26.09.2011 bis zum 15.11.2011 nicht gezahlt.
152C.
153Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
154Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
155Streitwert des Berufungsverfahrens: 58.080,01 €
156D… S… Dr. S…
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