Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-17 U 83/15
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 04.05.2015 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien am 07.01.2011 geschlossene Darlehensvertrag mit der Darlehenskontonummer 6277434053 über eine Nettodarlehenssumme von 40.000 € durch den mit Schreiben vom 03.12.2015 erklärten Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten beider Rechtszüge werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
II.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten um die Feststellung der Berechtigung des Klägers zum Widerruf eines Darlehensvertrags.
4Der Kläger schloss am 07.01.2011 mit der Beklagten einen dinglich gesicherten Darlehensvertrag über 40.000 € zu einem Nominalzinssatz von 4,8 % p.a.. Ziffer 14 der schriftlichen Vertragsurkunde (Anlage K 1, Bl. 6 ff. GA) enthält Informationen zum Widerrufsrecht des Klägers.
5Der Kläger hat die Feststellung begehrt, dass ihm das Recht zum unbefristeten Widerruf des Darlehensvertrags zustehe. Außerdem hat er von der Beklagten Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten von 2.193,65 € nebst Zinsen verlangt. Er hat geltend gemacht, die Frist für den Widerruf des Darlehensvertrags habe nicht zu laufen begonnen, weil die Widerrufsbelehrung den Anforderungen an eine deutliche und hervorgehobene Form nicht entspreche. Dies erfordere Sinn und Zweck der Belehrung, weil der Verbraucher nicht nur inhaltlich informiert werden solle, sondern auch in die Lage versetzt werden solle, das Widerrufsrecht auszuüben.
6Die Beklagte ist dem Begehren des Klägers entgegengetreten und hat zunächst darauf verwiesen, dass die von ihm erhobene Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresses unzulässig sei. Da es für den Kläger aus seiner Sicht jederzeit möglich sei, das Widerrufsrecht auszuüben, müsse ein Feststellungsantrag als subsidiär zu einer Leistungsklage angesehen werden. Im Übrigen entspreche die Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Vorgaben. Jedenfalls sei ein Widerruf des Darlehensvertrages rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger sich von dem Darlehensvertrag nicht wirklich lösen wolle, sondern nur die Herabsetzung des Zinssatzes anstrebe.
7Ergänzend wird wegen des Sach- und Streitstands sowie der erstinstanzlichen Anträge der Parteien auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
8Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, das erforderliche Feststellungsinteresse liege zwar vor. Ob die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß erfolgt sei, könne letztlich dahingestellt bleiben. Denn es liege jedenfalls ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor. Die Ausübung des Widerrufsrechts entspreche im vorliegenden Fall nicht dem Sinn des gesetzlichen Widerrufsrechts, das nicht dazu dienen solle, eine veränderte wirtschaftliche Situation auszunutzen, sondern es solle dem Verbraucher nur die Möglichkeit gegeben werden, sich von einem für ihn als nicht richtig erkannten Vertrag, den er zuvor nicht ausreichend habe prüfen und durchdenken können, doch noch lösen zu können. Der Kläger wolle sich jedoch eigentlich nicht vom Vertrag lösen, sondern bei der Beklagten einen günstigeren Zins erreichen.
9Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich der Kläger mit seinem Rechtsmittel. Er hat mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 03.12.2015 den Widerruf des Darlehensvertrags erklärt (Anlage K 4, Bl. 127 GA) und begehrt nunmehr die Feststellung, dass der Darlehensvertrag sich durch den Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis gewandelt habe. Neben den bereits erstinstanzlich gerügten Mängeln der Widerrufsbelehrung seien inhaltlich in dem Klammerzusatz, der Beispiele für die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB enthalte, mit den Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags und der Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde zwei Informationen aufgeführt worden, die im Falle eines grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensvertrags keine gesetzlichen Pflichtangaben seien. Ein Rechtsmissbrauch scheide aus, weil der Gesetzgeber sich in Kenntnis der Widerrufsthematik bewusst dazu entschieden habe, es bei dem „ewigen Widerrufsrecht“ zu belassen. Die Motivation des Klägers könne keine Rolle spielen, weil ein Widerruf nicht begründet werden müsse. Da die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß gewesen sei, sei seinem Rechtsmittel stattzugeben.
10Der Kläger beantragt,
11unter Abänderung des am 04.05.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Duisburg (4 O 383/14)
12- 13
1. festzustellen, dass der zwischen den Parteien bestehende Darlehensvertrag mit der Darlehens-Kreditkontonummer 6277434053 mit der Nettodarlehenssumme von 40.000 € durch den Widerruf im Schreiben vom 03.12.2015 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden ist,
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2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.193,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.08.2014 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Sie verteidigt die Entscheidung des Landgerichts unter Vertiefung und Wiederholung ihres Vortrags. Die nach dem Widerruf des Darlehensvertrags vorgenommene Klageänderung sei als neues Angriffsmittel im Berufungsrechtszug nicht zu berücksichtigen, weil sie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist hätte geltend gemacht werden müssen. Die Beispiele in dem Klammerzusatz seien für die inhaltliche Richtigkeit der Widerrufsbelehrung unschädlich. Jedenfalls habe der Kläger mit seinem Widerruf rechtsmissbräuchlich gehandelt.
18Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
19II.
20Die Berufung des Klägers ist zulässig und überwiegend begründet. Es ist festzustellen, dass sich der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag durch den Widerruf des Klägers vom 03.12.2015 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat. Dagegen steht dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten gegen die Beklagte zu.
211.
22Der Kläger hat in der Folge des von ihm kurz vor dem Senatstermin erklärten Widerrufs des Darlehensvertrags eine zulässige und im Berufungsrechtszug zu berücksichtigende Klageänderung vorgenommen. Die Zulässigkeit der Klageänderung im Berufungsrechtszug beurteilt sich nach § 533 ZPO. Die Beklagte hat in die Klageänderung zwar nicht eingewilligt. Jedoch ist die Klageänderung sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO), weil sie dazu führt, dass der Rechtsstreit zur Frage der Berechtigung des Widerrufs des Darlehensvertrags endgültig entschieden werden kann, während im Falle der Unzulässigkeit der Klageänderung zwischen den Parteien ein neuer Rechtsstreit zu diesem Thema geführt werden müsste. Die Klageänderung wird auch auf Tatsachen gestützt, die der Senat seiner Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrundezulegen hat (§ 533 Nr. 2
23ZPO). Denn nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO kann auf die neue Tatsache des Widerrufs des Darlehensvertrags am 03.12.2015 abgestellt werden. Dabei schadet es nicht, dass der Widerruf erst einen Tag vor dem Senatstermin erklärt worden ist. Denn dieser Widerruf ist nicht als neues Angriffsmittel im prozessrechtlichen Sinn zu werten, da hierdurch erst im Laufe des Berufungsverfahrens die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch des Klägers geschaffen und alsdann in den Prozess eingeführt werden. Die prozessrechtlichen Präklusionsvorschriften sollen die Partei anhalten, zu einem bereits vorliegenden Tatsachenstoff rechtzeitig vorzutragen; hingegen verfolgen sie nicht den Zweck, auf eine beschleunigte Schaffung der materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen hinzuwirken (BGH, MDR 2006, 201).
242.
25Die – auch nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässige - Klage ist zum Feststellungsantrag begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
26a) Der Kläger hat den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 03.12.2015 gem. §§ 495, 355 Abs. 1 BGB in der am 07.01.2011 geltenden Fassung (im Folgenden a.F.) wirksam widerrufen, so dass sich der Darlehensvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat (§§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 BGB a. F.). Die Widerrufsfrist von 14 Tagen steht nicht entgegen, da diese Frist aufgrund einer mangelhaften Widerrufsinformation in dem Darlehensvertrag nicht zu laufen begonnen hatte.
27aa) Nach §§ 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 BGB, 355 Abs. 3 BGB a.F. beginnt die Frist u.a., wenn der Verbraucher die Pflichtangaben zum Widerrufsrecht nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. erhalten hat. Zu den Pflichtangaben zum Widerrufsrecht nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F., der nach Art. 247 § 9 Abs. 1 S. 3 EGBGB auch auf Immobiliardarlehensverträge gemäß § 503 BGB anzuwenden ist, gehören auch Angaben zur Frist, d.h. der Verbraucher ist über den Fristlauf zutreffend zu belehren, damit er in die Lage versetzt wird, sein Widerrufsrecht auszuüben. Der Fristbeginn wird gem. § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 b) BGB a.F. nicht ausgelöst, bevor der Darlehensnehmer die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB, der seinerseits auf die Vorschriften des Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB verweist, erhalten hat. Die in dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag unter Punkt 14. enthaltene Widerrufsinformation weist auf diesen Umstand zwar zutreffend hin. Indessen treffen die in dem Klammerzusatz für die Pflichtangaben genannten Beispiele nicht sämtlich auf den hier vorliegenden Immobiliardarlehensvertrag zu. Denn nach Art. 247 § 9 Abs. 1 S. 1 und 3 EGBGB gehören zu den für diese Vertragsart zwingenden Angaben nicht solche zu dem bei der Kündigung des Vertrags einzuhaltenden Verfahren und zu der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde. Diese fehlerhaften Beispiele können beim Verbraucher zu Verwirrung über die erforderlichen Pflichtangaben und damit den Beginn der Widerrufsfrist führen und widersprechen damit dem Sinn und Zweck einer Widerrufsinformation, zumal im vorliegenden Fall in dem Darlehensvertrag jedenfalls ein Hinweis zur für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde nicht enthalten ist.
28Da bereits die in dem Klammerzusatz aufgeführten Beispiele von Pflichtangaben teilweise unzutreffend sind und die Frist für den Widerruf aus diesem Grund nicht zu laufen begonnen hat, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob eine Widerrufsinformation nur vollständig ist, wenn alle von § 492 Abs. 2 BGB umfassten Pflichtangaben aufgeführt werden (vgl. hierzu OLG München, Urteil vom 21.05.2015, 17 U 334/15).
29bb) Die Beklagte kann sich zur Erfüllung ihrer Informationspflicht nicht auf die Fiktion der Gesetzlichkeit der Angaben nach Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 2 EGBGB a.F. berufen. Denn die von der Beklagten verwendete Widerrufsinformation entspricht in dem bereits genannten Klammerzusatz zu § 492 Abs. 2 BGB nicht dem Muster der Anlage zu Art. 247 § 6 EGBGB a.F. Unabhängig vom Umfang der Abweichung bei einer textlichen Bearbeitung durch den Darlehensgeber entfällt damit die Gesetzlichkeitsfiktion (BGH, ZIP 2011, 1858 ff., Tz. 36-39).
30cc) Ein Fall unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB liegt nicht vor (a.A. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.11.2015, I-6 U 296/14). Auch wenn die gesetzgeberische Intention zur Einräumung eines Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehensverträgen darin bestand, dem Verbraucher einen Übereilungsschutz insofern einzuräumen, als er berechtigt sein soll, innerhalb einer kurzen Frist von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrags aufgrund der Tragweite eines solchen Geschäfts seine Entscheidung zu überdenken, bedeutet es dennoch keine unzulässige Rechtsausübung, wenn ein Verbraucher eine mangelhafte Widerrufsinformation und den damit nicht eingetretenen Fristbeginn dazu nutzt, sein Widerrufsrecht mit dem Ziel auszuüben, dass er bei demselben oder einem anderen Kreditgeber günstigere Zinskonditionen erreichen will.
31Die Frage, ob eine unzulässige Rechtsausübung vorliegt, erfordert eine Abwägung der beiderseitigen Interessen im Einzelfall. Nicht jede Unbilligkeit darf dazu führen, dass gesetzlich vorgesehene Ergebnisse über § 242 BGB korrigiert werden, so dass bei der Anwendung der unzulässigen Rechtsausübung Zurückhaltung geboten ist. Durch die Rechtsausübung muss eine Situation entstehen, die es als untragbar erscheinen lässt, das aus der Gesetzesanwendung folgende Resultat zu akzeptieren. Missbilligenswerte Motive des Rechtsinhabers allein erschüttern dessen Rechtsposition noch nicht (Staudinger/Olzen/Looschelders, BGB, Neubearbeitung 2015, § 242 Rz. 219-221; Münchener Kommentar zum BGB/Schubert, 7. Aufl., § 242 Rz. 208). Eine solche Situation ergibt sich bei der Ausübung des Widerrufsrechts mit dem Ziel, bessere Zinskonditionen zu erreichen, nicht (a.A. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.11.2015, I-6 U 296/14). Auszugehen ist zunächst von der gesetzgeberischen Grundentscheidung, den Widerruf des Darlehensvertrags nicht an eine Begründung zu knüpfen, so dass die Motive für den Widerruf keine Rolle spielen. Außerdem ist zu beachten, dass die Möglichkeit zur Ausübung des Widerrufsrechts auch längere Zeit nach Abschluss des Vertrags ausgelöst wird durch eine fehlerhafte Widerrufsinformation, die in der Verantwortlichkeit des Darlehensgebers selbst liegt. Es entsteht für den Kreditgeber auch keine schlechthin untragbare Situation. Zunächst besteht für ihn zumindest im Falle von lückenhaften Angaben die Möglichkeit, die fehlenden Angaben nachzuholen und so eine Widerrufsfrist von nunmehr einem Monat auszulösen (§ 492 Abs. 6 BGB). Wird der Widerruf innerhalb dieser Frist oder außerhalb der Nachholung von Angaben mangels laufender Frist ausgeübt, wandelt sich der Darlehensvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis, das den Verbraucher zur Rückzahlung der Darlehensvaluta zzgl. Nutzungsersatz verpflichtet. Durch dieses Rückgewährschuldverhältnis werden die Interessen des Darlehensgebers ausreichend gewahrt. Diese Situation ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vergleichbar mit derjenigen einer Aktiengesellschaft, deren Aktionärsversammlung mehrheitlich eine Verschmelzung beschlossen hat, dieser Beschluss jedoch von Minderheitsaktionären mit dem Ziel angefochten wird, sich das Anfechtungsrecht zur Vermeidung anfechtungsbedingter Nachteile und Schäden abkaufen zu lassen (vgl. hierzu BGH, ZIP 1989, 980 ff.). Dies gilt schon deshalb, weil sich die einer Aktiengesellschaft drohenden Schäden im Falle der erfolgreichen Anfechtung einer Verschmelzung in einer ganz anderen Größenordnung bewegen als die Folgen des Widerrufs eines einzelnen Darlehensvertrags für einen Kreditgeber. Außerdem ergab sich ein in besonderer Weise zu missbilligendes Verhalten der Minderheitsaktionäre dadurch, dass sie über das Angebot, die Anfechtung gegen die Zahlung höherer Beträge fallen zu lassen, sich Vorteile verschaffen wollten, auf die sie keinen Anspruch hatten und billigerweise auch nicht erheben konnten. Auch dies ist mit dem Versuch der Verhandlung günstigerer Zinssätze – im Falle des Scheiterns verbunden mit der Möglichkeit des Widerrufs des Darlehensvertrags – nicht vergleichbar.
32Gegen die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung spricht darüber hinaus, dass trotz der Entscheidung des Gesetzgebers, den Widerruf an keine Begründung zu knüpfen, der Verbraucher sich in Zeiten fallender Zinsen zur Vermeidung der Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung zu seinen Motiven äußern müsste. Wird er nach diesen nicht gefragt, so steht sich jedenfalls derjenige besser, der sich hinsichtlich seiner Motive bedeckt hält, während der sich freimütig äußernde Verbraucher ohne sachlichen Grund schlechter gestellt wäre.
33Aus der Entscheidung des europäischen und nationalen Gesetzgebers, im Bereich von Waren oder Dienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, eine Widerrufsmöglichkeit nicht vorzusehen (vgl. den heutigen § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 8 BGB), lässt sich für den Widerruf bei Darlehensverträgen kein allgemeiner Rechtsgedanke dahin ableiten, das Widerrufsrecht dürfe nicht dazu missbraucht werden, das Risiko von Finanzmarktschwankungen auf den Unternehmer abzuwälzen (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, a.a.O., S. 9). Denn die dort in den Fokus genommenen Geschäfte sind spekulative Geschäfte, deren Preise von sehr kurzfristig auftretenden hohen Finanzmarktschwankungen abhängen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 312 g, Rz. 11). Nur in diesen besonderen Fällen sollen Schwankungen, die innerhalb der Widerrufsfrist von 14 Tagen auftreten können, nicht einseitig dem Unternehmer aufgebürdet werden können. Die Refinanzierung von Kreditgebern bei der Ausreichung von Darlehen ist dagegen keinen vergleichbar kurzfristigen Schwankungen unterworfen. Dementsprechend sah sich der Gesetzgeber an der Einführung eines Widerrufsrechts nicht gehindert und hat auch die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Widerrufsinformation eines in den Grenzen der Verwirkung unbefristeten Widerrufsrechts nicht eingeschränkt.
34b) Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten von insgesamt 2.193,65 € nebst Zinsen zu. Denn er hat einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 286 BGB nicht schlüssig vorgetragen. Der Kläger stellt darauf ab, er habe vorgerichtlich die Beklagte dazu aufgefordert, das Bestehen seines Widerrufsrechts zu bestätigen, was die Beklagte verweigert habe. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Denn es bestand keine aus dem Darlehensvertrag folgende Pflicht der Beklagten dem Kläger gegenüber, für diesen die Voraussetzungen seines Widerrufsrechts zu prüfen und gegebenenfalls das Bestehen des Rechts zu bestätigen. Die Prüfung des Bestehens eines solchen Rechts war vielmehr Sache des Klägers selbst. Damit konnte die Beklagte auch nicht mit einer derartigen Pflicht in Verzug geraten.
35III.
36Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
37Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
38Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Frage einer unzulässigen Rechtsausübung zuzulassen.
39Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.000 € festgesetzt.
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