Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 12 U 105/98
Tenor
1
Tatbestand:
2Die Klägerin macht aus gemäß § 67 VVG übergegangenem Recht gegen die Beklagte Ansprüche ihrer Versicherungsnehmerin auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB und aus positiver Vertragsverletzung wegen eines Brandschadens in S geltend, wo in der Nacht vom 04. auf den 05. Mai 1993 durch Brandstiftung unbekannter Täter das bei der Klägerin als Gebäudeversicherer versicherte Mehrfamilienwohnhaus A-Straße ihrer Versicherungsnehmerin, der Firma X1 in S GmbH (im folgenden: Firma X1) beschädigt wurde.
3Bei diesem Gebäude handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus, welches aus zwei zusammen errichteten Gebäudeblöcken besteht. Das Gebäude hat 5 Obergeschosse und ist auf Stahlbetonstützen und -unterzügen errichtet. Im Erdgeschoß des Gebäudes sind offene Durchfahrten und Plätze sowie massive Einbauten der Treppenhäuser und teilweise massive Abgrenzungen für Mieterabstellräume vorhanden. In jedem Geschoß befinden sich insgesamt 16 Mietwohnungen, die unterschiedliche Wohnungsgrößen aufweisen.
4Unmittelbar neben diesem Gebäude befand sich im Jahre 1993 die Baustelle der Gesellschaft bürgerlichen Rechts "T", die dort ein Einkaufszentrum mit Geschäften sowie Arztpraxen errichtete und deren Generalunternehmerin die Beklagte war. Dieses Bauvorhaben war Anfang Mai im Rohbau fertig gestellt. Bei dem geplanten Neubau handelte es sich überwiegend um Geschäftsräume, die einseitig bis an das Gebäude der Firma X1 herangeführt wurden. In diesem Zusammenhang sollte auch ein Teil des Wohnhauses (Gebäude Nr. #) unterbaut werden, um dort ebenfalls Geschäftsräume zu errichten. Zu diesem Zwecke beabsichtigte die GbR T den Abschluß eines Pachtvertrages über die betreffende Fläche mit der Firma X1. In dem Entwurf eines schriftlichen Pachtvertrages war die gewerbliche Unterbauung, nicht aber die Nutzung als Baustofflager gestattet.
5Die Beklagte lagerte in den Hohlraum (Durchgang) des auf Betonpfeilern erstellten Gebäudes Baumaterial ab, bei dem es sich um Betonschutzmatten des Fabrikats "F", Brandgefahrenklasse B 2 der DIN 4102 (schwer entflammbar), nämlich auf Rollen gewickelte Dämmatten, sowie um leere Klebstoffeimer handelte, die nach der Behauptung der Klägerin Reste von leicht entzündbarem Klebstoff auf Bitumenbasis enthielten.
6Nach der Behauptung der Beklagten erfolgte ihre Lagerung dort mit Einverständnis der GbR T.
7Den Zugang zu den abgelagerten Materialien und zu dem durch Stelzen abgegrenzten Raum sicherte die Beklagte durch einen 2 m hohen Bauzaun aus ca. 6 mm starkem Draht mit Stahlrohrstützen, der aus 3 bis 4 m breiten, mit Draht verbundenen Einzelelementen bestand.
8In der Nacht vom 04. auf den 05. Mai 1993 setzten unbekannte Täter das gelagerte Material in Brand. An dem Gebäude entstand erheblicher Schaden. Verschiedene Bewohner des Hauses erlitten Rauchvergiftungen.
9Die Staatsanwaltschaft Rostock leitete wegen der Brandstiftung das Ermittlungsverfahren 234 Js 17576/93 ein, das mangels Ermittlung der Täter inzwischen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Im Schlußvermerk der Polizei vom 09.07.1993 heißt es unter anderem, daß als Brandursache die Zündung der Betonschutzmatten mit offener Flamme anzusehen sei; es sei nicht ausgeschlossen, daß zur Zündung Treibmittel verwendet worden seien.
10Die Klägerin hat zunächst mit ihrem am 24.12.1997 bei Gericht eingegangenen und am 19.01.1998 zugestellten Mahnbescheid Schadensersatz von 781.432,00 DM verlangt. Sodann hat sie mit ihrer Klagebegründung, auf deren Inhalt insoweit Bezug genommen wird, den von ihr nach ihrem Vortrag an ihre Versicherungsnehmerin X1 geleisteten Schadensersatz mit 697.492,53 DM geltend gemacht.
11Im einzelnen errechnet die Klägerin den genannten Schadensbetrag wie folgt:
121.
13Zeitwertschaden gemäß Gutachten des
14Sachverständigen Bauassessor Architekt
15Dipl.-Ing. C vom 15.03.1994: 635.876,00 DM
162.
17Aufräumungs- und Abbruchkosten gemäß
18Gutachten des Sachverständigen C: 24.437,50 DM
193.
20Rechnung des Ingenieur- und Planungsbüros
21X2 vom 03.08.1993 an die Klägerin
22über brutto: 9.572,60 DM
234.
24Rechnung des chemischen Labors X3
25und Partner vom 12.10.1993 an die Klägern
26über brutto: 13.197,86 DM
275.
28Rechnung des Sachverständigen C vom
2918.03.1994 an die Klägerin über brutto 14.408,57 DM
30Den Gesamtbetrag von 697.492,53 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit macht die Klägerin nunmehr gegen die Beklagte geltend.
31Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte ihr aus gemäß § 67 VVG übergegangenem Recht auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung von Sorgfaltspflichten und wegen positiver Vertragsverletzung aus einem Vertrag vom 29.04.1993, dessen Nebenpflichten über die Materiallagerung die Beklagte bewußt verletzt habe.
32Insoweit hatte die Beklagte unabhängig von dem Bauvorhaben der GbR T mit der Firma X1 einen schriftlichen VOB-Bauvertrag vom 29.04.1993 über die Fassadensanierung des Wohnhauses A-Straße abgeschlossen. In den vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Firma X1 heißt es unter anderem:
33"Die Lagerung feuergefährlicher bzw. leicht entflammbarer Materialien in den Baulichkeiten ist unzulässig.
34Die Lagerung anderer Materialien muß von der Bauleitung ausdrücklich gestattet werden."
35Zum Zeitpunkt des Schadens hatte die Beklagte mit ihren Arbeiten aufgrund dieses Vertrages noch nicht begonnen. Als vertragliche Frist für den Beginn der Ausführungsleistungen war insoweit der 07.06.1993 vereinbart. Bei sämtlichen gelagerten Materialien handelte es sich um solche, die mit diesem Vertrag nicht in Zusammenhang standen.
36Die Klägerin hat beantragt,
37die Beklagte zu verurteilen,
38an die Klägerin 697.492,53 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
39Die Beklagte hat beantragt,
40die Klage abzuweisen.
41Die Beklagte hat einen Anspruch der Klägerin nach Grund und Höhe bestritten. Sie ist der Auffassung, keine Sorgfaltspflichten verletzt zu haben.
42Ferner hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
43Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 06.05.1998, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt habe und sie kein Verschulden treffe. Ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung scheide schon deshalb aus, weil die Beklagte das Material nicht im Rahmen des Vertrages vom 29.04.1993 dort abgelagert habe.
44Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerechte Berufung der Klägerin, die unter Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin ihre streitige Forderung in vollem Umfange verfolgt.
45Die Klägerin ist der Auffassung, mit seiner Verfahrensweise habe das Landgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es zu Unrecht Vortrag der Beklagten aus der Klageerwiderung vom 29.04.1998 als unstreitig angesehen und zur Grundlage seiner Entscheidung vom 06.05.1998 gemacht habe, ohne der Klägerin die Möglichkeit zu der im Termin beantragten Stellungnahme binnen 2 Wochen zu geben. So habe das Landgericht fälschlicherweise den Abschluß eines Pachtvertrages der GbR mit der Firma X1 über die Lagerfläche und die Berechtigung der Beklagten zur dortigen Lagerung aufgrund ihres Vertrages mit der GbR zugrunde gelegt.
46Die Klägerin beantragt,
47unter Abänderung des angefochtenen Urteils
481.
49die Beklagte zu verurteilen,
50an die Klägerin 697.492,53 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
512.
52hilfsweise,
53unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
54Die Beklagte beantragt,
55die Berufung zurückzuweisen.
56Sie bestreitet weiterhin einen Anspruch der Klägerin nach Grund und Höhe einschließlich Zinsen. Sie tritt unter Vertiefung sowie Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens dem Sachvortrag der Klägerin entgegen.
57Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen in den Akten verwiesen.
58Die Akten 334 Js 17576/93 StA Rostock waren zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
59Entscheidungsgründe:
60Die zulässige Berufung der Klägerin führt gemäß § 538 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO zur Zurückverweisung der nicht entscheidungsreifen Sache an das Landgericht, das zu Unrecht den nach Grund und Höhe streitigen Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz als unbegründet abgewiesen hat.
61Der Schadensersatzanspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht gemäß § 67 VVG, § 823 Abs. 1 BGB ist dem Grunde nach gerechtfertigt, da der Versicherungsnehmerin der Klägerin, der Firma X1 GmbH in S (im folgenden: Firma X1), gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz ihres Schadens aus der Brandstiftung vom 04./05.05.1993 zusteht und die Klägerin ihrer Versicherungsnehmerin den Schaden ersetzt hat (§ 67 I 1 VVG).
62Es kann dahinstehen, ob das Verfahren in erster Instanz entsprechend der Auffassung der Klägerin an einem wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 539 ZPO leidet, weil nach Ansicht der Klägerin ihr das Landgericht das rechtliche Gehör zu der von der Beklagten am 29.04.1998 eingereichten Klageerwiderung durch Versagung der beantragten Schriftsatzfrist verweigert und deshalb seiner Entscheidung vom 06.05.1998 einen unzutreffenden Sachverhalt als unstreitig zugrunde gelegt hat. Gegen die Auffassung der Klägerin spricht, daß die Frist des § 132 Abs. 1 ZPO bei dem Schriftsatz der Beklagten vom 29.04.1998 gewahrt gewesen war. Jedenfalls kann aber die Frage eines Verfahrensfehlers offenbleiben, weil eine eigene Sachentscheidung des Senats zum Grunde des Anspruchs ohne Beweisaufnahme möglich und deshalb gemäß § 540 ZPO sachdienlich war.
63Die Aktivlegitimation der Klägerin folgt aus § 67 Abs. 1 VVG i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, dessen Voraussetzungen entgegen der Auffassung des Landgerichts vorliegen.
64Die Beklagte bestreitet in ihrer Berufungserwiderung ohne Erfolg, daß zwischen der Klägerin und der Firma X1 versicherungsvertragliche Beziehungen bestehen, ferner daß die Klägerin für den streitigen Schadensfall eintrittspflichtig war und daß sie den behaupteten Schaden ausgeglichen hat. Die Klägerin hat in ihrer Klagebegründung vom 30.03.1998 vorgetragen, daß sie die Gebäudeversicherung der Firma X1 betreffend deren Gebäude A-Straße in S ist und sie deren Schaden aus der Brandstiftung vom 04./05.05.1993 gemäß § 67 VVG aus übergegangenem Recht geltend macht. Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung vom 29.04.1998 vorgetragen, der streitgegenständliche Vorgang werde im Kern zutreffend angegeben. Die Beklagte hat sich in diesem Schriftsatz lediglich gegen ihren streitigen Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten sowie gegen die bestrittene Anspruchshöhe gewandt. Sie hat aber nicht die weiteren Voraussetzungen des § 67 VVG wie das Bestehen eines Versicherungsvertrages der Klägerin mit der Firma X1 und eines Schadensausgleiches durch die Klägerin in Abrede gestellt. Die Beklagte ist deshalb aufgrund ihres Schriftsatzes vom 29.04.1998, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 06.05.1998 war, unter dem Gesichtspunkt des prozessualen Geständnisses nach § 288 ZPO mit für die Berufungsinstanz bindender Wirkung (§ 532 ZPO) gehindert, jetzt erstmals diese laut Klageerwiderung "zutreffend angegebenen" versicherungsvertraglichen Beziehungen der Klägerin mit der Firma X1 und den Schadensausgleich seitens der Klägerin dem Grunde nach zu bestreiten. Im übrigen hat der Senat angesichts der zu den Akten gereichten Unterlagen und nach dem Inhalt der beigezogenen Ermittlungsakte der StA Rostock keinen Zweifel daran, daß die Klägerin tatsächlich die Gebäudeversicherung der Firma X1 für deren Gebäude A-Straße in S ist und sie der Firma X1 auch den streitigen Schaden ersetzt hat. In den Unterlagen und in der Ermittlungsakte ist stets vom Gebäude der Firma X1 als der Geschädigten aus der Brandstiftung vom 04./05.05.1993 die Rede. Die Klägerin hat den Bericht des Sachverständigen C vom 16.03.1994 zur Ermittlung der Schadenshöhe aus dem genannten Vorfall zur Schadensnummer ######## sowie zu ihrer Versicherungsscheinnummer ###### betreffend ihren Versicherungsnehmer X1 in Auftrag gegeben. Aus dem weiteren Schreiben der Klägerin vom 30.03.1999 ist zu entnehmen, daß sie die Überweisung der dort genannten Zahlung in einer die streitige Klageforderung übersteigenden Höhe an die Firma X1 veranlaßt hat. Angesichts dessen kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, daß die Klägerin als Gebäudeversicherer der Firma X1 dieser den streitigen Schaden ersetzt hat und insoweit die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG vorliegen.
65Der Schadensersatzanspruch der Firma X1 gegen die Beklagte folgt aus § 823 Abs. 1 BGB, wobei die Beklagte entsprechend § 31 BGB für den von ihrem örtlichen Bauleiter verursachten Schaden haftet.
66Die Lagerung der Dämmstoffmatten im Erdgeschoß unterhalb der Wohnungen des Gebäudes A-Straße verletzte das Eigentum der Firma X1 und war rechtswidrig.
67Die Beklagte hatte kein Recht, das Grundstück der Versicherungsnehmerin der Klägerin zur Lagerung von Baumaterialien zu nutzen. Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Beklagte aufgrund des von der Firma X1 mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts "T" geschlossenen Pachtvertrages im Verhältnis zur Firma X1 berechtigt gewesen sei, das Baumaterial auf dem Grundstück der Firma X1 unter dem in deren Eigentum stehenden Gebäude zu lagern. Ein solcher Pachtvertrag war entgegen den Feststellungen des Landgerichts zwischen der Firma X1 und der GbR T als der Auftraggeberin der Beklgten zur damaligen Zeit nicht abgeschlossen worden. Das ist im Berufungsverfahren unstreitig geworden und folgt aus dem an die damalige Auftraggeberin der Beklagten gerichteten Schreiben der Firma X1 vom 07.05.1993, in dem es hierzu heißt:
68"Da zwischen uns und Ihnen über den vom Brand betroffenen Teil des Gebäudes in der A-Straße noch kein Pachtvertrag abgeschlossen worden ist, der vorliegende Entwurf des Pachtvertrages darüber hinaus Ihnen nur die gewerbliche Unterbauung, nicht aber die Nutzung des Baustofflager gestattet und sie dort Baumaterial (ohne unsere Zustimmung) eingelagert haben, ...."
69Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat insoweit die inhaltliche Richtigkeit dieses Schreibens eingeräumt. Das Schreiben beweist, daß zwar seinerzeit zwischen der Firma X1 sowie der GbR T Verhandlungen über den Abschluß eines Pachtvertrages geführt worden waren und daß nach dem vorliegenden Entwurf des Pachtvertrages eine gewerbliche Unterbauung, nicht die Einlagerung von Baumaterial, im fraglichen Bereich vorgesehen war, aber jedenfalls zur Zeit der Brandstiftung vom 04./05.05.1993 noch kein Pachtvertrag abgeschlossen worden war. Aus einem Pachtvertrag zwischen der Firma X1 und ihrer Auftraggeberin konnte die Beklagte deshalb ihre Berechtigung zur Lagerung von Baumaterial im hier in Rede stehenden Bereich nicht herleiten. Auf die weitere Frage, ob auch bei Abschluß des vorgesehenen Pachtvertrages nach den vertraglichen Vereinbarungen dann überhaupt die Ablagerung von Baumaterial in diesem Bereich zulässig gewesen wäre, kommt es deshalb nicht mehr an. Offensichtlich war in dem geplanten Pachtvertrag keine Erlaubnis für die Einlagerung von Baumaterial vorgesehen, wie dem zitierten Schreiben der Firma X1 an die GbR vom 07.05.1993 zu entnehmen ist.
70Sonstige konkrete Anhaltspunkte für das erforderliche Einverständnis der Firma X1 mit der Lagerung des streitigen Materials durch die Beklagte in dem hier in Rede stehenden Gebäudebereich liegen nicht vor. Aus dem genannten Schreiben vom 07.05.1993 ergibt sich, daß die Einlagerung des Baumaterials ohne Zustimmung der Firma X1 erfolgt war und sie davon vor dem Schadensfalls auch keine Kenntnis besessen hatte. Gegen ihr Einverständnis spricht außerdem der von ihr am 29.04.1993 mit der Beklagten geschlossene schriftliche Bauvertrag über die Fassadensanierung der in Rede stehenden Wohnanlage durch die Beklagte, wo es in den vertraglich vereinbarten Besonderen Vertragsbedingungen der Firma X1 zu Ziff. 4 der ZVB wie folgt heißt:
71"Materiallagerung:
72Die Lagerung feuergefährlicher bzw. leicht entflammbarer Materialien in den Baulichkeiten ist unzulässig.
73Die Lagerung anderer Materialien muß von der Bauleitung ausdrücklich gestattet werden."
74Diese Klausel beschränkt sich bei verständiger Würdigung ihres Wortlauts sowie ihres Sinnzusammenhanges (§§ 133, 157 BGB) nicht nur auf den Fall der Lagerung in den Baulichkeiten selbst, sondern erfaßt angesichts der Besonderheit des hier auf Betonstützen errichteten Gebäudes auch die Einlagerung unterhalb dieses Hauses, die einer Lagerung im Gebäude selbst gleichzusetzen ist. Nach der zitierten Vorschrift war daher die Lagerung feuergefährlicher bzw. leicht entflammbarer Materialien durch die Beklagte generell unzulässig und mußte die Lagerung anderer Materialien von der Bauleitung ausdrücklich gestattet sein. Daran fehlt es hier. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, daß die Beklagte das Baumaterial nicht mit Rücksicht auf den Fassadenrenovierungsvertrag vom 29.04.1993 gelagert hatte. Denn wenn die Beklagte schon im Rahmen dieses Vertrages dort kein Material einlagern durfte, jedenfalls nicht ohne die ausdrückliche und hier fehlende Erlaubnis der Firma X1, dann war sie erst recht nicht im Zusammenhang mit der Ausführung eines anderen Bauvertrages, den die Beklagte mit der GbR T abgeschlossen hatte, dazu berechtigt. Die von der Klägerin bestrittene Erlaubnis der GbR zur Lagerung des Baumaterials hat keine rechtliche Bedeutung, weil es keine wirksame Erlaubnis eines Dritten zu Lasten anderer gibt.
75Die nach alledem rechtswidrige Eigentumsverletzung der Beklagten durch die ungenehmigte Lagerung des Baumaterials auf dem Grundstück der Versicherungsnehmerin der Klägerin war für den eingetretenen Schaden kausal.
76Die gelagerten Baumaterialien sind nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils, dessen Berichtigung nach § 320 I ZPO die Beklagte nicht beantragt hat, und nach den polizeilichen Feststellungen in der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Rostock in der Nacht vom 04. auf den 05.05.1993 von unbekannten Tätern in Brand gesetzt worden und haben den in Rede stehenden Schaden am Gebäude der Firma X1 verursacht. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, daß es sich bei den in Brand gesetzten Materialien um Betonschutzmatten der Marke F handelte, die gemäß DIN 4102 der Brandgefahrenklasse B 2 (schwer entflammbar) angehören. Unstreitig sind jedenfalls diese Dämmatten in Brand gesetzt worden, wie auch die Beklagte eingeräumt hat. Andere Brandursachen scheiden ersichtlich aus und hat die Beklagte nicht schlüssig dargelegt. Nach den polizeilichen Feststellungen in der Ermittlungsakte sind technische Ursachen und eine Selbstentzündung des Materials ausgeschlossen. Vielmehr wurde der streitige Brandschaden am Gebäude der Firma X1 dadurch verursacht, daß unbekannte Täter die Dämmatten in Brand setzten. Darauf, ob entsprechend dem Vortrag der Klägerin von der Beklagten außerdem auch leere Eimer mit Resten von Klebstoffen auf Bitumenbasis dort gelagert worden waren, kommt es deshalb nicht mehr an.
77Der Brandschaden ist entgegen der Auffassung des Landgerichts eine adäquat kausale Folge der Verletzungshandlung der Beklagten, also ihrer rechtswidrigen Lagerung des Baumaterials auf dem Grundstück der Firma X1. Nach der Lebenserfahrung liegt es nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit, daß in einer Großstadt zur Nachtzeit kriminelle Personen versuchen, abgelagertes Baumaterial in Brand zu setzen, wie es hier geschehen ist. Die Möglichkeit eines solchen Schadenseintritts ist nicht so entfernt, daß sie nach der Erfahrung des Lebens vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden kann (vgl. dazu RGZ 78, 272; Palandt-Heinrichs, BGB, 58. Aufl. 1999, Vorb. vor § 249 Rdn. 59 m.w.N.). Die von der Klägerin überreichte polizeiliche Kriminalstatistik für die Stadt S weist allein für das in Rede stehende Jahr 1993 insgesamt 144 Brandstiftungen aus. Dem steht der von der Beklagten zum Schutz des Materials errichtete Bauzaun nicht entgegen, weil er Brandstiftungen durch Dritte offensichtlich nicht zuverlässig verhindern konnte. Auch das Landgericht räumt in seinem angefochtenen Urteil ein, daß es für einen "zündelnden Täter" ein leichtes gewesen wäre, ohne Beiseiteschieben des Zaunes einen brennenden Gegenstand in den Materialbereich zu werfen (eine Lunte, ein Stück brennendes Papier oder ein Stück brennendes Holz).
78Der Kausalzusammenhang wird entgegen der Auffassung der Beklagten durch das vorsätzliche Handeln der unbekannten Täter nicht unterbrochen.
79Es ist anerkannt, daß aus dem vorsätzlichen Verhalten Dritter entstehende Schäden dem Erstschädiger nach dem Schutzzweck der verletzten Norm zuzurechnen sein können (vgl. Palandt a.a.O. Rdn. 76; BGHZ 106, 313, 316 = NJW 1989, 2127 ff.). Eine solche Zurechnung muß unter den vorliegenden Umständen erfolgen. Wie der BGH in der vorstehend zitierten Entscheidung darlegt, wird durch das auf freier Entschließung beruhende Verhalten eines Dritten die Kausalität eines früheren haftungsbegründenden Umstandes (Ereignisses) allenfalls dann unterbrochen, wenn dieser frühere Zustand (dieses frühere Ereignis) für das Dazutreten des Dritten und sein Verhalten völlig bedeutungslos und indifferent, mithin das Verhalten des Dritten von dem Vorhandensein oder von dem Nichtvorhandensein des früheren Umstandes (Ereignisses) gänzlich unabhängig war; hingegen wird die Ursächlichkeit des ersten, den konkreten Haftungsgrund bildenden Umstandes nicht ausgeschlossen, wenn dieser Umstand für das Verhalten des Dritten irgendwie bedingend war oder gar dieses Verhalten durch den ersten Umstand erst ausgelöst oder veranlaßt wurde.
80Danach ist hier eine Unterbrechung der Kausalität der Einlagerung des Baumaterials durch die Beklagte auf dem Grundstück der Firma X1 für den durch die Brandstiftung unbekannter Dritter entstandenen Schaden der Firma X1 nicht festzustellen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der durch die Brandstiftung verursachte Schaden gerade durch die Lagerung der Materialien auf dem Grundstück der Firma X1 ausgelöst worden ist. Es entspricht der Lebenserfahrung, daß Baustellen nicht selten das Ziel von vandalistischen Attacken einschließlich der Inbrandsetzung von Baumaterialien sind. Es war hier deshalb nicht völlig ungewöhnlich, daß die gelagerten Baustoffe im Erdgeschoß des Gebäudes der Firma X1 für entsprechend veranlagte Personen einen Anreiz dazu geben würden, zu versuchen, diese in Brand zu setzen. Angesichts dessen ist auch der Zurechnungszusammenhang zwischen der rechtswidrigen Materiallagerung der Beklagten und dem geltend gemachten Schaden zu bejahen.
81Die Zurechnung des Schadens wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß dieser erst unmittelbar durch das weitere Ereignis, das Eingreifen eines Dritten, die Brandstiftung, ausgelöst worden ist. Nach gefestigter Rechtsprechung wäre dafür erforderlich, daß die Ursächlichkeit des ersten Umstandes für das zweite Ereignis bei rechtlicher Wertung nach dem Schutzzweck der Norm völlig unerheblich war (vgl. dazu BGH a.a.O. und NJW-RR 1988, 731 sowie VersR 1988, 640). Bei der gebotenen rechtlich wertenden Betrachtung ergibt sich hier, daß die Folgen des haftungsbegründenden Tuns der Beklagten noch in den Bereich der Gefahr fallen, zu deren Abwehr § 823 Abs. 1 BGB erlassen worden ist. Diese Vorschrift dient auch der Verhinderung und dem Ausgleich von Schäden, die durch rechtswidrige Eingriffe in das Eigentum, wie sie die vorliegende rechtswidrige Materiallagerung auf einem fremden Grundstück darstellt, verursacht werden. Ein solcher Schaden hat sich hier verwirklicht.
82Die Beklagte hat schließlich auch fahrlässig schuldhaft gehandelt (§ 276 BGB).
83Ihr fahrlässiges Verhalten bezieht sich sowohl auf die Verletzungshandlung, die rechtswidrige Materiallagerung, als auch auf den Eintritt des Schadens. Die Beklagte hatte aus den dargelegten Gründen keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, anzunehmen, daß ihr die Firma X1 die Lagerung der in Rede stehenden Baumaterialien auf ihrem Grundstück gestattet hatte. Aufgrund der zitierten Klausel des Fassadensanierungsvertrages mußte sie davon ausgehen, daß die Lagerung feuergefährlicher bzw. leicht entflammbarer Materialien generell unzulässig war und die Lagerung anderer Materialien auf dem Grundstück der Firma X1 ausdrücklich gestattet sein mußte. Aber auch unabhängig von dieser Klausel hätte sich die Beklagte bei der Versicherungsnehmerin der Klägerin zumindest danach erkundigen müssen, ob sie überhaupt das streitige Material in dem in Rede stehenden Bereich des Grundstückes, das bekanntermaßen nicht der Auftraggeberin der Beklagten gehörte, abgelagert werden durfte. Das hat die Beklagte unstreitig unterlassen und ist ihr vorzuwerfen. Das fahrlässige Verschulden der Beklagten erstreckt sich auch auf die schädigende Brandstiftung, weil die Beklagte damit hätte rechnen müssen, daß auf unbefugte dritte Personen durch die abgelagerten Baumaterialien ein Anreiz zur Brandstiftung verübt werden konnte und daß der aufgestellte Drahtzaun von seiner Beschaffenheit her wegen der dargelegten Möglichkeit, brennende Stoffe über diesen Zaun auf das Material zu werfen, nicht dazu geeignet war, eine solche Brandstiftung mit den daraus resultierenden Gebäudeschäden für die Firma X1 zu verhindern.
84Die Klägerin hat deshalb aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 823 Abs. 1 BGB, 67 I 1 VVG.
85Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche sind nicht nach § 852 Abs. 1 BGB verjährt.
86Zwar hat die Beklagte ihre erstinstanzlich erhobene Einrede der Verjährung in der Berufungsinstanz nicht ausdrücklich wiederholt. Dies war aber auch nicht erforderlich, da es genügt, wenn die Verjährungseinrede einmal erhoben worden ist (vgl. BGH NJW 1990, 326). Dafür, daß sich die Beklagte jetzt nicht mehr auf die angeblich eingetretene Verjährung berufen will, liegt kein konkreter Anhaltspunkt vor. Jedoch ist die Verjährungseinrede nicht begründet, weil ausweislich der unstreitigen vorprozessualen Korrespondenz die Beklagte mit Schreiben vom 1.09.1995 einen Verjährungsverzicht bis zum 23.08.1996 erklärt hat. Mit Schreiben vom 23.05.1996 wurde der Verjährungsverzicht bis zum 31.12.1996 verlängert. Schließlich hat die Beklagte durch ihre Haftpflichtversicherung mit Schreiben vom 30.12.1996 auf die Einrede der Verjährung bis zum 31.12.1997 verzichtet. Die Verjährung ist demnach durch den am 24.12.1997 beantragten Mahnbescheid vom 9.1.1998 rechtzeitig unterbrochen worden (§ 693 Abs. 2 ZPO, § 209 II 1 BGB).
87Die Höhe des Schadens, mit der sich das Landgericht konsequenterweise nicht befaßt hat, ist weiterhin streitig und nicht ohne Beweisaufnahme entscheidungsreif. Schon jetzt ist aber nach dem bisherigen Sach- und Streitstand davon auszugehen, daß der geltend gemachte Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit der Höhe nach wenigstens teilweise besteht, was für ein Grundurteil ausreichend ist (vgl. z.B. BGH ZfBR 1995, 292, 296).
88Auf die Berufung der Klägerin war nach alledem gemäß § 538 I 3 ZPO der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückzuverweisen. Von einer eigenen Sachentscheidung nach § 540 ZPO hat der Senat abgesehen. Zur Klärung der Höhe des Schadensersatzanspruches bedarf es der Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die durch die Zurückverweisung verursachte Verfahrensverzögerung die Aussicht der Klägerin auf eine Realisierung des ihr zustehenden Anspruches verringern wird. Daher erscheint im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen der mit einer Zurückverweisung verbundenen Verzögerung und Verteuerung des Verfahrens auf der einen und dem Interesse der Parteien an der Wahrung des vollen Instanzenzuges auf der anderen Seite (vgl. dazu BGH ZfBR 1993, 221, 222) unter den vorliegenden Umständen eine eigene Sachentscheidung des Senats zur Höhe gemäß § 540 ZPO nicht als sachdienlich.
89Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- BGB § 209 Wirkung der Hemmung 1x
- BGB § 823 Schadensersatzpflicht 7x
- ZPO § 538 Zurückverweisung 1x
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- ZPO § 540 Inhalt des Berufungsurteils 3x
- 334 Js 17576/93 1x (nicht zugeordnet)
- § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 276 Verantwortlichkeit des Schuldners 1x
- BGB § 31 Haftung des Vereins für Organe 1x
- 234 Js 17576/93 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 320 Berichtigung des Tatbestandes 1x
- § 67 Abs. 1 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 852 Herausgabeanspruch nach Eintritt der Verjährung 1x
- ZPO § 532 Rügen der Unzulässigkeit der Klage 1x
- StPO § 170 Entscheidung über eine Anklageerhebung 1x
- BGB § 157 Auslegung von Verträgen 1x
- ZPO § 132 Fristen für Schriftsätze 1x
- ZPO § 288 Gerichtliches Geständnis 1x
- ZPO § 539 Versäumnisverfahren 1x
- § 67 I 1 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- § 67 VVG 5x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 693 Zustellung des Mahnbescheids 1x