Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 2 Ws 36/20
Tenor
I.
Der Besetzungseinwand des Angeklagten zu I. ist gegenstandslos.
II.
Der Besetzungseinwand des Angeklagten zu II. wird auf seine Kosten verworfen.
1
Gründe:
2I.
3Die Staatsanwaltschaft Hagen hat am 28.11.2017 vor dem Landgericht – große Strafkammer – Hagen Anklage gegen die Angeklagten zu I. und zu II. wegen gemeinschaftlichen Betruges in 94 Fällen in Tateinheit mit Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und gegen den Angeklagten zu III. wegen Beihilfe zu den Betrugstaten tateinheitlich mit Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr erhoben.
4Mit Eröffnungsbeschluss vom 27.01.2020 hat das Landgericht – 1. große Wirtschaftsstrafkammer – Hagen die Anklageschrift zur Hauptverhandlung zugelassen. Zugleich hat sie gemäß § 76 GVG die Besetzung des Gerichts mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen mitgeteilt.
5Mit Verfügung vom selben Tage hat der Kammervorsitzende Termin zur Hauptverhandlung für den 03.03.2020 bestimmt mit Fortsetzung am 10.03.2020, 11.03.2020, 17.03.2020, 20.03.2020, 23.03.2020, 06.04.2020, 07.04.2020 und 08.04.2020.
6Mit Schreiben vom 05.02.2020 hat der Schöffe M um seine Entbindung gebeten und zur Begründung der Kammer mitgeteilt, er sei am 23.03.2020 verhindert, weil er zu einer Krisenstabsübung durch das Institut der Feuerwehr in N einberufen sei und in seiner Eigenschaft als Leiter des städtischen Ordnungsamtes ständiges Mitglied des Krisenstabes der Stadt I und zur Teilnahme an regelmäßigen Übungen verpflichtet sei.
7Auf fernmündliche Nachfrage des Strafkammervorsitzenden vom 07.02.2020 hat der Schöffe ergänzend dargelegt, die dreitägige Übung dauere vom 23.03.2020 bis zum 25.03.2020, sie sei sehr kostspielig, aber auch sehr gut und wichtig und werde in dieser Form nur alle zwei bis drei Jahre angeboten, wobei es schwierig sei, dann einen Platz zu erhalten.
8Mit Verfügung vom 07.02.2020 hat der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer den Schöffen aufgrund seines Antrages für die Sitzung der Strafkammer am 03.03.2020 als Schöffe entbunden. Zugleich hat er verfügt, dass der nach der Reihenfolge der Hilfsschöffenliste an nächster Stelle stehende Hilfsschöffe zu laden sei, was letztlich auch so geschehen ist.
9Mit Faxschreiben vom 25.02.2020 ist den Verfahrensbeteiligten die Kammerbesetzung mitgeteilt worden.
10Zu Beginn der Hauptverhandlung am 03.03.2020 – vor Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache – hat der Angeklagte zu I. die Besetzung der Kammer im Hinblick auf die Ersetzung des Schöffen M gerügt. Zur Begründung hat der Angeklagte zu I. durch seinen Verteidiger im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Verhandlungstag am 23.03.2020 um einen kurzen Termin mit Beginn um 13:00 Uhr handele, für den es kein eigenes Programm gebe. Auf die Verhinderung des eigentlich gesetzlich zuständigen Schöffen hätte auch durch einen Verzicht auf die Durchführung des Fortsetzungstermins vom 23.03.2020 reagiert werden können, ohne dass die Einhaltung der Dreiwochenfrist gemäß § 229 Abs. 1 StPO gefährdet gewesen wäre.
11Diesem Besetzungseinwand hat sich der Angeklagte zu II. durch Erklärung seines Verteidigers zu Protokoll am 03.03.2020 angeschlossen.
12Mit Beschluss vom 03.03.2020 hat das Landgericht Hagen – 1. große Wirtschaftsstrafkammer – in Besetzung mit drei Berufsrichtern den Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung der Kammer zurückgewiesen und die Sache dem Senat gem. § 222b Abs. 3 S. 1 StPO zur Entscheidung vorgelegt.
13Mit Zuschrift vom 06.03.2020 hat die Generalstaatsanwaltschaft Hamm zu dem jeweiligen Besetzungseinwand Stellung genommen und beantragt, den Besetzungseinwand zu verwerfen.
14Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 09.03.2020, den Verteidigern per Fax mitgeteilt am 10.03.2020, haben die Angeklagten bzw. deren Verteidiger Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft binnen drei Tagen erhalten.
15Der Angeklagte zu I. hat mit Schriftsatz seiner Verteidiger vom 19.03.2020 Stellung genommen und nochmals unterstrichen, dass es nach seinem Dafürhalten auch möglich gewesen wäre, einen Ersatztermin abzustimmen.
16Auf diese Argumentation stützt sich auch die Stellungnahme des Angeklagten zu II. in dem Schriftsatz seines Verteidigers vom 11.03.2020.
17Zwischenzeitlich hat der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer dem Senatsvorsitzenden fernmündlich mitgeteilt, dass das Verfahren gegen den Angeklagten zu I. durch Beschluss der Kammer vom 10.03.2019 abgetrennt und wegen der derzeitigen Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten zu I. nach § 205 StPO vorläufig eingestellt worden ist.
18II.
19Mit der Einstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten zu I. nach § 205 StPO ist dessen Besetzungseinwand gegenstandslos geworden. Gegen den Angeklagten zu I. wird derzeit nicht mehr verhandelt; die Besetzung des Spruchkörpers im Falle einer Genesung des Angeklagten zu I. ist noch unbekannt.
20Eine Kostenentscheidung des Senats ist wegen der prozessualen Überholung des Besetzungseinwandes des Angeklagten zu I. insoweit nicht veranlasst.
21III.
22Der Besetzungseinwand des Angeklagten zu II. ist zulässig, aber unbegründet.
23Nach § 222b Abs. 3 S. 1 StPO i.V.m. § 121 Abs. 1 Nr. 4 GVG ist der Senat für die Entscheidung zuständig, nachdem die Kammer den erhobenen Einwand für nicht begründet erachtet hat.
24Der Besetzungseinwand ist form- und fristgerecht nach § 222b Abs. 1 StPO erhoben worden.
25Für die Erhebung des Besetzungseinwandes außerhalb der Hauptverhandlung ist gem. § 222b Abs. 1 S. 4 StPO angeordnet, dass dies nur schriftlich erfolgen kann; im Rahmen der Hauptverhandlung kann der Einwand auch mündlich erhoben und begründet werden; es ist auch möglich, dass sich ein Beteiligter den Einwendungen eines anderen anschließt (vgl. Meyer- Goßner/Schmidt, StPO, 62. Aufl., § 222b, Rn. 5). Hier hat sich der Angeklagte zu II. dem in der Hauptverhandlung noch vor Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache erhobenen Besetzungseinwand des Angeklagten zu I. zu Protokoll formell ordnungsgemäß angeschlossen.
26Der Besetzungsweinwand ist auch fristgerecht erfolgt. Gemäß § 222b Abs. 1 S. 1 StPO kann dieser Einwand nur innerhalb einer Woche nach Zustellung der Besetzungsmitteilung erfolgen oder, soweit eine Zustellung nicht erfolgt ist, nach Bekanntmachung der Besetzung in der Hauptverhandlung geltend gemacht werden. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls ist den Beteiligten die Kammerbesetzung formlos per Fax am 25.02.2020 mitgeteilt worden.
27Der Besetzungseinwand ist jedoch unbegründet.
28Er wäre nur dann begründet, wenn der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer den Schöffen M zu Unrecht, d.h. unter Verstoß gegen § 54 Abs. 1 GVG, von seiner Schöffenpflicht für den maßgebenden Hauptverhandlungstermin am 03.03.2020 entbunden und dem Angeklagten zu II. damit den gesetzlichen Richter i.S.v. Art. 101 S. 2 GG entzogen hätte.
29Nach §§ 77 Abs. 3 S. 3, 54 Abs. 1 GVG kann der Vorsitzende einer Strafkammer des Landgerichts einen Schöffen auf dessen Antrag wegen eingetretener Hinderungsgründe von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen entbinden. Ein Hinderungsgrund liegt vor, wenn der Schöffe an der Dienstleistung durch unabwendbare Umstände gehindert ist oder wenn ihm die Dienstleistung nicht zugemutet werden kann.
30Hier ist der Kammervorsitzende davon ausgegangen, dass es dem Schöffen M wegen berufsbedingter Verhinderung unzumutbar ist, seine Schöffenpflicht am Sitzungstag zu erfüllen. In Fällen der Unzumutbarkeit im Sinne der §§ 77 Abs. 3 S. 3, 54 Abs. 1 GVG ist die Dienstleistung als Schöffe zwar möglich, jedoch nur unter solchen Erschwerungen und Nachteilen, die dem Schöffen auch unter Berücksichtigung der Bedeutung des Schöffenamts nicht zugemutet werden können.
31Ob einem Schöffen die Dienstleistung im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 1 GVG zugemutet werden kann, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist – zur Wahrung des Rechts auf den gesetzlichen Richter – ein strenger Maßstab anzulegen. Berufliche Gründe rechtfertigen dabei nur ausnahmsweise die Verhinderung eines Schöffen. Zu berücksichtigen sind daher lediglich Berufsgeschäfte, die der Schöffe nicht oder nicht ohne erheblichen Schaden für sich oder den Betrieb aufschieben oder bei denen er sich nicht durch einen anderen vertreten lassen kann, weil die Geschäfte ihrer Art nach ein Vertreter nicht zulassen oder ein geeigneter Vertreter nicht zur Verfügung steht (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 04.02.2015, 2 StR 76/14, zitiert nach juris). Der zur Entscheidung nach § 54 Abs. 1 GVG berufene Richter hat unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Schöffen, des Verfahrensstandes und der voraussichtlichen Dauer des Verfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen über die in Rede stehende Entbindung zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 02.05.2018, 2 StR 317/17 m.w.N, zitiert nach juris).
32Diese Ermessensentscheidung des Kammervorsitzenden ist durch den Senat im Rahmen der Überprüfung nach § 222b Abs. 3 StPO lediglich am Willkürmaßstab zu messen.
33Dies hat der BGH unter Geltung der alten Rechtslage vor Novellierung des § 222b StPO durch das am 13.12.2019 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10.12.2019 mit Blick auf § 54 Abs. 3 S. 1 GVG, § 336 S. 2 Alt. 1 StPO klargestellt. Eine Richtigkeitsprüfung kommt danach über den Willkürmaßstab hinaus nicht in Betracht und ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2013, 3 StR 162/13; Urteil vom 05.08.2015, 5 StR 276/15, Urteil vom 08.05.2018, 5 StR 108/18 u.a., jeweils zitiert nach juris). Das Revisionsgericht hatte – nach der bis zum 13.12.2019 geltenden Rechtslage – die Entscheidung auf eine diesbezügliche Verfahrensrüge nicht auf ihre Richtigkeit, sondern allein daraufhin zu überprüfen, ob sie sich unter Berücksichtigung des Grundgedankens des § 54 GVG als unvertretbar und damit als objektiv willkürlich erweist (vgl. BGH Urteil vom 02.05.2018, 2 StR 317/17 m.w.N, zitiert nach juris). Willkür in diesem Sinne liegt nicht erst bei einer bewussten Fehlentscheidung, sondern bereits dann vor, wenn die mit der Entbindung des Schöffen verbundene Bestimmung des gesetzlichen Richters grob fehlerhaft ist und sich so weit vom Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt, dass sie nicht mehr gerechtfertigt erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2016, 2 StR 342/15, zitiert nach juris).
34Dieser im bisherigen Revisionsrecht bestehende Prüfungsmaßstab hat auch nach Neueinführung des § 222b Abs. 3 StPO weiterhin Geltung. Ziel der Neuregelung ist ausweislich den Gesetzgebungsmaterialien (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 05.11.2019, BTDrucks. 19/14747) die Verfahrensbeschleunigung und Verfahrensvereinfachung. Diese Intention wird auch in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz geteilt (vgl. BTDrucks 19/15161 vom 13.11.2019). Mit der Einführung des Vorabentscheidungsverfahrens über Besetzungsrügen soll ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 222b Abs. 3 StPO der erhobene Einwand vorschriftswidriger Besetzung des Gerichts unter Wahrung der Verfahrensrechte des Angeklagten schon vor oder zu Beginn der Hauptverhandlung abschließend durch ein höheres Gericht beschieden werden. Die Hauptverhandlung soll bis zur Entscheidung über den Besetzungseinwand fortgesetzt werden können. Der verfassungsrechtlich verbürgte Anspruch des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter soll durch die Novellierung weiterhin geschützt werden.
35Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien regelt § 222b Abs. 3 StPO den weiteren Verlauf des Vorabentscheidungsverfahrens, ohne dass sich daraus Rückschlüsse auf einen etwaigen, von der bisherigen Rechtslage abweichenden Prüfungsmaßstab ziehen lassen.
36Ersichtlich nicht gewollt war eine Neuregelung im Sinne einer Verschärfung des Prüfungsmaßstabes. Es sollte lediglich um eine Vorverlagerung der nach „altem“ Recht ausschließlich im Rahmen der Revision durchzuführenden Willkürprüfung der Gerichtsbesetzung vorgenommen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Gesetzgebungsmaterialien zu den Änderungen in § 338 StPO. Durch diese werden lediglich die Neuregelungen des § 222b Abs. 3 StPO im Revisionsverfahren berücksichtigt.
37Gemessen an dem damit weiterhin geltenden Willkürmaßstab erweist sich die Entscheidung des Kammervorsitzenden, den Schöffen M wegen Unzumutbarkeit der Dienstleistung im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 2 GKG von seiner Schöffenpflicht in Bezug auf die am 03.03.2020 beginnende bzw. begonnene Hauptverhandlung zu entbinden, nicht als willkürlich.
38Dies gilt zunächst für die Feststellung, dass dem Schöffen ein Erscheinen am 23.03.2020 aus beruflichen Gründen nicht zugemutet werden kann. Der Schöffe hat mit der Teilnahme an der Krisenstabsübung in der Zeit vom 23.03.2020 bis zum 25.03.2020 eine ihn gerade in seiner Funktion als Leiter des Fachbereichs öffentliche Sicherheit der Stadt I treffende höchstpersönliche und damit nicht vertretungstaugliche und nicht aufschiebbare dienstliche Verpflichtung zu erfüllen. Unter Berücksichtigung des seitens des Schöffen gestellten Antrages und der im Vermerk vom 07.02.2020 festgehaltenen ergänzenden telefonischen Rücksprache des Kammervorsitzenden war dieser in der Lage, in der gebotenen Weise sorgfältig zu prüfen, ob die dienstlichen Verpflichtungen des Schöffen seine persönliche Anwesenheit bei der genannten Krisenstabsübung erfordern, was der Kammervorsitzende in nicht zu beanstandender Weise bejaht hat.
39Hierauf fußt die Entscheidung des Kammervorsitzenden, den Schöffen von seiner Schöffenpflicht für den gesamten Hauptverhandlungstermin zu entbinden. Aus §§ 45, 50 GVG ergibt sich, dass der Schöffe einem bestimmten Sitzungstag des Gerichts zugelost wird. Abzustellen ist dabei stets auf den Tag, an dem die Hauptverhandlung beginnt; die Zuteilung gilt dann für die gesamte Hauptverhandlung. Hieraus ergibt sich mit Blick auf § 213 Abs. 1, Abs. 2 StPO, dass die „Hauptverhandlung“ nicht nur der einzelne Sitzungstag, sondern die Zusammenfassung sämtlicher, insbesondere bereits im Vorhinein terminierter Sitzungstage ist. Als Sitzungstag i.S.d. § 54 Abs. 1 GVG ist korrespondierend mit §§ 45, 50 GVG der Tag zu verstehen, an dem die Hauptverhandlung beginnt, und zwar in ihrer konkreten, durch den Vorsitzenden bei der Terminsbestimmung festgelegten Form, die der Ladung des Schöffen zugrunde liegt.
40Dies vorangestellt war es auch nicht willkürlich, den Schöffen aufgrund der Verhinderung an einem einzelnen Sitzungstag von seiner Pflicht für den gesamten Hauptverhandlungstermin zu entbinden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn man bei einer Konstellation wie der vorliegenden eine Pflicht des Vorsitzenden bejahen würde, nach einem Ersatztermin zu suchen und die Hauptverhandlung gleichzeitig für den Tag der Verhinderung unter Wahrung der Dreiwochenfrist des § 229 Abs. 1 StPO zu unterbrechen, um diese dann an dem zwischenzeitlich bestimmten Ersatztermin fortzusetzen. Eine solche Verpflichtung lässt sich dem Gesetz jedoch – auch unter Berücksichtigung des Art. 101 S. 2 GG – nicht entnehmen.
41Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. In seinem Urteil vom 14.12.2016, 2 StR 342/15 (zitiert nach juris) hat der BGH ausgeführt, dass es sich bei beruflichen Verhinderungen in der Regel um eher verhältnismäßig kurze Verhinderungen handeln wird, denen durch die Möglichkeit einer Unterbrechung der Hauptverhandlung angemessen Rechnung getragen werden könne. Dies ist aus Sicht des Senats jedoch nicht so zu verstehen, dass der Kammervorsitzende die Pflicht hat, die Hauptverhandlung bis zu den gesetzlichen Grenzen zu unterbrechen, um die Entbindung eines Schöffen zu vermeiden, und einen wegen Verhinderung des Schöffen in der mitgeteilten Besetzung undurchführbaren Sitzungstag durch einen neu zu bestimmenden „Ersatztermin“ aufzufangen. Gemeint sind nach dieser Rechtsprechung eher derart kurzfristige Unterbrechungen, die es ermöglichen, die Hauptverhandlung wie geplant mit einer Unterbrechung im Verlauf des geplanten Terminstages ohne Notwendigkeit neuer Termine durchzuführen. Eine Pflicht, die gesamte Terminierung mit Rücksicht auf die zeitweise Verhinderung des Schöffen zu verändern, wird gerade nicht statuiert. Hiergegen spricht bereits das in Strafsachen allgemein und in Haftsachen besonders geltende Beschleunigungsgebot (vgl. BGH, Beschluss vom 08.05.2018, 5 StR 108/18 in Bezug auf eine Haftsache, zitiert nach juris).
42Die Entbindungsentscheidung des Kammervorsitzenden genügt mit Blick auf den Inhalt des Antrages, der dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung vorgelegen hat, ergänzt durch den Vermerk des Kammervorsitzenden vom 07.02.2020, auch dem Dokumentationserfordernis des § 54 Abs. 3 S. 2 GVG.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 464 Abs. 2 StPO i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO analog. Aus der Gesetzesbegründung für die Neuregelung des § 222b Abs. 3 StPO ergibt sich, dass hinsichtlich der Kostengrundentscheidung kein Regelungsbedarf gesehen wurde, da diese sich nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 464 ff. StPO) richten soll.
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