Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 45 U 28/19
Tenor
Auf die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 31.07.2019 teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.904,16 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.02.2019 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs T mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ##.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.029,35 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.02.2019 zu zahlen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers und die weitergehende Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
Wegen der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bleibt es bei der Entscheidung des Landgerichts Dortmund vom 31.07.2019.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 64% und die Beklagte 36%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 29.990,00 € festgesetzt. Davon entfallen 18.240,42 € auf die Berufung des Klägers und 11.749,58 € auf die Berufung der Beklagten.
1
Gründe:
2 3I.
4Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit dem „Diesel-Abgas-Skandal“ geltend.
5Die Beklagte teilt sich innerhalb des Konzerns in unterschiedliche Business Units auf. Zu ihren Tochtergesellschaften zählen u.a. die Audi AG, Seat S.A., Skoda a.s., aber auch Marken wie Volkswagen PKW. Die Geschäftspolitik dieser Konzerntöchter wird von der Beklagten bestimmt.
6Auf der Grundlage einer verbindlichen Bestellung vom 10.12.2011 erwarb der Kläger das Fahrzeug T mit der Identifizierungsnummer ## zum Kaufpreis von 29.990,00 € bei dem Autohaus M in E. Wegen der weiteren Einzelheiten der verbindlichen Bestellung wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift vom 29.12.2018 Bezug genommen.
7Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 21.12.2011 ausgeliefert. Es verfügt über einen von der Beklagten entwickelten und produzierten Dieselmotor mit der herstellerinternen Typenbezeichnung ##. Für diesen Typ war die Genehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 171 vom 29.06.2007, nachfolgend Verordnung 715/2007/EG) erteilt worden - mit der Schadstoffklasse Euro 5. Das Fahrzeug ist mit einer Software ausgestattet worden, die den Stickoxidausstoß im Prüfstandbetrieb, sogenannter „Modus 1“, reduziert. Die maßgeblichen Abgaswerte werden unter Laborbedingungen im „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ ermittelt. Alle Fahrzeuge müssen im Testlauf bestimmte Emissionsgrenzwerte einhalten, um eine Typgenehmigung der Euro 5-Norm zu erhalten. Die in dem T des Klägers eingesetzte Software verfügt über eine Fahrzykluserkennung, die bemerkt, wenn der Wagen auf dem Prüfstand betrieben wird und den „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ durchläuft. Hierdurch wird dann durch eine - von der Beklagten so bezeichnete - „Abschaltautomatik“ bzw. „Umschaltlogik“ im Testbetrieb der Abgasrückführungsmodus 1 aktiviert, im herkömmlichen Straßenverkehr hingegen der Modus 0. Im Modus 1 werden die Grenzwerte der Euro 5-Norm eingehalten, im Modus 0 hingegen nicht. Nur aufgrund dieser Software, die erkennt, dass das Fahrzeug einem Prüfstandtest unterzogen wird, hält der Motor während des Prüftstandtests die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte ein. Unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr wird der Wagen anderweitig betrieben, nämlich im sogenannten „Modus 0“ mit einer geringeren Abgasrückführungsrate. Dies hat zur Folge, dass der Stickoxidausstoß höher ist.
8Die Entscheidung für den Einsatz der Software wurde in den Jahren 2005/2006 getroffen. Deren Verwendung hatte die Beklagte dabei weder im Rahmen des Tests zwecks Erreichung der Typgenehmigung für das Fahrzeug noch bei der Bewerbung am Markt offengelegt. Diese Zusammenhänge wurden erst im Herbst 2015 öffentlich bekannt. Unter dem 22.09.2015 gab die Beklagte eine „Ad-hoc-Mitteilung“ nach § 15 WpHG heraus: „Volkswagen informiert.“ Darin hieß es unter anderem:
9„ … Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ ## mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandwerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. …“
10Nach dem Bekanntwerden der Softwareproblematik verpflichtete das Kraftfahrt-Bundesamt mit Beschluss vom 14.10.2015 die Beklagte zur Entfernung der nach Einschätzung der Behörde unzulässigen Abschalteinrichtung. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Motoren mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet seien, und ordnete als nachträgliche Nebenbestimmungen für die jeweils erteilten Typgenehmigungen gem. § 25 II der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (nachfolgend EG-FGV) an, dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, die unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen sowie geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Der Beschluss des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 14.10.2015 wurde durch die Beklagte nicht angefochten.
11Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update. Mit Bescheid vom 03.11.2016 (Datum 21.11.2016) gab das Kraftfahrt-Bundesamt eine technische Maßnahme (zumindest das Software-Update) für Fahrzeuge frei und bestätigte,
12„ …, dass die von der Volkswagen AG für die betroffenen Fahrzeuge … dem KBA vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen. …“
13Außergerichtlich meldete der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 16.11.2018 (Anlage K13 zur Klageschrift vom 29.12.2018) bei der Beklagten Ansprüche wegen des Kaufs des T an.
14Die Klage ist der Beklagten am 25.02.2019 zugestellt worden (Bl. 54 GA).
15Der Kläger hat die Ansicht vertreten, von der Beklagten vorsätzlich sittenwidrig getäuscht worden zu sein. Der von ihm erworbene Wagen sei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen gewesen. Insofern sei er über die Leistungsdaten des Fahrzeugs im Hinblick auf die Schadstoffemissionen getäuscht worden. Durch diese Täuschung sei er zum Abschluss des für ihn wirtschaftlich nachteiligen Kaufvertrags veranlasst worden. Für die Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 29.990,00 € habe er keine gleichwertige Gegenleistung erhalten, da der T aufgrund der von der Beklagten zu verantwortenden Manipulationen einen erheblichen Wertverlust erlitten habe. Nutzungsersatz als Wertausgleich für die zwischenzeitlich von dem Kläger mit dem Wagen zurückgelegten Fahrtstrecken stehe der Beklagten nicht zu. Das Verhalten der handelnden Personen müsse sich die Beklagte gem. § 31 BGB zurechnen lassen. Diesbezüglich hat der Kläger behauptet, der Vorstand der Beklagten habe sich bewusst für die Entwicklung und den Einsatz der Software entschieden, um die Käufer zu täuschen und dadurch einen größeren Gewinn zu erwirtschaften.
16Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Motorsteuerungssoftware in dem Wagen des Klägers nicht um eine rechtlich unzulässige Abschalteinrichtung handele. Das Fahrzeug habe jederzeit die Voraussetzungen für die EG-Typgenehmigung erfüllt.
17Im Übrigen hat die Beklagte behauptet, dass das maßgebliche Software-Update für den T des Klägers am 14.03.2017 durchgeführt worden sei. Sie hat weiterhin behauptet, dass die Entscheidung zum Einsatz der Motorsteuerungssoftware unterhalb ihrer Vorstandsebene getroffen worden sei. Die Ermittlungen hierzu dauerten noch an.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags, der vertretenen gegenseitigen Rechtsansichten sowie der jeweiligen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des am 31.07.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Dortmund (Bl. 170-175 GA) verwiesen.
19Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 10.07.2019 betrug die damals aktuelle Laufleistung des von dem Kläger erworbenen T 182.465 km (Bl. 167 GA).
20Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 11.749,58 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.02.2019 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs T. Weiterhin hat es die Beklagte verurteilt, an den Kläger Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 958,19 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.02.2019 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte dem Grunde nach aus dem Gesichtspunkt einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB ergebe. Bei der Berechnung der Höhe des Schadensersatzanspruchs des Klägers ist das Landgericht von einem Kaufpreis in Höhe von 29.990,00 € ausgegangen und hat hiervon eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 18.240,42 € in Abzug gebracht. Diese ist gem. § 287 ZPO ausgehend von einer im Zeitpunkt der erstinstanzlich letzten mündlichen Verhandlung aktuellen Laufleistung des T von 182.465 km und einer angenommenen Gesamtlaufleistung von 300.000 km berechnet worden. Eine Zinsforderung könne der Kläger erst ab Rechtshängigkeit geltend machen. Hingegen bestehe kein darüber hinausgehender Anspruch auf Verzinsung gem. § 849 BGB. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils vom 31.07.2019 (Bl. 169-185 GA) verwiesen.
21Gegen die Entscheidung des Landgerichts wenden sich beide Parteien jeweils mit der Berufung.
22Der Kläger führt zur Begründung seines Rechtsmittels aus, dass von dem Kaufpreis des Fahrzeugs kein Nutzungsersatz als Vorteilsausgleich abzuziehen sei. Anderenfalls liefe die Entscheidung dem Gebot der effektiven Durchsetzung von Unionsrecht zuwider und begünstige die Schädigerin unbillig, weil sich keine nachhaltigen Konsequenzen aus ihrem rechtswidrigen Verhalten ergäben. Zudem sei gem. § 849 BGB eine vierprozentige Verzinsung des vollen Kaufpreises seit dem Abschluss des Kaufvertrags angezeigt. Dementsprechend müsse sich die Berechnung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten an einem höheren Gegenstandswert ausrichten. Sie sei zudem angesichts der Besonderheit der einschlägigen Rechtsfragen mit einer 1,5-fachen Gebühr zu veranschlagen. Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auf die Berufungsbegründung der Rechtsanwälte Pro Rights in München vom 16.10.2019 (Bl. 224 ff. GA) Bezug genommen.
23Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 21.02.2020 hat der Kläger sodann bestritten, dass an seinem T das von der Beklagten nachträglich entwickelte Software-Update aufgespielt worden sei (vgl. Berichterstattervermerk zu dem Senatstermin vom 21.02.2020).
24Der Kläger beantragt,
251. das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 31.07.2019 abzuändern, soweit die Klage abgewiesen worden ist,
262. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 18.240,42 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
273. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von weiteren 606,07 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
284. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Zinsen in Höhe von 4% aus 29.990,00 € seit dem 10.12.2011 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit zu zahlen;
29im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
30Die Beklagte beantragt,
31das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 31.07.2019 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen;
32im Übrigen die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
33Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Berufung aus, dass das Landgericht die Voraussetzungen des § 826 BGB zu Unrecht bejaht habe. Der Kläger als Erwerber des streitgegenständlichen Wagens habe im Hinblick auf den Abschluss des grundlegenden Kaufvertrags schon keinen Schaden im Sinne der Differenzhypothese erlitten. Das Fahrzeug als die erhaltene Leistung sei für ihn voll brauchbar, insbesondere zur allgemeinen Nutzung im Straßenverkehr, gewesen. Es habe durch die Verwendung der „Umschaltlogik“ bzw. deren technische Überarbeitung keinen Wertverlust erlitten. Im Übrigen habe das Landgericht rechtsfehlerhaft einen Kausalzusammenhang zwischen einem zurechenbaren vorwerfbaren Verhalten der Beklagten und dem Abschluss des Kaufvertrages durch den Kläger bejaht. In dem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs liege insbesondere nicht die konkludente Erklärung, dass der streitgegenständliche PKW den gesetzlichen Bestimmungen in jeglicher Hinsicht entspreche. Insofern treffe den Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Dieser sei er jedoch nicht nachgekommen, den Kausalitätsnachweis habe er nicht geführt. Im Übrigen bezieht sich die Beklagte auf von ihr zu den Akten gereichte Rechtsgutachten, die Prof. Dr. Frank Weller unter dem 01.05.2019 zum Thema „Der Vertrag als Schaden in VW-Abgasverfahren gegen den Hersteller“ und Prof. Dr. Benjamin Raue unter dem 11.03.2019 mit dem Titel „Der Vertragsschluss als Schaden“ erstellt haben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung der Rechtsanwälte L in I vom 31.10.2019 nebst Anlagen (Bl. 237 ff. GA) verwiesen.
34Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird insgesamt auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
35Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat betrug die aktuelle Laufleistung des von dem Kläger erworbenen T 190.922 km (vgl. Berichterstattervermerk zu dem Senatstermin vom 21.02.2020).
36II.
37Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten haben jeweils nur geringen Erfolg. Im weit überwiegenden Umfang bleiben die beiden Rechtsmittel hingegen erfolglos.
38Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nur im Hinblick auf die gebotene geringfügige Erhöhung einer Nebenforderung (Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren) anteilig begründet.
39Das Rechtsmittel der Beklagten ist zulässig, aber nur insoweit begründet, als dass die landgerichtliche Entscheidung in der Hauptsache wegen der zwischenzeitlich seitdem durch den Kläger gezogenen weiteren Nutzungen anzupassen ist.
40Im Einzelnen:
41A. Zahlungsanspruch
42Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Erstattung des für den Erwerb des streitgegenständlichen T verauslagten Kaufpreises abzüglich eines Vorteilsausgleichs für die gezogenen Nutzungen und Zug um Zug gegen Übergabe sowie Übereignung des Wagens zu.
43Gemäß § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, diesem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier vor. Die Beklagte hat zum Nachteil des Klägers eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begangen.
44I. Täuschung
45Die Beklagte hat den Kläger durch das Herstellen eines mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung versehenen Motors und das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit der manipulierten Motorsteuerungssoftware konkludent getäuscht. Insofern handelt es sich um ein aktives Tun mit positivem Erklärungswert und nicht etwa um eine Täuschung durch Unterlassen (etwa die unterbliebene Aufklärung über die Modalitäten der eingesetzten Software).
461.
47Mit dem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs gibt ein Hersteller nämlich aktiv die konkludente Erklärung ab, dass der Einsatz dieses Fahrzeugs entsprechend seinem Verwendungszweck im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig ist, d.h. insbesondere, dass das Fahrzeug über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Aktenzeichen 13 U 142/18, juris Rdz. 11; vgl. auch OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019, Aktenzeichen 5 U 1318/18, juris Rdz. 22), deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei der Auslieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist. Das setzt voraus, dass nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-Typgenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen Kraftfahrt-Bundesamtes erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Aktenzeichen 13 U 142/18, juris Rdz. 11).
48Die EG-Typgenehmigung benötigt ein Hersteller, der ein neues Fahrzeug zur Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt bringen will - Art. 4 I der Verordnung 715/2007/EG. Er hat beim Kraftfahrt-Bundesamt als zuständige Behörde gemäß § 2 I EG-FGV insbesondere eine “EG-Typgenehmigung“ zu erwirken und ist zudem gesetzlich verpflichtet, auf dieser Grundlage den Käufern EG-Übereinstimmungsbescheinigungen (§ 6 EG-FGV; Art. 3 Nr. 36 der Richtlinie zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, nachfolgend RL 2007/46/EG) zu erteilen, die diese für die Zulassung zum Straßenverkehr benötigen (Art. 3 Nr. 36 RL 2007/46/EG, § 6 EG-FGV), und diese dem Fahrzeug beizufügen. Mit den Übereinstimmungsbescheinigungen gibt der Hersteller ausweislich der mit Wirkung ab 29.04.2009 eingefügten Anlage IX der RL 2007/46/EG eine Erklärung ab, in der er dem Fahrzeugkäufer versichert, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Europäischen Union geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmt, und dass diese es den zuständigen Behörden ermögliche, Fahrzeuge zuzulassen, ohne vom Käufer zusätzliche technische Unterlagen anfordern zu müssen.
492.
50Vor diesem Hintergrund kann der Käufer eines Kraftfahrzeugs, der es im Straßenverkehr verwenden will, nicht nur davon ausgehen, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs die notwendige EG-Typgenehmigung formal vorliegt. Ebenso kann er auch erwarten, dass keine nachträgliche Rücknahme oder Änderung der Typgenehmigung droht, weil die materiellen Voraussetzungen bereits bei deren Erteilung tatsächlich nicht vorgelegen haben (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Aktenzeichen 13 U 142/18, juris Rdz. 13; OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018, Aktenzeichen 27 U 10/18, juris Rdz. 4f.).
513.
52Diese Voraussetzungen lagen hier für den an den Kläger ausgelieferten T allerdings nicht vor.
53Die in dem Wagen eingesetzte Software verfügte über eine Fahrzykluserkennung, die bemerkte, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand betrieben wird und den „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ durchläuft. Hierdurch wurde dann durch eine „Abschaltautomatik“ oder „Umschaltlogik“ im Testbetrieb der Abgasrückführungsmodus 1 aktiviert, im herkömmlichen Straßenverkehr hingegen der Modus 0. Im Modus 1 werden die Grenzwerte der Euro 5-Norm eingehalten, im Modus 0 hingegen nicht. Insofern verfügte der von der Beklagten in Verkehr gebrachte und von dem Kläger erworbene Wagen nicht über eine dauerhaft ungefährdete Betriebserlaubnis. Vielmehr handelte es sich bei der installierten Software, die bei erkanntem Prüfstandlauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert, um eine nach Art. 5 II 1 Verordnung 715/2007/EG unzulässige Abschalteinrichtung, da die Verordnung die Verwendung von Abschalteinrichtungen, welche die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, strikt als unzulässig ansieht (Art. 5 II 1 Verordnung 715/2007/EG), sofern nicht die – eng gefassten und vorliegend nicht einschlägigen – ausdrücklich normierten Ausnahmetatbestände (Art. 5 II 2 Verordnung 715/2007/EG) greifen (BGH, Beschluss vom 08.01.2019, Aktenzeichen VIII ZR 225/17; vgl. auch Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, WD 7 – 3000 – 0316/16, S. 12 ff.).
54Aus diesem Grund lagen die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht vor (BGH, Beschluss vom 08.01.2019, Aktenzeichen VIII ZR 225/17, juris Rdz. 5 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Aktenzeichen 13 U 142/18, juris Rdz. 15; vgl. auch OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019, Aktenzeichen 5 U 1318/18, juris Rdz. 27f.). Dies hat zur Folge, dass im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses durch den Kläger und nachfolgend noch mindestens bis zum Aufspielen des später von der Beklagten entwickelten Software-Updates ein Widerruf der Typgenehmigung und eine damit einhergehende Stilllegung des Fahrzeugs drohten. Stellt nämlich das Kraftfahrt-Bundesamt nach Erteilung einer formell wirksamen EG-Typgenehmigung fest, dass ein Fahrzeug nicht die materiellen Voraussetzungen für den genehmigten Typ einhält, kann es zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge entweder gemäß § 25 II EG-FGV Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung anordnen oder gemäß § 25 III EG-FGV die EG-Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen. Nach § 3 I 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) dürfen Fahrzeuge nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind. Dies setzt gem. § 3 I 2 FZV voraus, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typgenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug – im Fall der Nebenbestimmung bis zur Nachrüstung – keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 I FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Aktenzeichen 13 U 142/18, juris Rdz. 12; vgl. nur Hessischer VGH, Beschluss vom 20.03.2019, Aktenzeichen 2 B 261/19, juris Rdz. 10f.).
55II. Sittenwidrigkeit
56Das Verhalten der Beklagten ist sittenwidrig.
57Sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann sich die Verwerflichkeit auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28.06.2016, Aktenzeichen VI ZR 536/15, juris Rdz. 16 mwN).
58Gemessen an diesen Kriterien ist vorliegend ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu bejahen.
591.
60Mit der Abschalteinrichtung hat die Beklagte ein System geschaffen, das die Nichteinhaltung der Abgaswerte im Realbetrieb planmäßig sowohl gegenüber den Aufsichtsbehörden als auch gegenüber potentiellen Kunden verschleierte (so auch LG Offenburg, Urteil vom 02.02.2018, Aktenzeichen 3 O 111/17). Eine Schadstoffmessung auf dem Prüfstand ist im Übrigen für jedermann offensichtlich nur dann sinnvoll, wenn das zu testende Fahrzeug gerade hinsichtlich der Abgasbehandlung dem Zustand entspricht, der auch auf der Straße gegeben ist, da ansonst en Tricks und Manipulationen jedweder Art ermöglicht würden und eine Vergleichbarkeit selbst unter den dem realen Fahrbetrieb fernen, genormten Prüfstandsbedingungen nicht mehr herzustellen wäre. Eine ausschließlich auf den Testzyklus zugeschnittene Programmierung der Abgasbehandlung muss deshalb als unzulässige Umgehung der einschlägigen Vorschriften angesehen werden (LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017, Aktenzeichen 3 O 139/16).
612.
62Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs kommt allein eine von der Beklagten angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Zwar ist allein ein Handeln aus Gewinnstreben nicht als verwerflich zu qualifizieren. Im Hinblick auf das eingesetzte Mittel der Beklagten erscheint ihr Verhalten hier aber als verwerflich. Denn das Ausmaß der Schädigung, nämlich der Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motor, der millionenfach verkauft wird, mit der damit einhergehenden hohen Zahl getäuschter Käufer rechtfertigt das besondere Unwerturteil. Dabei hat die Beklagte es in Kauf genommen, nicht nur ihre Kunden, sondern auch die Zulassungsbehörden zu täuschen und sich auf diese Weise die Betriebszulassung für die von ihr manipulierten Fahrzeuge zu erschleichen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Aktenzeichen 13 U 142/18, juris Rdz. 34f.; OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019, Aktenzeichen 18 U 70/18, juris Rdz. 20 ff.; vgl. auch OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019, Aktenzeichen 5 U 1318/18, juris Rdz. 45 ff.; Heese, NJW 2019, 257, 259, 262).
633.
64Die Beklagte hat im Profitinteresse zentrale gesetzliche Umweltvorschriften umgangen und die Käufer der betroffenen Kraftfahrzeuge, die mit dem Dieselmotor des Typs ## ausgestattet sind, getäuscht. Die Kunden hatten als Laien keine Möglichkeit, den Einsatz der Software zu erkennen, und damit auch die tatsächlichen und rechtlichen Folgen bzw. Gefahren abzuschätzen, die mit dem Einsatz verbunden sein konnten. Sie konnten ihre Entscheidung über den Kauf eines betroffenen Kraftfahrzeugs nicht unter Würdigung aller für sie maßgeblichen Umstände treffen. Vielmehr nutzte die Beklagte das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen öffentlich-rechtlichen Genehmigungsvorgang aus (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Aktenzeichen 13 U 142/18). Dabei handelte es sich bei den Fahrzeugen um Wirtschaftsgüter mit längerfristiger Lebensdauer, für deren Erwerb – gerade aus der Sicht der betroffenen Verbraucher – erhebliche finanzielle Mittel aufgewendet werden mussten. Die schon anfänglich tatsächlich nicht bestehende Tauglichkeit für die Zulassung zum Straßenverkehr stellte damit eine Gefährdung von gewichtigen Vermögensinteressen der Erwerber dar (OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 25.09.2019, Aktenzeichen 17 U 45/19).
654.
66Die Sittenwidrigkeit entfällt nicht deshalb, weil die Beklagte am 22.09.2015 die ad-hoc-Mitteilung veröffentlich hat, da für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs als Zeitpunkt der Tathandlung abzustellen ist (vgl. allgemein zum maßgeblichen Zeitpunkt etwa Palandt-Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Auflage, § 826 Rdz. 6; Münchener Kommentar-Wagner, Bürgerliches Gesetzbuch, 7. Auflage, § 826 Rdz. 9). Dessen ungeachtet hat die Beklagte mit der Veröffentlichung der ad-hoc-Mitteilung ohnehin nicht diejenigen Schritte unternommen, die erforderlich gewesen wären, um weitere Schäden für potentielle Käufer zu vermeiden und so eine Bewertung ihres Verhaltens als sittenwidrig entfallen zu lassen. Denn die Beklagte hat sich pauschal darauf beschränkt, unter Bezugnahme auf eine innerhalb des Konzerns der Beklagten verwendete Motorenbezeichnung zu offenbaren, dass bei diesem Motorentyp eine „augenfällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb“ festgestellt wurde. Diese Form der Mitteilung enthält schon nicht den Hinweis, dass die Motorsteuerungssoftware bewusst manipuliert worden ist, was dazu führen kann, dass Fahrzeuge ihre Zulassung zum Straßenverkehr verlieren können. Zudem hat es die Beklagte unterlassen, in einer für den Verbraucher verständlichen Art und Weise klarzustellen, welche Modelle konkret aus welchem Baujahr von der Problematik betroffen sind.
67III. Kausalität zwischen der schädigenden Handlung der Beklagten und dem Willensentschluss des Klägers/Käufers
68Die konkludente Täuschung seitens der Beklagten durch das Herstellen eines mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung versehenen Motors und das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit der manipulierten Motorsteuerungssoftware war vorliegend auch kausal für den Abschluss des Kaufvertrags durch den Kläger.
691.
70Insofern geht es um eine konkludente Täuschung mit dem Erklärungsgehalt, das in Verkehr gebrachte Fahrzeug verfüge über eine ungefährdete EG-Typgenehmigung und erfülle die materiellen Anforderungen für deren Erlangung. Es handelt sich daher um eine konkludente Täuschung über die Eigenschaften des Kaufgegenstands. Für den vergleichbaren Fall des Eingehungsbetrugs durch konkludente Täuschung gemäß § 263 StGB ist anerkannt, dass es für den Kausalzusammenhang ausreicht, wenn der Verfügende durch das Erklärungsverhalten des Schädigers zur Verfügung veranlasst wird, weil er das Vorliegen der konkludent miterklärten, tatsächlich aber nicht bestehenden Tatsachen als selbstverständlich voraussetzt, ohne darüber zu reflektieren („sachgedankliches Mitbewusstsein“). Erforderlich ist insoweit nur, dass der Getäuschte keine Kenntnis von dem Nichtvorliegen der betreffenden Tatsachen hat und die Verfügung auf der Unkenntnis beruht (Schönke/Schröder-Perron, Strafgesetzbuch, 30. Auflage, § 263 Rdz. 39 mwN). Diese zu § 263 StGB entwickelte Rechtsprechung lässt sich auf die Frage der Kausalität der Täuschung im Rahmen der Haftung nach § 826 BGB übertragen: Auch hier ist es für einen mit der konkludenten Täuschung korrespondierenden Irrtum des Käufers ausreichend, dass er die miterklärte Tatsache als selbstverständlich voraussetzte (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Aktenzeichen 13 U 142/18, juris Rdz. 22).
712.
72Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die sich nach der Lebenserfahrung aufdrängende Schlussfolgerung vorliegend aus einer tatsächlichen Vermutung oder aus einem Anscheinsbeweis hergeleitet werden mag (vgl. dazu Heese, JZ 2020, 178, 182 mit weiteren Nachweisen). Es liegt jedenfalls auf der Hand, dass kein vernünftiger, über das betrügerische Inverkehrbringen aufgeklärter Käufer ein solches Fahrzeug überhaupt bzw. zum gewöhnlichen Kaufpreis erworben hätte (Heese, JZ 2020, 178, 182). Jeder Erwerber geht üblicherweise davon aus, dass er das Fahrzeug dauerhaft und ohne Gefahr der Stilllegung wegen des Erlöschens der allgemeinen Betriebserlaubnis nutzen kann. So entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Käufer in der Regel Abstand von dem Erwerb eines Wagens nehmen, wenn ihnen bekannt ist, dass das betreffende Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese richtigerweise eigentlich gar nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Genehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zu einer Stilllegung des betroffenen Fahrzeugs drohen. Dass sich ein Käufer etwa auf die im Zeitpunkt des Erwerbs gänzlich ungewisse Möglichkeit einließe, dass es der Beklagten zu einem späteren Zeitpunkt gelingen könnte, ein Software-Update zu entwickeln, das den Erhalt der Zulassung ermöglicht, ist dagegen nicht vorstellbar. Etwaige weitere Motive für die Wahl des betreffenden Fahrzeugmodells treten demgegenüber in den Hintergrund, weil der hier vorliegende Mangel nun einmal den elementaren Zweck des Autokaufs gefährdet. Dieser liegt grundsätzlich in der Fortbewegung im öffentlichen Straßenverkehr (OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019, Aktenzeichen 13 U 149/18, juris Rdz.65).
73IV. Vorsatz (hier bei der Beklagten als einer juristischen Person)
74Die Beklagte hat zurechenbar vorsätzlich gehandelt.
75In subjektiver Hinsicht setzt § 826 BGB Schädigungsvorsatz und Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen, voraus.
761.
77Der erforderliche Schädigungsvorsatz bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Er enthält ein Wissens- und Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Es genügt dabei bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen. Für den getrennt davon erforderlichen subjektiven Tatbestand bezüglich der Sittenwidrigkeit genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Sittenwidrigkeitsurteil begründen (Palandt-Sprau, § 826 Rdz. 8).
78Die - für den vorliegenden Sachverhalt maßgebliche - Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand verwirklicht hat. Dabei müssen die erforderlichen Wissens- und Wollenselemente kumuliert bei einem Mitarbeiter vorliegen, der zugleich als verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB anzusehen ist und auch den objektiven Tatbestand verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 28.06.2016, Aktenzeichen VI ZR 536/15, juris Rdz. 13).
792.
80Vorliegend ist davon auszugehen, dass jedenfalls (irgend-)ein verfassungsmäßig bestellter Vertreter der Beklagten umfassende Kenntnis von dem Einsatz der manipulierten Software hatte und in der Vorstellung die Erstellung und das Inverkehrbringen der mangelhaften Motoren veranlasste, dass diese unverändert und ohne entsprechenden Hinweis an die Kunden weiterveräußert werden würden. Zwar liegt gemäß dem herkömmlichen Günstigkeitsprinzip die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsbegründenden Tatsachen des § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB bei dem Kläger. Jedoch hätte es in der hier gegebenen Fallkonstellation der Beklagten im Rahmen einer sekundären Darlegungslast oblegen, näher vorzutragen, inwieweit ein nicht als verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB tätiger Mitarbeiter für die Installation der Software verantwortlich sein soll. Dem ist sie allerdings nicht nachgekommen.
81a)
82Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (ständige Rechtsprechung, etwa BGH, Urteil vom 19.07.2019, Aktenzeichen V ZR 255/17, juris Rdz. 49 mwN). In diesen Fällen kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (ständige Rechtsprechung, etwa BGH, Beschluss vom 28.02.2019, Aktenzeichen IV ZR 153/18, juris Rdz. 10).
83Das ist hier der Fall. Steht der Anspruchsteller – so wie vorliegend der Kläger – vollständig außerhalb des von ihm vorzutragenden Geschehensablaufs, dann reicht die allgemeine Behauptung des Anspruchstellers aus, und es kann auf eine weitere Substantiierung verzichtet werden. So liegt es jedenfalls dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung bestehen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019, Aktenzeichen 10 U 134/19, juris Rdz. 98f. – zu behaupteten Abgasmanipulationen bei einem anderen Hersteller). Der nach diesem Maßstab reduzierten primären Darlegungslast genügt das Vorbringen des Klägers. Denn er hat vorgetragen, dem Vorstand bzw. einem verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten seien die in Millionen Fällen erfolgten Manipulationen an den Motoren bekannt gewesen. Wenigstens müsse eine leitende Person aus dem Vorstand, zumindest jedoch ein Repräsentant, die Entscheidung zum Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen haben, oder diese Person müsse zumindest Kenntnis von der Entscheidung gehabt und sie nicht unterbunden haben. Auch habe auf Seiten dieser Person das Bewusstsein bestanden, dass die Fahrzeuge nicht zulassungsfähig waren. Gleichwohl habe die Beklagte diese Fahrzeuge jedoch mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf den Markt gebracht, ohne ihre Kunden hierüber aufzuklären. Bei diesem Vortrag handelt es sich nicht um eine Behauptung ins Blaue hinein (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 07.02.2019, Aktenzeichen II ZR 498/16, juris Rdz. 37 mwN). Vielmehr stellt diese vorgetragene Sichtweise des Klägers eine tatsächliche Einschätzung dar, deren Richtigkeit sich bei lebensnaher Betrachtung als geradezu alternativlos aufdrängt.
84Dies gilt insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass verfassungsmäßig bestellte Vertreter im Sinne des § 31 BGB auch Personen sind, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung eines solchen „Vertreters“ in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt (OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019, Aktenzeichen 5 U 1318/18, juris Rdz. 75 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Aktenzeichen 13 U 142/18, juris Rdz. 51 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019, Aktenzeichen 18 U 70/18, juris Rdz. 33 ff.).
85Angesichts der Tragweite der Entscheidung über die riskante Gestaltung der Motorsteuerungssoftware, die für eine Diesel-Motorengeneration konzipiert war, die flächendeckend konzernweit in Millionen Fahrzeugen eingesetzt werden sollte, erscheint es mehr als fernliegend, dass die Entscheidung für eine greifbar rechtswidrige Software ohne Einbindung des Vorstands oder eines verfassungsmäßig bestellten Vertreters erfolgt und lediglich einem Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure zuschreiben sein könnte (vgl. Heese, NJW 2019, 257, 260). Dies gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass es sich um eine Strategieentscheidung mit außergewöhnlichen Risiken für den gesamten Konzern und massiven persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidende Person handelte, wobei einem untergeordneten Konstrukteur in Anbetracht der arbeitsrechtlichen und strafrechtlichen Risiken kein annähernd adäquater Vorteil gegenüber gestanden hätte. Derjenige, der also die Zustimmung zur Entwicklung und zum Einsatz der Software in der Motorensteuerung für Millionen von Neufahrzeugen erteilt, muss eine gewichtige Funktion in einem Unternehmen haben und mit erheblichen Kompetenzen ausgestattet sein (so mit überzeugender Begründung OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Aktenzeichen 13 U 142/18, juris Rdz. 56). Soweit es sich dabei nicht um einen Angehörigen des Vorstands gehandelt haben sollte, spricht alles dafür, dass es sich zumindest um einen Repräsentanten im Sinne des § 31 BGB handelte.
86b)
87Folge der sekundären Darlegungslast ist zum einen, dass der Anspruchsgegner sich nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen kann, sondern den Behauptungen des Gegners in zumutbarem Umfang durch substantiierten Vortrag entgegentreten muss. Genügt er dem nicht, gilt der Vortrag der Klagepartei als zugestanden, § 138 III ZPO. Zum anderen beziehen sich die Anforderungen an die Substantiierung der primären Darlegung des Anspruchstellers auf die allgemeine Behauptung der maßgeblichen Tatbestandsmerkmale (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2019, Aktenzeichen 18 U 70/17, juris Rdz. 34; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Aktenzeichen 13 U 142/18, juris Rdz. 61). Würde man nämlich darauf bestehen, dass der Anspruchsteller die handelnden Personen präzise benennen muss, würden die Grundsätze der sekundären Darlegungslast regelmäßig leerlaufen.
88c)
89Danach wäre es Sache der Beklagten gewesen, durch präzisen Tatsachenvortrag Umstände darzulegen, aufgrund derer eine Kenntnis ihres Vorstands oder sonstiger Repräsentanten ausscheidet. Dies hätte vorliegend konkret die Benennung derjenigen Personen im Unternehmen notwendig gemacht, die die Entwicklung der streitgegenständlichen Softwarefunktion beauftragt bzw. welche diese bei einem Zulieferer bestellt haben, sowie die Darstellung der üblichen Abläufe bei einer solchen Beauftragung und der Organisation von Entscheidungen solcher Tragweite. Sofern die Beklagte sich dann auf einen Handlungsexzess eines untergeordneten Mitarbeiters hätte berufen wollen, hätte sie Umstände vortragen müssen, die geeignet gewesen wären, einen solchen Ablauf ohne Kenntnis weiterer insbesondere leitender Mitarbeiter hinreichend wahrscheinlich erscheinen zu lassen.
90Diesen Anforderungen genügt das Bestreiten der Beklagten nicht. Ihr Vortrag erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass nach dem derzeitigen Stand der internen Ermittlungen, die noch nicht abgeschlossen seien, keine Erkenntnisse für eine Beteiligung oder Kenntnis einzelner Vorstandsmitglieder oder eines Repräsentanten der Beklagten vorhanden seien, aufgrund derer man davon ausgehen müsste, dass diese von der Entwicklung der Software Kenntnis gehabt hätten.
91d)
92Die Kenntnis einer entweder der Unternehmensstellung angehörenden Person oder eines sonstigen Repräsentanten von der serienmäßigen rechtswidrigen Verwendung der Software schließt zwangsläufig die Billigung der Schädigung sämtlicher Erst- und Folgeerwerber der damit ausgestatteten Fahrzeuge ein. Die Umstände des Falles, insbesondere das planmäßige, mit hohem Aufwand organisierte und weltweit zur Anwendung gebrachte Täuschungsschema, lassen keinen anderen Schluss als den auf ein vorsätzliches Verhalten zu (Heese, JZ 2020, 178, 184 mit weiteren Nachweisen). Auch die maßgeblichen Umstände für die Bewertung dieses Vorgehens als sittenwidrig sind bei dieser Sachlage der entscheidenden Person bekannt gewesen.
93V. Schaden
94Durch die Täuschung seitens der Beklagten hat der Kläger einen Vermögensschaden erlitten, der in dem Abschluss des ungewollten Kaufvertrages zu sehen ist (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Aktenzeichen 13 U 142/18, juris Rdz. 17; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019, Aktenzeichen 5 U 1318/18, juris Rdz. 80; Heese, NJW 2019, 257, 260). Das Wesen und die Bedeutung des Vermögens erschöpfen sich nämlich nicht in dessen Bestand, sondern umfassen auch die in dem Vermögen verkörperten Möglichkeiten für den Vermögensträger, es zur Verwirklichung seiner Lebensziele zu nutzen (BGH GSZ NJW 1987, 50, 51). Einen Vermögensschaden erleidet daher auch derjenige, der durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und für dessen Zwecke die Leistung nicht voll brauchbar ist (BGH NJW-RR 2015, 275, 276). So ist es hier. Der Kaufvertrag über ein manipuliertes Diesel-Kraftfahrzeug stellt sich für jeden vernünftigen Käufer als unangemessen und vermögensmäßig nachteilig dar. Entscheidend hierfür ist die Ausrüstung der Fahrzeuge mit wenigstens einer evident unzulässigen Abschalteinrichtung und damit das in die Fahrzeuge hineinkonstruierte greifbare Risiko einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsuntersagung (Heese, JZ 2020, 178, 181 mit weiteren Nachweisen).
951.
96Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Beklagte nicht selbst Vertragspartnerin des Klägers ist, und der Schadensersatz gemäß § 826 BGB, der auf die Befreiung einer durch Täuschung eingegangenen vertraglichen Verbindlichkeit abzielt, in Art und Umfang grundsätzlich nur gegen den direkten Vertragspartner möglich ist. Hier handelt es sich jedoch insofern um einen abweichenden Fall, als dass die maßgebliche Täuschungshandlung nicht durch den späteren Vertragspartner, also den Vertragshändler, selbst vorgenommen wurde, sondern durch die dahinter stehende Herstellerin, die Beklagte. Dass aufgrund dessen eine abweichende Betrachtung angezeigt wäre und etwa nur der Vertrauensschaden des Klägers zu ersetzen wäre, ist jedoch nicht ersichtlich. Die sittenwidrige Schädigung ist schließlich durch die Beklagte gegenüber dem Kläger vorgenommen worden. Dass es an einem unmittelbaren Vertragsverhältnis zwischen beiden fehlt, kann daher nicht der Beklagten als Schädigerin zugute kommen.
972.
98Zwar ist, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Bereich des § 826 BGB der Haftungsumfang nach Maßgabe des Schutzzwecks der Norm zu beschränken (BGH, Urteil vom 11.11.1985, Aktenzeichen II ZR 109/84, juris, Rdz. 15; BGH, Urteil vom 03.03.2008, Aktenzeichen II ZR 310/06, juris Rdz. 15 mwN). Ein Verhalten kann hinsichtlich der Herbeiführung bestimmter Schäden, insbesondere auch hinsichtlich der Schädigung bestimmter Personen, als sittlich anstößig zu werten sein, während ihm diese Qualifikation hinsichtlich anderer, wenn auch ebenfalls adäquat verursachter Schadensfolgen nicht zukommt. Die Ersatzpflicht beschränkt sich in diesem Fall auf diejenigen Schäden, die dem in sittlich anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstammen (BGH, Urteil vom 11.11.1985, Aktenzeichen II ZR 109/84, juris Rdz. 15; Münchener Kommentar-Wagner, § 826 Rdz. 46 mwN). Durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit der manipulierten Software ist aber gerade der Käufer durch den ungewollten Vertragsschluss in sittenwidriger Weise geschädigt.
993.
100Der Regelungsgehalt des § 826 BGB knüpft nicht an die Verletzung bestimmter Rechte und Rechtsgüter an, weshalb der nach dieser Norm ersatzfähige Schaden weit verstanden wird. Schaden ist danach nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (BGH, Urteil vom 19.11.2013, Aktenzeichen VI ZR 366/12, juris Rdz. 28; BGH, Urteil vom 21.12.2004, Aktenzeichen VI ZR 306/03, juris Rdz. 17; BGH, Urteil vom 19.07.2004, Aktenzeichen VI ZR 402/02, juris Rdz. 41).
101Nach diesen Grundsätzen kommt es nicht darauf an, ob der T im Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger im Hinblick auf die unzulässige Abschalteinrichtung einen geringeren Marktwert hatte. Der Schaden des in die Irre geführten Käufers liegt in der Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit, nicht erst in dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteilen. Entscheidend ist allein, dass der abgeschlossene Vertrag, nämlich im Hinblick auf die Eigenschaften des Kaufgegenstands, nicht den berechtigten Erwartungen des Getäuschten entsprach und überdies die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar war (BGH, Urteil vom 28.10.2014, Aktenzeichen VI ZR 15/14, juris Rdz. 16 ff.). Beide Voraussetzungen waren im maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses gegeben, weil wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung die Entziehung der EG-Typgenehmigung drohte bzw. die Anordnung von Nebenbestimmungen sowie bei deren Nichterfüllung die Stilllegung des Fahrzeugs. Wegen des zur Rechtswidrigkeit der EG-Typgenehmigung führenden und damit die Zulassung des Fahrzeugs gefährdenden Mangels war der Hauptzweck des Fahrzeugs, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, bereits vor einer tatsächlichen Stilllegung unmittelbar gefährdet. Denn wird die EG-Typgenehmigung entzogen, droht die Stilllegung; werden Nebenbestimmungen angeordnet, ist die fortdauernde Nutzbarkeit von einer Nachrüstung des Fahrzeugs durch den Hersteller abhängig.
1024.
103Für die Beurteilung der Frage, ob ein Schaden entstanden ist, kommt es allein auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses an. In der – vorliegend einschlägigen – Fallgruppe der ungewollten Verbindlichkeit steht nämlich die Dispositionsfreiheit des Geschädigten über sein Vermögen im Vordergrund. Diese schützt nicht nur die Freiheit, über den Zweck, sondern auch über den Zeitpunkt des Vermögenseinsatzes zu bestimmen. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn der Schädiger nach dem Vertragsschluss zeitlich unbegrenzt von sich zu seinen Gunsten verändernden Umständen profitieren könnte (Heese, JZ 2020, 178, 187). Der Schaden entfällt daher nicht durch die – nach Vertragsschluss durchgeführte – Installation des von der Beklagten zur Erfüllung der vom Kraftfahrt-Bundesamt angeordneten Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung entwickelten Software-Updates, weil dadurch für den Kläger die ungewollte Belastung mit einer Verbindlichkeit nicht entfällt. Das Update ist insoweit nicht zu berücksichtigen und rechtlich lediglich als Angebot zur Verhinderung weiterer Nachteile zu bewerten (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Aktenzeichen 13 U 142/18, juris Rdz. 20; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019, Aktenzeichen 5 U 1318/18, juris Rdz. 98).
104Insofern kann die Frage dahinstehen, ob das von der Beklagten nachträglich entwickelte Software-Update in dem von dem Kläger erworbenen T überhaupt aufgespielt worden war (- wovon der Senat allerdings in tatsächlicher Hinsicht ausgeht. So war es nämlich von der Beklagten erstinstanzlich unbestritten im Sinne des § 138 II ZPO und substantiiert unter Hinweis auf das konkrete Datum des 14.03.2017 behauptet worden, vgl. Seite 2 der Klageerwiderung vom 23.04.2019; Bl. 72 GA. Dieses Vorbringen hatte der Kläger dann erstmals in der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 21.02.2020 bestritten, insofern berufungsrechtlich verspätet und unbeachtlich gem. §§ 529 I, 531 II Nr. 3 ZPO).
1055.
106Der Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 249 ff. BGB richtet sich auf den Ersatz des negativen Interesses (Palandt-Sprau, § 826 Rdz. 15). Auf der Rechtsfolgenseite kann der Kläger also verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er das streitgegenständliche Fahrzeug im Dezember 2011 nicht erworben hätte. Der Kläger kann mithin von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 29.990,00 € verlangen. Zug um Zug hat er allerdings den erworbenen T an die Beklagte herauszugeben und zurückzuübereignen.
107VI. Gezogene Nutzungen
108Allerdings muss sich der Kläger auf seinen Anspruch die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen. Er ist mit dem erworbenen T seit Dezember 2011 über einen mehr als achtjährigen Zeitraum gefahren und hat auf diese Weise einen geldwerten Vorteil erlangt.
1091.
110In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Die deutsche Zivilrechtsordnung sieht als Rechtsfolge einer unerlaubten Handlung nur den Schadensausgleich vor. Generalpräventive Wirkungen bzw. eine Bestrafungs- und Abschreckungsfunktion sind nicht Aufgabe des Zivilrechts (vgl. BGH, Urteil vom 04.06.1992, Aktenzeichen IX ZR 149/91 – BGHZ 118, 312-351, Rdz. 73 ff.). Gleichartige Gegenansprüche sind automatisch zu saldieren (BGH, Urteil vom 12.09.2009, Aktenzeichen VII ZR 26/06, juris Rdz. 16; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019, Aktenzeichen 13 U 142/18, juris Rdz. 112; Palandt-Grüneberg, Vorb. vor § 249 Rdz. 71). Der Schadensersatzanspruch des Klägers als dem Geschädigten des vorliegenden Falles ist daher nur mit dieser Einschränkung begründet.
1112.
112Den Wert der durch den Gebrauch des Kraftfahrzeugs gezogenen Nutzungen schätzt der Senat nach der anwendbaren Methode des linearen Wertschwundes (vgl. BGH, Beschluss vom 09.12.2014, Aktenzeichen VIII ZR 196/14, juris Rdz. 3 mwN; BGH, Urteil vom 09.04.2014, Aktenzeichen VIII ZR 215/13, juris Rdz. 11 mwN) entsprechend § 287 ZPO vorliegend auf insgesamt 19.085,84 €.
113a)
114Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer ausgehend vom Bruttokaufpreis im Wege der Schätzung gem. § 287 ZPO zu ermitteln (BGH NJW 1995, 2159). Dabei ist Anknüpfungspunkt der gezahlte Bruttokaufpreis, der den Nutzungswert des Fahrzeugs verkörpert. Die im Einzelfall unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Gesamtfahrleistung stellt den Gesamtgebrauchswert dar (OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019, Aktenzeichen 5 U 1338/18, juris Rdz. 108).
115b)
116Dabei geht der Senat im Wege der Schätzung gem. § 287 ZPO weiterhin davon aus, dass ein Fahrzeug der streitgegenständlichen Art – es handelt sich hier um einen T mit einem 2,0 l Motor – regelmäßig eine durchschnittliche Gesamtlaufleistung von 300.000,00 km erreicht (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 31.10.2019, Aktenzeichen 13 U 178/18, juris Rdz. 78 ff. OLG Hamm, Urteil vom 10.12.2019, Aktenzeichen 13 U 86/18, juris Rdz. 141 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 14.01.2020, Aktenzeichen 13 U 40/18, juris Rdz. 98 ff.). Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 21.02.2020 wies der Wagen des Klägers eine Laufleistung von 190.922 km auf. Daraus ergibt sich folgende Berechnung:
11729.990,00 € ./. 19.085,84 € (= 29.990,00 € x 190.922 km : 300.000 km) = 10.904,16 €
1183.
119Es besteht kein Anlass, den Nutzungsersatz im Hinblick auf den der Sache anhaftenden Mangel herabzusetzen. Soweit der Kläger meint, dass in die vorstehend genannte Formel nicht der Kaufpreis (hier: 29.990,00 €) eingesetzt werden dürfe, sondern statt dessen von dem tatsächlichen – mangelbedingt geringeren – Wert des erworbenen Wagens auszugehen wäre, vermischt dieses Argument systematisch ungenau die Kriterien der vorliegend von dem Kläger im Rahmen des Schadensersatzanspruchs gewählten Option der Rückabwicklung mit der anderweitigen – hier gerade nicht ausgeübten und von dem Kläger ausdrücklich nicht gewollten – Alternative des Wertersatzes bei gleichzeitigem Behalten der mangelbehafteten Kaufsache. Im Übrigen ist die spezifische Besonderheit der gegebenen Fallkonstellation zu bedenken, dass hier die Nutzung des von dem Kläger erworbenen T in tatsächlicher Hinsicht gar nicht beeinträchtigt, sondern die fortdauernde Nutzbarkeit des Fahrzeugs aus rechtlichen Gründen nicht sichergestellt war (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 16.09.2019, Aktenzeichen 12 U 61/19, juris Rdz. 76 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019, Aktenzeichen 13 U 37/19, juris Rdz. 120). So ändern die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung und das damit verbundene Stilllegungsrisiko letztlich nichts daran, dass der Kläger seinen Wagen tatsächlich mehr als acht Jahre lang bestimmungsgemäß zur Fortbewegung im öffentlichen Straßenverkehr nutzen konnte und auch genutzt hat.
120VII. Verzinsung
121Die dem Kläger auf seine Hauptforderung zugesprochenen Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.02.2019 ergeben sich – entsprechend der Beurteilung durch das Landgericht – aus dem Gesichtspunkt der Rechtshängigkeit gem. §§ 291, 288 I BGB. Die Klage ist der Beklagten am 25.02.2019 zugestellt worden (Bl. 54 GA).
122Ein Anspruch des Klägers gemäß § 849 BGB auf Verzinsung des von ihm geleisteten Kaufpreises vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses an besteht hingegen nicht. Auch insoweit teilt der Senat ausdrücklich die zutreffenden Erwägungen der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 26.11.2007, Aktenzeichen II ZR 167/07, juris Rdz. 5 f.) besteht der Normzweck des § 849 BGB darin, dass der Zinsanspruch den endgültig verbleibenden Verlust an Nutzbarkeit der Sache ausgleichen soll, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht ausgeglichen werden kann. Dieser Schutzzweck ist hier nicht betroffen, da der Kläger im Austausch für den gezahlten Kaufpreises das erworbene Fahrzeug tatsächlich nutzen konnte.
123B. Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung
124Weiterhin hat das Landgericht dem Kläger die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.02.2019 zugesprochen. Insofern kommt auf die Berufung des Klägers hin eine geringfügige Erhöhung des Anspruchs zu seinen Gunsten in Betracht:
125I.
126Der Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 826, 249 BGB. Ausgehend von der Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach stellen Anwaltsgebühren regelmäßig einen ersatzfähigen Schaden im Sinne von § 249 I BGB dar.
1271.
128Vorprozessual haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 16.11.2018 die Beklagte u.a. aufgefordert, deren Einstandspflicht dem Grunde nach anzuerkennen (Anlage K13 zur Klageschrift). Ein solches, zunächst außergerichtliches Tätigwerden der Bevollmächtigten war geboten. Insofern kommt es nicht darauf an, ob den Anwälten des Klägers bekannt war, wie sich die Beklagte ansonsten bereits in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle verhalten hatte. Entscheidend ist vielmehr, dass die zunächst außergerichtliche Kontaktaufnahme den Geboten anwaltlicher Sorgfalt und Vorsicht, also dem „sichersten Weg“, entsprach, etwa um durch Fristsetzung und –ablauf dem anderenfalls niemals ganz auszuschließenden prozessualen Risiko des § 93 ZPO begegnen zu können.
1292.
130Bei der Berechnung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren geht der Senat von folgenden Erwägungen aus:
131a)
132Der Höhe nach ist dem Anspruch des Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich derjenige Gegenstandswert zugrunde zu legen, welcher der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht. Beauftragt der Geschädigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer, so ist der Umfang des Ersatzverlangens nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (Innenverhältnis). Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte vom Schädiger dagegen grundsätzlich nur insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber auch objektiv berechtigt ist. Damit ist dem Anspruch des Geschädigten auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, welcher der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH NJW 2018, 2417; BGH NJW 2017, 3588; Palandt-Grüneberg, § 249 Rdz. 57).
133b)
134Insofern geht der Senat – hier etwas abweichend von der Beurteilung durch das Landgericht – allerdings davon aus, dass es vorliegend nicht darauf ankommt, in welcher Höhe dem Kläger am Ende des Rechtsstreits tatsächlich eine Zahlungsforderung zugesprochen worden ist bzw. werden wird. Entscheidend ist vielmehr, in welcher Höhe der Anspruch des Klägers im Zeitpunkt der vorgerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit begründet war. Dieser Ansatz wirkt sich in der vorliegenden Fallkonstellation deshalb aus, weil sich die Forderung des Klägers im Verlauf der rechtlichen Auseinandersetzung von dem ersten vorprozessualen anwaltlichen Tätigwerden bis zu der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch die weiterhin gezogenen Nutzungen fortlaufend reduziert hat. Als Gegenstandswert für das vorprozessuale Tätigwerden der Bevollmächtigten auf Klägerseite ist mithin der gezahlte Kaufpreis abzüglich der bis zu diesem Zeitpunkt, also bis November 2018, gezogenen Nutzungen maßgeblich. Ein entsprechender Zahlungsanspruch des Klägers war seinerzeit im November 2018 im Rahmen der geltend gemachten Rückabwicklung des Kaufvertrages im Wege des Schadensersatzes berechtigt.
135c)
136Ausgehend davon schätzt der Senat, dass die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren vorliegend nach einem Wert von bis zu 16.000,00 € berechnet werden können. Soweit das Landgericht demgegenüber nur einen Wert von bis zu 13.000,00 € zugrunde gelegt hatte, erscheint eine Erhöhung um eine Gebührenstufe angezeigt. Die erstinstanzliche Berechnung ging von den unstreitigen Daten aus, wonach der Wagen im Dezember 2011 erworben wurde, und der Kläger bis zu der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 10.07.2019 damit 182.465 km zurückgelegt hatte. Ausgehend davon hatte das Landgericht die Hauptforderung des Klägers seinerzeit zutreffend mit 29.990,00 € ./. 18.240,42 € (29.990,00 € x 182.465 km : 300.000 km) = 11.749,58 € ermittelt.
137Gemessen daran schätzt der Senat gem. § 287 ZPO, dass die Laufleistung des Wagens im Zeitpunkt der außergerichtlichen Anwaltstätigkeit im November 2018 jedenfalls 15.000 km weniger betragen haben dürfte als acht Monate später am Tag der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht: Denn ausgehend von einem Kilometerstand von 182.465 km am 10.07.2019 ergab sich seit der Übergabe des Wagens im Dezember 2011 eine jahresdurchschnittliche Fahrtstrecke von rund 24.000 km.
138Im Verhältnis der Laufleistung von 190.922 km am 21.02.2020 (Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat) zu der seit der Übergabe des Fahrzeugs vergangenen Zeit ergibt sich eine jahresdurchschnittliche Kilometerleistung von noch knapp 23.300 km.
139In acht Monaten (s.o.: Zeitraum zwischen der außergerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit und der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht) hat der Kläger davon geschätzt zwei Drittel, also zwischen 15.500 km und 16.000 km zurückgelegt. Ausgehend von einem Stand von 167.465 km wären die durch den Kläger gezogenen Nutzungen seinerzeit also mit 16.740,91 € (= 29.990,00 € x 167.465 km : 300.000 km) zu veranschlagen gewesen. Ein begründeter Zahlungsanspruch des Klägers im November 2018 hätte dann insgesamt 13.249,09 € betragen. Die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren hätten folglich nach einem Wert von bis zu 16.000,00 € zu berechnet werden können.
140d)
141Sachgerecht ist – entsprechend der Würdigung durch das Landgericht – der Ansatz der 1,3-fachen Gebühr nach Maßgabe der Nr. 2300 VV RVG. Der vorliegende Fall ist trotz der umfangreichen Schriftsätze und beachtlichen Intensität dargestellter Rechtsansichten weder mit besonderen Schwierigkeiten versehen noch besonders umfangreich. Wie im Oberlandesgericht Hamm bekannt ist, bearbeiten die jeweiligen Bevollmächtigten sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite regelmäßig eine Vielzahl von Parallelverfahren. Dabei werden nahezu wortgleiche Ausführungen zu der Rechtslage gemacht.
142e)
143Unter Ansatz einer 1,3-fachen Gebühr und bei einem Gegenstandswert in Höhe von bis zu 16.000,00 € ergibt sich demnach folgende Berechnung:
144Geschäftsgebühr §§ 13, 14 RVG Nr. 2300 VV RVG – 1,3 845,00 €
145+ Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
146Zwischensumme 865,00 €
14719% Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 164,35 €
148Insgesamt 1.029,35 €
149II.
150Der Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist vorliegend ab Rechtshängigkeit nach den gesetzlichen Vorgaben gem. §§ 288, 291 BGB zu verzinsen.
151C. Erstinstanzliche Hilfsanträge
152Mit den erstinstanzlichen Hilfsanträgen des Klägers hat sich das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht nicht auseinandergesetzt. Zwar hat es dem Hauptsacheantrag des Klägers nur anteilig und bei weitem nicht in dessen vollem begehrten Umfang entsprochen. Zudem hat der Kläger auch nicht hinreichend unmissverständlich definiert, worin genau die prozessuale Bedingung liegen möge, die eine Entscheidung über seine Hilfsanträge auslösen sollte. Seine schriftsätzlichen Ausführungen und Argumente legen aber die Auslegung nahe, dass die Begehren der Hilfsanträge nur auf den Fall abzielten, dass er den T hätte behalten müssen. Dieser ist jedoch nicht eingetreten. Vielmehr soll der ursprüngliche Kaufvertrag rückabgewickelt werden. Dementsprechend ist der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht mehr auf die erstinstanzlichen Hilfsanträge zurückgekommen.
153D. Prozessuale Nebenentscheidungen
154Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 I 1 – 2. Alt. – ZPO.
155Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
156E. Zulassung der Revision
157Die Revision wird zugelassen (§ 543 I Nr. 1 ZPO), weil die Sache nach dem Ausmaß der aufgetretenen Fälle grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 II 1 Nr. 1 ZPO) und im Abgleich der bisher vorliegenden obergerichtlichen Entscheidungen die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 II 1 Nr. 2 ZPO) angezeigt erscheint.
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