Urteil vom Hanseatisches Oberlandesgericht (13. Zivilsenat) - 13 U 114/14

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.8.2014 unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto € 128.636,53 -abzüglich von der Beklagten an das Finanzamt abzuführender Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.8.2013 zu zahlen.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger € 287,11 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.8.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 17% und der Kläger 83%. Dem Kläger werden die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Mehrkosten des Verfahrens auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.


Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 738.340,19 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt Zahlung eines Betrages wegen einer Korrekturbuchung auf einem Sparkonto durch die Beklagte und nimmt die Beklagte aus einer Zinszusage auf Zahlung von Sparzinsen in Anspruch.

2

Der Kläger ist Privatanleger. Die Beklagte ist eine Bank und Alleingesellschafterin der P...bank Filialvertrieb AG. Diese führt für die Beklagte das Schaltergeschäft aus und vermittelt neben den Produkten der Beklagten auch Produkte für die Unternehmen B.. und D.. sowie Kleinprodukte wie Briefmarken und Verpackungen für die D. P. AG. Die P...bank Filialvertrieb AG betreibt u.a. das „P...bank Finanzcenter L..“ als eine von ca. 850 Filialen in Deutschland. Dortiger Filialleiter und Angestellter der P...bank Filialvertrieb AG ist Herr K.-D. S... Dieser hatte ohne Wissen der Beklagten über mehrere Jahre diversen Kunden Sonderkonditionen wie zusätzliche Zinsen versprochen. Er ist nach Aufdeckung dieser Vorgänge mittlerweile suspendiert. Ein Strafverfahren gegen ihn läuft.

3

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs.1 Nr.1 ZPO auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

4

Das Landgericht hat der Klage zum Teil stattgegeben mit der Begründung, dass die Abbuchung des Betrages in Höhe von € 467.573,80 im Schuldverhältnis zum Kläger eine Pflichtverletzung darstelle. Die Beklagte sei zu einer Storno- bzw. Berichtigungsbuchung nicht berechtigt gewesen; insbesondere habe ihr kein Kondiktionsanspruch gem. § 812 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB gegen den Kläger zugestanden, denn sie habe nicht bewiesen, dass ihre Gutschriften rechtsgrundlos erfolgt seien. Die vom Kläger vorgelegte Korrespondenz belege vielmehr, dass der Filialleiter S.. die behaupteten Zinssätze zugesagt habe. Dadurch sei die Beklagte verpflichtet worden, denn jedenfalls seien die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht erfüllt. Der Beklagten sei es nicht gelungen, die Behauptung des Klägers, er sei hinsichtlich der Vertretungsmacht des Herrn S.. gutgläubig gewesen, zu widerlegen. Ein Anspruch auf zugesagte Zinsen für den Zeitraum zwischen Januar und Juli 2013 stehe dem Kläger hingegen nicht zu, denn der Kläger habe weder bewiesen, dass der Filialleiter S.. Vollmacht gehabt habe, noch dass die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht erfüllt seien, denn zumindest ab dem Jahr 2012 habe der Kläger Anhaltspunkte für das Fehlen der Vertretungsmacht des Herrn S.. gehabt und es könne wegen des inzwischen ungewöhnlich hohen Zinssatzes und der fehlerhaft erteilten Jahressteuerbescheinigung nicht ausgeschlossen werden, dass er dies erkannt oder fahrlässig nicht erkannt habe.

5

Hiergegen richten sich die frist- und formgerecht eingelegten Berufungen der Beklagten und des Klägers.

6

Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung insgesamt. Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs.1 BGB zu, da sie keine Pflichtverletzung begangen habe. Sie sei zu der Stornierungs- bzw. Berichtigungsbuchung berechtigt gewesen, weil ihr ein Rückzahlungsanspruch gegen den Kläger, jedenfalls aus § 812 Abs.1 S. 1.Alt. BGB zugestanden habe. Die Kammer habe die Beweislast im Rahmen des § 812 BGB falsch gesehen, denn der Kläger beanspruche die Wiedergutschrift des streitgegenständlichen Betrages. Die Darlegungs- und Beweislast für den diesbezüglichen primären Erfüllungsanspruch als Rechtsgrund liege daher bei ihm. Im Übrigen habe die Beklagte die Behauptungen des Klägers hinsichtlich der Verzinsung des streitgegenständlichen Girokontos auch widerlegt.

7

Der Mitarbeiter S.. habe offenkundig für die P...bank Filialvertriebs AG gehandelt und nicht für die Beklagte und habe überdies keine Vollmacht gehabt, für die Beklagte zu handeln. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht darüber nicht Beweis erhoben.

8

Auch eine Anscheinsvollmacht habe entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht vorgelegen. Insoweit habe das Landgericht zum einen wiederum die Beweislast verkannt, denn der Kläger sei derjenige, der sich zur Begründung seines primären Erfüllungsanspruchs auf eine Anscheinsvollmacht berufe, also trage er auch die Beweislast. Zum anderen habe der Mitarbeiter S.. keinen Rechtsschein von einiger Dauer und Häufigkeit erzeugt. In diesem Zusammenhang hätte nur auf Umstände abgestellt werden dürfen, die dem Kläger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt gewesen seien. Dazu, dass der Kläger von dem Wirken des Herrn S.. bereits vorher Kenntnis gehabt habe, fehle aber jeder Vortrag. Der Umstand, dass Herr S.. über einen längeren Zeitraum hinweg vergleichbare Absprachen mit verschiedenen Kunden getroffen habe, sei unstreitig erst im Frühjahr 2013 bekannt geworden und sei deshalb der Beklagten nicht zurechenbar. Ihr könne insoweit keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vorgeworfen werden. Vor dem Bekanntwerden der eigenmächtigen Zinszusagen des Herrn S.. habe es keine Anhaltspunkte zur Durchführung einer besonderen Innenrevision gegeben. Herr S.. habe mit hoher krimineller Energie die ihm offensichtlich sehr gut bekannten Kontroll- und Sicherungssysteme der Beklagten umgangen. Da S.. die Zinsgutschriften bewusst falsch als „Einzahlung“ deklariert und die notwendigen Mittel unautorisiert von den Sparkonten vermögender Kunden abgebucht habe, habe der Beklagten die Buchung von Sonderzinsen nicht auffallen können.

9

Fälschlicherweise habe das Landgericht zudem angenommen, dass die Beklagte die Behauptung des Klägers, er sei hinsichtlich der Bevollmächtigung des Herrn S.. gutgläubig gewesen, nicht widerlegt habe. Der Kläger trage auch insoweit die Beweislast. Aus den Ausführungen des Landgerichts ergebe sich, dass die Gutgläubigkeit des Klägers wegen der genannten Umstände nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt worden sei. Die Umstände seien bei der Erstzusage im Februar 2010 nicht signifikant anders gewesen und das Geschehen müsse als Einheit betrachtet werden. Im Übrigen seien auch die Eintragungen im Sparbuch und die Buchungskondiktionen selbständig kondizierbar.

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Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die Teilabweisung der Klage, mit welcher ihm die geltend gemachte weitere Verzinsung ab Januar 2013 in Höhe von 7% nicht zugesprochen worden ist. Das Landgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass er den Beweis für das Vorliegen einer Vollmacht des Herrn S.. zur Abgabe einer Zinszusage ab Januar 2013 nicht erbracht habe. Aufgrund des Schreibens Anlage K 20, dessen Erstellung durch Herrn S.. die Beklagte unstreitig gestellt habe, sei bewiesen, dass es eine entsprechende Zinszusage gegeben habe. Der Kläger habe auch von Anfang an unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Zeuge S.. bevollmächtigt gewesen sei, entsprechende Geschäfte für die Beklagte zu tätigen. Im Übrigen habe das Landgericht fehlerhaft das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht verneint. Es sei schon nicht nachvollziehbar, warum das Landgericht die Beweislastumkehr, dass der Kläger die Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht beweisen müsse, an das Datum 1.1.2013 angeknüpft habe. Im Übrigen begründeten die genannten Punkte- die Höhe des Zinssatzes von 7% und die falschen Steuerbescheinigungen- keine Bösgläubigkeit. Der Zinssatz sei nicht ungewöhnlich hoch gewesen und er habe erst im Jahre 2012 bemerkt, dass die Steuerbescheinigungen falsch waren und habe dies dann auch gleich über seine Steuerberaterin moniert.

11

Die Beklagte habe die Zinsbuchungen und Gutschriften zudem konkludent genehmigt, da sie den Buchungen nicht widersprochen habe.

12

Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung der Beklagten sowie:

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1. unter teilweiser Abänderung des am 22.08.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg - 330 O 531/13 - wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere € 270.479,28 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2013 auf einen Betrag in Höhe von € 37.685,49 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit auf einen Teilbetrag von € 232.793,79 zu zahlen.

14

2. unter teilweiser Abänderung des am 22.08.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg - 330 O 531/13 - wird die Beklagte verurteilt, weitere € 1.861,04 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

15

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung des Klägers sowie

16

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.08.2014 -330 O 531/13- abzuändern und die Klage abzuweisen.

17

Der Senat hat den Kläger persönlich gemäß § 141 ZPO angehört. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.5.2014 aus dem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg Az. 318 O 5/14 ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Wegen des Ergebnisses der Anhörung des Klägers wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2015 Bezug genommen.

II.

18

Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg, während die Berufung des Klägers unbegründet ist. Dem Kläger steht allerdings ein Anspruch auf Zahlung der „Sonderzinsen“ zu, die ihm Herr S.. in der ersten Abrede sowie in den darauf folgenden Bestätigungen vom 29.4.2010, 8.6.2010 und 11.10.2010 (Anlagen K 5 bis K 7) für den Zeitraum vom 25.1.2010 bis zum 31.10.2010 zugesagt hat. Insofern folgt der Senat weitgehend der Argumentation, wenn auch nicht in allen Details der rechtlichen Konstruktion des Landgerichts.

19

Ab Erhalt des Finanzstatus vom 7.1.2011 hatte der Kläger aber nach Auffassung des Senats konkrete Anhaltspunkte, an der Vertretungsmacht des Filialleiters S.. zu zweifeln und war von daher hinsichtlich der in dieser Bescheinigung enthaltenen konkludenten rückwirkenden Zinszusage über 5,5% ab dem 1.9.2010 und 6% ab dem 1.12.2010 sowie hinsichtlich der ab dem 1.1.2011 gegebenen weiteren Zinszusagen des Herrn S.. nicht mehr gutgläubig, was die Anscheinsvollmacht des Filialleiters anbelangt. Ihm steht daher weder ein Anspruch auf Rückerstattung eines von der Beklagten zurückgebuchten Betrages in Höhe von € 338.937,27 zu, noch kann er Zahlung der von dem Filialleiter S.. ab 1.1.2013 zugesagten Zinsen in der geltend gemachten Höhe verlangen. Im Einzelnen:

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1.) Berufung der Beklagten:

21

Die Berufung der Beklagten hat nur teilweise Erfolg. Der Kläger kann gem. § 488 Abs.1 S.2 1.HS BGB von der Beklagten Zahlung von Zinsen auf die geleistete Spareinlage in Höhe von insgesamt brutto € 190.906,97, abzüglich bereits auf der Grundlage der Standardkonditionen geleisteter Zinszahlungen in Höhe von brutto € 61.983,33 sowie im Wege des Schadensersatzes Zahlung in Höhe von € 287,11 wegen unberechtigter Rückbuchung von seinem Girokonto verlangen. Der Kläger hat bei der Beklagten zum Sparkonto Nr. 2801236881 mit Wertstellung zum 25.1.2010 eine Spareinlage in Höhe von 4 Mio. Euro geleistet und dargelegt und bewiesen, dass ihm von dem Filialleiter S.. für den Zeitraum vom 25.1.2010 bis zum 31.12.2010 rechtswirksam Zinsen in Höhe von 4,5% bis 5,25% auf die geleistete Einlage zugesagt worden sind (dazu a). Die von dem zugunsten des Klägers eröffneten Privatgirokonto vorgenommene Abbuchung der Beklagten in Höhe von € 287,11 stellte mangels eigener (Kondiktions-)Ansprüche der Beklagten eine von der Beklagten zu vertretende Pflichtverletzung im Schuldverhältnis zum Kläger dar (dazu b). Ein weitergehender Zinszahlungsanspruch steht dem Kläger nicht zu, da ihm die Darlegung einer zu Lasten der Beklagten wirksamen Vereinbarung mit dem Filialleiter S.. für den Zeitraum ab dem 1.11.2010 nicht gelungen ist (dazu unter c).

22

a) Dem Kläger steht aus § 488 Abs. 1 S.2 BGB ein Anspruch auf Zinszahlungen in Höhe von brutto € 190.906,97 gegen die Beklagte zu. Mit der Eröffnung der Sparkontos ist ein Sparvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen, der nach h.M. als Darlehensvertrag anzusehen ist (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 808, Rn. 6 m.w.N.). Aufgrund dieses Vertrages ist die Beklagte in Ansehung der jeweiligen Einlage als Darlehensnehmerin zur Zahlung von Zinsen gem. § 488 Abs.1 S.2 1.HS BGB verpflichtet. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger das streitgegenständliche Sparkonto eröffnet und die Spareinlage von 4 Mio. € absprachegemäß geleistet hat. Die Zinshöhe ergibt sich aus der produktspezifischen vertraglichen Vereinbarung. Fehlt eine solche, gelten die in den Sparbedingungen geregelten Zinssätze (Schimansky/Bunte/Lwowski-Schürmann, Bankrechtshandbuch, 4. Aufl., § 70 Rdnr. 23).

23

Hier bestehen schon aufgrund der schriftlichen Erklärungen des Herrn S.. (Anlagen K 4, K 5, K 6, K 7) keine Zweifel daran, dass der Filialleiters S.. die von dem Kläger geltend gemachten Zinshöhen tatsächlich als Sonderkonditionen zugesagt hat. Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, hat der Kläger durch die Vorlage der zahlreichen schriftlichen Bestätigungen des Herrn S.. belegt, dass dieser die vom Kläger behaupteten Zinssätze für die jeweiligen Zeiträume zugesagt hat. Dies wird mit der Berufung auch nicht angegriffen.

24

Der Filialleiter S.. hat die Beklagte mit den vorgenannten Zinszusagen auch wirksam im Wege der Stellvertretung gemäß §§ 164 ff. BGB verpflichtet. Zumindest aus den Umständen ergab sich vorliegend, dass Herr S.. im Namen der Beklagten handelte (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB). Unstreitig ist, dass Herr S.. nicht in eigenem Namen, sondern jedenfalls „unternehmensbezogen“ auftrat. Unklarheiten über die Identität des vertretenen Unternehmens (hier: P...bank AG oder P...bank Filialvertrieb AG) sind im Wege der Auslegung zu lösen (vgl. BGH NJW 2000, 3344, 3345; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Auflage, § 4 Rn. 107 m.w.N.). Herr S.. sollte vorliegend in gewissem Umfang für die Beklagte nach außen tätig werden, u.a. Kunden beraten und Vertragsbeziehungen anbahnen. Selbst wenn die Absprachen zwischen Herrn S.. und dem Kläger in einer Filiale der P...bank Filialvertrieb AG geschlossen wurden, handelt es sich bei den streitgegenständlichen Verzinsungen auf dem Girokonto um Konditionen eines Bankgeschäfts, das insoweit nur von der Beklagten betrieben wurde und betrieben werden durfte. Damit wurde bereits hinreichend deutlich, dass die Beklagte Vertragspartnerin werden sollte, was für den Kläger auch erkennbar war (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, § 164 Rn. 2).

25

Herr S.. handelte auch mit Vertretungsmacht. Zwar hat der Kläger nicht bewiesen, dass der Filialleiter S.. tatsächlich über eine Vollmacht verfügte, außerhalb der allgemein über die AGB´s oder der im Rahmen des „GewinnSparens“ geltenden Zinssätze der Beklagten Sonderzinsvereinbarungen zu treffen. Die Zeugen L.. und D.., die in dem Parallelverfahren 318 O 5/14 vor dem Landgericht zu dieser Frage vernommen worden sind und deren Aussagen mit Einverständnis der Parteien in diesem Verfahren im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden, haben übereinstimmend bekundet, dass die Mitarbeiter der Beklagten nicht die Vollmacht haben, die Bedingungen der Beklagten selbständig abzuändern. Sie hätten keinerlei Konditionenkompetenz, sondern böten lediglich vorgefertigte Produkte an. Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht den Tatsachen entspricht, bestehen nicht.

26

Es liegen jedoch die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht vor.

27

Bei der Anscheinsvollmacht kann sich der Vertretene auf den Mangel der Vertretungsmacht seines Vertreters nicht berufen, wenn er schuldhaft den Rechtsschein einer Vollmacht veranlasst hat, so dass der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von einer Bevollmächtigung ausgehen darf und auch von ihr ausgegangen ist (BGH, Urteil vom 09.05.2014, V ZR 305/12, Rn. 12, zitiert nach juris; Urteil vom 05.03.1998, III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, 1855).

28

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Es bestand der Rechtsschein einer Bevollmächtigung des Herrn S.. zur Zusage von Sonderzinskonditionen (dazu unter (aa)), der der Beklagten zuzurechnen ist (dazu unter (bb)). Der Rechtsschein war für das Handeln des Klägers auch kausal (dazu unter (cc)) und der Kläger war gutgläubig (dazu unter (dd)).

29

(aa) Das Verhalten des Herrn S.. erzeugte einen Rechtsschein dahingehend, dass er von der insoweit nicht eingreifenden Beklagten zur Vereinbarung von Zinskonditionen bevollmächtigt sei (vgl. Schramm, in: MüKo-BGB, 6. Auflage, § 164 Rn. 57 f.). Herr S.. war Filialleiter des P...bank Finanzcenters und genoss als solcher aus der Sicht des Klägers als Privatkunde eine herausragende Vertrauensstellung, die von der Beklagten deshalb herrührt, weil deren Firma und Logo in der Beschilderung dieser Einrichtung Verwendung gefunden haben und sich der Eindruck aufdrängt, es handele sich um eine Filiale der Beklagten. Die organisatorisch-funktionale Stellung des Herrn S.. lässt die Annahme des Kunden gerechtfertigt erscheinen, dass diesem durch die Beklagte auch in rechtlicher Hinsicht Befugnisse eingeräumt worden sind, die dieser Stellung als Repräsentant der Beklagten vor Ort entsprechen. Diese berechtigterweise zu erwartenden Befugnisse umfassen jedenfalls alle solche Rechtshandlungen, die für einen Beschäftigten mit dieser Stellung typisch sind. Hierzu gehört nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich auch die individuelle Vereinbarung von Zinssätzen, denn es ist im Geschäftsverkehr zwischen Kunden und Banken nicht unüblich, dass Konditionen verschiedener Bankgeschäfte (Kreditzinsen, Guthabenzinsen bei höheren Anlagebeträgen, Ausgabeaufschläge im Anlagegeschäft etc.) verhandelt werden.

30

Dieser Rechtsschein war auch von einer gewissen Dauer und Häufigkeit (zu diesem Erfordernis vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2011, VIII ZR 289/09, Rn. 16 m.w.N., zitiert nach juris). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Rechtsscheins (und der weiteren Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht) ist die Vornahme des Vertretergeschäfts (vgl. BGH NJW 2004, 2745, 2747; Schramm, a.a.O., Rn. 72). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass Herr S.. über einen längeren Zeitraum diverse, dem vorliegenden Fall vergleichbare Absprachen mit einer Vielzahl von Kunden traf. Dass die zwischen Herrn S.. und dem Kläger getroffenen Vereinbarungen die zeitlich ersten im Komplex vermeintlich unberechtigter Zinszusagen in L.. gewesen wären, trägt die Beklagte schon nicht vor.

31

(bb) Die Beklagte muss sich diesen Rechtsschein auch zurechnen lassen. Das gilt nach einer neueren Entscheidung des BGH bereits deshalb, weil die Umstände, die den Rechtsschein einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung begründen, aus der Sphäre der Beklagten stammen (dazu unter i.). Aber auch nach der älteren Rechtsprechung des BGH, die eine Fahrlässigkeit erfordert, müsste hier eine Zurechnung erfolgen (dazu unter ii.).

32

i.) Nach einem neueren Urteil des BGH vom 09.05.2014, V ZR 305/12, juris, das die Frage betraf, ob sich eine Großhändlerin für Presseerzeugnisse das Handeln ihres (ehemaligen) Vertriebsleiters zurechnen lassen muss, der unrechtmäßig Remissionsware zu viel zu niedrigen Preisen veräußert hatte, muss sich der Geschäftsinhaber den Anschein einer Vollmacht seines Angestellten zurechnen lassen, den er selbst hervorgerufen hat, weil er aus der Sphäre seines Unternehmens stammt (BGH, a.a.O., Rn. 12-15, zitiert nach juris). Dabei soll von den Instanzgerichten nach Ansicht des BGH einem Vorbringen des Geschäftsinhabers, wonach der Vertreter geschickt die internen Kontrollen umgangen habe und allein deswegen die getätigten Geschäfte der Geschäftsführung unbekannt geblieben seien, nicht nachgegangen werden, weil der Geschäftsinhaber den Rechtsschein ordnungsgemäßer Vollmacht in jedem Fall nicht unverschuldet veranlasst hätte (BGH, a.a.O., Rn. 14, zitiert nach juris). Diese Verteilung der Risiken beruhe darauf, dass der kaufmännische Verkehr Rechtssicherheit sowie einfache und klare Verhältnisse erfordere und dass es dem Geschäftspartner nicht zugemutet werden könne, über die Ermächtigung des für den Geschäftsinhaber Auftretenden genaue Ermittlungen anzustellen, solange er nach dem äußeren Anschein anzunehmen berechtigt sei, dass der Geschäftsinhaber das Verhalten des in seinem Namen handelnden Angestellten billigt (BGH, a.a.O., Rn. 14, zitiert nach juris).

33

Diese Erwägungen des BGH führen auch im vorliegenden Fall dazu, dass sich die Beklagte das Vertreterhandeln des Herrn S.. zurechnen lassen muss. Die Beklagte hat den Anschein einer Bevollmächtigung des Herrn S.. selbst hervorgerufen, indem sie diesen als Filialleiter des Finanzcenters L.. hat auftreten lassen. Dies gilt unabhängig davon, dass Herr S.. Angestellter der P...bank Filialvertrieb AG war, denn die Geschäfte, die er ausgeführt hatte, waren von außen betrachtet als normale Bankgeschäfte anzusehen. Damit stammten die Umstände, die hier den Anschein der Bevollmächtigung hervorriefen, aus der Sphäre der Beklagten. Diese kann daher auch nicht mit ihrem Einwand gehört werden, sie hätte das kriminelle Handeln des Herrn S.. nicht erkennen können. Würde ihr dieser Einwand gestattet, wäre es doch wieder Sache des Geschäftspartners, genaue Ermittlungen über die Befugnis des für den Geschäftsinhaber Auftretenden anzustellen. Dies aber soll dem Geschäftspartner nach Ansicht des BGH gerade nicht zugemutet werden. Im hier vorliegenden Fall des Filialleiters einer Bank erscheint es auch unmittelbar einleuchtend, dass den Kunden nicht zugemutet werden kann, dessen Befugnis zum Abschluss von Bankgeschäften zu hinterfragen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang bereits die naheliegende Frage, bei wem sich die Kunden dann überhaupt erkundigen sollten. Da die dem Filialleiter nachgeordneten Mitarbeiter der Filiale hierfür ersichtlich nicht in Betracht kommen, könnten dies nur Mitarbeiter auf höheren Ebenen der Bank sein, zu denen die Kunden aber normalerweise keinen Kontakt haben. Es muss daher richtigerweise dabei bleiben, dass die Kunden auf das Wort des Leiters einer Bankfiliale vertrauen können müssen und dass der Beklagten das Risiko des kriminellen Handelns eines ihrer Mitarbeiter zuzurechnen ist, weil sie diesem Risiko nähersteht als der Kunde und – dessen Gutgläubigkeit vorausgesetzt – bessere Möglichkeiten als dieser hat, es zu verhindern.

34

ii.) Auch unter Zugrundelegung der herkömmlichen Zurechnungskriterien ist die Entstehung des Rechtsscheins einer Bevollmächtigung des Herrn S.. der Beklagten zurechenbar. Bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte sie das Handeln des Herrn S.. voraussehen und verhindern können. Das kann zwar noch nicht daraus geschlossen werden, dass der Kläger tatsächlich Gutschriften auf seinen Konten erhielt. Denn diese dem Vertretergeschäft nachgelagerten Aspekte müssen bei der Beurteilung der Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht unberücksichtigt bleiben. Allerdings kann auch hinsichtlich der Frage der Zurechenbarkeit des Rechtsscheins zur Beklagten nicht außer Betracht bleiben, dass es eine Vielzahl von vergleichbaren Fällen gab. Insofern hätte die Beklagte im Wege der Innenrevision Kenntnis erlangen können, dass in L.. von den „Standardkonditionen“ abweichende Zinszusagen getroffen und in das Buchungssystem eingegeben wurden.

35

Selbst wenn diese Buchungen – wie hier im internen Buchungssystem der Beklagten (Anlage B 12)– sämtlich als „Einzahlung“ bezeichnet gewesen wären, hätte der Beklagten auffallen können, dass diesen Buchungen keine tatsächlichen Einzahlungen gegenüberstanden. Selbst wenn – wie die Beklagte im Rahmen der Berufungserwiderung vorträgt – Herr S.. Einzahlungen dadurch ermöglicht hat, dass er Gelder von den Sparkonten anderer Kunden nahm, deren Sparbücher er vorschriftswidrig in der Filiale verwahrte, hindert dies eine Zurechnung ebenfalls nicht. Denn die Kontrolle gebuchter Umsätze entspringt der Organisationssphäre der Beklagten und bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte ihr auffallen müssen, dass es zu besonders hohen Geldanlagen in L.. auch von zahlreichen dort nicht ansässigen Personen gekommen ist. Herr S.. hat - wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist - im Jahr 2008 oder 2009 eine Ehrung von der Beklagten für seine überdurchschnittlichen Erfolge bei der Einwerbung von Kundengeldern erhalten. Das zeigt, dass dieser Aspekt grundsätzlich von der Beklagten überwacht wurde. Die Beklagte trägt außerdem schon nicht vor, dass für sie außerhalb der EDV keine Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten hinsichtlich der Mitarbeiter der von ihr mit der Beratung und Geschäftsanbahnung betrauten Tochtergesellschaft bestanden hätten. Es muss davon ausgegangen werden, dass durch eine (z.B. jährliche) Prüfung der Filiale im Rahmen einer Innenrevision schon wesentlich früher hätte festgestellt werden können, dass Postsparbücher in der Filiale verwahrt wurden und dass hiervon durch Herrn S.. eigenmächtig Gelder abgebucht wurden. Zudem müssen die Buchungen über das Kassensystem der Beklagten erfolgt sein und hier hätte der Beklagten schon bei einer regulären Kassenprüfung der jeweils erheblich höhere Umfang von Buchungen zum Jahresanfang, als Herr S.. die Zinszusagen durch „Einzahlungen“ erfüllte, auffallen müssen.

36

(cc) Der Rechtsschein der Bevollmächtigung war für das Handeln des Klägers auch kausal. Erforderlich ist dazu in der Regel, dass der Rechtsschein zum Zeitpunkt des Vertretergeschäfts noch vorgelegen hat und der Vertragspartner die Tatsachen kennt, aus denen sich der Rechtsschein der Bevollmächtigung ergibt (vgl. BGH NJW 2007, 987, Rn. 25; Ellenberger a.a.O. Rn. 14 m.w.N.). Dabei muss der Vertragspartner nicht alle Umstände selbst kennen, sondern es genügt, wenn ihm von anderen Personen, die diese Tatsachen kennen, die allgemein bestehende Überzeugung des Vorliegens einer Bevollmächtigung mitgeteilt wird (BGH NJW-RR 1986, 1476, 1477; Schramm a.a.O. Rn. 66 m.w.N.). Die Beklagte hat vorliegend keine Umstände vorgetragen, wonach der Kläger Herrn S.. zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zinszusagen nicht als aufgrund seiner Stellung als Filialleiter vertretungsbefugt angesehen hätte.

37

(dd) Schließlich hat der Kläger hinsichtlich der im Jahr 2010 von Herrn S.. zugesagten und bis zum 31.12.2010 erfolgten Zinsgutschriften auch bewiesen, dass er in Bezug auf die Vertretungsmacht des Herrn S.. gutgläubig war.

38

Die subjektive Berechtigung des Vertrauens fehlt, wenn der Geschäftsgegner trotz Vorliegen des Rechtsscheintatbestandes das Fehlen der Bevollmächtigung bei der Vornahme des Rechtsscheins kennt oder kennen muss. Es gilt der auch in § 173 BGB ausgesprochene Grundsatz, dass derjenige, der Vertrauensschutz in Anspruch nehmen will, gutgläubig sein muss. Auch leichtfahrlässige Unkenntnis kann hier schaden. Keinesfalls wird der Leichtgläubige geschützt, der vor einem evidenten Mangel der Vollmacht die Augen verschlossen hat. Andererseits besteht keine allgemeine Prüfungsobliegenheit. Vielmehr müssen besondere Umstände vorliegen, die Anlass zu Misstrauen und erhöhter Vorsicht geben. Bestehen Zweifel, muss sich der Geschäftsgegner bei dem Vertretenen erkundigen. Es kommt darauf an, ob einem vernünftigen Menschen in der Lage des Geschäftsgegners der Mangel der Vollmacht nicht verborgen geblieben wäre oder ob ihm doch Zweifel an ihrem Bestehen oder ihrem Umfang gekommen wären (vgl. Münch.-Komm.-Schramm, 6. Aufl., § 167 BGB, Rdnr. 70 m.w.N.).

39

Unter Würdigung der relevanten Indizien und nach der Anhörung des Klägers ist davon auszugehen, dass dieser zum Zeitpunkt der im Jahre 2010 getroffenen Verabredungen der Zinskonditionen für das Sparkonto einen etwaigen Mangel der Vertretungsmacht des Herrn S.. nicht kannte und auch nicht hätte erkennen müssen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Zinszusage von dem Filialleiter einer Filiale einer seriösen deutschen Großbank erteilt worden war, demgegenüber der Kläger grundsätzlich keinerlei Misstrauen entgegenbringen musste.

40

Der Kläger hat bei seiner Befragung durch den Senat auch glaubhaft geschildert, wie er über seinen Bekannten, Herrn H.., auf das Angebot der P...bank gekommen sei und telefonischen Kontakt zu dem Filialleiter S.. aufgenommen habe. Er hat nachvollziehbar begründet, warum ihm das gute Zinsangebot nicht ungewöhnlich vorgekommen sei, nämlich weil Herr S.. ihm von einem Sonderkontingent berichtet habe, für das ein bestimmtes Volumen zur Verfügung stehe, was er darin bestätigt gesehen habe, dass ein Freund von ihm, dem er die Anlage seinerseits weiter empfohlen hatte, von Herrn S.. nicht mehr „angenommen“ worden sei. Glaubhaft hat der Kläger im Übrigen geschildert, dass er mehrere Freunde und Bekannte gehabt habe, die ebenfalls bei der P...bank L.. investiert gewesen seien und dass damals - auch bei seiner anderen Bank - offen über das Angebot der P...bank gesprochen worden sei. Anhand mehrerer Beispiele hat er auch verdeutlicht, aus welchem Grund ihm das im Januar 2010 zugesagte Zinsangebot nicht ungewöhnlich hoch vorgekommen sei. Auch wenn es sich bei der von ihm genannten Anlageformen (jährlich kündbare Versicherung bei der A..) nicht um ein vergleichbares Anlageprodukt handelte, war der anfänglich zugesagte Zinssatz in Höhe von 4,5% nicht so ungewöhnlich hoch, dass er ihm im Vergleich dazu als absolut ungewöhnlich und jenseits des marktüblichen liegend hätte erscheinen müssen.

41

Schließlich musste auch der Umstand, dass die Annahme der Kontoeröffnungsanträge von der Niederlassung der Beklagten in H.. ohne die schriftliche Erwähnung von Sonderkonditionen an den Kläger gesandt wurde, den Kläger nicht bösgläubig machen. Zwar verweist der Eröffnungsantrag auf die AGB der Beklagten, die hinsichtlich der Zinshöhe wiederum auf Preisaushänge etc. verweisen (vgl. Anlage B 6, B 7). Nach der gesetzlichen Regelung des § 305b BGB gehen etwaige Individualvereinbarungen AGB indes vor. Ferner geht Ziff. 12 der allgemeinen AGB der Beklagten (Anlage B 2) unter dem Regelungspunkt „Zinsen und Entgelte im Privatkundengeschäft“ auf mögliche „abweichende Vereinbarungen“ ein. Insgesamt kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger fahrlässig verkannt hätte, dass Individualvereinbarungen mit der Beklagten bezüglich der Zinshöhe nicht vorkommen könnten. Einen solchen zwingenden Schluss ermöglicht das ihm vermeintlich ausgehändigte Konvolut diverser Bedingungen gerade nicht.

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Dem Kläger stehen danach von dem insgesamt von der Beklagten für das Jahr 2010 zurückgebuchten Betrag von brutto € 135.042,70 (netto € 99.425,20) aufgrund der Zinszusagen des Herrn S.. vom 25.1. 2010 (Erstzusage), 29.4.2010, 8.6.2010 und 11.10.2010 (Anlagen K 5, K 6, K 7) folgende (Brutto-) Zinszahlungsansprüche zu:

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Nach der Erstzusage durch Herrn S.. sollte ihm auf seine Ersteinlage von € 4 Mio. ein Zinssatz von 4,5% gewährt werden. Verlängert wurde diese Zusage mit Email vom 29.4.2010 (K 5) bis zum 30.6.2010. Mit Email vom 8.6.2010 teilte Herr S.. dem Kläger sodann mit, dass rückwirkend zum 1.5.2010 ein Zinssatz von 4,75% gewährt werden könne bis zum 31.10.2010 (K 6). Am 11.10.2010 teilte Herr S.. dem Kläger sodann auf dessen Nachfrage hin mit, dass eine weitere Zinsverbesserung habe erreicht werden können und dass vom 1.7.bis 31.08.2010 5% und ab 1.9.2010 bis zum 31.12.2010 eine Verzinsung von 5,25% Zinsen gewährt werden könne. Danach ergibt sich unter Zugrundelegung der von dem Kläger geleisteten Spareinlagen für 2010, gerechnet auf 365 Zinstage (Anlage K 10), folgende Berechnung:

44

25.01. – 31.01., Anlagebetrag 4 Mio., 4,25 % Zinsen =

€   3.260,27

01.02. – 30.04., Anlagebetrag 4 Mio., 4,50 %, Zinsen =

€  43.890,41

01.05. – 30.06., Anlagebetrag 4 Mio., 4,75%, Zinsen =

€  31.753,42

01.07. – 31.08., Anlagebetrag 4 Mio., 5,00% Zinsen =

€  33.972,60

01.09. – 17.10., Anlagebetrag 4 Mio., 5,25%, Zinsen =

€  27.041,10

18.10.– 31.12., Anlagebetrag 4,7 Mio., 5,25%, Zinsen =

€  50.702,06

zusammen:

brutto € 190.619,86

45

Da dem Kläger von der Beklagten für diesen Zeitraum aufgrund der zu diesem Zeitpunkt geltenden Konditionen für das P...bank Gewinn-Sparen ausweislich der Steuerbescheinigung für das Jahr 2010 (Anlage B 13) Zinsen in Höhe von brutto € 61.983,33 gutgeschrieben worden sind, die nicht wieder zurückgebucht wurden, ist dieser Betrag abzuziehen, da der Anspruch des Klägers in dieser Höhe bereits erfüllt ist. Es ergibt sich somit eine Restforderung in Höhe von brutto € 128.636,53.

46

b) Dem Kläger steht zudem gem. § 280 Abs.1 BGB ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe von € 287,11 zu, denn die von dem Girokonto des Klägers vorgenommene Abbuchung in dieser Höhe stellt eine Pflichtverletzung der Beklagten aus diesem Schuldverhältnis dar. Die Beklagte war zu einer Storno- oder Berichtigungsbuchung (vgl. § 8 AGB-Banken) in dieser Höhe nicht berechtigt, denn ihr stand kein Kondiktionsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB gegen den Kläger in derselben Höhe zu. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass der Kondiktionsschuldner (hier: der Kläger) etwas durch Leistung des Kondiktionsgläubigers (hier: die Beklagte) ohne Rechtsgrund erlangt hat. Hier sind die Gutschriften mit Rechtsgrund erfolgt, denn der Filialleiter S.. handelte aus den genannten Gründen aufgrund der anzunehmenden Anscheinsvollmacht mit Vertretungsmacht. Der Kläger hatte schon aufgrund der geringen wirtschaftlichen Bedeutung der Bearbeitungsentgelte keine Veranlassung, an der Vertretungsmacht des Filialleiters zu zweifeln.

47

c) Dass ihm für den Zeitraum ab 1.1.2011 sowie rückwirkend für den Zeitraum ab 1.9.2010 ein Anspruch auf Zahlung weiterer € 338.937,27 aus zulasten der Beklagten rechtswirksam abgegebener Zinszusagen des Filialleiters S.. zusteht, hat der Kläger hingegen nicht dargetan, so dass die Berufung der Beklagten insoweit Erfolg hat. Ab Januar 2011 verdichteten sich die Unstimmigkeiten in einem Maße, dass dem Kläger Zweifel an der Seriosität der Anlage und damit an der Vertretungsmacht des Filialleiters S.. hätten kommen müssen, denen er sich trotz der regelmäßig fließenden Zinserträge und des Umstandes, dass auch weitere Bekannte bei der P...bank L.. angelegt hatten, nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht hätte verschließen dürfen und die er zum Anlass hätte nehmen müssen, bei der P...bank-Zentrale nachzufragen, so dass die Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht nicht vorlagen.

48

Bereits in den ersten Anlageperioden im Jahre 2010 war schon ungewöhnlich und entsprach nicht bankenüblichen Gepflogenheiten, dass der Filialleiter S.. die Zinsen regelmäßig ohne ausdrückliches Verlangen des Klägers - zum großen Teil sogar rückwirkend - erhöhte. Der Kläger hat dazu in der mündlichen Verhandlung selbst erläutert, dass er die stetigen Erhöhungen nicht begehrt habe, sondern sie ihm gewährt worden seien. Nachdem dem Kläger zunächst auf seine Nachfrage hin, ob die Anlage nach den ersten drei Monaten wieder neu verzinslich angelegt worden sei, mitgeteilt worden war, dass der Zinssatz von 4,5% bis zum 30.6.2010 verlängert worden sei (Anlage K 5), erhielt er am 8.6.2010 –offenbar ohne erneute Anfrage- von Herrn S.. die Mitteilung, dass rückwirkend zum 1.5.2010 ein Zinssatz von 4,75% ab 1.5.2010 bis zum 31.10.2010 gewährt werden könne (Anlage K 6). Auf die Anfrage vom 11.10.2010, wie es mit der Verzinsung nach dem 31.10.2010 weitergehe, kam dann am selben Tag die Nachricht, dass die Konditionen noch weiter hätten verbessert werden können und dass nunmehr ab dem 1.7.2010 bis zum 31.08.2010 ein Zinssatz von 5,00% und ab dem 1.9.2010 ein Zinssatz von 5,25% bis zum 31.12.2010 gewährt werden könne (Anlage K 7).

49

Wenn dies allein den Kläger vor dem Hintergrund der von ihm geschilderten Erklärung des Filialleiters S.., dass es wegen der Anleihe- und Kreditgeschäfte der P...bank kurzfristig Sonderkontingente gebe, noch nicht misstrauisch machen musste, änderte sich die Situation jedenfalls ab dem Zeitpunkt, als die in den zu dem Sparkonto erteilten Kontoaufstellungen aufgeführten Zinssätze nicht mit den von dem Filialleiter S.. genannten übereinstimmten und hätte der Kläger aufmerksam werden müssen. So ist zunächst in dem mit Schreiben vom 15.11.2010 übersandten Finanzstatus zum 31.10.2010 in der oberen Spalte zu dem „Gewinn-Sparbuch“ ein Zinssatz von 5,5% aufgeführt (Anlage K 8, S.2). Abweichend davon ist in dem am 7.1.2011 übersandten Finanzstatus für das gesamte Jahr 2010 auf der ersten Seite in der oberen Spalte zum „P...bank Gewinn-Sparbuch“ ein Zinssatz von 6% angegeben. Ausweislich der Excel-Tabelle auf der zweiten Seite ist sodann für den Zeitraum vom 1.9. bis 17.10. und vom 18.10. bis 31.11. ein Zinssatz von 5,5% sowie für den Zeitraum vom 1.12. bis 31.12. ein Zinssatz von 6 % gewährt worden, wobei der November bekanntlich keine 31 Tage hat.

50

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet hat, dies sei ihm nicht aufgefallen - woran angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem Kläger um den Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens handelt, der nach dem Inhalt seiner Schilderungen in Finanzdingen äußerst versiert ist und der ausweislich des in der Akte befindlichen Schriftverkehrs sowie seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung die Anlage regelmäßig im Blick gehabt hat, schon deutliche Zweifel bestehen - ist ihm jedenfalls Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Die Abweichungen von dem Zugesagten waren offensichtlich zu erkennen. Der Kläger hätte vor den sich häufenden Auffälligkeiten nicht die Augen verschließen dürfen, sondern hätte sich an übergeordneter Stelle erkundigen müssen, ob das Handeln des Filialleiters S.. von seiner Vollmacht gedeckt ist.

51

Mit Rücksicht auf diese konkreten, für den Kläger offensichtlichen Verdachtsmomente kommt auch eine Verpflichtung der Beklagten nach den Grundsätzen des § 56 HGB nicht in Betracht. Denn zum einen lag damit im konkreten Fall kein „gewöhnlicher“ Geschäftsvorfall mehr vor, zum anderen war der Missbrauch der Vollmacht im Sinne des § 56 HGB für den Kläger evident.

52

Der Kläger kann daher weder zusätzliche Zinszahlungen aufgrund der in der Zinsaufstellung vom 7.1.2011 (Anlage K 10) enthaltenen konkludenten Zusage einer Zinserhöhung auf 5,50% rückwirkend ab dem 01.09. bis zum (31).11. 2010 und auf 6,00% vom 1.12. bis 31.12.2010 verlangen, noch Zahlung von Sonderzinsen in Höhe von 6,00 % und steigend ab dem Jahr 2011.

53

2.) Berufung des Klägers

54

Die Berufung des Klägers bleibt aus den dargelegten Gründen ohne Erfolg. Er hat das Vorliegen einer Handlungsvollmacht nicht bewiesen und die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht des Filialleiters S.. für die ab Januar 2013 erteilten Zinszusagen nicht dargetan und kann demzufolge von der Beklagten nicht Einhaltung der Zinszusagen des Herrn S.. und Zahlung des geltend gemachten Betrages verlangen.

55

3.) Dem Kläger steht kein Anspruch auf anteilige Erstattung seiner außergerichtlichen Anwaltskosten zu, denn er hat nicht dargetan, dass es sich um einen Verzugsschaden handelt. Die Einschaltung seines Anwalts erfolgte nach seinem eigenen Vortrag, ohne dass die Beklagte vorher in Verzug gesetzt worden war. Die Kosten der den Verzug begründenden Erstmahnung durch einen Anwalt können jedoch nicht ersetzt verlangt werden, weil sie nicht durch den Verzug verursacht worden sind (Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 286 BGB, Rdnr. 44).

56

Der Kläger kann aber gem. §§ 286, 288 BGB Erstattung von Verzugszinsen auf den tenorierten Betrag verlangen, da die Beklagte durch das Anwaltsschreiben vom 2.8.2013 (Anlage K 25) in Verzug gesetzt worden ist.

57

Bei dem ausgeurteilten Betrag handelt es sich um den von dem Kläger aufgrund der Zinszusagen des Herrn S.. zu fordernden Bruttozinsbetrag, auf welchen von der Beklagten gem. § 44 Abs.1 S.4 Nr. 2., S.5 EStG die Zinsertragssteuer und der Solidaritätszuschlag abzuführen sind. Da der Kläger nur die Auszahlung des Nettobetrages verlangen kann, ist der Verzugszins nur auf den Nettobetrag zu berechnen.

58

Mit Blick auf eine etwaige Kirchensteuerpflicht des Klägers besteht eine Abzugsverpflichtung der Beklagten gem. § 51a Abs. 2c EStG nicht. Entsprechend dem zeitlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift, wie er sich aus § 52 Abs. 49 EStG ergibt, ist § 51a Absatz 2c und 2e EStG in der am 30. Juni 2013 geltenden Fassung erstmals auf nach dem 31. Dezember 2014 zufließende Kapitalerträge und damit nicht auf solche Kapitalerträge anzuwenden, die dem Steuerpflichtigen vor dem Jahr 2015 zugeflossen sind. Dazu gehören auch die vom Kläger in dem vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Zinsen, die dem Kläger schon zum Zeitpunkt der von Herrn S.. veranlassten Einzahlungsgutschriften zugeflossen waren. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass die Beklagte diese Gutschriften nachfolgend durch eine entsprechende Belastungsbuchung auf dem Konto des Klägers storniert hat. Denn der Ertragszufluss hat dadurch stattgefunden, dass der Kläger als Gläubiger des Kapitals die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die fraglichen Beträge erlangt hat (vgl. Blümich/Glenk, EStG, 127. Auflage 2015, § 11 Rn. 37) und diese wirtschaftlich ein Nutzungsentgelt für die zeitlich begrenzte Überlassung von Kapital, mithin Zinsen, darstellen (vgl. Blümich/Ratschow, a.a.O. § 20 Rn. 309). Auf den Kenntnisstand der Beklagten und darauf, inwieweit die Einzahlungsbuchungen der Beklagten zivilrechtlich als eigene Leistungshandlungen zuzurechnen sind, kommt es für die Einordnung der Gutschriften als Kapitalerträge nicht an; denn diese Einordnung hat nach § 20 Nr. 7 S. 2 EStG unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage zu erfolgen.

59

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

60

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beschränkt sich auf die Anwendung feststehender Rechtssätze auf den konkreten Einzelfall. Einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf es auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

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