Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 17 U 158/02

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 23.07.2002 – 2 O 174/99 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.122,33 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit 16.11.2002 zu zahlen.

2) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der mit vorliegendem Urteil festgestellten Pflichtverletzung des Beklagten aus dem Architektenvertrag der Parteien vom 24.02.1994 entstanden ist und noch entsteht.

3) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Beklagte 58 % und die Klägerin 42 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin 55 % und dem Beklagten 45 % zur Last.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 101.558,22 Euro festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache zum Teil Erfolg.
I.
Die Parteien schlossen unter dem Datum des 24.02.1994 einen Architektenvertrag (Anl. K 1 - 7), nachdem der Beklagte bereits am 06.12.1993 eine "Kostenzusammenstellung" (II 99) gefertigt hatte. Gegenstand des Architektenvertrages war der Umbau des 2. OG und DG des Anwesens S im Bauvorhaben B Straße ... in G Es war vereinbart, dass der Beklagte die Leistungsphasen Ziffer 1 - 9 des § 15 HOAI erbringen sollte. Ferner waren die Allgemeinen Vertragsbestimmungen (II 95-97) Vertragsbestandteil. Die später mit den Rohbauarbeiten beauftragte Firma D GmbH fertigte unter dem 07.03.1994 eine handschriftliche "Aufstellung" (Anlage K 9-13). Bezüglich der Rohbauarbeiten wurde von dem Beklagten kein detailliertes Leistungsverzeichnis erstellt. Ferner wurden auch keine Vergleichsangebote eingeholt sondern der Auftrag vom Beklagten an die Fa. D GmbH im März/April 1994 im Stundenlohn vergeben. Die vorgenannte Baufirma fertigte unter dem Datum des 24.05.1994 eine weitere Kostenaufstellung (II 105).
Nach Ausführung der Arbeiten wurde am 05.08.1994 das Aufmaß genommen (Anlage K 129). Unter dem Datum des 05.08.1994 übersandte die Fa. D GmbH der Klägerin und ihrem Ehemann eine Rechnung über ausgeführte Rohbauarbeiten, die mit einem (reduzierten) Gesamtbetrag von 134.162,82 DM schloss (Anlage K 15-19). Der Beklagte stellte am 08.11.1994 seine Honorarrechnung (II 109), die über brutto 50.719,38 DM lautete. Der Ehemann der Klägerin trat der Rechnung der Bauunternehmung mit Schreiben vom 06.11. und 20.11.1994 entgegen (Anlagen K 21 - 27). In der Folgezeit kam es zu einem Vorprozess zwischen der Fa. D GmbH und der Klägerin und ihrem Ehemann, der in zweiter Instanz zu einer Verurteilung der letzteren zur Zahlung von 131.724,84 DM führte. Dieser Betrag ist zwischenzeitlich bezahlt worden.
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen behaupteter Pflichtverletzungen aus dem Architektenvertrag auf Schadensersatz in Anspruch, wobei ihr Ehemann seine Ansprüche an die Klägerin mit Erklärung vom 20.10.1998 abgetreten hat. Die Klägerin hat vorgetragen:
Dem Beklagten fielen eine Reihe schuldhafter Pflichtverletzungen im Rahmen der Leistungsphasen 7 und 8 zur Last. Er habe es vor allem unterlassen, mehrere Vergleichsangebote vor Vergabe der Arbeiten einzuholen. Auch sei es erforderlich gewesen, ein Leistungsverzeichnis zu erstellen.
Der Beklagte hätte die streitgegenständlichen Arbeiten nicht auf der Basis eines Stundenlohnvertrages sondern vielmehr auf Einheitspreis-Basis vergeben müssen. Sämtliche auszuführenden Arbeiten hätten seinerzeit bereits festgestanden und seien dem Beklagten bekannt gewesen. So seien schon am 23.02.1994 drei Ausführungspläne des Beklagten vorhanden gewesen, die auszuführenden Umbauarbeiten seien auch bereits in dem Prüfbericht des Dipl.-Ing. Alfred H vom 25.03.1994 im Wesentlichen aufgeführt gewesen.
Alle Beteiligten seien von Anfang an davon ausgegangen, dass der Kostenumfang für die Rohbauarbeiten bei 30.000 - 50.000 DM liege. Der Beklagte habe demgegenüber eigenmächtig die Aufstellung der Fa. Draxler GmbH vom 07.03.1994 genehmigt, die nicht vereinbart gewesen sei. Die Kostenschätzung der Fa. D GmbH vom 24.05.1994 habe sämtliche Arbeiten umfasst und sei dabei zu einem Circa-Betrag von 36.000 DM zzgl. 15 % MwSt. gekommen. Ausgenommen hiervon seien lediglich die Arbeiten für den Treppendurchbruch sowie das Entfernen des Estrichs gewesen, die insgesamt allenfalls weitere DM 5.000 ohne MwSt. gekostet hätten.
Dem Beklagten sei ferner zur Last zu legen, dass er über kein hinreichendes Planungskonzept verfügt habe. Auch habe er es schuldhaft unterlassen, die Rechnung der Fa. D GmbH zu prüfen. Dabei hätte ihm auffallen müssen, dass diese Rechnung wesentlich überhöht gewesen sei und tatsächlich nicht angefallene Stunden berücksichtigt habe. Allenfalls sei ein Rechnungsbetrag von 82.000 DM zzgl. MwSt., mithin insgesamt 94.300 DM angemessen gewesen. Der Beklagte hätte auch erkennen müssen, dass das Angebot der Fa. D GmbH in keiner Weise der Ortsüblichkeit entsprochen habe. Dieses hätte allenfalls Kosten in Höhe von 53.112,06 DM vorsehen dürfen. Im Übrigen enthalte die Rechnung auch verschiedene rechnerische Unrichtigkeiten.
Es sei weiter zu beanstanden, dass kein gemeinsames Aufmaß genommen worden sei. Bei rechtzeitigem Hinweis des Beklagten auf die voraussichtlich entstehenden höheren Kosten hätten die Klägerin und ihr Ehemann den Vertrag sofort gekündigt. Ihnen sei nicht vorhersehbar gewesen, dass sich die Kosten des Rohbaus von projektierten ca. 50.000 DM auf über 134.000 DM steigern würden. Der Beklagte sei im Übrigen auch seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Bauüberwachung nicht in ausreichendem Maße nachgekommen.
10 
Der Klägerin und ihrem Ehemann sei ein Schaden von insgesamt 113.479,98 DM entstanden. Dieser setze sich zusammen aus einer Überzahlung der Rechnung der Fa. D GmbH in Höhe von 78.612,78 DM. Ferner seien Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 10.049,36 DM sowie Zinsschäden in Höhe von 24.817,84 DM zu berücksichtigen. Der Beklagte schulde ferner Ersatz des der Klägerin und ihrem Ehemann auch in Zukunft entstehenden Schadens. Dieser sei Inhalt der gleichzeitig erhobenen Feststellungsklage.
11 
Die Klägerin hat beantragt:
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1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 113.479,98 nebst 4 % Zins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
13 
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte der Klägerin sämtlichen entstandenen materiellen Schaden aus der Verletzung des Architektenvertrages vom 24.02.1994 zu erstatten hat.
14 
Der Beklagte hat beantragt,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Der Beklagte hat vorgetragen:
17 
Der Leistungsumfang sei zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe noch nicht bekannt gewesen. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten in erheblichem Umfang Eigenleistungen erbringen wollen.
18 
Vor Auftragsvergabe habe der Beklagte bei zwei anderen Baufirmen angefragt. Diese seien jedoch nicht dazu bereit gewesen, den Auftrag zu übernehmen. Die Festlegung des Kostenumfangs bei Auftragserteilung an die Fa. D GmbH sei nicht möglich gewesen. Der Beklagte habe insbesondere das Angebot dieser Firma vom 07.03.1994 nicht genehmigt. Das Schreiben der Fa. D GmbH vom 24.05.1994 sei keine Kostenschätzung sämtlicher Arbeiten.
19 
Der Beklagte habe die Rechnung der Fa. D GmbH geprüft. Alle Arbeiten seien ausgeführt, die angesetzten Stunden tatsächlich angefallen.
20 
Es werde bestritten, dass die Klägerin und ihr Ehemann den Bauvertrag bei Hinweis auf die tatsächlich entstehenden Kosten gekündigt hätten. Eine Vergabe auf Einheitspreis-Basis wäre in keinem Fall günstiger gewesen.
21 
Der Beklagte bestreitet die einzelnen von der Klägerin angesetzten Schadenspositionen. Kein Bauunternehmer wäre seinerzeit dazu bereit gewesen, die Arbeiten für 53.112,06 DM auszuführen.
22 
Mit Urteil vom 23.07.2002 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen.
23 
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der von ihr eingelegten Berufung. Sie wiederholt ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und führt ergänzend aus:
24 
Bereits beim Verfassen der Kostenzusammenstellung vom 06.12.1993 sei dem Beklagten genau bekannt gewesen, welche Leistungen zu erbringen seien. Er habe keine Kostenschätzung oder Kostenberechnung vorgelegt und die Beauftragung des Bauunternehmers ohne Rücksprache mit dem Bauherrn vorgenommen.
25 
Das erstinstanzlich erstattete Sachverständigengutachten sei unbrauchbar, da dieses ohne erforderliche Unterlagen erstellt worden sei. Das Landgericht habe es zu Unrecht unterlassen, ein weiteres Gutachten einzuholen.
26 
Dem Beklagten sei bereits im Jahre 1993 der gesamte Umfang der auszuführenden Arbeiten bekannt gewesen. Insbesondere habe er gewusst, dass die Klägerin und ihr Ehemann Eigenarbeiten in allerdings geringem Umfang erbringen wollten. Lediglich die Innenwände seien in Eigenarbeit abgebrochen worden. Weitere Eigenleistungen seien an diesem Gewerk nicht erbracht worden. Gegenüber dem früheren Zustand seien auch weitere erhebliche Arbeiten nicht hinzu gekommen. Auch aus den Eingabeplänen des Beklagten von September 1993 und Januar 1994 sei der Umfang des Rohbaugewerkes klar erkennbar gewesen.
27 
Ein von der Klägerin vom TÜV Süddeutschland eingeholtes Gutachten vom 11.11.2002 habe überzeugend festgestellt, dass die Rechnung der Fa. D GmbH um mindestens 58.000 DM incl. MwSt. über dem marktüblichen Preis gelegen habe.
28 
Die vom Beklagten erstellte Architektenrechnung sei unzutreffend, weil er nicht den vertraglich vereinbarten Mindestsatz berechnet habe. Ihm hätte allenfalls ein Honorar von brutto 41.848,35 DM zugestanden. Im Übrigen habe der Beklagte die vereinbarten Leistungsphasen 6 sowie 7 und 2 nicht erbracht.
29 
Der gesamte von der Klägerin und ihrem Ehemann im Berufungsverfahren neu berechnete Schaden stelle sich auf 159.514,02 DM. Wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf die Berufungsbegründung Seite 21-23 Bezug genommen.
30 
Die Klägerin beantragt:
31 
Das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 23.07.2002 – Az. 2 O 174/99 – wird abgeändert wie folgt:
32 
a) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 81.558,22 / DM 159.514,02 nebst 5 % Zins hieraus seit dem 16.11.2002 zu zahlen.
33 
b) Es wird festgestellt, dass der Beklagte der Klägerin sämtlichen materiellen Schaden aus der Verletzung des Architektenvertrages vom 24.02.1994 zu erstatten hat.
34 
Der Beklagte beantragt,
35 
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
36 
Der Beklagte wiederholt seinen erstinstanzlichen Sachvortrag und führt ergänzend aus: Die Berufung sei unzulässig, da sich aus der Begründung eine behauptete konkrete Rechtsverletzung nicht ergebe. Auch sei nicht feststellbar, welche konkreten Tatsachen falsch oder unvollständig festgestellt seien. Das neu eingeholte Privatgutachten des TÜV sei als neuer Sachvortrag im Berufungsverfahren nicht zulässig.
37 
Es sei nicht konkret dargelegt, welche Bauunternehmung tatsächlich im Frühjahr 1994 zu den von der Klägerin behaupteten Preisen bereit gewesen wäre, die Arbeiten zu einem Betrag unter 133.724,82 DM auszuführen. Das Gutachten des TÜV berücksichtige nicht die Besonderheiten der baulichen Maßnahme der Klägerin und ihres Ehemannes. Der Leistungsumfang sei im Zeitpunkt der Auftragsvergabe nicht absehbar gewesen. Insbesondere sei nicht bekannt gewesen, welche vorhandenen Altbauteile weiterhin hätten Verwendung finden können. Die Vereinbarung eines Stundenlohnvertrages habe keinerlei höhere Kosten verursacht.
38 
Den Einwand, die Fa. D GmbH habe überhöhte Leistungen abgerechnet, hätten die Beklagten im Vorprozess durchsetzen müssen. Im Übrigen seien diese auch nicht so hoch, wie sich aus einem Vergleich mit den Kosten der Kostenaufstellung des Beklagten vom 06.12.1993 ergebe.
39 
Der Beklagte bestreitet weiterhin die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Schadenspositionen. Insbesondere sei er nicht verpflichtet, die Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen. Die Inanspruchnahme von Bankkredit bei der L werde mit Nichtwissen bestritten. Der Einwand der Klägerin, die Schlussrechnung des Beklagten vom 08.11.1994 sei überhöht gewesen, sei im Berufungsverfahren aus Rechtsgründen unzulässig. Ein etwaiger Anspruch auf Rückzahlung überzahlten Architektenhonorars stünde der Klägerin nur gemeinsam mit ihrem Ehemann zu. Im Übrigen sei die Honorarabrechnung korrekt erfolgt und die entsprechenden Leistungen seitens des Beklagten seien erbracht worden.
40 
Im Berufungsverfahren wurde Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Bernhard R und Carl D. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift im Protokoll vom 08.12.2003 (II 185-197) Bezug genommen.
41 
Gem. Beweisbeschluss vom 20.02.2004 (II 279-283) wurde ferner Beweis erhoben durch Gutachten eines anderen Sachverständigen. Insoweit wird auf das Gutachten von Dipl.-Ing. Hans S vom 20.10.2004 verwiesen.
42 
Wegen der Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
II.
43 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Insbesondere wurden von ihr Berufungsgründe vorgetragen, die gem. §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO erheblich sind. Denn die Klägerin hat eine Rechtsverletzung i. S. d. § 286 ZPO gerügt, indem sie die Feststellungen des erstinstanzlichen Sachverständigengutachten B angegriffen hat. Die Klägerin hatte bereits in erster Instanz zwei Privatgutachten der Sachverständigen R und L vorgelegt (AHK), mit denen sich das Landgericht nicht in ausreichendem Maße auseinandergesetzt hat. Im Berufungsverfahren hatte sie ferner ein Sachverständigengutachten des TÜV Süddeutschland vorgelegt, aus dem sich ebenfalls begründete Einwendungen gegen die Feststellungen des erstinstanzlichen Gutachters ergeben haben. Deshalb wurde im Berufungsverfahren eine umfassende Neubegutachtung angeordnet und von dem bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. Hans S durchgeführt.
44 
Das Berufungsgericht war insbesondere an die erstinstanzlichen Feststellungen gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht gebunden. Denn aus den vorgelegten Privatgutachten ergaben sich ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen, da diese auf einem erkennbar unrichtigen Sachverständigengutachten beruhten. Insbesondere war vor dessen Einholung der Umfang der auszuführenden Arbeiten im Zeitpunkt der Vergabe nicht hinreichend ermittelt, was im Berufungsverfahren ebenfalls nachgeholt wurde.
III.
45 
Der Beklagte ist der Klägerin und ihrem Ehemann dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet. Dabei kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die Ersatzpflicht sich aus einer positiven Vertragsverletzung des Architektenvertrages oder wegen Zusammenhang mit dem Mangel des Architektenwerkes aus § 635 BGB ergibt. Denn auch im letzteren Falle wäre die Ersatzpflicht des Beklagten gegeben, weil die Voraussetzungen des § 634 Abs. 2 BGB erfüllt sind, nachdem eine Nachbesserung des Architektenwerkes nicht mehr möglich war.
46 
1) Der Senat sieht es aufgrund der nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S im Berufungsverfahren in seinem Gutachten vom 20.10.2004 als erwiesen an, dass dem Beklagten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Klägerin und ihren Ehemann objektive Pflichtverletzungen zur Last fallen. Denn dieser hat bei der Vergabe der Bauleistungen nicht die wirtschaftlich günstigste Lösung gewählt. Auch wenn der Architekt nicht allgemein dazu verpflichtet ist, so kostengünstig wie möglich zu bauen, so war doch im vorliegenden Fall der ihm insoweit zuzubilligende Ermessensspielraum bei weitem überschritten. Auf der anderen Seite ist der Vorwurf der Klägerin, der Beklagte habe ein überhöhtes Honorar abgerechnet durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt worden.
47 
a) Dem Beklagten ist zum Vorwurf zu machen, dass er es unterlassen hat, ein Leistungsverzeichnis mit Baubeschreibung für die Rohbauarbeiten im Rahmen des Umbaus (= Abbruch-, Maurer-, Beton- und Stahlbetonarbeiten) zu erstellen. Dies wäre nämlich anhand der Baugenehmigung und der genehmigten Pläne und Werkpläne sowie der Pläne des Tragwerkplaners in Verbindung mit den Kenntnissen des Ist-Bauzustandes möglich gewesen. Auf dieser Grundlage hätte dann ein angemessener Preis für die beabsichtigten Leistungen im Rahmen eines Einheitspreis-Vertrages vereinbart werden können (Gutachten Sterk S. 9, 14, 31). Eventuell noch ungeklärte Fragen der Eigenleistungen hätten dabei mittels Eventual- oder Alternativpositionen erfasst werden können. Die vom Beklagten tatsächlich gewählte Methode der Vergabe im Stundenlohn war auch unter Berücksichtigung der Art der auszuführenden Arbeiten unüblich und unwirtschaftlich (Gutachten Seite 16).
48 
b) Die weitere Behauptung der Klägerin, die Honorarrechnung des Beklagten vom 08.11.1994 sei überhöht, ist demgegenüber nicht nachgewiesen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen S (Gutachten S. 19-30) hat der Beklagte sein Honorar vielmehr zu niedrig abgerechnet. Allerdings sind auch einzelne Grundleistungen aus verschiedenen Leistungsphasen nicht erbracht worden. Da der Beklagte aber ohnehin nur 72,8 % des Vollhonorars abgerechnet hat, ergeben sich jedoch insoweit keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Honorarminderung.
49 
2) Die dem Beklagten zur Last zu legenden Pflichtverletzungen bzw. Mängel sind von diesem auch subjektiv zu vertreten. Die in dem Sachverständigengutachten S dargelegten Gründe für die Vergabe auf Einheitspreis-Basis sind allgemein bekannt und hätten insbesondere auch dem Beklagten geläufig sein müssen. Zumindest hätte er Umstände darlegen und beweisen müssen, die seine Verantwortlichkeit aus subjektiven Gründen ausschließen. Hierfür fehlen aber jegliche Anhaltspunkte.
50 
3) Durch das dem Beklagten zur Last fallende Fehlverhalten ist der Klägerin und ihrem Ehemann ein erheblicher Schaden entstanden. Denn nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S (Gutachten Seite 15, 32) wäre es bei Aufstellung eines Leistungsverzeichnisses mit Baubeschreibung und Einholung von Vergleichsangeboten auch unter Berücksichtigung der im Jahr 1994 in der Bauwirtschaft herrschenden Auslastung der Kapazitäten möglich gewesen, einen Preis von rund 86.500 DM incl. MwSt. für die von der Fa. D GmbH erbrachten Leistungen zu erzielen und abzurechnen. Demgegenüber sind von der Klägerin und ihrem Ehemann auf die im Gerichtsverfahren berichtigte Rechnung der Fa. D GmbH 131.724,84 DM bezahlt worden. Die Kausalität wird durch das Schreiben des Ehemannes der Klägerin an die Fa. D GmbH vom 20.11.1994 (Anlage K 23) nicht in Frage gestellt. Denn zu jenem Zeitpunkt war diesem nicht bekannt, dass das überhöhte Angebot auf Pflichtverletzungen des Beklagten zurückzuführen war. Diesem wäre es auch möglich gewesen, einen rechtzeitigen Beginn der Arbeiten bei pflichtgemäßem Verhalten sicherzustellen, denn er war bereits seit Ende 1993 mit dem vorliegenden Projekt befasst.
IV.
51 
Der der Klägerin und ihrem Ehemann insgesamt zustehende Schadensersatzanspruch stellt sich der Höhe nach auf 49.135,– DM, was einem Betrag von 25.122,33 Euro entspricht.
52 
1) Nach den weiteren Feststellungen des Sachverständigen S (Gutachten S. 18, 36) wäre bei einer Vergabe der Arbeiten mittels Einheitspreises mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Ersparnis von mindestens 49.700 DM eingetreten. Für diesen der Klägerin und ihrem Ehemann eingetretenen Schaden hat der Beklagte einzustehen. Die gegen die Feststellungen des Sachverständigen erhobenen Einwendungen sind nicht begründet.
53 
Der Sachverständige S war nicht gehalten, bei seinen Berechnungen die Stundenverrechnungssätze von Materialkosten des Angebots der Fa. D GmbH vom 07.03.1994 zugrunde zu legen. Der dem Beklagten gemachte Vorwurf geht dahin, kein Leistungsverzeichnis erstellt und auf dieser Grundlage wenn auch keine förmliche Ausschreibung so doch zumindest Vergleichsangebote mehrerer Bieter eingeholt zu haben (vgl. Gutachten S S. 14/15). Wäre der Beklagte so vorgegangen, dann wären nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen im Jahre 1994 insgesamt wesentlich günstigere Konditionen für die von der Klägerin und ihrem Ehemann beabsichtigten Umbauarbeiten erzielt worden. Dabei ist die mit hoher Wahrscheinlichkeit seinerzeit erzielbare Gesamtersparnis maßgebend. Auf der Grundlage dieses nach sachverständiger Beratung erzielten hypothetischen Sachverhalts ist die Schadensberechnung im vorliegenden Fall vorzunehmen. Der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass der von den Sachverständigen angesetzte Wagnis- und Gewinnzuschlag unrealistisch ist.
54 
Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die vernommenen Zeugen Bernhard R und Karl D bezüglich des Abbruchs der Wände im 2. OG unterschiedliche Angaben gemacht haben (II 189, 193 ff.). Es lässt sich nicht feststellen, welche der beiden Aussagen zutreffend ist. Die hier verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten der Klägerin, sodass sich der ihr entstandene Schaden auf 49.135 DM reduziert (vgl. Sachverständigengutachten S Seite 30, 36). Der Ansatz des Mittelwerts für die Rand- und Nebenarbeiten von 3 % beruht auf einer sachverständigen Schätzung, die dem Senat einleuchtet (§ 287 Abs. 1 ZPO).
55 
2) Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Ersatz der ihr im Vorprozess gegen die Fa. D GmbH entstandenen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von insgesamt 10.049,36 DM besteht nicht. Denn es fehlt an der Kausalität der Pflichtverletzungen des Beklagten für diesen Schaden. Denn zu diesem – von einer geringen Position abgesehen – unnötigen Prozess hat sich die Klägerin aus freien Stücken entschlossen. Die diesbezügliche bestehende Verpflichtung gegenüber der Fa. D GmbH konnte nicht mit guten Gründen in Zweifel gezogen werden. Insbesondere wäre auch ein Bestreiten der Stundenlohnkosten nicht erfolgversprechend gewesen. Mithin kann die Schadensposition Rechtsverfolgungskosten dem Beklagten nicht angelastet werden. Für den Abschluss des aus seinem Verschulden preislich überhöhten Vertrages hat er dagegen – wie dargelegt – der Klägerin und ihrem Ehemann gegenüber schadensersatzrechtlich einzustehen.
3)
56 
a) Soweit die Klägerin ihren Zinsschaden auch im Berufungsverfahren durch Inanspruchnahme eines L-Kredits begründet (II 83), ist dieser Anspruch nicht begründet. Zwar wären zusätzliche Finanzierungskosten als enger Folgeschaden auch im Rahmen des § 635 BGB grundsätzlich ersatzfähig. Dies setzt aber voraus, dass im Falle der positiven Vertragsverletzung die Pflichtverletzung bzw. bei § 635 a. F. BGB der Mangel des Architektenwerkes für die Entstehung dieser Mehrkosten ursächlich war. Hieran fehlt es aber im vorliegenden Fall. Denn die Klägerin und ihr Ehemann haben die Darlehen bei der L zu einem Zeitpunkt beantragt und abgerufen, in dem ihnen die aufgrund Verschuldens des Beklagten überhöhte Rechnung der Fa. D GmbH vom 05.08.1994 noch nicht bekannt war. Ausweislich der erstinstanzlich vorgelegten Unterlage wurde die Ergänzungsfinanzierung seitens der L bereits am 19.07.1994 bewilligt. Dies wird bestätigt durch die Bekundungen des Ehemannes der Klägerin bei seiner informatorischen Anhörung als Vertreter im Senatstermin vom 15.03.2005 (II 365). Danach wurde das Darlehen bei der Landesbank bereits lange vor Stellung der Rechnung der Fa. D GmbH aufgenommen. Unter diesen Umständen fehlt es an der Kausalität des Verhaltens des Beklagten für den geltend gemachten Finanzierungsschaden. Dies folgt auch aus der weiteren Aussage des Ehemannes der Klägerin, wonach die ursprüngliche Finanzierung beibehalten und die Bezahlung der wesentlich höheren Rechnung der Fa. D GmbH durch Einsparungen in anderen Bereichen sichergestellt worden sei.
57 
b) Der neue Sachvortrag der Klägerin gem. Schriftsatz vom 21.04.2005 ist nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt und scheitert damit an § 296 a S. 1 ZPO. Die Voraussetzungen der §§ 296 a S. 2, 139 Abs. 5 ZPO sind nicht gegeben. Weder erfolgte der Sachvortrag auf einen gerichtlichen Hinweis, noch ist der Klägerin ein Schriftsatzrecht eingeräumt worden. Auch die Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 Abs. 1 ZPO sind nicht erfüllt. Das Verfahren ist seit annähernd 5 Jahren bei Gericht anhängig und die maßgebenden Fragen wurden durch mehrere Beweisaufnahmen einer Klärung zugeführt. Insoweit bestand kein Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, um der Klägerin Gelegenheit dazu zu geben, im Wege der Klageänderung einen neuen Streitgegenstand in den Prozess einzuführen. Eine Pflicht zur Wiedereröffnung ergab sich insbesondere nicht aus § 156 Abs. 2 ZPO, da die Voraussetzungen der Ziffern 1-3 dieser Vorschrift nicht erfüllt sind. Entsprechende Erwägungen gelten auch für den weiteren noch nachgereichten Sachvortrag beider Parteien.
V.
58 
Der geltend gemachte Feststellungsantrag ist zulässig und begründet, da das Entstehen eines weiteren Schadens möglich erscheint. Allerdings war der Tenor dahingehend einzuschränken, dass nur der infolge der festgestellten Pflichtverletzung weiterhin entstandene bzw. noch entstehende zukünftige Schaden ersatzfähig ist.
VI.
59 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
60 
Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

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