Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (Kartellsenat) - 2 U 20/13 (Kart)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.01.2013 verkündete Teilurteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte zur Auskunftserteilung über die Lieferung von Haftklebstoffen und Haftklebstoffadditiven, die sie bis zum 31.12.2014 an die im Urteil des Landgerichts aufgeführten Kunden bewirkt hat und bewirken wird, verurteilt wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil des Senats und das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 16.01.2013 sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung wegen der Auskunftserteilung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000, - EUR und die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche - und in deren Vorbereitung um ein Auskunftsbegehren - der Klägerin wegen eines behaupteten Verstoßes der Beklagten gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot.

2

Bei der Klägerin handelt es sich um ein Handelsunternehmen für Klebstoffe und chemische Spezialprodukte für gewerbliche Kunden. Die Beklagte stellt lösemittelhaltige Acrylathaftklebstoffe her, die sie sowohl an Händler wie die Klägerin als auch an Endabnehmer vertreibt.

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Die Klägerin firmierte ursprünglich als M. Klebstoff GmbH ; ihr Alleingesellschafter war Dr. R. M., der bisher auch den Vorstandsvorsitz der Beklagten innehatte. Mit Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 15.11.2005 (Anlage K 2) veräußerte der Alleingesellschafter Dr. R. M. sämtliche Gesellschaftsanteile an der Klägerin - damals noch M. Klebstoff GmbH - an die P. Klebetechnik GmbH, eine Gesellschaft der P. Unternehmensgruppe. In § 16 enthielt der Vertrag ein Wettbewerbsverbot dergestalt, dass sich der Verkäufer Dr. R. M. verpflichtete, weder persönlich noch mit einer Gesellschaft, bei der er Mehrheitsgesellschafter war, mit Unternehmen der P.-Unternehmensgruppe - einschließlich der Klägerin - in Wettbewerb zu treten. Das Wettbewerbsverbot sollte auf die Dauer von fünf Jahren gelten, und zwar auf dem Gebiet aller Haftklebestoffe.

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Unter dem Datum des 02./05.11.2009 schlossen die Klägerin, die P. Holding GmbH, die Beklagte, die C. GmbH und die Herren Dr. R. M. und D. M. eine „Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes“ (Anlage B 5). Nach der Vorbemerkung zu diesem Vertrag sollte die Vereinbarung das Wettbewerbsverbot gemäß § 16 des Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrages vom 15.11.2005 ersetzen. Im Kern sah die neue Vereinbarung vom 02./05.11.2009 vor, dass der Beklagten - ebenso wie auch der Fa. C. und den Herren Dr. R. und D. M. - im Bereich der Herstellung, des Handels und des Vertriebs von Haftklebstoffen und Haftklebstoffadditiven ein Wettbewerb mit der Klägerin bis zum 31.12.2029 untersagt sein sollte.

5

Auf der Grundlage der Wettbewerbsvereinbarung vom 02./05.11.2009 stellte die Klägerin am 27.01.2010 beim Landgericht München I gegen die Beklagte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, weil die Beklagte gegen die Wettbewerbsabrede verstoßen habe (Az.: 1 HK 1692/10). Die Kammervorsitzende wies in ihrer prozessleitenden Verfügung vom 28.01.2010 darauf hin, dass das vertragliche Wettbewerbverbot nach summarischer Prüfung gegen § 1 GWB verstoße und damit insgesamt nichtig sei. Die Parteien schlossen darauf hin in der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2010 vor dem Landgericht München I den folgenden Vergleich:

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„I. Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, vor dem 31.12.2014 die im Verfügungsantrag unter I. a) genannten 12 Kunden nicht unmittelbar oder über Dritte mit Haftklebstoffen oder Haftklebstoffadditiven zu beliefern.

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Die Antragsgegnerin wird gemeinsam mit der Antragstellerin in einem abgestimmten Schreiben die Kunden von dieser Situation in Kenntnis zu setzen.

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Die Antragstellerin wird in die von der Antragsgegnerin mit den Kunden abgeschlossenen Verträge ab 15.03.2010 eintreten.

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Die Antragsgegnerin wird die Konditionen umgehend bekannt geben.

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II. Die Antragstellerin verpflichtet sich, vor dem 31.12.2014 Haftklebstoffe oder Haftklebstoff-Additive für die in Ziffer I. genannten Kunden nur von der Antragsgegnerin zu beziehen und dieser bei neuen Kunden die Möglichkeit der Abgabe eines Angebots einzuräumen (Recht des ersten Angebots).

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III. Die Antragstellerin erklärt, dass der im November 2009 bezahlte Betrag in Höhe von brutto 178.051,- EUR nicht zurück verlangt wird und als Entgelt für die in Ziffer I. enthaltene Kundenschutzklausel verstanden wird.

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IV. Für das Jahr 2010 gilt die in der Anlage zum Protokoll beigefügte Preisliste vom 24.1.2008 als vereinbart.

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V. Die Antragstellerin verpflichtet sich, innerhalb von 3 Bankarbeitstagen nach Rechnungsstellung durch die Antragsgegnerin (Zugang bei der Antragstellerin per Fax mit Eingangsbestätigung innerhalb von 24 Stunden) die für die einzelnen Lieferungen fakturierten Beträge zu bezahlen.

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VI. Sollte einer der Parteien eine in diesem Vergleich eingegangene Verpflichtung nicht oder nicht fristgerecht erfüllen, ist die jeweils andere Seite verpflichtet, in schriftlicher Form aus dieses Versäumnis hinzuweisen. Sollte die säumige Vertragspartei dann nicht innerhalb von 14 Kalendertagen den vertragsgerechten Zustand herstellen, kann der Vergleich mit sofortiger Wirkung durch schriftliche Erklärung gekündigt werden. ...“

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Bei denjenigen 12 Kunden, deren Belieferung Gegenstand des Vergleichs ist, handelt es sich um die im nachfolgenden Klageantrag namentlich aufgeführten Unternehmen. Die Kunden beziehen im Wesentlichen die von der Beklagten hergestellten lösemittelhaltigen Acrylatklebstoffe.

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Mit Schreiben vom 29.06.2010 (Anlage B 2) erklärte die Beklagte den Rücktritt von dem abgeschlossenen Vergleich. Sie begründete ihren Schritt damit, dass die Klägerin ihrer, der Beklagten, Aufforderung zur Anerkennung angepasster Preise nicht zugestimmt und auch keine Verhandlungsbereitschaft gezeigt habe.

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In der Folge erhob die Beklagte insgesamt drei Vollstreckungsabwehrklagen gegen die Klägerin zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 03.03.2010. Alle drei Klagen sind sowohl vor dem Landgericht Mündchen I als auch vor dem Oberlandesgericht München erfolglos geblieben (Urteil des LG München I vom 29.06.2010 - Az.: 1 HKO 6300/10 - und Urteil des OLG München vom 14.07.2011 - Az.: 6 U 4704/10 - ; Urteil des LG München I vom 01.03.2011 - Az.: 1 HKO 20548/10 - und Urteil des OLG München vom 14.07.2011 - Az.: 6 U 1176/11 - ; Urteil des LG München I vom 20.12.2011 - Az.: 1 HKO 5955/11 - und Urteil des OLG München vom 21.06.2012 - Az.: U 41/12 Kart - ).

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Die Beklagte hat unstreitig seit dem Jahre 2010 die in dem Vergleich genannten 12 Endabnehmer unmittelbar beliefert, ohne die Klägerin - im Rahmen eines Streckengeschäfts - in die Belieferung einzuschalten.

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Mit der von ihr erhobenen Stufenklage verlangt die Klägerin von der Beklagten in einer ersten Stufe Auskunft über die Lieferung von Haftklebstoffen und Haftklebstoffadditiven an die 12 Kunden und nimmt die Beklagte in einer zweiten Stufe auf Ersatz des ihr hieraus entstandenen, noch unbezifferten Schadens in Anspruch.

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Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte mit der unmittelbaren Belieferung der 12 Kunden gegen ihre in dem gerichtlichen Vergleich vom 03.03.2010 eingegangene Verpflichtung verstoßen und sich schadensersatzpflichtig gemacht habe. Die Wettbewerbsvereinbarung der Parteien verstoße nicht gegen kartellrechtliche Vorschriften. Seit dem Jahr 2005 habe sie, die Klägerin, bezüglich des schon zuvor von der M. Klebstoff GmbH betreuten Kundenstamms als reines Vertriebsunternehmen fungiert und diesen Kundenstamm weiterhin mit lösemittelhaltigen Haftklebstoffen beliefert, während die Herstellung der lösemittelhaltigen Haftklebestoffe bei der Beklagten gelegen habe. Das fünfjährige Wettbewerbsverbot in § 16 des Geschäftsanteilkauf- und Abtretungsvertrages habe - ebenso wie nachfolgenden Verbote in der Vereinbarung vom 02./05.11.2009 und letztlich in dem Vergleich vom 03.03.2010 - der Absicherung dieser Lieferbeziehung zwischen ihr, der Klägerin, und der Beklagten gedient. Es sei darum gegangen zu verhindern, dass die Beklagte bzw. der ehemalige Vorstand Dr. M. an Kunden der Klägerin, mit denen sie bei der Auslieferung im Streckengeschäft in Kontakt gekommen seien, heranzutreten und diese abzuwerben. Ihre Bemühungen, einen eigenen Kundenstamm aufzubauen und zu halten, hätten auf diese Weise geschützt werden sollen.

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Was die Marktrelevanz angehe, so habe sie, die Klägerin, im Jahre 2009 von der Beklagten 1.297 Tonnen lösemittelhaltige Haftklebstoffe bezogen, was auf dem europäischen Markt lösemittelhaltiger Haftklebstoffe auf der Vertriebsebene einen Marktanteil von nur 1,6 % ausmache. Der Gesamt-Marktanteil der Beklagten belaufe sich, wenn man von einer Produktionsmenge von 3.000 Tonnen ausgehe, auf rund 3,8 % und, wenn man - entsprechend den Angaben des Dr. M. in einem früheren Verfahren - von einer Produktionsmenge von 2.500 Tonnen ausgehe, auf 3,2 % (Einzelheiten im Schriftsatz der Klägerin vom 08.11.2012, S. 4 - 7).

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Die Klägerin hat beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, welche Lieferungen von Haftklebstoffen oder Haftklebstoffadditiven sie unmittelbar oder über Dritte nach dem 03.03.2010 an folgende Kunden bewirkt hat:

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und zwar in Form einer geordneten Aufstellung, die das Bestelldatum, das Auslieferdatum, die einzelnen gelieferten Produkte, die Mengen und die fakturierten und die von den Kunden bezahlten Kaufpreise erkennen lässt;

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2. nach Erteilung der Auskunft gemäß Ziff. 1 die Beklagte in der zweiten Stufe zu verurteilen, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass die Lieferungen nicht über die Klägerin und zu den im gerichtlichen Vergleich des Landgerichts München vom 03.03.2010, AZ: 1 HKO 1692/10 vereinbarten Konditionen abgewickelt wurden.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen;

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im Wege der Zwischenfeststellungswiderklage

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1. festzustellen, dass die zwischen den Parteien vereinbarten Wettbewerbsverbote vom 02./05.2009 und 03.03.2010 nichtig sind;

42

2. festzustellen, dass das Wettbewerbsverbot in § 16 Abs. 1 S. 1 aus dem Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 15.11.2005 zwischen der P. Klebetechnik GmbH als Rechtsvorgängerin der Klägerin mit Herrn Dr. R. M., F. Weg 14, O. die Beklagte nicht bindet.

43

Nach Auffassung der Beklagten verstößt das ihr in dem Vergleich vom 03.03.2010 auferlegte Wettbewerbsverbot gegen § 1 GWB, Art. 101 AEUV und ist daher unwirksam. Das Wettbewerbsverbot stehe in einer Kontinuität mit den vorangegangenen Wettbewerbsverboten vom 15.11.2005 und vom 02./05.11.2009 und sei wie diese als eine unzulässige nachvertragliche Wettbewerbsabrede zu dem Geschäftsanteilkauf- und Abtretungsvertrag aufzufassen. Die vereinbarten Wettbewerbsbeschränkungen stellten auch eine spürbare Störung des Marktgeschehens dar. Der Markt für lösemittelhaltige Acrylathaftklebstoffe stelle einen eigenständigen abgrenzbaren Markt dar. Auf europäische Hersteller von lösemittelhaltigen Acrylathaftklebstoffen entfielen im Jahr 20.000 MT/a; die Beklagte produziere hiervon 3.000 MT/a und habe damit einen Marktanteil in Europa von >10 %. Die in dem Vergleich genannten 12 Kunden bezögen von der Gesamtmenge etwa die Hälfte, d.h. 1.500 MT/a (Einzelheiten im Schriftsatz der Beklagten vom 27.09.2012, S. 9 - 12).

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Die Klägerin hat beantragt,

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die Zwischenfeststellungswiderklage abzuweisen.

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Das Landgericht hat durch Teilurteil vom 16.01.2013 dem Klageantrag zu 1. auf Auskunftserteilung stattgegeben und die Zwischenfeststellungswiderklage abgewiesen. Die Klägerin habe - so das Landgericht - nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gegen die Beklagte einen Auskunftsanspruch entsprechend §§ 259 ff. BGB zur Vorbereitung einer Schadensersatzklage aus § 280 Abs. 1 BGB. Denn die Beklagte habe gegen ihre Verpflichtung aus dem Vergleich vom 03.03.2010, die dort benannten 12 Kunden bis zum 31.12.2014 nicht zu beliefern, verstoßen. Die Regelungen des Vergleichs stünden insbesondere im Einklang mit § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV, da das Wettbewerbsverbot der Gruppenfreistellungsverordnung der Europäischen Gemeinschaft für Vertikalvereinbarungen (Vertikal-VO Nr. 2790/1999 bzw. 220/2010) unterfalle und daher nach § 2 Abs. 2 S. 1 GWB auch im nationalen Kartellrecht freigestellt sei. Auch im Übrigen enthalte der Vergleich keine Bestimmungen, die eine Nichtigkeit nach § 1 GWB zur Folge hätten. Das Wettbewerbsverbot sei nicht zu beanstanden, weil sein Ziel die Sicherung und Erhaltung des mit übertragenen Kundenstamms gewesen sei. Darüber hinaus habe die Kammer auch Zweifel, ob das Wettbewerbsverbot überhaupt geeignet sei, die Marktverhältnisse spürbar zu beeinflussen. Die Beklagte habe nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die lösemittelhaltigen Acrylatklebstoffe, wie sie von der Beklagten hergestellt würden, gegenüber sonstigen lösemittelhaltigen Haftklebstoffen einen eigenständigen Markt bildeten. Die von der Beklagten erhobenen Zwischenfeststellungswiderklagen seien, soweit sie die Wettbewerbsvereinbarungen vom 15.11.2005 und 02./05.11.2009 beträfen, mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig und hinsichtlich der in dem Vergleich vom 03.03.2010 getroffenen Vereinbarung unbegründet.

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Gegen das Teilurteil des Landgerichts hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge auf Klageabweisung und ihre Zwischenfeststellungswiderklageanträge zunächst in vollem Umfange weiterverfolgt hat.

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Im Berufungsverfahren sind von den Parteien im Wesentlichen ihre gegensätzlichen Auffassungen zu der Vereinbarkeit der in dem Vergleich vom 03.03.2010 getroffenen Wettbewerbsabrede mit dem Kartellrecht vertieft worden.

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Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2013 den Zwischenfeststellungswiderklageantrag zu 1., soweit er sich auf das Wettbewerbsverbot der Parteien im Vertrag vom 02./05.11.2009 bezieht, und den Zwischenfeststellungsklageantrag zu 2. übereinstimmend für erledig erklärt.

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Die Beklagte beantragt,

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unter Abänderung des am 16.01.2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Magdeburg

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1. die Klägerin mit ihrer Klage (Stufe 1, Auskunft) abzuweisen und

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2. festzustellen, dass das am 03.03.2010 vor dem Landgericht München I unter dem Az.: 1 HKO 1692/10 vereinbarte Wettbewerbsverbot nichtig ist.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

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Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

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Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft über die Geschäfte zu, die sie nach dem 03.03.2010 mit den in dem erstinstanzlichen Urteil genannten 12 Kunden über Haftklebstoffe oder Haftklebstoffadditive getätigt hat. Der Auskunftsanspruch dient der Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs wegen der Verletzung der in dem gerichtlichen Vergleich vom 03.03.2010 enthaltenen Wettbewerbsabrede.

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1. Wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, ist die Beklagte der Klägerin zur Auskunft gemäß §§ 242 i.V.m. 687 Abs. 2 BGB verpflichtet, weil sie - was nachfolgend noch auszuführen sein wird - durch den Verkauf der Haftklebstoffe und Haftklebstoffadditive an die 12 genannten Kunden gegen den Vergleich vom 03.03.2010 verstoßen und damit objektiv ein Geschäft der Klägerin geführt hat. Die Klägerin bedarf, um den Umfang der Schäden aus dem rechtswidrigen Handeln der Beklagten ermitteln und geltend machen zu können, der begehrten Informationen durch die Beklagte (zu den Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs in diesen Fällen: RG, Urteil v. 12.02.1918 - Az.: III.254/17 - , RGZ 92, 201, 203; Krüger in MünchKomm, BGB, Bd. 2, 6. Aufl., § 259 Rdn. 11 u. 13; Grüneberg in Palandt, BGB, 72. Aufl., § 259, Rdn. 6; vgl. auch BGH, Urteil v. 23.03.1966 - Az.: VIII ZR 295/63 - , NJW 1966, 1117 ff.).

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2. Die Beklagte hat sich, wenn der Vergleich vom 03.03.2010 wirksam zustande gekommen ist, gemäß §§ 280, 281 BGB schadensersatzpflichtig gemacht. Denn sie hat in der Zeit nach dem Abschluss des Vergleichs - und bis zum heutigen Tage - entgegen Ziff. I. der Vereinbarung eine unmittelbare Belieferung der 12 genannten Kunden mit Haftklebstoffen und Haftklebstoffadditiven vorgenommen. Das wird auch von der Beklagten selbst nicht in Abrede gestellt.

61

3. Die Beklagte ist mit ihrem Einwand, die Wettbewerbsabrede vom 03.03.2010 verstoße gegen das Kartellrecht und sei daher unwirksam, nicht durch die vorangegangenen Urteile, mit denen die Vollstreckungsabwehrklagen der jetzigen Beklagten rechtskräftig abgewiesen worden sind, ausgeschlossen.

62

a) Die Rechtskraft eines die Vollstreckungsabwehrklage gegen einen gerichtlichen Vergleich abweisenden Urteils erstreckt sich nicht auf das Bestehen des materiellrechtlichen Anspruchs (BGH, Urteil v. 19.06.1984 - Az.: IX ZR 89/83 - , FamRZ 1984, 878 ff.). Auch erwächst weder bei einem die Vollstreckungsabwehrklage stattgebenden Urteils noch bei einem Urteil, das - wie im vorliegenden Fall - die Vollstreckungsabwehrklage abgewiesen hat, die Entscheidung über das Bestehen einer materiellrechtlichen Einwendung, mit Ausnahme von § 322 Abs. 2 ZPO, in Rechtskraft (BGH, a.a.O., sowie Urteil v. 11.02.1992 - Az.: XI ZR 47/91 - , NJW 1992, 1899 f.). Das gilt erst recht für die in dem Rechtsstreit über die Vollstreckungsabwehrklage nicht erhobenen Einwendungen (hierzu und zum Ganzen Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 322, Rdn. 13).

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b) Aus den vorstehenden Grundsätzen ergibt sich zugleich, dass die Beklagte mit ihren im jetzigen Verfahren geltend gemachten Einwendungen gegen die Wirksamkeit des gerichtlichen Vergleichs vom 03.03.2010 weder entsprechend § 767 Abs. 2 ZPO noch analog § 767 Abs. 3 ZPO präkludiert ist.

64

4. Die Wettbewerbsvereinbarung, die die Parteien in dem am 03.03.2010 vor dem Landgericht München I abgeschlossenen Vergleich getroffen haben, ist nicht wegen Verstoßes gegen § 1 GWB gemäß § 134 BGB nichtig, weil die Vereinbarung nach § 2 Abs. 1 und 2 GWB von dem Verbot des § 1 GWB freigestellt ist.

65

a) § 2 Abs. 1 GWB stellt unter bestimmten, dort näher beschriebenen Voraussetzungen Vereinbarungen zwischen Unternehmen von dem allgemeinen Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gemäß § 1 GWB frei. Bei der Anwendung des § 2 Abs. 1 GWB verweist § 2 Abs. 2 GWB auf die entsprechende Geltung der von der Europäischen Union erlassenen Gruppenfreistellungsverordnungen. Unterfällt eine Vereinbarung einer Gruppenfreistellungsverordnung, so müssen die Unternehmen nicht gesondert darlegen und beweisen, dass ihre individuelle Vereinbarung sämtliche Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 GWB erfüllt, sondern lediglich, dass ihre Vereinbarung unter die Tatbestandsmerkmale der Gruppenfreistellungsverordnung fällt (Nordemann in Loewenheim/ Meessen/ Riesenkampff, KartellR, 2. Aufl., § 2 GWB, Rdn. 156). Erfüllt eine Vereinbarung die Voraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung, so spricht eine unwiderlegbare Vermutung für die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 GWB (Bechtold, GWB, 5. Aufl., § 2, Rdn. 26).

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b) Im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs vom 03.03.2010 war „die Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ (im Folgenden: Verordnung (EG) Nr. 2790/1999) in Kraft. Die Verordnung ist im vorliegenden Fall einschlägig. Denn die in dem Vergleich enthaltene Wettbewerbsabrede enthält eine sog. vertikale Wettbewerbsbeschränkung, weil sie zwischen Angehörigen unterschiedlicher Wirtschaftsstufen geschlossen worden ist. Während die Klägerin mit lösemittelhaltigen Haftklebstoffen und Haftklebstoffadditiven (nur) handelt - insbesondere die in dem Vergleich benannten 12 Kunden beliefern sollte - , stellt die Beklagte diese Haftklebstoffe und Haftklebstoffadditive her.

67

c) Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 wird das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen unter den in der Verordnung genannten Voraussetzungen für unanwendbar erklärt auf Vereinbarungen über vertikale Wettbewerbsbeschränkungen, welche die Bedingungen betreffen, zu denen die Parteien bestimmte Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen können. Um eine solche Vereinbarung handelt es sich im vorliegenden Fall. Die Klägerin hat sich verpflichtet, vor dem 31.12.2014 Haftklebstoffe und Haftklebstoffadditive ausschließlich von der Beklagten zu beziehen, wobei für das Jahr 2010 auch bereits die Preiskonditionen - entsprechend der beigefügten Preisliste vom 24.01.2008 - vereinbart wurden. Die zulässige Höchstdauer derartiger wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen von fünf Jahren (s. Art. 5 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999) wird durch den Vergleich vom 03.03.2010 ebenfalls gewahrt.

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d) Allerdings standen - und stehen - die Klägerin und die Beklagte zugleich auch in einem horizontalen Wettbewerbsverhältnis zueinander, weil die Beklagte - unabhängig von den 12 im Vergleich genannten Kunden - ebenfalls Endabnehmer mit lösemittelhaltigen Haftklebstoffen und Haftklebstoffadditiven beliefert. Nach Art. 2 Abs. 4, 1. Halbs. gilt die Freistellung nach Absatz 1 aber grundsätzlich nicht für vertikale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern. Doch findet im vorliegenden Fall die (Rück-)Ausnahme des Art. 2 Abs. 4, 2. Halbs. lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 Anwendung.

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aa) Art. 2 Abs. 4, 2. Halbs. lit. b) ordnet die Freistellung vertikaler Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern an, wenn Wettbewerber eine nichtwechselseitige vertikale Vereinbarung treffen und der Lieferant zugleich Hersteller und Händler von Waren, der Käufer dagegen ein Händler ist, der keine mit den Vertragswaren im Wettbewerb stehenden Waren herstellt. So verhält es sich im vorliegenden Fall.

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bb) Bei dem Vergleich handelt es sich um eine nichtwechselseitige vertikale Vereinbarung. Es besteht danach nur ein einziges Lieferverhältnis zwischen der Beklagten als Verkäuferin und der Klägerin als Käuferin (s. Baron in Loewenheim/ Meessen/ Riesenkampff, a.a.O., Art. 2 Vert-GVO, Rdn. 90 sowie die Definition in Art. 1 Abs. 1 lit. c) und d) der Technologietransfer - GruppenfreistellungsVO Nr. 772/2004 vom 07.04.2004).

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cc) Die Beklagte als Lieferantin ist, wie dargestellt, zugleich Hersteller und Händler von Haftklebstoffen und Haftklebstoffadditiven. Hingegen ist die Klägerin ein Händler, der keine mit den Vertragswaren - also lösemittelhaltigen Haftklebstoffen und Haftklebstoffadditiven - im Wettbewerb stehenden Waren herstellt. Allerdings würde es für das Entfallen des Ausnahmetatbestands des Art. 2 Abs. 4, 2. Halbs. lit. b) bereits ausreichen, wenn der Händler potentiell die Vertragware selbst herstellen könnte (s. Baron in Loewenheim/ Meessen/ Riesenkampff, a.a.O., Art. 2 Vert-GVO, Rdn. 92 a.E.). Das ist hier aber unstreitig nicht der Fall. Beide Parteien haben übereinstimmend vorgetragen, dass die Klägerin weder über die Produktionsgebäude und Produktionsanlagen noch über die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (§ 4 BImschG i.V.m. § 4. BImSchV) erforderliche Genehmigung verfügt, um auf ihrem Betriebsgelände in R. - in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Wohngebiet - eine Polymerisation zu betreiben und lösemittelhaltige Haftklebstoffe und Haftklebstoffadditive herzustellen.

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e) Die Marktanteilsschwelle von 30 %, ab der nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 eine Freistellung nach Artikel 2 ausscheidet, ist nicht überschritten. Selbst wenn man den Markt für lösemittelhaltige Acrylathaftklebstoffe in Europa als einen eigenen abgrenzbaren Markt ansähe, hätte die Beklagte ihren eigenen Angaben zufolge an diesem Markt nur einen Marktanteil von 15 % - 3.000 MT/a von insgesamt 20.000 MT/a - inne (Schriftsatz vom 27.09.2012, S. 10). Die weitere Begrenzung der Freistellung in Art. 3 Abs. 2 findet hier keine Anwendung. Eine Alleinbelieferungsverpflichtung im Sinne des Art. 1 lit. c) liegt nur vor, wenn alle Waren oder Dienstleistungen an einen einzigen Käufer geliefert werden (Baron in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, a.a.O., Art. 3 Vert-GVO, Rdn. 125), was auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zutrifft.

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f) Der Vergleich vom 03.03.2010 enthält entgegen der Auffassung der Beklagten auch keine sog. Kernbeschränkung im Sinne des § 4 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999. Danach gilt die Freistellung nach Artikel 2 grundsätzlich nicht für vertikale Vereinbarungen, die die Beschränkungen des Gebiets oder des Kundenkreises, in das oder an den der Käufer Vertragswaren oder -dienstleistungen verkaufen darf, bezwecken. Zwar hat sich die Klägerin unter Ziff. II. des Vergleichs verpflichtet, der Beklagten bei neuen Kunden die Möglichkeit der Abgabe eines Angebots einzuräumen. Durch dieses sog. „Recht des ersten Angebots“ wird die Klägerin jedoch nicht daran gehindert, selbst mit den Kunden in Vertragsbeziehungen zu treten, wenn diese eine Belieferung durch die Klägerin wünschen.

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g) Ohne Erfolg versucht die Beklagte schließlich, die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 auf die in dem Vergleich vom 03.03.2010 enthaltene Wettbewerbsvereinbarung dadurch in Frage zu stellen, dass sie in ihrem Schriftsatz vom 21.06.2013 auf die der Verordnung vorangestellten Erwägungen - insbesondere auf die Erwägungen Nr. 4, 5 und 10 - verweist. Die Verordnung normiert einen abstrakt-generellen Tatbestand der Freistellung vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen, der - wie vorstehend dargelegt - von der Wettbewerbsabrede vom 03.03.2010 erfüllt wird. Daneben ist schon aus Gründen der Rechtssicherheit kein Raum für eine Einzelfallabwägung der für und gegen die Zulässigkeit einer vertikalen Wettbewerbsvereinbarung sprechenden Gesichtspunkte.

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h) Die Gruppenfreistellungsverordnung (EG) Nr. 2790/1999 galt gemäß Artikel 13 nur bis zum 31.05.2010. An ihre Stelle ist die „Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen“ getreten. Diese Verordnung (EG) Nr. 330/2010 hat jedoch in Art. 2 Abs. 1 und Abs. 4, 2. Halbs., lit. a), Art. 3, Art. 4 lit. b) und Art. 5 für den vorliegenden Fall keine Änderung der Rechtslage bewirkt, so dass die Wettbewerbsabrede in dem Vergleich vom 03.03.2010 nach wie vor von dem Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen nach § 1 GWB freigestellt ist.

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5. Lediglich hilfsweise merkt der Senat an, dass selbst dann, wenn eine Freistellung der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung gemäß § 2 GWB - entgegen den vorstehenden Ausführungen - nicht in Betracht käme, der von den Parteien abgeschlossene Vergleich vom 03.03.2010 dennoch nicht nach § 1 GWB bzw. § 138 BGB unwirksam wäre.

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a) Nach der Rechtsprechung des BGH sind Wettbewerbsverbote, die zwischen Unternehmen im Zusammenhang mit einem Austauschvertrag vereinbart werden, nicht gemäß § 1 GWB verboten, wenn sie als Nebenabrede erforderlich sind, um den Hauptzweck des als solchen kartellrechtsneutralen Vertrags zu verwirklichen. Dabei ist entscheidend, ob das Wettbewerbsverbot sachlich erforderlich und zeitlich, räumlich und gegenständlich darauf beschränkt ist, den mit dem Austauschvertrag verfolgten Zweck zu erreichen (BGH, Beschluss v. 31.05.2012 - Az.: I ZR 198/11 - , GRUR-RR 2012, 495 f.; BGH, Urteil v. 10.12.2008 - Az.: KZR 54/08 - , NJW 2009, 1751 ff.). Keine grundsätzlichen Bedenken bestehen daher etwa gegen eine Kundenschutzklausel in einem Subunternehmervertrag, die verhindern soll, dass der Subunternehmer, der bei der Vertragsabwicklung zwangsläufig in Kontakt mit den Kunden des Hauptunternehmers tritt, mit diesen unmittelbare Vertragsbeziehungen knüpft (BGH, Urteil v. 10.12.2008, a.a.O.).

78

b) Wie die Klägerin zu Recht geltend macht, dient hier die von der Beklagten in dem Vergleich übernommene Verpflichtung, die genannten 12 Kunden vor dem 31.12.2014 nicht unmittelbar oder über Dritte mit Haftklebstoffen oder Haftklebstoffadditiven zu beliefern, dem Schutz des Kundenstamms der Händlerin. Die Zugehörigkeit der 12 Kunden zum Kundenstamm der Klägerin ergibt sich einerseits daraus, dass die Unternehmen jedenfalls bis zum Ende des Jahres 2009 tatsächlich von der Klägerin mit Haftklebstoffen oder Haftklebstoffadditiven beliefert wurden, und andererseits aus dem Vergleich vom 03.03.2010 selbst, in dem die namentlich bezeichneten Kunden - mit Zustimmung der Beklagten - der Klägerin zugeordnet worden sind. Da die Verbringung der Ware im Wege des Streckengeschäfts unmittelbar von der Beklagten zu dem jeweiligen Kunden erfolgen sollte, musste die Klägerin eine Abwerbung der 12 Kunden durch die Beklagte befürchten, ein Fall, der auch eingetreten ist. Hieraus leitet sich die durch den Vertragszweck gebotene Notwendigkeit eines horizontalen Wettbewerbsverbots her, das mit § 1 GWB vereinbar und auch im Hinblick auf § 138 BGB gerechtfertigt ist.

79

6. Die in dem Vergleich vom 03.03.2010 getroffene Wettbewerbsabrede ist auch nicht deshalb unwirksam, weil sie sich - wie die Beklagte meint - als unzulässige Verlängerung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots darstellt.

80

a) Der Ausgangspunkt der Beklagten ist allerdings zutreffend. Der Vergleich ist in einem einstweiligen Verfügungsverfahren geschlossen worden, in dem die Klägerin ursprünglich ihre (vermeintlichen) Rechte aus der „Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes“ vom 02./05.11.2009 geltend gemacht hat. Die Vereinbarung vom 02./05.11.2009 sollte ihrerseits, wie sich aus der Vorbemerkung ergibt, an die Stelle des fünfjährigen Wettbewerbsverbots gemäß § 16 des Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrages vom 15.11.2005 treten. Hierbei handelte es sich um ein Wettbewerbsverbot, das den Schutz des Erwerbers des verkauften Unternehmens bezweckte, und nicht - wie die Klägerin es im jetzigen Rechtsstreit darstellt - um eine Abrede zum Schutz des Händlers vor einer Abwerbung der Kunden, die von Seiten des Herstellers im Wege des Streckengeschäfts unmittelbar beliefert werden. Dieser Zweck ergibt sich aus der Aufnahme des Wettbewerbsverbots in den Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag, aus den beteiligten Parteien - nämlich Verkäufer und Käufer des Unternehmens - sowie aus dem umfassenden räumlichen und sachlichen Geltungsbereich des Verbots. Die Verlängerung eines solchen, mit dem Unternehmenskauf begründeten Wettbewerbsverbots bis zum 31.12.2029 verstieß gegen § 1 GWB und war daher, wie bereits die Kammervorsitzende des Landgerichts München I in ihrer Verfügung vom 28.01.2010 im Einzelnen ausgeführt hat, unwirksam (ähnlich Senat im Urteil vom 29.12.2012 - Az.: 2 U 144/12 Kart - , WRP 2013, 671 ff., der ein Wettbewerbsverbot bei einem Unternehmenskaufvertrag für einen Zeitraum von etwa drei Jahren als zulässig angesehen hat).

81

b) Die Entwicklung, die letztlich zum Abschluss des Vergleichs vom 03.03.2010 geführt hat, reicht jedoch als Begründung für die Unwirksamkeit der Wettbewerbsbeschränkung nicht aus. Vielmehr haben die Parteien, in Reaktion auf die Hinweise der Kammervorsitzenden vom 28.01.2010, gerade eine geänderte Vereinbarung treffen wollen, die den kartellrechtlichen Anforderungen entspricht. Die Wirksamkeit des Vergleichs vom 03.03.2010 hängt deshalb ausschließlich davon ab, ob der Inhalt der nunmehr getroffenen Wettbewerbsabrede ebenfalls gegen § 1 GWB verstößt. Diese Frage ist zu verneinen, weil der Vergleich die in ihm geregelte Wettbewerbsbeschränkung nicht mehr als Nachwirkung des Unternehmenskaufvertrages ausgestaltet, sondern mit der Lieferbeziehung zwischen Hersteller und Händler der lösemittelhaltigen Acrylhaftklebstoffe verknüpft hat. In dieser (geänderten) Funktion ist das Wettbewerbsverbot eine nach § 2 GWB vom Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen freigestellte Abrede (oben unter Ziff. 4.), die zudem ihre Rechtfertigung in dem Erfordernis des Kundenschutzes findet (oben unter Ziff. 5.).

82

7. Die Verpflichtung der Beklagten zur Auskunftserteilung ist, entsprechend der in dem Vergleich vom 03.03.2010 getroffenen Vereinbarung, auf den Zeitraum bis zum 31.12.2014 befristet. Der Senat hat insofern eine Klarstellung in dem Tenor des landgerichtlichen Urteils vorgenommen. Soweit sich das Auskunftsbegehren auf die Zeit nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren bezieht, handelt es sich um eine Klage auf künftige Leistung gemäß § 259 ZPO (vgl. BGH, Urteil v. 13.12.1984 - Az.: I ZR 64/83 - , GRUR 1985, 287 ff.). Die Voraussetzungen des § 259 ZPO sind im Streitfall gegeben. Die Besorgnis, dass sich die Beklagte auch nach einer rechtskräftigen Verurteilung ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich vom 03.03.2010 entziehen werde, rechtfertigt sich aus ihrem bisherigen Verhalten. Obgleich das Landgericht München I mit Beschlüssen vom 19.04. und 27.04.2010 Ordnungsgelder in Höhe von jeweils 10.000, - EUR gegen die Beklagte festgesetzt hat, die Beschwerden hiergegen durch Beschluss des OLG München vom 14.12.2011 (Az.: 6 W 2560/10) zurückgewiesen worden sind und insgesamt drei Vollstreckungsabwehrklagen der Beklagten gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 03.03.2010 in jeweils zwei Instanzen erfolglos geblieben sind, zeigt die Beklagte nach wie vor keine Bereitschaft, den von ihr in dem Vergleich eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen; das ist auch durch die Äußerungen ihres bisherigen Vorstands Dr. M. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat deutlich geworden.

83

8. Die von der Beklagten erhobene - und weiter verfolgte - Zwischenfeststellungsklage mit dem Ziel, die Nichtigkeit des zwischen den Parteien vereinbarten Wettbewerbsverbots vom 03.03.2010 festzustellen, ist vom Landgericht zu Recht abgewiesen worden. Insofern wird auf die vorstehenden Ausführungen zu Ziff. 4. bis 6. Bezug genommen.

III.

84

1. a) Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht, soweit das Rechtsmittel der Beklagten zurückgewiesen worden ist, auf § 97 Abs. 1 ZPO.

85

b) Darüber hinaus hat die Beklagte gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO die Kosten der beiden von den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2013 für erledigt erklärten Feststellungswiderklagen zu tragen, weil die Beklagte insofern voraussichtlich in zweiter Instanz unterlegen gewesen wäre. Bei den Feststellungswiderklagen hat es sich - entgegen der von der Beklagten gewählten Bezeichnung - nicht um Zwischenfeststellungsklagen im Sinne des § 256 Abs. 2 ZPO gehandelt. Denn von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Wettbewerbsverbote vom 15.11.2005 und 02./05.11.2009, die Gegenstand der Feststellungswiderklagen gewesen sind, hängt die Entscheidung über den aus dem Vergleich vom 03.03.2010 hergeleiteten Auskunfts- und Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht ab. Eine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO wäre aber nur beim Vorliegen eines Feststellungsinteresses der Beklagten zulässig gewesen. Es ist jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin sich nach Abschluss des Vergleichs vom 03.03.2010 noch irgendwelcher Rechte aus den Wettbewerbsabreden vom 15.11.2005 und 02./05.11.2009 berühmt hätte. Dass - wie die Beklagte meint - bis zum Schriftsatz der Klägerin vom 05.04.2013 die (theoretische) Gefahr einer Geltendmachung von Rechten aus den beiden früheren Wettbewerbsvereinbarungen bestanden hat, reicht für die Annahme eines Feststellungsinteresses nicht aus.

86

2. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

87

3. Die Revision ist nicht nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.


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