Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (9. Zivilsenat) - 9 U 130/13

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. November 2013 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckungssicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert: 107.100,00 €

Gründe

A.

1

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Lizenzgebühr.

2

Seit Januar 2007 befasst sich die Klägerin mit der Erforschung und Entwicklung eines Verfahrens, das die Schaltung von Straßenbeleuchtungen durch Dritte ermöglicht. Sie vertreibt dieses Produkt unter dem Namen „D.“.

3

Die Muttergesellschaft der Klägerin hat das Verfahren beim Europäischen Patentamt angemeldet.

4

Mit Bescheid vom 7. Mai 2009 teilte das europäische Patentamt der Klägerin den Einwand der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit mit. Die Muttergesellschaft hielt ihren Antrag mit Schreiben vom 16. November 2009 aufrecht. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2009 wurde der Klägerin erneut der Einwand der mangelnden Neuheit mitgeteilt. Am 16. April 2010 wurde die Muttergesellschaft zu einer mündlichen Verhandlung auf den 11. November 2010 geladen.

5

Die Klägerin hat dessen ungeachtet mit der Beklagten zu 1., deren Gesellschafter die Beklagte zu 2.-4. sind, am 4. Oktober 2010 einen Lizenzvertrag geschlossen.

6

Die Präambel des Vertrages lautet wörtlich:

7

"LG hat ein Verfahren zur Schaltung von Straßenbeleuchtung erfunden und zugehörige Geräte und Software entwickelt. LN möchte die Verfahren und Entwicklung nutzen, um in einem begrenzten Vertragsgebiet dieses Verfahren exklusiv anzuwenden. Die Vertragsparteien gehen von folgendem aus:

8

1. Der LG hatte das Verfahren beim Europäischen Patentamt angemeldet. Die anmelde Nummer lautet IP 07712021. …"

9

„2. Brauchbarkeit und Schutzfähigkeit der Vertragsschutzrechte.

10

Der Lizenzgeber übernimmt - von der Haftung wegen Vorsatzes abgesehen - keine Haftung für die technische ausführbar kalt und technische Brauchbarkeit der Vertrag Schutzrechte vor Ort. Auch sicher der Lizenzgeber eine Schutzfähigkeit angemeldeten bzw. eine Beständigkeit der erteilten verfassungsrechtlich nicht zu.

11

Die Lizenzgebühr betrug nach dem Vertrag 90.000,00 € für jeweils zwei Jahre Vertragslaufzeit. Der Vertrag sollte sechs Jahre laufen. Werde er von keiner Vertragspartei gekündigt, verlängere sich das Vertragsverhältnis um jeweils zwei Jahre. Längstens laufe das Vertragsverhältnis bis zum Wegfall des Vertragsschutzrechts.

12

Bei vorzeitiger Auflösung oder Kündigung des Vertrages sollte die Lizenzgebühr nicht rückforderbar sein.

13

Weiter vereinbarten die Vertragsparteien unter „VIII. Gewährleistung des Lizenzgebers“:

14

„…

15

2. Brauchbarkeit und Schutzfähigkeit der Vertragsschutzrechte

16

Der Lizenzgeber übernimmt - von der Haftung wegen Vorsatzes abgesehen - keine Haftung für die technische Ausführbarkeit und die technische Brauchbarkeit der Vertragsschutzrechte vor Ort. Auch sichert der Lizenzgeber eine Schutzfähigkeit der angemeldeten bzw. eine Rechtsbeständigkeit der erteilten Vertragsschutzrechte nicht zu.

17

3. Haftungsausschluss

18

Der Lizenzgeber übernimmt keinerlei Haftung für sonstige Sach- und Rechtsmängel.“

19

Die Beklagte zahlte mit Vertragsschluss die Lizenzgebühr für die beiden ersten Jahre.

20

Das europäische Patentamt hat am 2. Dezember 2010 die genannte Patentanmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, dass keine technische Neuheit vorliege.

21

Die Klägerin hat mit Rechnung vom 13. September 2012 die zweite Lizenzgebühr in Höhe von 90.000,00 € in Rechnung gestellt.

22

Diese hat die Beklagte zu 1. nicht beglichen. Stattdessen hat sie mit einem undatierten Schreiben, das am 20. September 2012 bei der Klägerin eingegangen ist, mitgeteilt, dass sie den Lizenzvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechte. Außerdem forderte sie die Klägerin auf, die bereits gezahlte Lizenzgebühr zurückzuzahlen.

23

Die Klägerin hat daraufhin die Zahlung der zweiten Lizenzgebühr anwaltlich angemahnt und eine Frist zur Zahlung des Betrages bis zum 4. Oktober 2012 gesetzt.

24

Die Klägerin hat im Urkundsprozess beantragt,

25

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 107.100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Oktober 2012 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.051,00 € zu zahlen.

26

Die Beklagten haben beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Sie haben die Auffassung vertreten, dass der Vertrag beendet sei, da die Klägerin nicht in der Lage sei, das Vertragsschutzrecht in seiner Gesamtheit zur Verfügung zu stellen. Außerdem sei die Beklagte zu 1. zur Anfechtung berechtigt, weil die Klägerin sie bei Abschluss des Vertrages arglistig getäuscht habe. Dies ergäbe sich aus der Formulierung der Präambel. Danach hätte die Beklagten davon ausgehen müssen, dass auf die Patentanmeldung auch die Patenterteilung folgen werde. Zumindest habe die Klägerin ihre Aufklärungspflicht verletzt, indem sie nicht mitgeteilt habe, dass die Patentierbarkeit des Verfahrens unklar sei. Hierzu behauptet sie, dass ein Vertreter der Klägerin in Bezug auf das Patent erklärt habe, es sei nur noch eine reine Formsache.

29

Das Landgericht hat die Klage mit am 27. November 2013 verkündetem Urteil abgewiesen.

30

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Vertrag aufgrund vollzogener Anfechtung als von Anfang an nichtig zu werten wäre. Die Täuschung bestehe darin, dass die Klägerin die Beklagte nicht über die Einwände des europäischen Patentamts im laufenden Patentverfahren aufgeklärt habe. Die Klägerin habe auch vorsätzlich gehandelt, weil sie vom Europäischen Patentamt über die rechtlichen Zweifel der Prüfungsabteilung informiert gewesen sei.

31

Der Senat nimmt auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.

32

Die Klägerin hat gegen das ihr am 3. Dezember 2013 zugestellte Urteil am 23. Dezember 2013 Berufung eingelegt und diese am 3. Februar 2013 begründet.

33

Sie vertritt die Auffassung, dass sich aus den eingebrachten Urkunden und dem unstreitigen Sachverhalt nicht ohne weiteres ergäbe, dass die Frage des Verlaufs des Patentverfahrens für die Beklagten so wesentlich gewesen sei, dass auf den fehlenden Hinweis eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gestützt werden könne. Gegen die Bedeutung des Patentverfahrens spräche vielmehr die Tatsache, dass in dem Vertrag eine Gewährleistung für die Patentfähigkeit ausdrücklich ausgeschlossen werde. Außerdem seien die Informationen über den Stand des Patentverfahrens jederzeit über das Internet auch von der Beklagten abrufbar gewesen. Die Patentierbarkeit sei für den Vertragsschluss nicht kausal gewesen. Zumindest sei dies für die Klägerin nicht erkennbar gewesen, so dass es am Täuschungsvorsatz fehle. Schließlich habe das erstinstanzliche Gericht die Besonderheiten des Urkundsprozesses nicht ausreichend beachtet.

34

Die Klägerin beantragt,

35

Das am 27. November 2013 verkündeten Urteil der 7. Kammer des Landgerichts Magdeburg abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 107.100,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Oktober 2012 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2051,00 € zu zahlen.

36

Die Beklagten beantragen,

37

die Berufung zurückzuweisen.

38

Sie vertreten die Auffassung, dass aus dem Lizenzvertrag die überragende Bedeutung der Patentierbarkeit des Verfahrens deutlich hervorgehe. Nicht umsonst beginne der Vertrag mit einer Präambel. Hieraus ergebe sich, dass der Lizenznehmer das Verfahren und die Entwicklungen exklusiv anwenden wolle. Außerdem werde das Patent ausdrücklich erwähnt.

B.

39

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

<dl class="RspDL">

I.

40

Im Berufungsverfahren sind Entscheidungen des ersten Rechtszugs nach § 513 Abs. 1 ZPO nur noch darauf überprüfbar, ob die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist grundsätzlich von den durch das Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen auszugehen. Das Berufungsgericht hat nur zu überprüfen, ob konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen bestehen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

II.

41

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr eingeklagte Lizenzgebühr. Hier hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass der zwischen den Parteien geschlossene Lizenzvertrag gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Denn die Beklagte zu 1. hat diesen Vertrag unter dem Gesichtspunkt der arglistigen Täuschung gemäß § 123 BGB wirksam angefochten. Insbesondere ergibt die Auslegung des Lizenzvertrages, dass die Klägerin die Pflicht hatte, die Beklagte zu 1. unaufgefordert und umfassend über den Stand des Patentanmeldungsverfahrens zu informieren. Die arglistige Täuschung folgt dem unstreitigen Sachverhalt in Verbindung mit der Vertragsurkunde des Lizenzvertrages. Sie ist daher im Urkundsverfahren zu berücksichtigen.

42

1. Die Beklagte zu 1. hat mit ihrem undatierten Schreiben, das am 20. September 2012 bei der Klägerin eingegangen ist, die Anfechtung des Lizenzvertrages wegen arglistiger Täuschung ausdrücklich erklärt.

43

2. Ihr stand zu diesem Zeitpunkt der Anfechtungsgrund des § 123 BGB zu Gebote.

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<dl class="RspDL">
44

a) Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin die Beklagte zu 1. im Sinne dieser Vorschrift dadurch getäuscht hat, dass sie es unterlassen hat, die Beklagte zu 1. über die vorläufige Rechtsauffassung des europäischen Patentamts im laufenden Patentverfahren aufzuklären.

45

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht bei Vertragsverhandlungen keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten (Staudinger/Singer/v. Finckenstein BGB Bearb. 2004 § 123 Rn. 10; MünchKommBGB/Kramer 5. Aufl. § 123 Rn. 16 bis 18; vgl. zum Kaufvertrag: BGH Urteile vom 13. Juli 1983 - VIII ZR 142/82 - NJW 1983, 2493, 2494 und vom 12. Juli 2001 - IX ZR 360/00 - NJW 2001, 3331, 3332). Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die f2;r die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen (BGH Urteil vom 13. Juli 1988 - VIII ZR 224/87 - NJW 1989, 763, 764 m.w.N.).

46

Allerdings besteht dann eine Rechtspflicht zur Aufkl28;rung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (RGZ 111, 233, 234; vgl. zur Aufklärungspflicht des Vermieters: BGH vom 16. Februar 2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714, 1718; vom 28. April 2004 - XII ZR 21/02 - NJW 2004, 2674; vom 28. Juni 2006 - XII ZR 50/04 - NJW 2006, 2618, 2619 und vom 15. November 2006 - XII ZR 63/04 - NZM 2007, 144; zur Aufklärungspflicht des Verkäufers: BGH Urteile vom 12. Juli 2001 - IX ZR 360/00 - NJW 2001, 3331 und vom 25. Oktober 2007 - VII ZR 205/06 - NJW-RR 2008, 258 Rn. 20; Staudinger/Singer/v. Finckenstein BGB Bearb. 2004 § 123 Rn. 11; MünchKommBGB/Kramer 5. Aufl. § 123 Rn. 16 bis 18). Davon wird insbesondere bei solchen Tatsachen ausgegangen, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden können (BGH Urteile vom 13. Dezember 1990 - III ZR 333/89 - NJW-RR 1991, 439 und vom 8. Dezember 1989 - V ZR 246/87 - NJW 1990, 975, zu Kaufverträgen). Eine Tatsache von ausschlaggebender Bedeutung kann auch dann vorliegen, wenn sie geeignet ist, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.

47

Die Aufklärung über eine solche Tatsache kann der Vertragspartner redlicherweise aber nur verlangen, wenn er im Rahmen seiner Eigenverantwortung nicht gehalten ist, sich selbst über diese Tatsache zu informieren (vgl.Staudinger/Singer/v. Finckenstein BGB Bearb. 2004 § 123 Rn. 17 m.w.N.).

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48

bb) Hier ergibt die Vertragsauslegung, dass es sich bei dem Stand des Patentverfahrens um eine Tatsache handelte, von der die Beklagte zu 1. nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung erwarten durfte. Denn der Stand des Patentverfahrens war für die Beklagten offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung.

49

α) Die Vertragsauslegung hat in erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarung und den diesem zu entnehmenden objektiven Parteiwillen zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 2007, 976). Sie hat sich danach zu richten, was als Wille für denjenigen erkennbar geworden ist, für den die Erklärung bestimmt war, es kommt daher darauf an, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung verstehen durfte (BGH vom 12. März 1992, Az.: IV ZR 141/91, zitiert nach JURIS Rn. 19 m. w. N.). Maßgeblich für die Auslegung ist in erster Linie der Inhalt der auszulegenden Urkunde. Die Partei muss die in der Urkunde enthaltene Erklärung so gegen sich gelten lassen, wie sie bei Berücksichtigung der für sie erkennbaren Umstände objektiv zu verstehen ist (BGH a. a. O.).

50

β) Hier ist bei der Auslegung weiter zu berücksichtigen, dass die Parteien einen Lizenzvertrag geschlossen haben.

51

Mit einem Lizenzvertrag werden grundsätzlich Nutzungsbefugnisse an technischem Wissen und/oder sonst nicht gewerblich verwertbaren Erfahrungen (Know-how) von einem Verfügungsberechtigten (Lizenzgeber) an einen Dritten (Lizenznehmer) übertragen. Hierbei muss es sich um Know-how handeln, das ohne Abschluss dieses Vertrages nicht frei verfügbar wäre, d.h. "geheimes" oder durch gewerbliche Schutzrechte gesichertes Wissen.

52

bb) In dem Lizenzvertrag vom 4. Oktober 2010 werden die Vertragsschutzrechte ausdrücklich als Vertragsgegenstand bezeichnet.

53

Unter Vertragsschutzrechten versteht man gemeinhin alle Schutzrechte, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zum Vertragsgegenstand erteilt oder angemeldet sind.

54

Nach dem Wortlaut des Vertrages ist damit das angemeldete Patent, nicht aber allein das Know-how, Vertragsgegenstand.

55

Auch der Vertragszweck wird in der Vertragsurkunde ausdrücklich bezeichnet:

56

"Der Lizenznehmer beabsichtigt und der Lizenzgeber gestattet diesem, unter Benutzung der Vertragsschutzrechte das Vertragsprodukt D. für den Bereich der politischen Gemeinden zu vertreiben bzw. durch Mitarbeiter oder Vertreter vertreiben zu lassen.“

57

Der Vertragszweck besteht damit im Vertrieb des Produkts unter Benutzung der Vertragsschutzrechte, das heißt, dass das Produkt nicht nur ein geheimes Verfahren darstellt, sondern dass es auch rechtlichen Schutz von Nachahmung genießt. Dieser rechtliche Schutz wäre aber erst durch die Eintragung des Patents entstanden. Die Patentierung des Verfahrens ist ein entscheidender Bestandteil der Leistung der Klägerin. Dies zeigt sich auch in der Vertragsbestimmung X Nr. 1:

58

„Längstens läuft das Vertragsverhältnis bis zum Wegfall des Vertragsschutzrecht.“

59

Ginge es in dem Vertrag schwerpunktmäßig um die faktische Überlassung des Verfahrens statt um die Vertragsschutzrechte, wäre diese Vertragsbestimmung nicht zu erklären.

60

Ohne Vertragsschutzrechte wäre eine Nachahmung des Verfahrens D. rechtlich zulässig gewesen. Damit würde auch beim Weitervertrieb des Produkts die Lizenzgebühr nur für den in dem Verfahren verkörperten technischen Vorsprung gezahlt. Es liegt auf der Hand, dass der fehlende rechtliche Schutz Einfluss auf die Vertriebsmöglichkeiten und die Höhe der zu erzielenden Einnahmen hat.

61

Im Hinblick auf diese möglichen, gravierenden Auswirkungen für den Vertrieb durch die Beklagte zu 1. war die Erteilung des Patents für sie von erheblicher Bedeutung. Sie durfte darüber redlicherweise Aufklärung darüber erwarten, dass nach der vorläufigen Auffassung des Europäischen Patentamtes eine Patentierung nicht in Betracht kam.

62

Die Beklagten konnten ohne einen Hinweis auf die Mitteilungen des Europäischen Patentamtes nicht erkennen, dass die Eintragung des Patents alles andere als sicher war. Sie hatte auch keine Veranlassung, dies anzunehmen. Denn die Klägerin hatte in der Präambel die Patentanmeldung ausdrücklich erwähnt. Die Formulierung erweckt den Eindruck der Vollständigkeit. Die Beklagten mussten deshalb nicht damit rechnen, dass das europäische Patentamt die Patentierbarkeit bereits infrage gestellt hatte. Aufgrund der Formulierung der Präambel bestand für die Beklagten kein Anlass zu einer Nachfrage oder zu eigener Recherche.

63

Im Hinblick auf die der Klägerin bekannten Umstände musste es sich ihr aufdrängen, dass sich die Beklagte insoweit über den Stand und die Erfolgschancen des Patentverfahrens im Irrtum befand und dass dies für deren Entscheidung, den Lizenzvertragvertrag abzuschließen, von erheblicher Bedeutung war.

64

Die Klägerin war deshalb nach Treu und Glauben und den Grundsätzen eines redlichen Geschäftsverhaltens verpflichtet, die Beklagte über die Hinweise des Europäischen Patentamtes zu informieren.

65

b) Auch aus der Vertragsbestimmung Ziffer VIII Nr. 2 des Lizenzvertrages ergibt sich nichts anderes:

66

„Auch sichert der Lizenzgeber eine Schutzfähigkeit der angemeldeten bzw. eine Beständigkeit erteilten Vertragsschutzrecht nicht zu.“

67

Diese Vertragsbestimmung, die sich unter der Überschrift "Gewährleistung des Lizenzgebers“ befindet, regelt Gewährleistungsansprüche, also Sekundäransprüche der Lizenznehmer, hier der Beklagten zu 1., gegen den Lizenzgeber. Um solche Ansprüche geht es hier nicht. Auch wenn die Klägerin nicht wegen der fehlenden Erteilung des Patents auf Gewährleistung in Anspruch genommen werden kann, so hätte sie doch auf die bereits bei Vertragsschluss bestehenden Bedenken des Europäischen Patentamtes gegen die Patentierbarkeit hinweisen müssen.

68

c) Zu Recht hat das Landgericht die subjektiven Voraussetzungen für eine arglistige Täuschung durch unterlassene Aufklärung bejaht.

69

Die Klägerin wusste aufgrund amtlichen der Hinweise, dass das Europäische Patentamt das Verfahren „D.“ nicht als patentierbar ansah. Ihr war nach der Vertragsgestaltung bewusst, dass das Fehlen eines Patents geeignet war, erhebliche wirtschaftliche Nachteile für die Beklagten zu verursachen. Daraus ergibt sich, dass sie zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass die Beklagte den Lizenzvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn sie vor Vertragsschluss Kenntnis von der vorläufigen Rechtsauffassung des Europäischen Patentamtes gehabt hätte.

70

d) Das Landgericht hat weiter rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Verletzung der Aufklärungspflicht für den Entschluss der Beklagten, den Lizenzvertrag abzuschließen, ursächlich war. Wie bereits ausgeführt, handelte es sich bei der vorläufigen Rechtsauffassung um einen Umstand, der angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen für die Beklagte von erheblicher Bedeutung war.

71

3. Die arglistige Täuschung ergibt sich bereits aus der Urkunde des Lizenzvertrages vom 4. Oktober 2010. Sie ist deshalb im Urkundsverfahren zu berücksichtigen. Damit kommt es auf die weiteren von den Beklagten im Schriftsatz vom 24. Oktober 2013 behaupteten Täuschungen, die nicht mit Beweismitteln, die im Urkundsverfahren zulässig sind, unter Beweis gestellt werden könnten, nicht mehr an.

C.

72t>

I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO war gemäß § 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO nicht auszusprechen, da die Beschwer 20.000,00 EUR nicht übersteigt.

73

II. Die Entscheidung über die Höhe des Gebührenstreitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 47, 63 GKG, 3 ZPO.

74

III. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor; denn diese Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Beurteilung des Einzelfalles gebietet auch nicht, die Revision zur Fortbildung des Rechtes zuzulassen, weil die vorliegende Entscheidung nicht von der obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht.

75

Insbesondere vermag der Senat keine Differenz zu den von der Klägerin vorgelegten Urteilen des Oberlandesgerichts Dresden vom 25. März 2014 (Az.:11 U 1175/13 und 11 U 1976/13) festzustellen. Das Oberlandesgericht Dresden führt dort lediglich aus:

76

„Der Vortrag der Beklagten zur Aufrechnung und Anfechtung ist als im Urkundsprozess unstatthaft nach §§ 592 Abs. 2, 598 ZPO zurückzuweisen. Der Vortrag wird von der Klägerin bestritten und dürfte deshalb des Beweises, den die Beklagten nicht mit den Mitteln des Urkundsprozess es angetreten haben.… So lässt sich dem Vortrag der Beklagten nicht dem erforderlichen Beweisangebot entnehmen, welchen Stellenwert sie dem Stand des Anmeldeverfahrens - für die Klägerin erkennbar - beimaßen. Danach bestimmte sich ihre Aufklärungsbedürftigkeit. Auch lässt sich hier im Urkundsprozess nicht feststellen, dass die Beklagten im Falle eines Hinweises über die (bevorstehende) Zurückweisung der Patentanmeldung den Lizenzvertrag nicht oder nicht so abgeschlossen hätten.“

77

In den zitierten Urteilen des Oberlandesgerichts Dresden ist der Wortlaut der dort zu beurteilenden Verträge nicht wiedergegeben, so dass nicht überprüft werden kann, ob eine andere Auslegung vorliegt.


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