Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (5. Zivilsenat) - 5 U 114/14

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 13.05.2014 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stendal wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.611,63 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung einer Beteiligung an dem D. Fonds KG 98/29.

2

Die Klage ist Teil einer umfangreichen Klagewelle. Nachdem die Klägervertreter sich die Daten von 34.000 Anlegern der Beklagten beschafft und diese zum Zwecke der Mandantengewinnung angeschrieben hatten, leiteten sie in etwa 4.500 Fällen der vorliegenden Art gleichzeitig ein Güteverfahren vor dem Rechtsanwalt D. mit Kanzleisitz in L. /Sp. ein. Nach dessen Scheitern erhoben sie dezentral im gesamten Bundesgebiet etwa 1.750 Klagen mit nahezu identischem Inhalt. Daneben reichten sie beim Landgericht Stuttgart mit denselben Begründungen weitere etwa 1.750 Klagen gegen den persönlich haftenden Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaften ein.

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Die Kläger haben in erster Instanz die Feststellung begehrt, dass die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Finanzberaters A. verpflichtet sei, ihnen sämtliche finanziellen Schäden zu ersetzen, die ihnen durch die erfolgte Beteiligung an dem D. Fonds KG 98/29, Vertragsnummer ... , entstanden seien.

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Die Kläger haben vorgetragen, die Risiken seien im Prospekt zwar zutreffend dargestellt worden, jedoch nicht hinreichend in die darin enthaltenen Prognoserechnungen eingeflossen. Insoweit seien kein Mietausfallrisiko und keine bzw. zu geringe Modernisierungskosten veranschlagt worden. Dementsprechend seien die Vorhersagen zu Mietsteigerungen, zum Verkaufswert und zum Beteiligungsergebnis nicht realistisch gewesen. Ferner sei bei der Beratung nicht darauf hingewiesen worden, dass die weichen Kosten 15 % überstiegen und dass die von den Vorgängerbeteiligungen tatsächlich vorgenommenen Ausschüttungen i.H.v. 7 % nicht erwirtschaftet worden seien. Zudem seien sie, die Kläger, nicht über die gegen den Komplementär der D. Fonds 94/17 KG geführten staatsanwaltschaftliche Ermittlungen sowie über einen im Jahre 1997 im Nachrichtenmagazin "FOCUS" publizierten Bericht über eine andere Fondsgesellschaft informiert worden. Im Übrigen seien die Berater des A. von diesem unzutreffend über die Werthaltigkeit der Anlage und die Risiken beim Ausfall von Fondsanteilen geschult worden. Insofern sei auch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gegeben.

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Die Beklagte hat vorgetragen, die Klage sei wegen Vorrangs der Leistungsklage bereits unzulässig, jedenfalls aber unschlüssig, weil es an jeglichem konkretem und individuellem Vortrag zur angeblichen Falschberatung durch den A. fehle. Im Übrigen sei durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt, dass die im Prospekt enthaltene Darstellung der Chancen und Risiken der Beteiligung nicht zu beanstanden sei. Der Prospekt sei von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft worden. Über die Gesamthöhe der im Prospekt offen ausgewiesenen Provisionen habe der Berater nicht gesondert hinweisen müssen; zudem sei die Abwicklungsgebühr insoweit nicht zu berücksichtigen. Inwieweit die Schulungen Einfluss auf die Vermittlungen gehabt hätten, sei nicht dargelegt. Jedenfalls sei der geltend gemachte Anspruch kenntnisabhängig verjährt, weil die Kläger bereits in den Jahren 2002 bis 2005 über den Rückgang der Ausschüttungen und dessen Ursache informiert worden seien. Darüber hinaus sei die Verjährung auch kenntnisunabhängig eingetreten, weil das nicht mehr rechtzeitig eingeleitete, von vornherein nur auf Erschleichung der Hemmung der Verjährung angelegte und an einer Vielzahl von Mängeln leidende Güteverfahren die Verjährung nicht habe hemmen können.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

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Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Durchsetzung eines den Klägern möglicherweise zustehenden Schadensersatzanspruches sei auf Dauer ausgeschlossen, da sich die Beklagte gegenüber den durch die Kläger geltend gemachten Ansprüchen auf Verjährung berufen könne. Aufgrund der seit 2001 kontinuierlich zurückgegangenen Ausschüttungen hätten die Kläger spätestens im Jahre 2003 die für den Beginn der Verjährung nach § 199 Abs. 1 BGB n. F. maßgebende Kenntnis von der tatsächlichen Entwicklung der durch sie gezeichneten Anlage und von etwaigen Prospekt- und Beratungsfehlern erlangt. Die Verjährungsfrist sei daher am Schluss des Jahres 2003 in Lauf gesetzt worden und die Verjährung bereits am 01.01.2006 eingetreten. Selbst wenn sich eine Kenntniserlangung von den ihren Anspruch begründenden Umständen durch die Kläger im Jahre 2003 nicht feststellen ließe, würde zu Gunsten der Beklagten jedenfalls die kenntnisunabhängige Verjährungsfrist von zehn Jahren gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB n. F. eingreifen. Die Verjährungsfrist habe danach am 31.12.2002 zu laufen begonnen, sodass die Verjährung unter Berücksichtigung der Feiertage am 03.01.2012 eingetreten sei. Durch die im Dezember 2011 erfolgte Einreichung eines Güteantrages bei Rechtsanwalt D. sei eine Hemmung der Verjährung nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB herbeigeführt worden, weil die Bekanntgabe des Güteantrages gegenüber der Beklagten aus von den Klägern zu vertretenden Gründen nicht i.S.d. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB "demnächst" habe veranlasst werden können. Durch die zeitnahe Anbringung tausender Anträge vor ein- und derselben Gütestelle hätten die Prozessbevollmächtigten der Kläger deren Überlastung verursacht.

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Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung. Sie tragen vor, das Landgericht sei rechtsfehlerhaft vom Eintritt der Verjährung ausgegangen. Die kenntnisabhängige regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB sei nicht bereits am 01.01.2002 in Lauf gesetzt worden. Insoweit habe das Landgericht verkannt, dass sie, die Kläger, ihre Schadensersatzansprüche auf die Unvertretbarkeit der Prognose stützten, sodass es für den Beginn der Verjährungsfrist auf die Kenntnis der tatsächlichen Umstände ankomme, welche diese Pflichtverletzung begründeten. Aus dem Umstand, dass die Ausschüttungen ab dem Jahr 2001 zurückgegangen seien und aus der Tatsache, dass sich die gestellte Prognose nicht erfüllt habe, könne aber jeweils nicht der Schluss gezogen werden, dass sie von der Verletzung der für die Beklagte bestehenden Aufklärungspflichten positive Kenntnis erlangt hätten oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen können. Eine negative Entwicklung könne nämlich auch auf anderen Ursachen, etwa auf einer unvorhergesehenen schlechten wirtschaftlichen Entwicklung des Mietpools infolge unerwartet hoher Leerstände nach Vertragsschluss beruhen. Die Annahme des Landgerichts, dass mit Ablauf des 02.01.2012 jedenfalls die kenntnisunabhängige Verjährung eingetreten sei, sei ebenfalls unzutreffend. Insoweit habe das Landgericht entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angenommen, dass die Zustellung der Güteanträge im November 2012 nicht "demnächst" i.S.d. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB erfolgt sei. Für sie, die Kläger, habe keine Verpflichtung bestanden, die Auswahl der Gütestelle anhand bestimmter Kriterien vorzunehmen. Das Landgericht habe auch keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob größere Rechtsanwaltskanzleien Gütestellen betrieben, bei denen eine Vielzahl von Rechtsanwälten mit der Schlichtung befasst sei, so dass eine schnellere Zustellung hätte erfolgen können. Zudem habe es die zum Ende des Jahres 2011 bestehende rechtshistorische Ausnahmesituation der unterschiedslosen Verkürzung der bis dahin geltenden dreißigjährigen Verjährungsfrist auf die Übergangsfrist von zehn Jahren, welche am 02.01.2012 abgelaufen wäre, nicht bedacht. Dies habe gezwungenermaßen bundesweit zu einer massenhaften Inanspruchnahme von Gerichten und Gütestellen geführt. Im Übrigen habe das Landgericht nicht festgestellt, dass durch die geforderte Handlung tatsächlich eine beschleunigte Bekanntgabe des Güteantrages gegenüber der Beklagten eingetreten wäre.

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Die Kläger sind der Auffassung, sie könnten von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes die Einmalanlage i.H.v. 10.225,84 € (= 20.000 ,00 DM) und das Agio i.H.v. 511,29 € (= 1.000,00 DM) abzüglich der erhaltenen Ausschüttungen i.H.v. 2.778,11 €, mithin 7.959,02 €, verlangen. Darüber hinaus könnten sie Ersatz entgangenen Gewinns beanspruchen. Dieser berechne sich ausgehend von den durchschnittlichen Umlaufrenditen fest verzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten und der von ihnen gezahlten Beträge sowie der quartalsweise oder jährlich erhaltenen Ausschüttungen und erhaltenen Steuererstattungen. Der danach berechnete Betrag belaufe sich auf 7.340,19 €. Schadensmindernd müssten sie sich einen Betrag von 1.039,36 € aufgrund erlangter Vorteile anrechnen lassen. Es ergebe sich somit ein ersatzfähiger Schaden in nachfolgender Höhe:

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Position

Betrag

Einmalanlage zzgl. Agio

10.737,13 €

- Ausschüttungen

2.778,11 €

- Vorteile auf Zahlungen

1.039,36 €

+ entgangener Gewinn

7.340,19 €

Betrag des Schadensersatzes

14.259,85 €

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Die Kläger sind darüber hinaus der Ansicht, sie könnten von der Beklagten die Freistellung von der ihnen gegenüber geltend gemachten Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten auf den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.484,13 € beanspruchen.

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Sie beantragen,

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1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils

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a) die Beklagte zu verurteilen, an sie 14.259,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, mithin seit dem 08.07.2013 (Bl. 60 R I d. A.), zu zahlen, Zug um Zug gegen Erteilung der schriftlichen Zustimmung der Kläger zur Übertragung ihrer Ansprüche aus der Beteiligung an der D. Fonds 98/29 KC Beteiligungs GmbH & Co. KG, Vertrags-Nr.: ... ,

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b) festzustellen, dass

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aa) die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtliche weiteren künftigen materiellen Schäden aus der ihrer Beteiligung an der D. Fonds 98/29 KC Beteiligungs GmbH & Co. KG, Vertrags-Nr.: ... , zu ersetzen,

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bb) sich die Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung in Verzug befindet,

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c) die Beklagte zu verurteilen, sie von einer Forderung der Rechtsanwälte M. , B. , H. , J. , auf den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.484,13 € freizustellen,

19

2. hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen,

20

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

22

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

23

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Nach Umstellung der wegen Vorrangs der Leistungsklage ursprünglich unzulässigen (vgl. LG Lüneburg, Urt. v. 25.03.2014, 5 O 58/14, 31 ff, zitiert nach juris) Feststellungs- auf eine Leistungsklage ist die Klage gem. §§ 525, 264 Nr. 2 ZPO (Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl., § 264, Rn. 3 b), welche als Spezialvorschriften dem § 533 ZPO vorgehen (vgl. BGH, NJW 2004, 2152; MDR 2010, 1011), nunmehr zwar zulässig, aber nach wie vor unbegründet.

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1. Insoweit kann offen bleiben, ob die geltend gemachten Ansprüche gem. Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB i.V.m. § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB kenntnisunabhängig am 03.01.2012 verjährt sind, weil der angeblich noch am 31.12.2011 eingereichte Güteantrag die Verjährung nicht gem. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB gehemmt hat.

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Dies wäre dann der Fall, wenn der Güteantrag nicht hinreichend individualisiert (so OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 24.09.2014, 11 U 106/14, unter Verweis auf OLG Frankfurt, Urt. v. 16.07.2014, 19 U 2/14; Urt. v. 09.07.2014, 17 U 172/13; OLG Dresden, Beschl. v. 06.02.2014, 5 U 1320/13; OLG Bamberg, Urt. v. 24.02.2014, 3 U 205/13; OLG München, Urt. v. 06.11.2013, 20 U 2064/13, Rn. 38) und/oder aus folgenden Gründen rechtsmissbräuchlich wäre (vgl. BGHZ 123, 337, 345; RGZ 66, 412): Obwohl die Klägervertreter aus vorangegangenen Verfahren wussten, dass die Beklagte generell nicht einigungsbereit war, wurden (angeblich) bis zum 31.12.2011 bzw. bis zum 03.01.2012 gleichzeitig 4.500 Güteanträge gegen die Beklagte bei einer einzigen, mehrere hundert Kilometer vom Wohnsitz der allermeisten Kläger und dem Geschäftssitz der Beklagten entfernten und damit ganz offensichtlich örtlich unzuständigen Schlichtungsstelle in L. /B. eingereicht, deren Betreiber, Rechtsanwalt C. D. , mit der Spezialmaterie des Kapitalanlagerechts wenig vertraut ist. Nach Ziff. 5 seiner Schlichtungsordnung führt Rechtsanwalt D. "das Schlichtungsverfahren nach eigenem Gutdünken" und ist "berechtigt, auch getrennt Gespräche mit den Parteien zu führen, wenn ihm das zur Klärung der Angelegenheit notwendig erscheint". Bereits vor diesem Hintergrund war eine ordnungsgemäße Durchführung der Güteverfahren nicht gewährleistet. Die Bekanntgabe der Güteanträge durch Rechtsanwalt D. erfolgte dann erst 11 Monate später am 08.11.2012, und zwar zeitversetzt zur Bekanntgabe von zahlreichen, andere Beteiligungskomplexe (I. -Fonds) betreffenden Güteanträgen, welche die Klägervertreter nahezu zeitgleich bei ihm eingereicht hatten. Als Gütetermin für die die hier streitgegenständlichen D.- Fonds-Verfahren wurde dann der 18.12.2012 angesetzt, was rein von der Menge der Anträge her von vornherein nicht zu bewältigen gewesen wäre. Nachdem die Prozessbevollmächtigten der Kläger dann in der zweiten Jahreshälfte 2012 hinsichtlich der I. -Fonds eine Klagewelle anhängig gemacht haben, haben sie mit einem halben Jahr Verzögerung nach gleichem Muster die D.-Fonds-Klagewelle initiiert, und zwar dergestalt, dass sie bundesweit (dezentral) 1.750 Klagen gegen die Beklagte angestrengt und sämtliche Ansprüche noch einmal gegen den Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaften (zentral) beim Landgericht Stuttgart erhoben haben, anstatt beide Beklagte jeweils zusammen beim Landgericht Stuttgart zu verklagen (vgl. § 32 b Abs. 1 ZPO bzw. § 36 Abs.1 Nr. 3 ZPO). Die vorstehenden Umstände erscheinen zumindest in ihrer Gesamtheit geeignet, den Eindruck zu erwecken, dass die Vorschaltung der Güteverfahren hier von vornherein nicht auf die Erzielung von gütlichen Einigungen, sondern allein darauf ausgerichtet war, sich im Zusammenwirken mit der Gütestelle eine Hemmung der Verjährung und ein ausreichendes Zeitfenster zur Vorbereitung der geplanten D.-Fonds-Klagewelle zu verschaffen, deren Sinn und Zweck angesichts der gegen die D.-Fonds -Anleger bereits ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen (dazu näher unten) allein darin bestehen kann, zu Lasten der beteiligten Rechtsschutzversicherungen einen Millionenumsatz zu generieren (vgl. LG Lüneburg, Urt. v. 25.03.2014, 5 O 58/14, Rn. 26 ff; LG Neuruppin, Urt. v. 12.06.2014, 5 O 127/13, Rn. 15 ff; jeweils zitiert nach juris).

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2. Letztlich kommt es auf die Frage der Verjährung hier aber nicht an, weil sich – die von den Klägern behauptete Anlageberatung unterstellt – jedenfalls kein Beratungsfehler feststellen lässt. Unabhängig von der Frage, ob der Vortrag der Kläger zum Beratungsgespräch hinreichend substanziiert ist (vgl. hierzu LG Lüneburg, Urt. v. 25.03.2014, 5 O 58/14, Rn. 40, 41, zitiert nach juris), vermag der Senat keinen für die Beklagte erkennbaren Prospektfehler festzustellen.

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a) aa) Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Diese Pflicht kann der Berater durch Übergabe des Prospekts oder durch die Beratung anhand seines Inhalts erfüllen, sofern die Angaben im Prospekt zutreffend sowie nach Form und Inhalt geeignet sind, die notwendigen Informationen wahrheitsgemäß und vollständig zu vermitteln. Dabei beschränkt sich die Verpflichtung des Beraters zur objektgerechten Beratung nicht lediglich darauf, die Kapitalanlage anhand des Emissionsprospekts auf innere Plausibilität und Schlüssigkeit zu überprüfen. Vielmehr schuldet der Berater eine fachmännische Bewertung, um eine dem Anleger und der Anlage gerecht werdende Empfehlung abgeben zu können. Dementsprechend hat er eine Anlage, die er empfehlen will, mit üblichem kritischen Sachverstand zu prüfen, oder den Anleger auf ein diesbezügliches Unterlassen hinzuweisen (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2009, XI ZR 338/08, Rn. 17; OLG Hamm, Urt. v. 17.12.2013, I-34 U 110/11, Rn. 48 m.w.N.). Dabei darf er sich nicht auf ein Prospektprüfungsgutachten verlassen, sondern ist selbst zur Überprüfung des Prospekts verpflichtet (BGH, Urt. v. 17.09.2009, XI ZR 264/08, Rn. 6, 7).

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bb) Zu den Umständen, über die der Prospekt ein zutreffendes und vollständiges Bild zu vermitteln hat, gehören auch die für die Anlagenentscheidung wesentlichen Prognosen über die voraussichtliche künftige Entwicklung des Anlageobjekts. Jedoch übernimmt der Prospektherausgeber grundsätzlich keine Gewähr dafür, dass die von ihm prognostizierte Entwicklung tatsächlich eintritt. Das Risiko, dass sich eine auf Grund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlagenentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger. Dessen Interessen werden dadurch berücksichtigt, dass Prognosen im Prospekt durch Tatsachen gestützt und ex-ante betrachtet vertretbar sein müssen. Sie sind nach den damals gegebenen Verhältnissen und unter Berücksichtigung der sich abzeichnenden Risiken zu erstellen (BGH, Urt. v. 27.10.2009, XI ZR 338/08, Rn. 21).

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cc) Legt der Anlageberater dem Anlageinteressenten einen fehlerhaften Prospekt vor und macht diesen zur Grundlage seiner Beratung, steht die Pflichtverletzung des Anlageberaters fest und entfällt nur dann, wenn er diesen Fehler berichtigt, wofür er und nicht der Anleger darlegungs- und beweispflichtig ist (BGH, Urt. v. 17.09.2009, XI ZR 264/08, Rn. 5, zitiert nach juris).

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dd) Will man Unterscheidung zwischen der allein den Prospektverantwortlichen treffenden Prospekthaftung im engeren Sinne und die den Anlageberater treffende Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht völlig aufgeben, kann der Anlageberater aber von vornherein nur für solche Prospektfehler haften, die er erkennen konnte (vgl. BGH, Urt. v. 17.09.2009, XI ZR 264/08, Rn. 7; Urt. v. 27.10.2009, XI ZR 338/08, Rn. 19; OLG Hamm, Urt. v. 17.12.2013, I-34 U 110/11, Rn. 52, zitiert nach juris).

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b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich hinsichtlich der einzelnen von den Klägern behaupteten Prospektfehler Folgendes:

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aa) Prognoserechnungen

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(1) Der Vortrag der Kläger, wonach ein Mietausfallrisiko von 2,5 bis 4 % hätte einkalkuliert werden müssen, betrifft nicht mehr die Vertretbarkeit der Prognose der Mieteinnahmen; vielmehr verlangen die Kläger darüber hinausgehend eine realistische, kaufmännischen Erfahrungen entsprechende Kalkulation. Die von den Klägern insoweit zitierte Rechtsprechung betrifft weitgehend nicht die Haftung des Anlageberaters, sondern die Haftung des Immobilienverkäufers für eine zu positive Darstellung der mit dem Beitritt des Käufers zu einem Mietpool bestehenden Risiken erhöhter Instandsetzungskosten und des Leerstandes (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2007, V ZR 227/06, Rn. 11; Urt. v. 30.11.2007, Rn. 6; Urt. v. 18.07.2008, V ZR 71/07, Rn. 10; jeweils zitiert nach juris). Für die Haftung des Anlageberaters ist hingegen anerkannt, dass über die Vertretbarkeitsprüfung hinausgehende Risikoabschläge, die der einer Prognose notwendig innewohnenden Unsicherheit Rechnung tragen sollen, für eine angemessene Darstellung des Risikos der Anlage nicht erforderlich sind (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2009, XI ZR 338/08, Rn. 24, zitiert nach juris). Unter Zugrundlegung dieser Maßstäbe war die Prognose der Mieteinnahmen aus damaliger Sicht vertretbar. Beim Investitionsteil Deutschland ging es von vornherein nicht um den mit einem statistischen Mietausfallrisiko kalkulierbaren Leerstand einzelner Wohnungen in einer größeren Wohnanlage, sondern um die langfristige Vermietung an wenige Hauptmieter. Für das B. -Areal waren bereits Mietverträge mit mehreren Mietern abgeschlossen. Gemäß den seinerzeit bereits bestehenden Mietverträgen belief sich die Netto-Jahresmiete auf 18.240.378,00 DM. Diese seinerzeit bereits vertraglich vereinbarte Gesamtmiete überstieg die im Prospekt prognostizierten Mieteinnahmen von 16.576.923,00 DM um 10,03 %. Hinsichtlich des Investitionsteils USA konnte ein konkretes Investitionsobjekt nicht benannt und beschrieben werden. Insoweit enthielt der Prospekt die Information, dass im Zeitpunkt seiner Herausgabe noch keine Festlegung auf einzelne Kooperationspartner erfolgt und damit auch noch nicht auf bestimmte Immobilien erfolgt seien. Durch die Kalkulation eines Mietausfallwagnisses von 3 % ab dem Jahr 2005 wurden die Anleger nicht getäuscht.

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(2) Im Übrigen müssen Immobilieninvestitionen über lange Zeiträume betrachtet werden und es kann sich auch die beste Bonität eines Mieters mittel- bis langfristig negativ verändern. Obgleich die umfangreichen Ausführungen zu den vorgesehenen Einzelinvestitionen einen schnellen Überblick erschweren, sind diese jedoch dem Umstand geschuldet, dass der Prospekt insoweit ein Informationsinteresse des Anlegers zu erfüllen hat, dem gebührend Rechnung zu tragen ist. Dass der streitgegenständliche Prospekt in seinem Abschnitt "Chancen und Risiken" die mit der Beteiligung am Immobilienfonds verbundenen wirtschaftlichen Risiken im Sinne eines Fehlers verschleiern würde, vermochte der Bundesgerichtshof nicht zu erkennen (BGH, Urteil vom 24.04.2014, III ZR 389/12, zitiert nach juris, Rn. 30).

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bb) Vorangegangene bzw. künftige Ausschüttungen

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Eine Täuschung der Anleger über die wirtschaftliche Entwicklung der Vorgängerbeteiligungen lässt sich nicht feststellen. Die Angaben im Prospekt (Stand Mai 1998), wonach die kalkulierte Ausschüttung von jährlich 7 % von allen Beteiligungsgesellschaften seit 1987 jeweils termingerecht vorgenommen und im Falle des D.-Fonds 92/10 für das Jahr 1993 durch eine Gesamtausschüttung von 9 % sogar überschritten wurde (Anlage K 1, S. 7), waren – was die Kläger selbst nicht in Abrede stellen – richtig. Soweit die Kläger vortragen, dass nach den Geschäftsberichten für die Jahre 1994 und 1995 die Vorgängerfonds zwar rund 7 % Ausschüttungen vorgenommen hätten, diese aber in Wirklichkeit nicht erwirtschaftet worden seien, verhilft dies der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg. Es würde die an die Beklagte als Anlageberaterin zu stellenden Anforderungen überspannen, wenn man ihr abverlangen würde, zur Überprüfung des für die Anlageentscheidung wesentlichen Erfolges der Vorgängerfonds die von diesen vorgenommenen Ausschüttungen anhand der Geschäftsberichte mit den tatsächlichen Erträgen abzugleichen (so i. E. auch LG Lüneburg, Urteil vom 25.03.2014, 5 O 58/14, zitiert nach juris, Rn. 50). Zudem ist zwischen den Parteien nicht im Streit, dass der streitgegenständliche Fonds in den Jahren 1999 und 2000 wirtschaftlich erfolgreich lief und die zugesagte hohe Ausschüttung von 7 % erbrachte, und dass die zuvor aufgelegten Fonds desselben Initiators in den sieben vor 1995 liegenden Jahren ebenfalls zumindest 7 % p. a. Ertrag gebracht hatten. Ferner ist aus den seit 1999 geringeren und in einem Jahr gänzlich ausgefallenen Ausschüttungen nicht etwa auf die mangelnde Seriosität des Anlagemodells rückzuschließen, denn die krisenhaften Entwicklungen auf dem Wertpapier- und Immobilienmarkt seit März 2000 sind allgemein bekannt (OLG Frankfurt, Urteil vom 08.10.2004, 13 U 243/03, zitiert nach juris).

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cc) Schulungen

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Insoweit fehlt es an substanziiertem Vortrag der Kläger dazu, welche über die vermeintliche Fehlerhaftigkeit des Prospekts hinausgehenden falschen Schulungsinhalte in die konkrete Beratung eingeflossen sein sollen (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 15.12.2005, 13 U 10/2005, Rn. 44-46; LG Lüneburg, Urt. v. 25.03.2014, 5 O 58/14, Rn. 50; jeweils zitiert nach juris). Zwar ist die hinreichende Darstellung der Risiken und Chancen der Anlage im Prospekt für den Berater kein Freibrief, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt entwertet oder für die Entscheidung des Anlegers mindert (BGH NZG 2014, 904). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Nach dem Vortrag der Kläger hat der Berater ihnen gegenüber vielmehr nur angegeben, dass die D.-Fonds im Vergleich zu anderen Fonds einen hohen Substanzwert hätten und deswegen mehr an die Anleger ausschütten könnten. Als Vorzüge der Beteiligung habe er ihnen die Sicherheit durch Streuung der Investitionen in drei Investitionsteile, Inflationsschutz durch Sachwertanlagen und Steueroptimierung dargestellt. Hierbei handelt es sich ersichtlich um bloße Anpreisungen, welche die umfangreichen Hinweise im Prospekt nicht entwerten konnten.

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dd) Im Übrigen waren die oben angeführten Prospektfehler (fehlerhafte Prognose der Mieteinnahmen, Angabe von nicht erwirtschafteten Ausschüttungen der Vorgängerfonds, fehlerhafte Schulungsunterlagen) bereits Gegenstand einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen ein klageabweisendes Urteil des OLG Bamberg vom 24.07.2009 (6 U 45/08) betreffend den streitgegenständlichen D.-Fonds, welche der Bundesgerichtshof jedoch mit Beschluss vom 24.11.2010 (III ZR 230/09) zurückgewiesen hat.

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ee) Weiche Kosten

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(1) Die von den Klägern insoweit zitierte Rechtsprechung des 3. Zivilsenates des Bundesgerichtshofs zu den Aufklärungspflichten eines freien Anlageberaters betrifft von vornherein nicht die Fälle, in denen die Höhe der insgesamt gezahlten Provisionen wie hier im Prospekt offen ausgewiesen wird (BGH, Beschluss vom 30.01.2013, III ZR 184/12, zitiert nach juris, Rn. 2; BGH, Urteil vom 24.04.2014, III ZR 389/12, zitiert nach juris, Rn. 17). Der Prospekt gewährt unter der Überschrift "Erläuterungen zur Investitionskalkulation" (S. 21) und den dazu gegebenen Erläuterungen (S. 22 bis 27) ausreichende Aufklärung. In der Tabelle zur Investitionskalkulation (S. 21) werden im Abschnitt 2.0 "Mittelverwendung" die Kosten der Eigenkapitalbeschaffung unter der Position 2.5 mit 7,500 % der Gesamtinvestition und absolut mit 863.591.156 DM ausgewiesen. Aus dieser Tabelle ist unter Position 1.8 auch zu entnehmen, dass die Abwicklungsgebühr zu der Gesamtinvestitionssumme hinzukommt. Ebenso ergibt sich aus § 9 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages, dass die Abwicklungsgebühr in Höhe von 5 % des Beteiligungskapitals zusätzlich der Abdeckung der Kosten der Eigenkapitalbeschaffung dient. Im Hinblick auf die detaillierte Darstellung der - vollständig offen ausgewiesenen - Vertriebskosten im Prospekt kann nicht davon ausgegangen werden, der Leser werde bei der gebotenen sorgfältigen und eingehenden Lektüre des Prospekts über deren Höhe nicht ausreichend informiert oder in die Irre geführt (vgl. BGH, Urteil vom 24.04.2014, III ZR 389/12, zitiert nach juris, Rn. 18 ff).

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(2) Eine Darstellung der Weichkosten im Verhältnis zum einzuwerbenden Kapital ist nicht geboten; vielmehr kann sich die Werthaltigkeit der Investition nur aus der Relation des Gesamtaufwandes zu den nicht unmittelbar sachwertbildenden Kosten ergeben. Aufgrund dessen wäre selbst beim Vorliegen versteckter Provisionen die 5 % Abwicklungsgebühr nicht mit zu berücksichtigen, sodass die 15 %-Grenze nicht überschritten wäre (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.11.2012, I-17 U 52/11, zitiert nach juris, Rn. 32; LG Lüneburg, Urteil vom 25.03.2014, 5 O 58/14, zitiert nach juris, Rn. 52).

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ff) Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen

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Die Beklagte war bereits deshalb nicht verpflichtet, die Kläger über die gegen den Komplementär der D. Fonds 94/17 KG geführten staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu informieren, weil letztere aufgrund von im Jahre 2000 erstatteten Strafanzeigen und somit in einem nach der Zeichnung der Anlage durch die Kläger liegenden Zeitpunkt eingeleitet wurden.

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gg) Negative Presseberichte

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Für die Beklagte bestand auch keine Verpflichtung, die Kläger über einen im Jahre 1997 in dem Nachrichtenmagazin "FOCUS" publizierten Bericht über eine andere Fondsgesellschaft zu unterrichten. Abgesehen davon, dass der Fonds D.-Fonds 98/29 erst im Folgejahr aufgelegt wurde, musste die Beklagte die Kläger nicht über einen vereinzelt gebliebenen negativen Bericht informieren, der zudem nicht in der einschlägigen Wirtschaftspresse, sondern in einem Nachrichtenmagazin veröffentlicht worden war. Eine Verpflichtung der Beklagten, die Kläger über negative Presseberichte zu informieren, hätte vielmehr nur dann bestanden, wenn über den Fonds, an dem sich die Kläger beteiligt haben, oder über vergleichbare Fondsgesellschaften in der "Börsenzeitung", im "Handelsblatt" oder in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" wiederholt negative Berichte veröffentlicht worden wären (vgl. insoweit BGH, Urt. vom 07.10.2008, XI ZR 89/07, zitiert nach juris, Rn. 25, m.w.N.).

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3. Da es bereits an einem vertraglichen Anspruch wegen Beratungspflichtverletzung fehlt, besteht auch kein Anspruch wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB).

48

4. Da kein Hauptanspruch besteht, können die Kläger von der Beklagten auch nicht nach §§ 280 Abs. 1 u. Abs. 2, 286, 249 Abs. 1 BGB die Freistellung von der ihnen gegenüber erhobenen Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten auf den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.484,13 € beanspruchen.

III.

49

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

50

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

51

Der Streitwert wurde gem. §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 43 Abs. 1 GKG, 3, 5 ZPO festgesetzt, wobei der geltend gemachte entgangene Gewinn und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Nebenforderungen nicht zu berücksichtigen waren (vgl. BGH, Beschl. v. 08.05.2012, XI ZR 261/10, Rn. 14 ; Beschl. v. 27.06.2013, III ZR 257/12, Rn. 4, 5; jeweils zitiert nach juris).


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