Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg - 5 U 99/15

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 15. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten der Berufung zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Der Streitwert der Berufung beträgt 46.662,52 €.

Gründe

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Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung der Kläger offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

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Es geht weder um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 4 ZPO).

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Die Kläger nehmen die Beklagte auf Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit dem Beitritt zur Dreiländer Beteiligung Objekt DLF 94/17 - W. F. - KG (nachfolgend: DLF 94/17) in Anspruch. Die Kläger wurden im Jahr 1995 von dem für die Beklagte tätigen Finanzberater G. M. aufgesucht. Im Ergebnis des Gespräches, dessen Ablauf und Inhalt streitig ist, unterzeichneten sie am 30. November 1995 eine Beitrittserklärung zu dem Beteiligungsangebot des DLF 94/17 über eine Beteiligungssumme von zunächst 100.000 DM zuzüglich Abwicklungsgebühr/Agio. Da die von den Klägern hinsichtlich der Finanzierung der Anlage angesprochene Bank lediglich einen Kredit in Höhe von 50.000 DM zusagte, wurde die Beteiligungssumme auf 50.000 DM reduziert.

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Die Kläger haben mit Schlichtungsantrag vom 29. Dezember 2011 ein Schlichtungsverfahren vor der Gütestelle Rechtsanwalt D. in L. eingeleitet. Der Schlichtungsantrag ist der Beklagten am 8. November 2012 zugestellt worden.

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Die Kläger haben geltend gemacht, sie seien von dem Zeugen M. auf der Grundlage des Emissionsprospektes beraten und nicht über die entgegen der Prospektdarstellung wesentlich schlechteren Ertragsaussichten informiert worden. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug einschließlich der dort ergangenen Entscheidung wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 12-24 Bd. VI d. A.) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

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Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Rechtsausführungen ihren vermeintlichen Schadensersatzanspruch weiterverfolgen.

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Die Kläger stellen den Antrag,

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das am 15. Mai 2015 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen,

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hilfsweise

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unter Abänderung des am 15. Mai 2015 verkündeten Urteils der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau das am 30. April 2014 verkündete Versäumnisurteil aufzuheben und

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die Beklagte zu verurteilen, an sie 55.078,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen die schriftliche Zustimmung der Kläger zur Übertragung der Ansprüche aus der Beteiligung an der Dreiländer Beteiligung Objekt DLF 94/17 - W. F. - KG, Vertragsnummer: ... ;

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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihnen sämtliche weiteren künftigen materiellen Schäden aus der Beteiligung an der Dreiländer Beteiligung Objekt DLF 94/17 - W. F. - KG, Vertragsnummer: ... zu ersetzen;

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festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung in Verzug befindet sowie

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die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 1.638,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie sie von weiteren vorgerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 2.619,02 € freizustellen.

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Die Beklagte stellt den Antrag,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein etwaiger, mit der Zeichnung der Anlage entstandener Anspruch der Kläger auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung kenntnisunabhängig verjährt und deshalb nicht mehr durchsetzbar ist (§ 214 Abs. 1 BGB). Die mit dem 2. Januar 2012 abgelaufene zehnjährige Verjährungsfrist (Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1, §§ 199 Abs. 3 Nr. 1, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB) wurde nicht durch den angeblich am 29. Dezember 2011 bei dem Schlichter D. eingereichten und der Beklagten am 8. November 2012 zugestellten Güteantrag gehemmt (§§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB, 167 ZPO), weil dieser nicht ausreichend individualisiert war.

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Für die hinreichende Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs in einem Güteantrag ist auf die Anforderungen an einen Mahnantrag (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB) unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Güteverfahrens abzustellen (BGH, Urteil vom 18. Juni 2015, III ZR 189/14, zitiert nach juris). Für einen Mahnantrag ist maßgeblich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden kann, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungsbescheids sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diesen Anforderungen Genüge getan ist, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (BGH, Urteil vom 18. Juni 2015, III ZR 189/14, zitiert nach juris).

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Der Güteantrag muss zum einen die formalen Anforderungen erfüllen, die von den für die Tätigkeit der jeweiligen Gütestelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften gefordert werden. Zum anderen muss der Güteantrag für den Schuldner erkennen lassen, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll, damit er prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgversprechend ist und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte. Dementsprechend muss der Güteantrag einen bestimmten Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers unmissverständlich kundgeben und hierzu die Streitsache darstellen sowie das konkrete Begehren erkennen lassen. Der verfolgte Anspruch ist hinreichend genau zu bezeichnen. Freilich sind insoweit keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Denn das Güteverfahren zielt - anders als die Klageerhebung oder das Mahnverfahren - auf eine außergerichtliche gütliche Beilegung des Rechtsstreits ab und führt erst im Falle einer Einigung der Parteien zur Schaffung eines dieser Einigung entsprechenden vollstreckbaren Titels (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO); auch besteht keine strikte Antragsbindung wie im Mahn- oder Klageverfahren. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Güteantrag an die Gütestelle als neutralen Schlichter und Vermittler gerichtet wird und diese zur Wahrnehmung ihrer Funktion ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert werden muss (BGH, Urteil vom 18. Juni 2015, III ZR 189/14, zitiert nach juris).

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Dementsprechend hat der Güteantrag in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen; ferner ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner (und der Gütestelle) ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist. Eine genaue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten (BGH, Urteil vom 18. Juni 2015, III ZR 189/14, zitiert nach juris).

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Diesen Anforderungen genügt der Güteantrag der Kläger nicht.

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Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Vorgaben in § 21 Abs. 1 des Schiedsstellengesetzes des Landes Brandenburg, wonach der Güteantrag „eine allgemeine Angabe des Streitgegenstandes enthalten" muss. Insoweit bestehen keine Abweichungen zu den allgemeinen Grundsätzen (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16. Juli 2014, 19 U 2/14, juris). Die Verfahrensordnung des Schlichters D. verhält sich nicht zu den formalen Anforderungen an einen Schlichtungsantrag.

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Bei dem Güteantrag der Kläger handelt es sich um einen von deren Prozessbevollmächtigten zur Verfügung gestellten „Musterantrag", der senatsbekannt für zahlreiche DLF- Beteiligungen, verwendet wurde (so unter anderem in den beim Senat jetzt noch anhängigen Berufungsverfahren mit der Geschäftsnummer 5 U 208/14). Er leidet darunter, dass er keinen ausreichenden Bezug zum konkreten Beratungshergang in dem der Gütestelle vorgelegten Einzelfall aufweist. Er enthält als individuelle Angaben lediglich die Namen der Kläger, die Bezeichnung des Anlagefonds und die Vertragsnummer. Weitere individualisierende Tatsachen wie beispielsweise die Zeichnungssumme, der ungefähre Beratungszeitraum und der Hergang der Beratung fehlen. Damit war es, wie in den vom Bundesgerichtshof am 18. Juni 2015 entschiedenen Fällen (III ZR 189/14, III ZR 191/14 und III ZR 198/14), der Beklagten, die im Strukturvertrieb eine große Zahl von Kapitalanlagen unter Mithilfe einer Vielzahl von für sie tätigen Beratern und Vermittlern vertrieben hat, allenfalls unter einigen Mühen möglich, festzustellen, um welche Anlageberatung es im vorliegenden Fall geht. Damit genügt der Antrag den oben beschriebenen Anforderungen nicht. Dies gilt um so mehr, als sich die Beklagte um den Jahreswechsel 2011/2012 angesichts des Ablaufs der für die vor dem Jahr 2002 stattgefundenen Anlageberatungsfälle geltenden kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB am 2. Januar 2012 (Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB) einer Vielzahl von Güteanträgen gegenüber sah, während die handelsrechtlichen Aufbewahrungsfristen (§ 257 HGB) für diese Beratungsfälle meist bereits abgelaufen waren (BGH, Urteil vom 18. Juni 2015, III ZR 189/14, zitiert nach juris).

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Zudem wird auch das angestrebte Verfahrensziel in dem Güteantrag nicht ausreichend beschrieben. In dem Antrag heißt es zwar „Die antragstellende Partei macht den Ersatz des gesamten durch den Beteiligungsabschluss ursächlich entstandenen Schaden geltend." Im Weiteren wird gefordert, die antragstellende Partei so zu stellen, „als ob keine Beteiligung zustande gekommen wäre". Nachfolgend heißt es: „Der Schadensersatz umfasst somit sämtliche aufgebrachten Kapitalbeträge sowie entgangenen Gewinn und ggf. vorhandene sonstige Schäden (z.B. aus Darlehensfinanzierung oder Steuerrückzahlungen)." Letztlich wird darauf hingewiesen, dass sich die Pflicht zum Ersatz des Schadens auf die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung erstreckt. Danach ist zwar noch erkennbar, dass der vollständige Zeichnungsschaden geltend gemacht werden soll. Völlig offen bleibt indes die Größenordnung des geltend gemachten Anspruchs, zumal nicht einmal die Zeichnungssumme, sondern lediglich mitgeteilt wird, dass nach den bisherigen Feststellungen Einlagen in Höhe von insgesamt 25.564,59 € zzgl. 5 v. H. Aufgeld geleistet wurden. Ein vorgängiges Anspruchsschreiben der Kläger, auf dessen Inhalt hätte Bezug genommen und das als Anlage dem Güteantrag hätte beigefügt werden können, gab es nicht. Unter diesen Umständen war es auch für die Gütestelle nicht möglich, im Wege eines Schlichtungsversuchs einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten (BGH, Urteil vom 16. Juni 2015, III ZR 189/14; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16. Juli 2014, 19 U 2/14).

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Die Aussetzung des Verfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KapMuG kommt nicht in Betracht. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt nicht von den im Vorlagebeschluss des Landgerichts Berlin vom 29. Januar 2015 aufgeführten Feststellungszielen ab. Zwar ist die Aussetzung bereits geboten, wenn die Erheblichkeit der Feststellungsziele für die Entscheidung möglich erscheint (OLG München ZIP 2013, 2077; OLG Frankfurt, Beschluss vom 27. Januar 2014, 23 W 120/13, zitiert nach juris). Sie darf indes nicht angeordnet werden, wenn feststeht, dass es auf die Feststellungsziele nicht ankommt. So verhält es sich hier, weil die Klage allein schon in Folge der Verjährung der geltend gemachten Ansprüche keinen Erfolg haben kann (§ 214 Abs. 1 BGB) und dies ohne weitere Ermittlungen und völlig unabhängig von den Feststellungszielen unter Zugrundelegung der tragenden Erwägungen des Bundesgerichtshofes in den Entscheidungen vom 18. Juni 2015 (Gesch.-Nr. III ZR 189/14, 191/14 und 198/14) und vom 16. Juli 2015 (Gesch.-Nr. III ZR 164/14 und 302/14) bereits jetzt feststeht.

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Die Stellungnahme der Kläger hierzu in ihrem Schriftsatz vom 29. September 2015 gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Eine Zulassung der Revision im Falle einer Entscheidung durch Urteil wäre entgegen der Auffassung der Kläger nicht geboten, weil die Rechtsfrage, welche Anforderungen an die Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs in einem Güteantrag durch die oben genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. Juni 2015 geklärt ist. Nach den darin genannten Grundsätzen ist im Einzelfall - wie hier - zu entscheiden, ob der konkrete Güteantrag ausreichend individualisiert war. Der Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO steht der Antrag auf Erweiterung der Feststellungsziele im Hinblick auf den Vorlagebeschluss nach § 6 KapMuG zum Prospekt der Dreiländer Beteiligung Objekt - DLF 94/17 - W. F. - KG (LG Berlin, Beschluss vom 29. Januar 2015 - 3 OH 50/14 KapMuG) nicht entgegen. Der bloße Antrag führt noch nicht zur Erweiterung der Feststellungsziele gem. § 15 KapMuG. Erforderlich ist ein stattgebender Beschluss des Kammergerichts gem. § 15 Abs. 1 KapMuG und dessen öffentliche Bekanntgabe im Bundesanzeiger (§ 15 Abs. 2 KapMuG). Daran fehlt es bisher.

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Da der Hauptanspruch nicht besteht, können die Kläger von der Beklagten auch nicht gem. §§ 280 Abs. 1 u. Abs. 2, 286, 249 Abs. 1 BGB den Ersatz bzw. die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beanspruchen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht entsprechend §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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Der Streitwert wurde gem. §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 43 Abs. 1 GKG, 3, 5 ZPO festgesetzt, wobei der geltend gemachte entgangene Gewinn und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Nebenforderungen nicht zu berücksichtigen waren (vgl. BGH, Beschl. v. 08. Mai 2012, XI ZR 261/10, Rn. 14; Beschl. v. 27. Juni 2013, III ZR 257/12, Rn. 4, 5; jeweils zitiert nach juris).


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