Beschluss vom Oberlandesgericht Rostock (4a. Zivilsenat) - 4a) 4 U 36/17

Tenor

I. Der Klägerin wird unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Rücknahme ihrer Klage anheimgestellt.

II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird vorläufig auf bis zu 110.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Anregung einer Klagerücknahme liegt nach vorläufiger Einschätzung die Überlegung zugrunde, dass die zulässige Berufung begründet erscheinen könnte, weil die Klage ihrerseits zwar ebenfalls zulässig, aber unbegründet sein dürfte.

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I. Die Klägerin hat wohl keinen Anspruch (mehr) gegen die Beklagte auf einen Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung gemäß §§ 631 Abs. 1, 1. Halbsatz, 633 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 und 3 BGB. Dies folgt ohne Weiteres daraus, dass die Klägerin offenbar bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens eine Mängelbeseitigung durchgeführt hat, was seitens des Landgerichtes unberücksichtigt geblieben ist. Mit dem Abschluss der Mangelbeseitigungsarbeiten ist für eine Vorschussklage kein Raum mehr; der Besteller hat vielmehr nur noch den Aufwendungserstattungsanspruch nach § 637 Abs. 1 BGB. Der Folge der Abweisung einer im Übrigen zunächst zulässigen und begründeten, zwischenzeitlich aber unschlüssig gewordenen Vorschussklage kann er nur entgehen, indem er entweder die Hauptsache für erledigt erklärt oder aber die Klage auf den Aufwendungs- oder einen Schadensersatzanspruch umstellt (vgl. Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger-Genius, jurisPK BGB, 8. Aufl., 2017, § 637 Rn. 10 m. w. N.). Eine solche Umstellung der Klage dürfte sich noch nicht daraus ergeben, dass die Klägerin nach dem Inhalt ihrer Berufungserwiderung zumindest mittelbar auf das Bestehen eines Schadensersatzanspruches verweist; denn sie lehnt gleichzeitig eine insoweit bestehende Rechenschaftspflicht gegenüber der Beklagten ab und nimmt damit insbesondere eine an der Höhe eines ihr entstandenen Schadens orientierte Bezifferung der Klageforderung nicht vor.

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II. Auf dem zuvor Gesagten Rechnung tragende prozessuale Erklärungen der Klägerin kommt es aber wohl deshalb schon nicht mehr an, weil die Beklagte entgegen der Auffassung des Landgerichtes doch gemäß § 214 BGB berechtigt sein könnte, wegen eines Eintritts der Verjährung die Erfüllung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber der Klägerin zu verweigern.

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1. Hat die Klägerin jedenfalls den Vertrag über die Errichtung des Fachwerkgebäudes mit der Beklagten abgeschlossen, um eine gewerbliche Tätigkeit in Form eines Pensionsbetriebes vorzubereiten, könnte sie bereits (insgesamt) als Unternehmerin gemäß § 14 BGB einzuordnen gewesen sein.

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a. So genannte Existenzgründer sollen zwar ihre Verbrauchereigenschaft im Sinne von § 13 BGB noch nicht verlieren bei einem Geschäft, das die zu dem betreffenden Zeitpunkt noch offene Entscheidung, ob es überhaupt zu einer Existenzgründung kommen soll, erst vorbereitet, indem beispielsweise die betriebswirtschaftlichen Grundlagen dafür ermittelt werden oder ein allgemeines Existenzgründerseminar gebucht wird (vgl. Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger-Martinek, a. a. O., § 13 Rn. 12 m. w. N.). Demgegenüber wird der Existenzgründer für den Fall als Unternehmer eingestuft, dass das Geschäft bereits im folgenden Schritt im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit abgeschlossen wird. Handelt demnach als Unternehmer, wer Geschäftsräume anmietet, einen Franchisevertrag abschließt oder Anteile an einer freiberuflichen Praxisgemeinschaft erwirbt (vgl. Staudinger-Kannowski, BGB, Neubearbeitung 2013, § 13 Rn. 57 m. w. N.), dürfte für den Abschluss eines Bauvertrages über das Gebäude für einen Pensionsbetrieb kaum etwas anderes gelten. Unerheblich erscheint im Übrigen, dass es zu der späteren Aufnahme der nach dem Vertragszweck angestrebten Tätigkeit offenbar tatsächlich nicht mehr oder nur vorübergehend gekommen ist.

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b. Eine Differenzierung bezüglich der Verbraucher- bzw. Unternehmereigenschaft der Klägerin nach den §§ 13, 14 BGB zwischen den beiden äußerlich getrennten Verträgen über die Errichtung des Gebäudes einerseits und eine in diesem befindliche Erdgeschosswohnung andererseits scheidet sodann wohl aus, weil es sich tatsächlich um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelte.

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aa. Die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäftes hängt grundsätzlich davon ab, ob die einzelnen, äußerlich selbständigen Rechtsgeschäfte durch einen Verknüpfungswillen der Parteien miteinander verbunden sind. Dieser Verknüpfungswille ist aufgrund der Erklärungen und der Interessenlage der Vertragschließenden mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu ermitteln. Entscheidend ist ein rechtlicher Zusammenhang der betroffenen Rechtsgeschäfte. Er ist gegeben, wenn die einzelnen, äußerlich an sich selbständigen Rechtsgeschäfte nach dem Willen der Vertragspartner ein einheitliches Geschäft bilden und derart voneinander abhängig sein sollen, dass sie miteinander „stehen und fallen“ sollen. Die Abhängigkeit der Verträge muss hierbei nicht wechselseitig sein; auch bei einseitiger Abhängigkeit stehen und fallen beide Geschäftsteile vielmehr mit dem Vertrag, von dem der andere abhängt. Ein zwischen den fraglichen Geschäften bestehender wirtschaftlicher Zusammenhang kann zudem ein maßgebendes Indiz für das Vorliegen des entscheidenden Parteiwillens zur Einheitlichkeit sein. Die Niederlegung mehrerer selbständiger Verträge in verschiedenen Urkunden mag letztlich eine tatsächliche Vermutung dafür begründen, dass die Verträge nicht in rechtlichem Zusammenhang stehen sollen; sie steht der Annahme eines Einheitlichkeitswillens aber nicht zwangsläufig entgegen (vgl. Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth/Würdinger-Nassall, a. a. O., § 139 Rn. 21 ff. m. w. N.).

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bb. In dem vorliegenden Fall ergeben sich ein wirtschaftlicher wie gerade auch ein rechtlicher Zusammenhang der beiden eingangs genannten und zum Gegenstand verschiedener Urkunden gemachten Verträge schlichtweg daraus, dass die isolierte Errichtung einer „Erdgeschosswohnung“ ohne die Schaffung des größeren Gebäudes, in das sie nach ihrer Etagenbezeichnung integriert sein muss, nicht möglich ist. Der Vertrag über ihre Erstellung war folglich von demjenigen über die Errichtung des Fachwerkgebäudes als solches abhängig; es handelte sich insbesondere nicht demgegenüber etwa um einen Bauträgervertrag zum Erwerb einer Eigentumswohnung. Offen bleiben kann vor diesem Hintergrund, ob der äußerlich gesonderte Vertrag hinsichtlich der Erdgeschosswohnung mit einem eigenen Pauschalpreis von 90.000,00 € möglicherweise einen von der Klägerin selbst zu nutzenden Wohnraum zum Gegenstand haben sollte. Denn bei so genannten dual-use-Verträgen kommt es nach dem Wortlaut des § 13 BGB für die Verbrauchereigenschaft auf die überwiegende Zweckrichtung des Rechtsgeschäftes an (vgl. Herberger/ Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger-Martinek, a. a. O., § 13 Rn. 5 m. w. N.); sowohl aufgrund des Preisverhältnisses wie auch der Größe der jeweils betroffenen Gebäudeteile kommt im Verhältnis der beiden äußerlich gesondert geschlossenen Verträge zueinander hier demjenigen über die Errichtung des Fachwerkgebäudes mit dem Pensionsbetrieb das größere Gewicht zu.

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2. Ist die VOB/B dann wie hier ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt in den Vertrag einbezogen, scheidet eine Inhaltskontrolle einzelner ihrer Bestimmungen unter anderem nach den §§ 307 Abs. 1 und 2, 309 Nr. 8 BGB bei der Verwendung im Sinne Allgemeiner Geschäftsbedingungen gegenüber einem Unternehmer gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB aus. Eine wirksame Einbeziehung der Klausel in § 13 Abs. 4 Nr. 1 Satz 1, 1. Alt. VOB/B bezüglich einer Verkürzung der Verjährungsfrist für die Gewährleistung bezüglich von Mängeln an Bauwerken auf vier Jahre gegenüber der gesetzlichen Regelung des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB mit fünf Jahren scheitert daher nicht an § 309 Nr. 8b ff. BGB, wonach in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam ist, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen die Verjährung von Ansprüchen gegen den Verwender wegen eines Mangels im Falle der erstgenannten Vorschrift erleichtert wird; ebenso wenig kann dieser Rechtsgedanke im Rahmen einer subsidiären Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB zum Tragen kommen (vgl. Ingenstau/Korbion-Wirth, VOB/A und B, 20. Aufl., 2017, § 13 Nr. 4 VOB/B Rn. 25 m. w. N.). Der wirksamen Einbeziehung der VOB/B steht im Übrigen nicht entgegen, dass den Verträgen nach deren Wortlaut nur ein „Auszug“ dieses Regelwerkes beigefügt war; gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB finden § 305 Abs. 2 und 3 BGB einschließlich der Vorgabe, dass der Verwender der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von dem Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen, gegenüber einem Unternehmer nämlich keine Anwendung.

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3. Beginnt die (nur) vierjährige Verjährungsfrist nach § 13 Abs. 4 Nr. 3, 1. Halbsatz VOB/B mit der Abnahme der gesamten Leistung und fand diese am 27.02.2007 statt, lief die Verjährungsfrist am 27.02.2011 ab. Die erste mit einer Zeitangabe dargelegte Mängelrüge der Klägerin gegenüber der Beklagten erfolgte danach im November 2011; weder ist die davor liegende Erfüllung eines Hemmungstatbestandes erkennbar, noch ein Neubeginn der Verjährung gemäß § 212 BGB.

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