Beschluss vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 5 W 116/10 - 44

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 02.03.2010, 2 O 175/08, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.731,84 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangte als Sohn der am 29.03.2008 verstorbenen J. Z. von seinen Geschwistern und Erben im Wege der Stufenklage Auskunft über den Nachlass, Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung und Zahlung. Nachdem die Beklagten im Prozess eine negative Auskunft erteilt haben, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt und streiten nun um die Verpflichtung, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Nach dem Todes des Vaters der Parteien und Ehemannes der Erblasserin übertrugen die Erblasserin und die Beklagten das Elternhaus der Parteien auf den Kläger. Die Erblasserin erhielt ein lebenslängliches, unentgeltliches Wohnrecht an der Erdgeschosswohnung. Der Kläger bewohnte mit seiner Familie den ersten Stock. Nach einiger Zeit kam es zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und der Erblasserin. Außerdem stritten beide um Nebenkosten. Der Kläger und die Erblasserin einigten sich im Notarvertrag vom 27.02.2004 darauf, dass die Erblasserin das Hausanwesen zurück erwarb. Nach dem Auszug des Klägers im März 2004 bestand kein Kontakt mehr zwischen ihm und der Erblasserin. Die Erblasserin enterbte den Kläger mit Testament vom 02.11.2006 und entzog ihm den Pflichtteil.

Nach ihrem Tode am 29.03.2008 forderte der Kläger die Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 05.08.2008 (Bl. 9 d.A.) auf, Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses zu erteilen. Mit Anwaltsschreiben vom 29.08.2008 lehnten die Beklagten dies wegen der Pflichtteilsentziehung ab.

In der am 06.10.2008 beim Landgericht Saarbrücken erhobenen Stufenklage gab der Kläger als geschätzten Streitwert 7.000,00 EUR an. Während des Rechtsstreits erteilten die Beklagten Auskunft. Danach waren beim Erbfall rund 2.700,00 EUR Kontenguthaben vorhanden, aber höhere Verbindlichkeiten. Das Hausanwesen war bereits am 27.02.2004 an die Beklagten veräußert worden sei. Der Kaufpreis war dadurch erbracht worden, dass die Beklagten die Erblasserin von ihrer Verpflichtung aus dem Notarvertrag gegenüber dem Kläger freigestellt hatten.

Daraufhin erklärte der Kläger die Hauptsache insgesamt für erledigt (Bl. 131 d.A.). Die Beklagten schlossen sich der Erledigungserklärung an (Bl. 140 d.A.).

Durch Beschluss vom 02.03.2010 (Bl. 146 d.A.) legte das Landgericht den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf. Gegen diesen Beschluss, der den Beklagten am 08.03.2010 zugestellt wurde, haben diese am 22.03.2010 durch Anwaltsschriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt,

die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen, hilfsweise die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.

Der Kläger hat sich dagegen gewandt. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere nach § 91a Abs. 2 ZPO statthaft und fristgerecht erhoben (§ 569 Abs. 1 ZPO).

Die sofortige Beschwerde ist aber nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits insgesamt auferlegt.

(1.)

Entscheidungsmaßstab im Rahmen der nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO zu treffenden Kostenentscheidung ist der voraussichtliche Ausgang des Rechtsstreits, wenn die Hauptsache nicht erledigt oder nicht für erledigt erklärt worden wäre (Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 91 a Rn. 47; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 91 a Rn. 24). Es hat somit derjenige die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, dem sie auch nach den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der ZPO (§§ 91 – 97, 100, 101) aufzuerlegen gewesen wären. Allerdings kann auch ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch berücksichtigt werden, wenn er sich ohne Schwierigkeiten, insbesondere ohne Beweisaufnahme feststellen lässt (BGH, Urt. v. 22.11.2001, VII ZR 405/00, NJW 2002, 680).

Bei der Kostenentscheidung ist auf jede einzelne Stufe abzustellen, obwohl die Kosten nach § 44 GKG und § 23 Abs. 1 RVG nur aus dem höchsten Wert, hier dem Leistungsantrag in Höhe von 7.000,00 EUR, berechnet werden und die jeweiligen Anwaltsgebühren für alle Stufen nur einmal anfallen (Foerste in: Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 254 Rn. 9 und 10). Auch findet wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nur eine Gesamtkostenverteilung in der abschließenden Entscheidung statt. Es ist aber kalkulatorisch jede einzelne Stufe gesondert zu betrachten, damit das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen richtig erfasst werden kann (Rixecker, Die Erledigung im Verfahren der Stufenklage, MDR 1985, 633; Becker-Eberhard in: MünchKomm(ZPO), 3.Aufl., § 254 Rn. 32).

Nach diesen Grundsätzen tragen die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits, weil sie in der Auskunftsstufe ohne Erledigungserklärung unterlegen gewesen wären und dem Kläger in Höhe seiner unnötigen Prozesskosten aufgrund der erhobenen Stufenklage ein Verzugsschadensersatzanspruch gegen die Beklagten zusteht.

(a)

Der Kläger hatte als Pflichtteilsberechtigter einen Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB. Eine wirksame Pflichtteilsentziehung nach § 2333 BGB a.F. lag nicht vor, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat.

Nach EGBGB 229 § 23 Abs. 4 gilt § 2333 BGB in der Fassung vom 02.01.2002, weil der Erbfall vor dem 01.01.2010 lag. In Betracht kam lediglich die Anwendung von § 2333 Nr. 2 und 3 BGB. Nach § 2333 Nr. 2 BGB kann der Erblasser einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn dieser sich einer vorsätzlichen körperlichen Misshandlung des Erblassers (oder gegebenenfalls seines Ehegatten) schuldig gemacht hat. Erforderlich ist zusätzlich, dass darin eine schwere Verletzung der dem Erblasser geschuldeten familiären Achtung, eine "schwere Pietätsverletzung", liegt (BGH, Urt. v. 06.12.1989, IVa ZR 249/88, NJW 1990, 911). Nach § 2333 Nr. 3 BGB ist die Begehung eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser oder dessen Ehegatten erforderlich. Beide Pflichtteilsentziehungsgründe setzen Fehlverhaltensweisen des Pflichtteilsberechtigten voraus, die schwer wiegend genug sind, um von einer Unzumutbarkeit für den Erblasser ausgehen zu können, eine seinem Willen widersprechende Nachlassteilhabe des Kindes hinzunehmen, was nur in extremen Ausnahmefällen anzunehmen ist (BVerfG, Beschl. v. 19.04.2005, 1 BvR 1644/00, NJW 2005, 1561).

Konkrete körperliche Misshandlungen der Erblasserin sind nicht vorgetragen. Vielmehr hat es lediglich wegen einer Vielzahl von Meinungsunterschieden erhebliche – auch gerichtliche – Streitigkeiten zwischen den Beteiligten gegeben. Ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durch sein Verhalten nicht die Durchsetzung seiner Interessen (z.B. Lärmreduzierungen, Nebenkostenbeteiligungen der Erblasserin u.s.w.) erreichen wollte, sondern die Erblasserin psychisch misshandeln und dadurch auf ihre Gesundheit einwirken wollte, sind nicht ersichtlich. Psychische Belastungen entstanden für die Erblasserin alleine wegen der Streitigkeiten, ohne dass es der Kläger darauf abgesehen haben muss. Auch schwere vorsätzliche Vergehen sind nicht vorgetragen.

Ohne Erledigungserklärung wären die Beklagten deshalb zur Auskunft auf der ersten Stufe verurteilt worden.

(b)

Wie der Ausgang der zweiten Stufe gewesen wäre, kann nicht beurteilt werden, wenn diese nicht aufgerufen wird. In diesem Fall ist die zweite Stufe für die Gesamtbeurteilung des theoretischen Prozessausganges ohne wesentliche Bedeutung.

(c)

Nach der negativen Auskunft der Beklagten steht fest, dass der Zahlungsanspruch auf der dritten Stufe nicht bestand. Mit einem solchen Anspruch wäre der Kläger deshalb unterlegen. Allerdings muss der materiell-rechtliche Verzugsschadensersatzanspruch nach den §§ 280 Abs. 1, 2 und 286 BGB berücksichtigt werden, der dem Kläger zusteht, weil die Beklagten trotz der Mahnung durch Anwaltsschreiben vom 05.08.2008 eine Auskunft schuldhaft verweigerten. Ein Rechtsirrtum der Beklagten änderte an ihrem Verschulden nichts (allgemein hierzu BGH, Urt. v. 25.10.2006, VIII ZR 102/06, NJW 2007, 428).

Der Verzugsschaden besteht in den unnötig aufgewendeten Prozesskosten. Diese sind unmittelbare Folge der verweigerten Auskunftserteilung durch die Beklagten.

Dem können die Beklagten nicht entgegenhalten, dass der Kläger durch Erhebung der Stufenklage und Angabe eines Streitwertes von 7.000,00 EUR vermeidbare Kosten verursacht hat. Zwar kann gegenüber dem Schadensersatzanspruch der Mitverschuldenseinwand nach § 254 BGB erhoben werden. Allerdings ist der Schuldner beweisbelastet für das Verschulden des Geschädigten (BGH, Urt. v. 11.01.2007, III ZR 160/06, NJW 2007, 1063).

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte nicht darauf verwiesen werden darf, lediglich eine Auskunftsklage anstelle einer Stufenklage zu erheben. Denn die Erhebung der Stufenklage, die das Gesetz in Fällen der vorliegenden Art in § 254 ZPO aus Gründen der Prozessökonomie zur Verfügung stellt, ist in solchen Fällen die adäquate Folge des säumigen Verhaltens des Auskunftsschuldners (BGH, Urt. v. 05.05.1994, III ZR 98/93, NJW 1994, 2895). Andernfalls müsste der Gläubiger während seiner Auskunftsklage ständig die Verjährungsgrenze beachten und wäre zusätzlich mit dem Risiko eines Rechtsirrtums belastet. Schließlich bedeutet die Stufenklage eine Kostenreduzierung gegenüber drei selbständigen Klagen, die erforderlich wären, wenn keine Stufenklage gewählt wird und es vor Abschluss der Leistungsklage nicht zu einer Streitbeendigung kommt. Da dies der Auskunftsgläubiger nicht vorhersehen kann, ist die Wahl der Stufenklage nicht zu beanstanden.

Deshalb kann ihm im Einzelfall nur vorgehalten werden, dass er den Streitwert der Stufenklage durch die Angabe einer völlig überhöhten Wertvorstellung unnötig erhöht hat, so dass zumindest ein Teil der Prozesskosten durch sein eigenes Verschulden entstanden ist (siehe dazu allgemein: OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 1996, 162). Die Annahme eines solchen Mitverschuldens setzt aber eine offensichtlich viel zu hohe Wertangabe voraus, weil die Unsicherheit der Bezifferung in erster Linie durch die zu Unrecht verweigerte Auskunftserteilung verursacht ist. Deshalb dürfen an die Schätzung des Gläubigers keine zu hohen Anforderungen gestellt werden.

Ein solches Mitverschulden haben die Beklagten nicht substantiiert behauptet bzw. bewiesen. Zwar stand dem Kläger als Pflichtteilsanspruch lediglich ein Achtel des Nachlasses wertmäßig zu, so dass seine Wertangabe von 7.000,00 EUR einen Nachlasswert von mindestens 56.000,00 EUR voraussetzte. Im Notarvertrag vom 18.12.2000 war bestimmt, dass jedes Kind einen Teil der ihm zustehenden 50.000,00 DM zugunsten der Mutter „abzweigen“ sollte. Der Kläger musste demnach wissen, dass die Mutter zu diesem Zeitpunkt nicht über erhebliche Vermögenswerte verfügte. Wie sich ihre finanziellen Verhältnisse in den Folgejahren bis 2008 weiterentwickelt haben, wie sie mit ihrer „knappen“ Rente, deren Höhe nicht mitgeteilt ist, auskam, welche Vereinbarungen sie beim Rückerwerb des Hausanwesens mit Dritten getroffen hatte, war dem Kläger nicht bekannt. Auch wenn bei genauer Überlegung ein Nachlasswert von 56.000,00 EUR eher unwahrscheinlich war, ist diese Schätzung nicht so weit überhöht, dass sie den Umstand der verweigerten Auskunft durch die Beklagten (teilweise) in den Hintergrund drängen kann. Aus diesem Grund kann kein maßgeblicher Mitverschuldensanteil des Klägers an der Entstehung der Prozesskosten angenommen werden.

(2.)

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 97 ZPO. Der Gegenstandswert wird durch die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bestimmt.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 574 ZPO).

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