Urteil vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 4 U 550/09 - 158

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 16. Oktober 2010 – 4 O 59/09 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 150.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt das klagende Land den Beklagten aus nach § 5 OEG (Opferentschädigungsgesetz), § 81a BVG übergegangenem Recht auf Schadensersatz aus einer unerlaubten Handlung in Anspruch.

Am 14.8.1995 verletzte der Beklagte den Zeugen D. in einer tätlichen Auseinandersetzung auf der Kirmes in ... schwer. Der Zeuge zog sich eine Trümmerfraktur des Schienbeinkopfes zu und musste dreimal stationär behandelt werden.

Der Zeuge nahm den Beklagten im Verfahren 12 O 17/98 vor dem Landgericht Saarbrücken auf Schadensersatz in Anspruch. In diesem Verfahren wurde der Beklagte rechtskräftig dazu verurteilt, an den Zeugen materiellen Schadensersatz in Höhe von 19.100,08 DM und Schmerzensgeld in Höhe von 45.000 DM zu zahlen. Zugleich wurde die Ersatzpflicht des Beklagten gegenüber dem Zeugen für künftige materielle und immaterielle Schäden aus dem Schadensereignis vom 14.8.1995 festgestellt.

Der Zeuge machte bereits am 27.5.1995 über seine Krankenkasse gegenüber dem Landesamt Ansprüche auf Gewährung von Beschädigtenversorgung geltend und reichte – nachdem der Antrag bis zum 12.3.1997 noch nicht beschieden war – vor dem Sozialgericht für das Saarland Untätigkeitsklage ein. Mit Bescheid vom 18.6.1998 lehnte das Landesamt den Antrag auf Versorgung nach dem OEG mit der Begründung ab, wonach die Körperverletzung fahrlässig verursacht worden sei. Sodann erhob der Kläger am 8.12.1998 Klage auf Gewährung von Leistungen nach dem OEG. Mit Urteil vom 30.8.2004 verurteilte das Sozialgericht für das Saarland das klagende Land, dem Zeugen Versorgungsleistungen nach dem OEG zu gewähren: Hierauf erließ das Landesamt am 6.6.2005 einen Ausführungsbescheid und erkannte im Einzelnen bezeichnete Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 OEG an. Desweiteren stellte das Landesamt fest, dass dem Zeugen aufgrund dieser Gesundheitsstörungen seit dem 1.8.1995 eine monatliche Beschädigtenversorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG auf der Grundlage einer 30-prozentigen Minderung der Erwerbsfähigkeit zustehe.

Mit Bescheid vom 20.3.2006 hat das Landgericht die an den Zeugen zu leistenden Versorgungsbezüge für den Zeitraum März 1996 bis Juli 2005 auf 82.714 EUR festgesetzt. Hinsichtlich der Berechnung der Versorgungsbezüge wird auf Bl. 4 der Klagebegründung (GA I Bl. 19) Bezug genommen.

Der Kläger nimmt den Beklagten in Höhe der behaupteten Leistungen auf Zahlung in Anspruch. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Kläger hat zunächst mit Antrag vom 1.8.2007 beim Amtsgericht Mayen ein Mahnverfahren eingeleitet. Hinsichtlich der Bezeichnung des Anspruchs trägt das Mahnantragsformular folgenden Eintrag: „Schadensersatz aus Unfall/Vorfall vom 14.8.1995“. Der Mahnbescheid ist dem Beklagten am 17.8.2007 zugestellt worden. Am 27.8.2007 hat der Beklagte Widerspruch gegen den Anspruch eingelegt.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 23.8.2007 hat sich der Beklagte an den Klägern gewandt. Das Schreiben hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

„Unser Mandant hat den von Ihnen beantragten Mahnbescheid erhalten und wir haben im Auftrag unseres Mandanten hiergegen Widerspruch eingelegt, und zwar gegen den Anspruch insgesamt. Gleichzeitig dürfen wir Sie höflich ersuchen, uns hinsichtlich des Vermerks im Mahnbescheid („Schadensersatz aus Unfall/Vorfall vom 14.8.1995“) mitzuteilen, woraus die Hauptforderung resultiert, insbesondere ob es irgendwelche der Forderung zu Grunde liegenden Urteile gibt. Schließlich dürfen wir Sie bitten uns mitzuteilen, weshalb unser Mandant nicht zuvor außergerichtlich zur Zahlung aufgefordert worden ist. In Erwartung Ihrer geschätzten Antwort verbleiben wir.“

Dieses Schreiben blieb zunächst unbeantwortet. Mit weiterem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 19.9.2007 (GA I Bl. 67) hat der Beklagte den Kläger an die Beantwortung des Schreibens vom 23.8.2007 erinnert und zugleich mitgeteilt, der Beklagte habe sich nach Erhalt des Mahnbescheides parallel mit der Haftpflichtversicherung in Verbindung gesetzt. Der Sachbearbeiter, Herr N., habe erklärt, es seien schon seit Jahren Zahlungen an die Rentenversicherung erfolgt und er könne sich die jetzt verlangte Forderung nicht erklären. Das Schreiben schließt mit der höflichen Bitte, zum Gegenstand der Forderung nähere Angaben zu machen.

Mit Schreiben vom 21.9.2007 hat der Kläger das Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 24.8.2007 beantwortet und mitgeteilt, dass der Kläger Leistungen nach dem OEG erbringe. Als Ausgleich für die durch die Körperverletzung entstandene Dauerschädigung zahle der Kläger dem Zeugen einen monatlichen Berufsschadensausgleich in Höhe von 867 EUR. Gegenstand des Mahnverfahrens sei ausschließlich die vom Kläger geleistete Nachzahlung dieses Berufsschadensausgleichs für den Zeitraum März 1995 bis März 2006. Das Schreiben schließt mit folgender Formulierung:

„Bevor wir jedoch jetzt Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens stellen, möchten wir noch einmal anfragen, ob nun ein Interesse an einer außergerichtlichen Einigung gegeben ist. Ihrer Rückantwort sehen wir bis zum 30.11.2007 entgegen.“

Mit weiterem Schreiben vom 16.10.2007 (GA I Bl. 68) haben die Prozessbevollmächtigten des Beklagten dem Kläger mitgeteilt, das Antwortschreiben des Klägers an die Haftpflichtversicherung geschickt zu haben. Der dortige Sachbearbeiter habe erklärt, er sei vom Grundsatz her bereit, Leistungen zu erbringen. Allerdings könne dies nur in dem Umfang geschehen, in dem die Forderung nicht ohnehin schon verjährt sei. Auch sei die Höhe der geltend gemachten Forderung unklar.

Mit Schreiben vom 14.11.2007 teilte der Kläger den Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit, dass eine detaillierte Berechnung des Schadens nicht möglich sei, da sich die entsprechenden Unterlagen noch beim Sozialgericht befänden. Ebenfalls mit Schreiben vom 14.11.2007 erinnerten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten den Kläger an die Beantwortung der „in unserem Schreiben vom 16.10.2007 aufgeworfenen Fragen." Mit Schreiben vom 10.12.2007 (GA I Bl. 72) formulierten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten eine weitere Sachstandsanfrage.

Erst mit Schreiben vom 29.1.2008 (GA I Bl. 75) konnte der Kläger eine detaillierte Berechnung des Berufsschadensausgleichs vornehmen. Das Schreiben lautet im Auszug:

„Im Nachgang zu dem mit Ihnen in bezeichneter Sache bisher geführten Schriftverkehr übersenden wir Ihnen beigefügt die von uns durchgeführte Berechnung des Berufsschadensausgleichs. Herr D. kann wegen der von Ihrem Mandanten verübten Körperverletzung den Beruf des Busfahrers nicht mehr ausüben. Einzelheiten entnehmen Sie bitte der beigefügten Berechnung.“

Dieses Schreiben blieb unbeantwortet. Mit weiterem Schreiben vom 24.11.2008 (GA I Bl. 76) wandte sich der Kläger an die Prozessbevollmächtigten des Beklagten. Das Schreiben lautet:

„wir beziehen uns auf den in der bezeichneten Sache bisher mit Ihnen geführten Schriftverkehr und fragen an, ob die Haftpflichtversicherung zwischenzeitlich bereit ist, den von uns geltend gemachten Schaden zu regulieren. Ihrer Rückantwort sehen wir bis zum 31.12.2008 entgegen.“

Nachdem auch dieses Schreiben ohne Reaktion blieb, hat der Kläger am 23.1.2009 beim Amtsgericht Mayen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gestellt. Am 26.1.2009 ist die Sache an das Landgericht Saarbrücken abgegeben worden. Die Anspruchsbegründung vom 4.3.2009, eingegangen bei Gericht am 4.3.2009, ist dem Beklagten am 11.3.2009 zugestellt worden.

Der Kläger hat behauptet, aufgrund der Körperverletzungen sei bei dem Zeugen eine dauerhafte Beeinträchtigung des rechten Beines verblieben. Aufgrund dieser Verletzungsfolgen habe er seinen Beruf als Busfahrer nicht mehr ausüben können. Ohne seine körperliche Behinderung hätte der Zeuge seine Beschäftigung bei der Firma … in L. fortsetzen können.

Der Kläger habe auf das Urteil des Sozialgerichts vom 30.8.2004 an den Geschädigten rückwirkend vom 1.3.1996 eine erhöhte Grundrente von insgesamt 40% nach § 30 Abs. 1, 2 BVG sowie einen Berufsschadensausgleich gezahlt, wobei der Ausgleich auf der Grundlage des durchschnittlichen Bruttoverdienstes des produzierenden Gewerbes – Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen und Gebrauchsgütern – nach der Leistungsgruppe IV berechnet worden sei. Der mit Bescheid vom 20.3.2006 festgesetzte Betrag sei auch an den Geschädigten ausgezahlt worden. Für den Zeitraum Juli 2005 bis März 2009 habe der Kläger weitere Entschädigungsleistungen in Höhe von 39.924 EUR erbracht.

Hinsichtlich der Organisation des Entschädigungsverfahren hat der Kläger wie folgt vorgetragen: Das Landesamt sei arbeitsteilig organisiert. Es existierten eine Leistungs- und eine Regressabteilung, die strikt voneinander getrennt seien. Diese interne Organisation führe dazu, dass die Leistungsabteilung über das Bestehen von Ansprüchen der Geschädigten entscheide. Erst nach Bewilligung von Ersatzleistungen – eventuell sogar erst nach einer gerichtlichen Entscheidung – würden die Akten zur Prüfung und eventuellen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Schädiger an die Regressabteilung weitergeleitet. Im vorliegenden Fall sei die Akte der Regressabteilung des zuständigen Landesamtes erst am 20.10.2004 zugegangen.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 122.623 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 82.714 EUR seit dem 31.7.2007 sowie aus weiteren 39.924 EUR seit Zustellung des Schriftsatzes vom 4.3.2009 zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die weiteren Versorgungsaufwendungen und sonstigen Leistungen des Saarlandes wegen der Körperverletzung vom 14.8.1995 zum Nachteil des D. zu ersetzen, soweit die Ersatzansprüche auf das Land übergegangen sind;

3. festzustellen, dass die unter Ziff. 1 und 2 bezeichneten Forderungen aus einer unerlaubten Handlung des Beklagten resultieren.

Dem ist der Beklagte entgegengetreten. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe seit Oktober 1995 Kenntnis von dem Schaden, den schadensbegründenden Umständen und dem Schädiger gehabt, da die Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn bei arbeitsteilig organisierten Behörden überholt sei und gegen die Verfassung verstoße.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und hierbei die Auffassung vertreten, dass die Ansprüche des Klägers verjährt seien. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Der Kläger bekräftigt seinen Rechtsstandpunkt, wonach es für den Verjährungsbeginn auch auf der Grundlage des geltenden Rechts nur auf die Kenntnis der Regressabteilung ankomme. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Forderung im Mahnantrag hinreichend konkretisiert worden: Das Mahnverfahren verfolge den Zweck, die Forderung schnell zu titulieren. Zumeist setze sich die Mahnforderung aus verschiedenen Positionen zusammen. Da das zwingend zu verwendende Formular die Möglichkeit längerer Ausführungen nicht vorsehe, sei eine weitergehende Konkretisierung der Forderung nicht erforderlich. Weiterhin verstoße es gegen den verfassungsrechtlichen Vertrauensgrundsatz, wenn das Streitgericht hinsichtlich der Konkretisierung der im Mahnverfahren geltend gemachten Forderung einen strengeren Maßstab anlege, als der Rechtspfleger des Mahngerichts, der den Mahnbescheid ohne Beanstandungen erlassen habe. Schließlich sei es im Klageverfahren anerkannt, dass einer Klage auch dann verjährungshemmende Wirkung beizumessen sei, wenn der Kläger mehrere Forderungen, aus denen sich der Klagebetrag ergebe, unaufgegliedert darstelle.

Sodann vertritt der Kläger die Auffassung, dass die Beendigung der Verhandlungen die Kundgabe einer Ablehnung weiterer Verhandlungen voraussetze. Selbst wenn das „Einschlafen“ der Verhandlungen als möglicher Beendigungstatbestand angesehen werden könne, entfalle die Hemmungswirkung nur dann, wenn einer der Partner die Verhandlungen einstelle, obwohl aus Sicht des anderen Verhandlungspartners nach Treu und Glauben eine Reaktion des Schuldners zu erwarten gewesen wäre. In der konkreten Situation habe aus Sicht des Klägers nach Treu und Glauben kein Anlass bestanden, von einem Abbruch weiterer Verhandlungen des Beklagten auszugehen. Vielmehr hätte das Saarland erwarten dürfen, dass der Beklagte ihm das Ergebnis der Prüfung durch die Haftpflichtversicherung mitteile.

Selbst wenn das Schreiben vom 24.11.2008 erneut für ein Einschlafen der Verhandlungen bedeutsam sein könne, wäre die Verjährung am 4.3.2009 noch nicht eingetreten.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 16.10.2009 nach Maßgabe der zuletzt gestellten erstinstanzlichen Anträge zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Beklagte tritt der Rechtsauffassung entgegen, dass das Mahnantragsformular eine hinreichende Konkretisierung der Forderung nicht erlaube. In jedem Fall seien die mit der Klageerweiterung vom 4.3.2009 geltend gemachten Ansprüche verjährt, da diese Ansprüche weder Gegenstand der Verhandlungen noch des Mahnverfahrens gewesen seien. Auch habe die Beendigung der Verhandlungen nicht die Kundgabe der Ablehnung weiterer Verhandlungen vorausgesetzt. Aus Sicht des Klägers hätte der Kläger nach Treu und Glauben eine Reaktion des Beklagten spätestens bis Ende Februar erwarten müssen. Nachdem die Berechnung der Ansprüche mit Schreiben vom 29.1.2008 erklärt worden sei, sei aus Sicht des Klägers nicht mehr mit einer längeren Prüfung durch den Beklagten beziehungsweise durch die hinter ihm stehende Rechtsschutzversicherung zu rechnen gewesen. Im Hinblick auf den geführten Schriftverkehr habe der Kläger darauf achten müssen, dass die Verjährung nicht eintrete. Wesentlich sei dabei, dass die Prüfung der erhobenen Ansprüche von einer Erklärung des Klägers abgehängt habe. Spätestens Ende Januar 2008 seien seitens des Klägers alle Unklarheiten beseitigt gewesen, weshalb es der Kläger selbst in der Hand gehabt habe, nach Februar 2008 die Ansprüche weiter zu verfolgen. Darüber hinaus sei von Relevanz, dass der Kläger die Korrespondenz nicht mit der Haftpflichtversicherung des Beklagten, sondern mit dem Beklagten selbst geführt habe. Der Sachverhalt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1.3.2005 – VI ZR 101/04 sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zu übertragen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 20.1.2010 (GA II Bl. 190 ff.), der Berufungserwiderung vom 23.3.2010 (GA II Bl. 211 ff.), auf den Schriftsatz der Klägervertreter vom 1.6.2010 (GA II Bl. 222 ff.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 8.6.2010 (GA II Bl. 225 ff.) verwiesen. Hinsichtlich des Ergebnisse der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll (GA II Bl. 229 f.) Bezug genommen.

II.

A. Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg, da die angefochtene Entscheidung weder auf einem Rechtsfehler beruht, noch die gemäß § 529 ZPO zu Grunde zu liegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO). Die streitgegenständlichen Ansprüche sind jedenfalls verjährt.

1. Die Klageansprüche resultieren aus §§ 823, 843 BGB und unterlag vor dem 1.1.2002 der Verjährung des § 852 BGB a.F.. Mit zutreffenden Erwägungen ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Verjährungsfrist bis zum genannten Stichtag noch nicht in Lauf gesetzt wurde:

a) Der Forderungsübergang vollzog sich gemäß § 5 OEG, § 81a BVG bereits im Augenblick der vom Beklagten begangenen Tat:

Aufgrund der genannten Vorschriften geht ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten auf das zur Gewährung von Leistungen verpflichtete Land in dem Umfang über, in dem dieses nach Maßgabe des Bundesversorgungsgesetzes Leistungen an den Geschädigten oder seine Hinterbliebenen zu erbringen hat. Der Forderungsübergang bezweckt es, den Berechtigten an Verfügungen über den Schadensersatzanspruch schon dann zu hindern, wenn zunächst noch ungewiss ist, ob und in welcher Höhe der Versorgungsträger Leistungen erbringen wird, dieser aber in Zukunft wegen solcher Leistungen auf einen Rückgriff beim Schädiger angewiesen sein kann. Im Rahmen eines Sozialversicherungsverhältnisses vollzieht sich die Legalzession schon dann, wenn bei Schadenseintritt die – wenn auch weit entfernte – Möglichkeit besteht, dass eine Leistungspflicht des Versicherungsträgers gegenüber dem Verletzten irgendwie in Betracht kommt. Auch nur die entfernte Möglichkeit, dass dem Geschädigten Versorgungsleistungen zu gewähren sind, reicht aus, um den Rechtsübergang zu vollziehen (BGH, Urt. v. 16.10.2007 – VI ZR 227/06, MDR 2008, 209).

Im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt kann die Wahrscheinlichkeit einer Leistungspflicht aufgrund der Schwere der Verletzungen nicht zweifelhaft erscheinen.

b) War der Anspruch jedoch bereits unmittelbar bei Begehung der Körperverletzung auf den Kläger übergegangen, ist für den Verjährungsbeginn nach § 852 Abs. 1 BGB a.F. allein die Kenntnis des Klägers vom Schaden und der Person des Ersatzpflichten maßgeblich (vgl. BGHZ 133, 129; 48, 131).

Innerhalb der Organisation öffentlichrechtlicher Leistungsträger kommt es auf der Grundlage des vorreformierten Rechts allein auf die Kenntnis der für den Regress zuständigen Bediensteten an (vgl. BGHZ 133, 129; Palandt/Thomas, BGB, 60. Aufl., § 852 Rdnr. 6). Diese Kenntnis war nach dem – bestrittenen – Vortrag des Klägers erst am 20.1.2004 vorhanden, da der Vorgang erst zu diesem Zeitpunkt der Regressabteilung zugeleitet worden sei. Unterstellt man diesen Vortrag wie das Landgericht für wahr, ist in vorreformierter Zeit keine Verjährung eingetreten. Da der Schuldner nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ablauf der Verjährungsfrist trägt, wäre es Sache des Beklagten gewesen, eine frühere Kenntniserlangung substantiiert darzulegen (vgl. BGH, Urt. v. 3.6.2008 – XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576; Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., vor § 194 Rdnr. 23). Das bloße Bestreiten des Beklagten (GA I Bl. 89) ist mithin prozessual ohne Relevanz.

Anhaltspunkte dafür, dass sich Mitarbeiter der Regressabteilung einer sich aufdrängenden Kenntnis in einer den Rechtsmissbrauch begründenden Weise verschlossen hätten, weshalb nach den zum vorreformierten Recht anerkannten Rechtsgrundsätzen die Unkenntnis der Kenntnis gleichzustellen sei (BGHZ 133, 192, 198; Urt. v. 18.1.2000 – VI ZR 375/98, NJW 2000, 953; Urt. v. 17.11.1998 – VI ZR 32/97, NJW 1999, 423, 425), sind nicht ersichtlich.

2. Gem. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB finden die Vorschriften des neuen Verjährungsrechts auf die am 1.1.2002 noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Diese Übergangsvorschrift hat zur Konsequenz, dass die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB ab dem 1.1.2002 bereits mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem dem Gläubiger hinsichtlich seiner fehlenden Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Nach der Auffassung des Senats liegen die Voraussetzungen der grob fahrlässigen Unkenntnis spätestens zum Zeitpunkt der Klageerhebung des Geschädigten im sozialgerichtlichen Verfahren (am 8.12.1998) vor, weshalb die Verjährung selbst unter Berücksichtigung mit einer Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes beginnenden Prüffrist spätestens am 31.12.2002 begann. Mithin ist lange vor Zustellung des Mahnbescheids Verjährung eingetreten.

Zwar liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass den Mitarbeitern der Regressabteilung selbst grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Vielmehr ist dem Kläger deshalb grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen werden muss, weil er keine organisatorischen Strukturen schuf, die eine frühere Kenntnisnahme der Regressabteilung erlaubten, obwohl ihm die Weiterleitung des für die Geltendmachung der Ansprüche erforderlichen Wissens, welches in der Leistungsabteilung vorhanden war, ohne nennenswerten Aufwand möglich und zumutbar gewesen wäre. Mithin beruhte die Nichtkenntnis auf einem den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigenden Organisationsmangel.

a) Die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen im Bereich der deliktischen Haftung innerhalb arbeitsteiliger Organisationen die unterbliebene Weiterleitung des für den Beginn der Verjährung relevanten Wissens gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB den die Verjährung in Lauf setzenden Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründet, ist bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Zwar hat der BGH in der Entscheidung von 12.9.2009 – VI ZR 294/08, NJW-RR 2009, 1471 für das neue Recht an der alten Rechtsprechung (BGHZ 134, 342, 346; 133, 129, 139) festgehalten, wonach bei Behörden und öffentlichen Körperschaften die Verjährungsfrist dann zu laufen beginne, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlange. Verfügungsberechtigt in diesem Sinne seien dabei solche Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zukomme, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren sei. Im entschiedenen Fall stellte sich die Frage nach einer aus einem Organisationsverschulden abzuleitenden grob fahrlässigen Unkenntnis nicht, da Verjährung bereits auf der Grundlage der bislang anerkannten Rechtsgrundsätze eingetreten war. Überdies waren Regress- und Leistungsfunktion nicht in derselben Behörde arbeitsteilig organisiert, sondern jeweils selbständigen Behörden zugeordnet.

Die Begründung der zum alten Recht entwickelten Rechtsgrundsätze schöpft die Problematik nicht aus: Auf der Grundlage des § 852 BGB a.F. hat der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit einer eventuellen Zurechnung nicht unter dem Aspekt der grob fahrlässigen Unkenntnis untersucht, sondern ist der Frage nachgegangen, ob sich der Rechtsgedanke des § 166 BGB, der im Bereich des rechtsgeschäftlichen Handelns eine Wissenszurechnung innerhalb arbeitsteiliger Organisationen erlaubt, auf den Bereich der deliktischen Haftung übertragen lässt. Dieser Argumentation hat sich der BGH nicht angeschlossen (BGHZ 133, 129, 139). Erwägungen, unter welchen Voraussetzungen einer arbeitsteiligen Organisation zugemutet werden kann, das innerhalb der Organisation vorhandene Wissen an die richtige Stelle weiterzuleiten, waren auf der Grundlage des vorreformierten Rechts nicht veranlasst.

b) Die rechtliche Diskussion muss zunächst dem Gesetzeszweck Rechnung tragen:

Auf der Grundlage des reformierten Rechts gereicht es dem Gläubiger nicht erst zum Nachteil, wenn er sich in einem den Rechtsmissbrauch erreichenden Maße einer sich aufdrängenden Kenntnis verschließt (zum alten Recht: BGHZ 133, 198; NJW 2000, 953; NJW 1999, 425). Aus den Gesetzesmaterialien ist zu ersehen, dass sich der Gesetzgeber bei der Einführung des Maßstabs der groben Fahrlässigkeit zwar zunächst an der auf der Grundlage des alten Recht ergangenen Rechtsprechung orientierte, in der der Rechtsmissbrauchsgedanke die Gleichstellung der Unkenntnis mit der positiven Kenntnis verlangte. Dennoch bleibt der Gesetzgeber bei der Einführung der groben Fahrlässigkeit auf dem gesicherten Erkenntnisstand nicht stehen, sondern will „das aus dem bisherigen § 852 Abs. 1 BGB bekannte Merkmal der Kenntniserlangung um die grob fahrlässige Unkenntnis erweitern“ (BR/Drucksache 338/01, Seite 241).

Demnach greift der Maßstab der grob fahrlässigen Unkenntnis über die bislang anerkannten Fallgruppen hinaus (Bamberger/Roth/Heinrich/Spindler, BGB, 2. Aufl., § 199 Rdnr. 19; MünchKomm(BGB)/Grothe, 5. Aufl., § 199 Rdnr. 28). Auf der Grundlage des neuen gesetzlichen Maßstabs ist der Gläubiger zwar nicht generell, aber im Rahmen der Zumutbarkeit zumindest durch Auswertung leicht zugänglicher Quellen zu aktiver Sachverhaltserforschung gehalten, wenn er sich nicht dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit aussetzen will (OLGR Saarbrücken 2008, 817). In der Rspr. des BGH ist der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründet, wenn es Gläubiger versäumt, eine gleichsam auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen (BGH, Urt. v. 14.1.2010 – VII ZR 213/07, MDR 2010, 379; vgl. Urt. v. 23.9.2008 – XI ZR 95/07, NJW 2009, 587). Erkennt man diese Obliegenheit im Grundsatz an, so bedarf es einer Rechtfertigung, warum sich ein Sozialversicherungsträger ohne Rechtsnachteile selbst dann auf die Unkenntnis der Regressabteilung berufen darf, obwohl das verjährungsrelevante Wissen in der arbeitsteilig organisierten Behördenstruktur an anderer Stelle vorhanden war und ohne nennenswerten Aufwand im behördlichinternen Arbeitsablauf an die zuständige Stelle hätte transferiert werden können.

c) Eine solche Rechtfertigung kann nur in einer Abwägung der beiderseitigen Interessen gefunden werden:

aa) Der Kläger will sein Interesse an dem späten Verjährungsbeginn aus der Erwägung herleiten, dass erst nach Abschluss des Leistungsverfahrens sicher sei, ob die vom Geschädigten angemeldete Opferentschädigung tatsächlich zu gewähren sei. Würde der Sozialversicherungsträger schon vor Abschluss des Leistungsverfahrens zur Bearbeitung der Angelegenheit gezwungen, so bestehe die Gefahr, dass der Bearbeitungsaufwand überflüssig und unnütz gewesen sei, wenn sich nach Abschluss des Leistungsverfahrens herausstelle, dass dem Geschädigten keine Ansprüche zustünden. Nach einer Statistik des Landesamtes endeten rund 45 % der Entschädigungsverfahren mit einer Ablehnung. Dieser unnütze Zeit- und Arbeitsaufwand sei erst recht dem Saarland nicht zuzumuten. Diese Argumente vermögen nicht zu überzeugen:

Die im Regelfall mit dem Schadensereignis beginnende Verjährung des sog. Stammrechts erfasst alle Schadensfolgen, die aus Sicht der medizinischen Fachkreise objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt vorhersehbar war (etwa: BGH, Urt. v. 14.2.2006 – VI ZR 332/04, MDR 2006, 987). Mithin kann der Geschädigte bei unsicherem Heilungsverlauf und etwaigen in Betracht kommenden Folge- und Spätschäden die ihm zustehenden, erst in Zukunft fällig werdenden Ansprüche nur dann gegen eine drohende Verjährung sichern, wenn er – wie im vorliegenden Fall geschehen – den Weg der Feststellungsklage beschreitet. Ein solches prozessuales Vorgehen bürdet auch dem Geschädigten das Risiko auf, dass sich der prozessuale Aufwand als unnütz erweist, wenn sich das bei objektiver Betrachtung bestehende Gesundheitsrisiko nicht realisiert. Es erschließt sich nicht, warum dieses dem Geschädigten zuzumutende Verfahren für den Träger einer Sozialversicherung eine unzumutbare Härte bedeuten soll.

Jedenfalls im zur Entscheidung stehenden Einzelfall sind Gründe, die eine frühere Geltendmachung der übergegangenen Ansprüche als unzumutbar erscheinen ließen, nicht ersichtlich: Der Geschädigte hatte bereits im Jahr 1995 Ansprüche auf Beschädigtenversorgung geltend gemacht und – nachdem der Antrag bis zum 12.3.1997 nicht beschieden worden war – Untätigkeitsklage erhoben. Die auf den fehlenden Vorsatz gestützte Ablehnung des Antrags nahm der Geschädigte zum Anlass, Leistungsklage vor dem Sozialgericht zu erheben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste dem Kläger bewusst sein, dass sich das Leistungsverfahren von der Routine der leicht zu erledigenden, mit einer Abweisung der geltend gemachten Ansprüche endenden Verfahren unterscheiden würde. Hierbei ist ergänzend anzumerken, dass die Erfolgsaussichten der Leistungsklage für die mit der Rechtsmaterie vertraute Fachabteilung des Klägers keineswegs gering einzuschätzen waren: Der Nachweis eines zumindest bedingten Schädigungsvorsatzes lag aus den zutreffenden Gründen der sozialgerichtlichen Entscheidung nicht fern.

bb) Auch das rechtsdogmatische Argument, wonach die Annahme einer Obliegenheit des Geschädigten zu einer organisierten Informationsweiterleitung innerhalb einer juristischen Person nur für den Bereich der vertraglichen, und im Bereich der deliktischen Haftung nur dann anzuerkennen sei, wenn die Ansprüche durch einen rechtsgeschäftsähnlichen Kontakt der Parteien entstanden seien (Bamberger/Roth/Henrich/Spindler, aaO, § 199 Rdnr. 35), differenziert nicht überzeugend. Die Rechtsauffassung ist ohne zureichenden Grund zu stark am Maßstab des § 166 Abs. 1 BGB verhaftet:

Die Rechtsgrundsätze über die Zurechnung von Wissen nicht vertretungsberechtigter Personen betreffen das rechtsgeschäftliche Handeln und beruhen auf Wertung, dass der Geschäftsherr, der an seiner Stelle Personen selbständig für sich handeln lässt, aus Vertrauensgesichtspunkten und zur Sicherheit des Rechtsverkehrs gehalten sein kann, sich die Kenntnis dieser Person zuzurechnen (Erman/Palm, BGB, 12. Aufl., § 166 Rdnr. 6 f.). Die Rechtsgrundsätze ermöglichen eine rechtserweiternde Analogie des § 166 Abs. 1 BGB, indem sie eine Zurechnung von Wissen im Bereich der rechtsgeschäftlichen Haftung auch dann erlauben, wenn der Wissensvertreter die in § 166 Abs. 1 BGB erforderliche Vertretungsmacht nicht besitzt. Diese in der Systematik des Vertretungsrechts entwickelten Rechtsaussagen sind zur Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen die unterbliebene Weiterleitung des in der arbeitsteiligen Organisation vorhandenen Wissens den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründet, nicht ohne weiteres zu übertragen:

Die Neufassung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB differenziert nicht hinsichtlich der Genese der der Verjährung unterliegenden Ansprüche. Auch im Bereich der deliktsrechtlichen Haftung besitzt der Gläubiger die Obliegenheit, in den Grenzen der groben Fahrlässigkeit an einer aktiven Informationsbeschaffung mitzuwirken. Es überzeugt nicht, organisatorische Maßnahmen innerhalb einer juristischen Person nur deshalb von vorneherein als zumutbare Maßnahme der Informationsbeschaffung auszuschließen, weil die rechtsgeschäftliche Wissenszurechnung im Rahmen der zu § 166 Abs. 1 BGB entwickelten Dogmatik einer Wissenszurechnung im Bereich der deliktischen Haftung entgegensteht (im Ergebnis: Peters/Jacoby, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 199 Rdnr. 59, 77 f.; MünchKomm(BGB)/Grothe, aaO, § 199 Rdnr. 34; Mansell, NJW 2002, 89, 92; offen lassend: P/W/W/Kesseler, 4. Aufl., § 199 Rdnr. 12;).

Dessen ungeachtet sind Vertrauens- und Verkehrsgesichtspunkte, die im Rahmen des § 166 Abs. 1 BGB eine Wissenszurechnung erlauben, auch im Rahmen des Rechtsinstituts der Verjährung von Relevanz. Sie stehen einer sinngemäßen Übertragung auf das subjektive Merkmal des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht entgegen (MünchKomm(BGB)/Grothe, aaO, § 199 Rdnr. 31): Der Schuldner besitzt ein nachvollziehbares und im Grundsatz schützenswertes Interesse daran, innerhalb eines überschaubaren Zeitraums in Erfahrung zu bringen, welche Ansprüche gegen ihn erhoben werden. Dieses Interesse ist umso stärker, je höher die Ansprüche sind. Nicht selten erreichen Schadensersatzansprüche, die aus einer Körperverletzung resultieren, für den Schuldner eine ruinöse Höhe, die geeignet ist, die gesamte weitere Lebensplanung zu beeinflussen. Es entspricht der Billigkeit, dass der Schuldner dieses Risiko zeitnah zur Schädigung erfährt und nicht erst nach einem nicht unerheblichen Zeitraum gewissermaßen „wie vom Blitz aus blauen Himmel getroffen“ mit weiteren, exorbitanten Unfallfolgen konfrontiert wird.

Das Interesse des Schuldners an einer zeitnahen Anspruchserhebung erscheint auch dann schutzwürdig, wenn der Geschädigte die ihm selbst zustehenden künftigen Ansprüche in einem rechtskräftigen Feststellungsurteil titulieren ließ. Denn von diesem Feststellungsausspruch werden nur Ansprüche des Geschädigten selbst, nicht jedoch solche Ansprüche erfasst, die kraft Gesetzes unmittelbar mit dem schädigenden Ereignis auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Zwar hat der Schuldner aufgrund des vom Geschädigten geschaffenen Feststellungstitels Veranlassung, seine Lebensführung auf die Geltendmachung weiterer, dem Geschädigten zustehender Ansprüche einzurichten. Dennoch muss der Schuldner dieses Risiko nicht bereits aufgrund des Feststellungsausspruchs auf übergegangene Ansprüche erstrecken, die hinsichtlich der Verjährung einer eigenständigen Beurteilung unterliegen.

d) Letztlich streiten die besseren Argumente dafür, organisatorische Maßnahmen bei der Beantwortung der Frage, ob die fehlende Kenntnis der Regressabteilung die Grenze der groben Fahrlässigkeit übersteigt, nicht von vornherein auszuschließen. Es wird dann eine Frage des jeweiligen Einzelfalles seien, ob dem Gläubiger wegen der fehlenden Weitergabe der Information tatsächlich grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.

Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit vor: Die Weiterleitung der Information von der Geltendmachung der streitgegenständlichen Entschädigungsansprüche von der Leistungs- an die eigene Regressabteilung wäre nicht mit einem nennenswerten Aufwand verbunden gewesen. Überdies wäre es ausweislich des im Internet frei zugänglichen Organigramms des Landesamtes unschwer möglich, das derzeit in der Abteilung C „Justitiariat; Integrationsamt, Zentralstelle für Gesundheitsberufe“ integrierte Referat C 2 „Regress- und Ordnungswidrigkeltengerichtsverfahren“ mit der Abteilung A zu vernetzen, in der sich lediglich das Referat A 5 mit BVG-Renten befasst. Spätestens nach Erhebung der sozialgerichtlichen Klage durch den Geschädigten musste das Landesamt damit rechnen, dass sich das Entschädigungsverfahren nicht leichthin im Verwaltungsverfahren erledigen würde. Spätestens ab diesem Zeitpunkt tritt das Interesse des Klägers, Ressourcen zu sparen, zurück.

3. Letztlich scheitert die Klage auch dann, wenn der Lauf der Verjährung erst am 31.12.2004 begonnen hätte. Denn die Verjährung war gem. § 203 S. 1 BGB lediglich im Zeitraum 16.10.2007 bis 31.7.2008 durch Verhandlungen über den Anspruch gehemmt. Bei Eintritt der Hemmung waren nur noch 2 ½ Monate von der Verjährungsfrist offen, weshalb gem. § 203 S. 2 BGB am 30.10.2008 Verjährung eingetreten ist.

a) Hierbei ist das Landgericht frei von Rechtsfehlern zu dem Ergebnis gelangt, dass die am 17.8.2007 erfolgte Zustellung des Mahnbescheids nicht zur Hemmung der Verjährung führte (§ 240 Nr. 3 BGB).

aa) Ein Mahnbescheid hemmt die Verjährung nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend genau bezeichnet wird. Hierbei ist nicht eine Substantiierung des Anspruchs, sondern lediglich seine hinreichende Individualisierung erforderlich. Diese muss den Anspruch so klar bezeichnen, dass der Schuldner beurteilen kann, ob und in welchem Umfang er sich zur Wehr setzen will. Kommen zwischen den Parteien des Mahnverfahrens mehrere selbstständige Ansprüche in Betracht, muss die Bezeichnung den im Mahnverfahren geltend gemachten Anspruch von anderen Ansprüchen unterscheiden. Hierbei begegnet es keinen Bedenken, den Anspruch typisierend zu beschreiben. Auch kann der Anspruch durch Bezugnahme auf Rechnungen und Schriftsätze individualisiert werden. Erfolgt eine solche Bezugnahme, ohne das Schriftstück dem Mahnantrag als Anlage beizufügen, setzt dies jedoch voraus, dass das Schriftstück dem Adressaten des Mahnbescheids bekannt ist (BGH, Urt. v. 10.7.2008 – VI ZR 160/07; vgl. Palandt/Ellenberger, aaO, § 204 Rdnr. 18; Erman/J. Schmidt-Räntsch, aaO, § 203 Rdnr. 13).

bb) Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze liegt eine hinreichende Individualisierung des im Mahnverfahren geltend gemachten Anspruchs nicht vor:

aaa) Zwar konnte der Beklagte aus der Bezeichnung „Schadensersatz aus Unfall/Vorfall vom 14.8.1995" ersehen, dass der geltend gemachte Anspruch aus dem Lebenssachverhalt der tätlichen Auseinandersetzung auf der Kirmes in ... resultieren musste. Bei nur geringer Anstrengung seiner Erinnerung durfte der Beklagte davon ausgehen, dass der geltend gemachte Anspruch nur aus den Verletzungen folgen kann, die er dem Zeugen D. zugefügt hatte. Allerdings führen diese Überlegungen noch nicht zu einer hinreichenden Konkretisierung des Anspruchs:

Der Beklagte wurde aus der tätlichen Auseinandersetzung mit einer ganzen Vielzahl unterschiedlicher, rechtlich selbständiger Ansprüche konfrontiert. So hat der Zeuge D. lange vor der Zustellung des Mahnbescheids eigene Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche vor dem Landgericht Saarbrücken erstritten. Selbst der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch ist nicht einheitlich. Die geltend gemachten Ansprüche korrespondieren mit den auf gesonderten Rechtsgrundlagen beruhenden sozialrechtlichen Ansprüche auf Zahlung einer Grundrente nach § 30 Abs. 1 und 2 BVG sowie eines Berufsschadensausgleichs, der nach den in § 30 Abs. 3, 6 BVG maßgeblichen Vergleichsgrößen berechnet wurde. In jedem Fall hätte eine hinreichende Individualisierung die Rechtsnatur der übergegangenen Ansprüche – nämlich den Umstand, dass es sich um einen Anspruch aus übergegangenen Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz handele – benennen müssen. Selbst diese elementare Individualisierung lässt der Antrag vermissen, weshalb die Frage ob eine hinreichende Konkretisierung des Anspruchs auch die zeitliche Entwicklung der Anspruchshöhe umfassen musste, im Ergebnis dahinstehen kann.

Hinzu kommt folgende Erwägung: Die Anforderungen an eine hinreichende Individualisierung werden durchaus von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls beeinflusst. Verstreicht zwischen der Entstehung des Anspruchs und seiner Geltendmachung nur eine kurze Zeit, kann der Gläubiger eher darauf vertrauen, dass dem Schuldner der Gegenstand des Mahnbescheids noch geläufig ist. Liegt zwischen Anspruchsentstehung und dem Erlass des Mahnbescheids stattdessen – wie im vorliegenden Fall – eine beträchtliche Zeit und ist der Antragsteller – wie im vorliegenden Fall geschehen – dem Antragsgegner als Gläubiger möglicher Ansprüche bislang nicht gegenübergetreten, so besteht kein Anlass, die Anforderungen an die Individualisierung aus Gesichtspunkten der Billigkeit und des Vertrauensschutzes herabzusetzen.

bbb) Soweit die Berufung mit dem Zweck des Mahnverfahrens argumentiert, der darin bestehe, Forderungen im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes leicht und schnell zu titulieren, geht die Argumentation ins Leere: Die Anforderungen an eine hinreichende Konkretisierung bedürfen auch im vorliegenden Fall nur eines geringen Aufwandes. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Anforderungen der Effektivität des Mahnverfahrens entgegenstehen.

ccc) Der Einwand, im vorliegenden Fall hätte das Formular keinen Raum gelassen, um den Anspruch in einer den Anforderungen des Bundesgerichtshofs gerecht werdenden Weise zu erfüllen, verfängt nicht: Aus den von der Berufungserwiderung vorgelegten Hinweisen zum Vordruck für den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides (GA I Bl. 218) ist zu ersehen, dass das Formular mehrere Zeilen bereithält, um die Hauptforderung zu individualisieren. In jedem Falle hätte es dem Kläger freigestanden, den Beklagten außerhalb des Mahnverfahrens ein nachvollziehbares Anspruchschreiben zuzustellen, auf das im Mahnbescheid Bezug genommen worden wäre.

ddd) Auch den verfassungsrechtlichen Bedenken, wonach es dem verfassungsrechtlichen Vertrauensgrundsatz widerspreche, wenn das Gericht über den Rechtspfleger eine Individualisierung als hinreichend ansehe und den Mahnantrag erlasse, dann aber das Streitgericht in dem Rechtsstreit andere Maßstäbe anlege, vermag sich der Senat nicht anzuschließen:

Zwar ist der Mahnantrag gem. § 691 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zurückzuweisen, wenn er den Vorschriften des §§ 688, 689, 690, 703c Abs. 2 ZPO nicht entspricht. Zum Prüfungsumfang gehört es demnach auch, ob der Anspruch unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung bezeichnet wurde (§ 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).

Jedoch blendet der vom Kläger angemahnte Vertrauensschutz das Interesse des Beklagten aus: Es kann nicht überzeugen, dass der Beklagte aus der unterbliebenen Zurückweisung des Mahnantrags nach § 691 Abs. 1 ZPO einen Rechtsnachteil erleidet. Vielmehr muss im Rechtsverhältnis der Parteien der Kläger den Nachteil aus einer unterbliebenen Zurückweisung des Mahnantrags tragen, da er durch seine eigene unzureichende Konkretisierung des Mahnantrags das Risiko für eine erfolgreiche Verjährungshemmung selbst schuf (vgl. auch BGH, Urt. v. 17.10.2000 – XI ZR 312/99, NJW 2001, 305: auch der BGH hat sich der Argumentation, wonach der Gläubiger nicht darunter leiden dürfe, dass ein nicht individualisierter Mahnbescheid fehlerhaft erlassen worden sei, nicht angeschlossen).

eee) Schließlich rechtfertigt der von der Berufung angeführte Rechtsgrundsatz, wonach im Klageverfahren die Zustellung der Klageschrift die Verjährung von Einzelforderungen auch dann unterbricht, wenn deren Summe die Klageforderung übersteigt und der Kläger nicht nachvollziehbar darlegen kann, in welchem Umfang die jeweiligen Einzelforderungen Teil der Klageforderung sein sollen, kein anderes Ergebnis: Im Fall der unzureichenden rechnerischen Darstellung der Klageforderung kann die Zustellung der Klageschrift die Verjährung der Einzelforderungen nur dann unterbrechen, wenn die jeweiligen Einzelforderungen hinreichend individualisiert dargestellt wurden. Auch für das Klageverfahren gelten die für das Mahnverfahren dargestellten Grundsätze: Eine Klage führt nur dann zur Verjährungsunterbrechung, wenn das Klagebegehren – unterhalb der Schwelle einer hinreichenden Substantiierung – individualisiert und hinsichtlich ihres Streitgegenstandes definiert worden ist (BGHZ 22, 254, 255; Urt. v. 17.7.2003 – I ZR 295/00, NJW-RR 2004, 639; NJW 2001, 305; P/G/Geisler, ZPO, 2. Aufl., § 253 Rdnr. 13). Gerade daran fehlt es im vorliegenden Fall.

b) Die Frage nach der hinreichenden Individualisierung des Mahnantrags kann im Ergebnis ebenso dahinstehen, wie die Frage, ob das außerhalb des Mahnverfahrens den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugegangene Schreiben des Klägers vom 21.9.2007 mit Wirkung ex tunc eine ordnungsgemäße Individualisierung des Mahnbescheids herbeiführen konnte. Da das Mahnverfahren nach der Widerspruchseinlegung des Beklagten (am 27.8.2007) bis zum 23.1.2009, demnach mehr als 16 Monate nicht weiterbetrieben wurde, hätte die verjährungshemmende Wirkung des Mahnbescheids gem. § 204 Abs. 2 S. 2 BGB sechs Monate nach der Widerspruchseinlegung geendet. Ein Mahnverfahren gerät i.S.v. § 203 Abs. 2 S. 1 BGB dann in Stillstand, wenn der Antragsteller nach Widerspruch des Antraggegners dem Verfahren durch den Antrag auf Abgabe an das Prozessgericht keinen Fortgang gibt (Erman/J. Schmidt-Räntsch, aaO, § 204 Rdnr. 54).

c) Keine für die Berufung günstigere Beurteilung folgt daraus, dass die Verjährung durch Aufnahme von Verhandlungen gem. § 203 BGB gehemmt worden ist. Denn das Landgericht ist frei von Beanstandungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verhandlungen noch vor Erhebung der Klage eingeschlafen sind.

aa) Soweit das Landgericht allerdings die Auffassung vertreten hat, die Verjährung sei bereits mit Zugang des Schreibens vom 23.8.2007 gehemmt worden, weil der Beklagte mit diesem Schreiben Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB über den Anspruch aufgenommen habe, vermag der Senat dem nicht zu folgen:

aaa) Mit Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass der Begriff des Verhandelns weit auszulegen ist. So können Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB schon dann anzunehmen sein, wenn der Schuldner in einen Meinungsaustausch über die Grundlagen oder den rechtlichen Bestand eines Anspruchs eintritt (BGHZ 93, 64; NJW 2007, 65, 587; 2004, 1654; Palandt/Ellenberger, aaO, § 203 Rdnr. 2). Dies impliziert ein Verhandeln auch dann, wenn der Schuldner eine Prüfung des Anspruchs erbittet oder gar weitere Details erfragt, die eine Anspruchsprüfung ermöglichen. Jedoch wird die Grenze des Verhandelns noch nicht erreicht, wenn der Schuldner den Gläubiger auffordert, den bislang nicht nachvollziehbar individualisierten Anspruch zu benennen. Aus Sicht des Gläubigers ist mit der Aufforderung zur Konkretisierung des Anspruchs keine Aussage verbunden, die Rückschlüsse darauf erlaubt, wie sich der Schuldner im Falle der noch ausstehenden Konkretisierung des Anspruchs erklären wird. Diesen Zusammenhang hat auch das Landgericht erkannt. Denn es hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Nachfrage, welche Ansprüche geltend gemacht werden, insbesondere dann noch nicht ausreicht, um Verhandlungen zu begründen, wenn sie lediglich die Reaktion auf eine missverständliche Leistungsanforderungen des Gläubigers bildet.

bbb) Allerdings ist die Subsumption des Landgerichts nicht überzeugend: Den Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Beklagten von 23.9.2007 und 19.9.2007 (GA I Bl. 64, 67) ist lediglich nur zu entnehmen, dass sich der Beklagte nicht erklären kann, welche Forderungen der Kläger erhebt. Beide Schreiben sind eine unmittelbare Folge der fehlenden Individualisierung des Anspruchs im Mahnverfahren. Erstmals mit Schreiben vom 21.9.2007 (GA I Bl. 65) wurde der Gegenstand des Leistungsbegehrens nachvollziehbar dargestellt, weshalb erst der Zugang des Schreibens der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 16.10.2007 den Beginn der Verhandlungen markiert.

bb) Soweit das Landgericht die Auffassung vertreten hat, dass der Hemmungstatbestand durch „Einschlafen der Verhandlungen“ noch vor Zustellung der Klageschrift geendet hat, hält die angefochtene Entscheidung den Angriffen der Berufung stand.

aaa) Entgegen der Auffassung der Berufung entspricht es sowohl für das alte Recht, als auch im Anwendungsbereich des § 203 S. 1 BGB anerkannten Rechtsgrundsätzen, dass die Hemmung der Verjährung nicht erst dann endet, wenn der Verpflichtete ausdrücklich das Ende der Verhandlungen erklärt. Vielmehr endet die Hemmung auch dann, wenn der Ersatzberechtigte die Verhandlungen einschlafen lässt. Ein Abbruch der Verhandlungen durch ein solches Einschlafenlassen ist dann anzunehmen, wenn der Berechtigte den Zeitpunkt versäumt, zu dem eine Antwort auf die letzte Anfrage des Ersatzpflichtigen spätestens zu erwarten gewesen wäre, falls die Regulierungsverhandlungen mit verjährungshemmende Wirkung hätten fortgesetzt werden sollen. Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 6.11.2008 - IX ZR 8/07, NJW 2009, 1806 im Einzelnen dargelegt, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 203 BGB von den in der Rechtsprechung zu § 852 Abs. 2 BGB anerkannten Rechtsgrundsätzen nicht abrücken wollte. Vielmehr hat die Bundesregierung auf eine entsprechende Prüfbitte des Bundesrates ausdrücklich mitgeteilt, dass beim Einschlafen von Verhandlungen die Verjährungsfrist nicht auf unbestimmte Zeit gehemmt werden, weil für die Auslegung der später beschlossenen Entwurfsfassung auf die Rechtsprechung zu § 852 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden könne (BT-Drucksache 14/6857 S. 7, 43). Dies entspricht der ganz herrschenden Auffassung (MünchKomm(BGB)/Grothe, 5. Aufl., § 203 Rdnr. 8; Staudinger/Frank Peters, BGB, Neubearbeitung 2004, § 203 Rdnr. 13; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 12. Aufl., § 203 Rdnr. 6; Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 203 Rdnr. 4), die auch der Senat teilt.

bbb) Diskussionswürdig ist die Frage, ob im vorliegenden Fall auf die letzte Sachstandsanfrage der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 10.12.2007 nach der Übersendung des Schreibens vom 29.1.2008 nach Treu und Glauben eine weitere Anfrage des Klägers geboten war oder ob der Kläger ohne Rechtsnachteile darauf warten durfte, bis der Beklagte eine weitere Äußerung über das Ergebnis der in Aussicht gestellten Anspruchsprüfung durch den Haftpflichtversicherer mitteilen werde. Im Ergebnis überzeugt die Rechtsauffassung des Landgerichts.

aaaa) Der Berechtigte hat keinen Anlass zu einer weiteren Stellungnahme, wenn für die Regulierung eine Verhandlungspause vereinbart wurde. Eine vergleichbare Situation liegt auch dann vor, wenn eine hinter dem Verpflichteten stehender Haftpflichtversicherung mitgeteilt hat, man werde zur weiteren Prüfung der erhobenen Ansprüche Einsicht in derzeit nicht zugängliche Archivunterlagen nehmen und danach und unaufgefordert weiter Stellung beziehen (BGH, Urt. vom 1.3.2005 – VI ZR 101/04, NJW-RR 2005, 1044).

bbbb) Ein diesen Fallgruppen entsprechender Sachverhalt liegt im zur Entscheidung stehenden Rechtsstreit nicht vor:

Zwar streitet für die Auffassung des Klägers, dass der Beklagte im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.10.2007 die grundsätzliche Einigungsbereitschaft der hinter dem Beklagten stehenden Haftpflichtversicherung erklärt hat und zumindest konkludent den Eindruck vermittelt hat, dass die Haftpflichtversicherung in eine sachliche Berechtigung eintreten werde. Denn die mit Nachdruck vorgetragene Aufforderung, die Ansprüche zu erläutern, ergibt nur einen Sinn, wenn die Haftpflichtversicherung, die ausweislich des Wortlauts des Schreibens vom 16.10.2010 „grundsätzliches Interesse an einer außergerichtlichen Einigung“ besitze, sich mit der Anspruchsbegründung auch sachlich auseinandersetzen würde. Dies könnte für den Kläger Anlass für das Vertrauen gewesen sein, den Eingang einer Stellungnahme der Beklagten auf die im Januar 2008 zugesandte Anspruchsbegründung abzuwarten.

Dem stehen jedoch folgende Erwägungen entgegen: Der Beklagte hat keineswegs ausdrücklich angekündigt, unaufgefordert nach Erhalt der Forderungsaufstellung auf die Angelegenheit zurückzukommen. Er hat auch keineswegs eine eigene Sachprüfung in Aussicht gestellt, sondern lediglich die Äußerung des Sachbearbeiters der Haftpflichtversicherung wiedergegeben, grundsätzlich bereit zu sein, Leistungen zu erbringen. Zugleich enthält Schreiben vom 16.10.2007 den Vorbehalt, dass die grundsätzliche Leistungsbereitschaft nur in dem Umfang bestehe, in dem die Forderung nicht „ohnehin schon verjährt“ sei. Nach dem Zugang des Schreibens vom 16.10.2007 war der Kläger ausdrücklich über das Risiko gewarnt, trotz der im Grundsatz bestehenden Einigungsbereitschaft allein wegen der Verjährungseinrede leer auszugehen. Aus diesem Grunde musste der Kläger damit rechnen, dass der Beklagte hinsichtlich des Verjährungseinwandes kein Entgegenkommen zeigen würde. Nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass die Parteien erst am Anfang der Verhandlungen standen, da es dem Kläger zum Zeitpunkt des Abfassens des Schreibens vom 16.10.2007 noch nicht gelungen war, die Klageforderung nachvollziehbar darzustellen. In der Zusammenschau mit dem Hinweis auf die Verjährungseinrede musste dies für das rechtskundige Landesamt Veranlassung gewesen sein, die verjährungshemmende Wirkung des Mahnbescheides kritisch zu hinterfragen und nicht gewissermaßen blindlings darauf zu vertrauen, dass die Verhandlungen in eine verjährungsunschädliche Pause getreten waren.

In der Zusammenschau sprechen die besseren Argumente dafür, spätestens sechs Monate nach Zugang des Schreibens vom 29.1.2008 vom Einschlafen der Verhandlungen auszugehen. Spätestens nach dem Verstreichen dieser Frist durfte der Kläger nicht mehr erwarten, dass der Beklagte aus eigener Initiative auf die Angelegenheit zurückkommen würde: Der Sachverhalt war durch das Schreiben vom 29.1.2008 hinreichend geklärt. Für eine Zeit raubende Beurteilung der Anspruchsberechtigung bestand erkennbar keinen Anlass. Mit Blick auf die vor Übersendung der Anspruchsbegründung engmaschige geführte Korrespondenz durfte der Kläger jedenfalls nach sechs Monaten nicht mehr darauf vertrauen, dass der Beklagte weitere Schritte unternehmen würde, die seine Rechtsposition hinsichtlich der bereits erhobenen Verjährungseinrede verschlechtern würden.

Damit sind die Ansprüche noch vor Eingang des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens am 22.1.2009 verjährt, da die Vorschrift des § 203 S. 2 BGB nicht so zu verstehen ist, dass sich die Restverjährung in jedem Falle um drei Monate verlängert. Vielmehr tritt Verjährung in allen Fällen drei Monate nach Beendigung der Hemmung ein, in denen die restliche Verjährungsfrist kürzer als drei Monate läuft (Palandt/Ellenberger, aaO, § 203 Rdnr. 5).

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO). Hierbei kann dahinstehen, ob die in der vorliegenden Entscheidung vertretene Rechtsauffassung zu den Voraussetzungen der grob fahrlässigen Unkenntnis innerhalb einer arbeitsteilig organisierten Behörde Grundsatzbedeutung besitzt. Eine Zulassung kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtsfrage, um derentwegen die Zulassung erfolgen soll, entscheidungserheblich ist (BGH, Beschl. v. 19.12.2002 – VII ZR 101/02, NJW 2003, 83). Daran fehlt es, wenn das Gericht seine Entscheidung zumindest gleichrangig auf eine zweite Begründung stützt, die das Ergebnis trägt (PG/Ackermann, ZPO, 2. Aufl., § 543 Rdnr. 22; Musielak/Ball, 6. Aufl., § 543 Rdnr. 9k).

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