Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 1 Ws 288/03

Tenor

Die - weitere - Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 02. Oktober 2003 wird als unbegründet

verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten trägt die Staatskasse.

Gründe

 
I.
Der Beschuldigte, der schwedischer Staatsangehöriger ist, wurde aufgrund internationalen Haftbefehls des Amtsgerichts Stuttgart vom 04. Mai 2001 in Großbritannien festgenommen. In dem Auslieferungsverfahren, welches die Staatsanwaltschaft Stuttgart betreibt, befindet er sich derzeit auf freiem Fuß.
Im internationalen Haftbefehl des Amtsgerichts Stuttgart vom 04. Mai 2001 werden dem Beschuldigten neben 2 im Zuständigkeitsbereich dieses Amtsgerichts begangenen Betrugstaten (Fälle 9 und 10) insgesamt 8 Hehlereitaten (Fälle 1 bis 8) vorgeworfen. Hinsichtlich der Hehlereifälle wird dem Beschuldigten, der sich zu den Tatzeiten in V./Frankreich aufhielt, zur Last gelegt, er habe sich hochwertige Fahrzeuge der Marken Porsche und Mercedes-Benz, welche zuvor von Unbekannten von Stellplätzen der Autohersteller bzw. deren Auslieferfirmen in Baden-Württemberg entwendet und von diesen ins Ausland verbracht worden seien, in Kenntnis der Herkunft verschafft und weiterveräußert, wobei er sich in allen 8 Fällen seiner Briefkastenfirma W. C. M. mit Sitz in N./Frankreich bediente.
Eine Beteiligung an den im Inland begangenen Diebstählen bzw. an der Verbringung der Fahrzeuge ins Ausland wird ihm nicht vorgeworfen.
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer gem. § 310 StPO zulässigen weiteren Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts, mit der auf die Beschwerde des Beschuldigten der internationale Haftbefehl hinsichtlich der ihm in den Fällen 1 bis 8 vorgeworfenen Hehlereitaten aufgehoben wurde.
II.
Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
Im Ergebnis zu Recht hat die Beschwerdekammer den Haftbefehl insoweit aufgehoben, denn eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Stuttgart gem. § 125 StPO für den Erlass des Haftbefehls wegen des dringenden Tatverdachts der Hehlerei in 8 Fällen bestand nicht.
Eine Zuständigkeit des Amtsgerichts wäre gem. §§ 125 Abs. 1, 13 Abs. 1 StPO nur gegeben, wenn auch für die Hehlereitaten ein inländischer Gerichtsstand vorliegen würde (BGH NJW 1992, 1635; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 13 Rdn. 2). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Ein Gerichtsstand gem. §§ 7 bis 11 StPO besteht in Deutschland für diese Taten nicht.
Voraussetzung eines inländischen Gerichtsstandes ist, dass die Hehlereitaten deutscher Gerichtsbarkeit unterfallen (BGHSt 33, 97, 98; 34, 1, 3), was wiederum die Anwendung deutschen Strafrechts gem. §§ 3ff StGB bedingt (BGH NStZ-RR 1998, 257; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., Vor § 3 Rdn. 1).
1. Deutsches Strafrecht findet auf die im Haftbefehl genannten Hehlereitaten gem. § 9 Abs. 1 StGB keine Anwendung, da diese vom Beschuldigten nicht in Deutschland begangen worden sind. Dieser hat nach dem derzeitigen Erkenntnisstand im Inland nicht gehandelt. Auch ist ein Erfolg i.S. d. §§ 3, 9 Abs. 1, 3.Alt. StGB, entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft, im Inland nicht eingetreten.
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Nach dem Sinn und Zweck des § 9 StGB soll deutsches Strafrecht - auch bei Vornahme der Tathandlung im Ausland - Anwendung finden, sofern es im Inland zu der Schädigung von Rechtsgütern oder zu Gefährdungen kommt, deren Vermeidung Zweck der jeweiligen Strafrechtsvorschrift ist (BGHSt 46, 212, 220). Die Anwendung des § 9 Abs. 1 3.Alt. StGB ist jedenfalls dann unproblematisch, wenn ein Erfolg im Tatbestand der Norm ausdrücklich bezeichnet ist (BGH a.a.O., S. 221, für abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte). Ob dies auch dann gilt, wenn die jeweils verletzte Strafvorschrift vor einer abstrakten Gefahr schützen soll (offengelassen in BGH a.a.O., S. 221), braucht der Senat nicht zu entscheiden, da es sich bei der Hehlerei um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt handelt (OLG München, StV 1991, 504, 505; a.A. Arzt, Die Hehlerei als Vermögensdelikt, NStZ 1981, 10). Zwar ist die Hehlerei ein Vermögensdelikt (Ruß in LK zum StGB, 11. Aufl., § 259 Rdn. 1), denn der Strafgrund der Hehlerei liegt in der Aufrechterhaltung der durch die Vortat geschaffenen rechtswidrigen Vermögenslage (Ruß a.a.O. Rdn. 7), jedoch will die Strafvorschrift nicht vor einer abstrakten Gefahr der Vereitelung der Restitutionalisierungsansprüche oder der Ausbeutung des Vermögens des Verletzten schützen. Die von Schröder begründete Theorie der Restitutionsvereitelung (Schröder in Festschrift für Rosenfeld, 1949, S. 161ff, 180, 185; MDR 1952, 68, 71) oder die im Schrifttum wieder diskutierte Theorie der Ausbeutung des strafbaren Erwerbs (Roth, Ablösung der Perpetuierungstheorie zur Hehlerei für bestimmte Fallgruppen, NJW 1985, 242) wurde gerade nicht in den gesetzgeberischen Willen aufgenommen (BT-Dr 7/550, 252; BGHSt 7, 134, 137; Ruß a.a.O. Rdn. 1; Lackner/Kühl, StGB, 24. Aufl., § 259 Rdn. 1). Als schlichtes Tätigkeitsdelikt hat die Hehlerei aber keinen Erfolgsort i.S.d. § 9 Abs. 1 StGB (OLG München a.a.O.).
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2. Deutsches Strafrecht findet auf die vorliegenden Fälle der Hehlerei auch über § 7 Abs. 1 StGB keine Anwendung, da die Taten nicht gegen einen Deutschen begangen wurden. Im vorliegenden Fall sind die Opfer der Hehlereihandlungen des Beschuldigten sämtlich juristische Personen mit Sitz im Inland. Ob diese neben den Deutschen i.S.d. Art 116 Abs. 1 GG (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 7 Rdn. 2, 3) als Deutsche i.S.d. § 7 Abs. 1 StGB angesehen werden können, ist im Schrifttum umstritten. So wollen u.a. Fischer (Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 7 Rdn. 6) und Eser (Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 7 Rdn. 6) auch juristische Personen mit Sitz im Inland in den Schutzbereich des § 7 Abs. 1 StGB einbeziehen, während Gribbohm (LK zum StGB, 11. Aufl., § 7 Rdn. 48, 49) und Ambos (Münchner Kommentar zum StGB, § 7 Rdn. 23) dies unter Hinweis auf das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG ablehnen.
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Für eine Erweiterung des Schutzbereichs des § 7 Abs. 1 StGB über den Bereich des Art. 116 Abs. 1 GG hinaus besteht jedoch kein Anlass, da der Gesetzgeber selbst den Anwendungsbereich auf Deutsche i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG beschränkt hat.
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§ 7 Abs. 1 StGB ist Ausfluss des passiven Personalitätsprinzips. Dieses ist erstmals aufgrund der VO 1940 (RGBl. I, 754) als § 4 Abs. 2 Nr. 2 in das deutsche Strafrecht aufgenommen worden (Henrich, Das passive Personalitätsprinzip im deutschen Strafrecht, 1994, S. 2). Damals war der Schutz des § 4 Abs. 2 Nr. 2 StGB ausdrücklich auf deutsche Staatsangehörige beschränkt. Der Gesetzgeber hat sich im 2. StrRG, das als Bestandteil des neuen Allgemeinen Teils des StGB am 01. Januar 1975 in Kraft getreten ist, von dem passiven Personalitätsprinzip nicht trennen wollen (Zum damaligen Diskussionsstand vgl. Eser, Die Entwicklung des Internationalen Strafrechts im Lichte von Hans-Heinrich Jescheck, in FS f. Hans-Heinrich Jescheck, S. 1362ff, 1371ff; Jescheck, Zur Reform der Vorschriften des StGB über das internationale Strafrecht, IRuD, 1956, 92). Der heutige § 7 Abs. 1 StGB wurde unverändert aus dem Entwurf 1962 - dort § 6 StGB-E62 - übernommen (BT-Dr V/4095, S. 7, Henrich, a.a.O. S. 46ff, 51). Mit der Übernahme wollte der Gesetzgeber den Schutz der Bundesrepublik für ihre im Ausland sich aufhaltenden Staatsangehörigen gewährleisten (BT-Dr IV/650, S. 112). Daher stellt das Merkmal "... gegen einen Deutschen begangen ..." in § 7 Abs. 1 StGB lediglich eine Anpassung des bis dahin geltenden § 4 Abs. 2 Nr. 2 StGB an Art. 116 Abs. 1 GG dar, ohne dass damit eine Ausdehnung des Schutzbereichs auch auf juristische Personen gewollt gewesen wäre. Dass der Gesetzgeber damals den Schutz von Interessen auch juristischer Personen mit Sitz im Inland durchaus gesehen hat, wird in § 5 Nr. 7 StGB deutlich. Hätte der Gesetzgeber somit generell juristische Personen mit Sitz im Inland vor Straftaten im Ausland strafrechtlich schützen wollen, hätte er dies in § 7 Abs. 1 StGB deutlich zum Ausdruck gebracht.
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Somit handelt es sich bei den dem Beschuldigten vorgeworfenen Hehlereitaten um reine Auslandstaten, die nicht gegen einen Deutschen begangen wurden und deshalb nicht dem deutschen Strafrecht unterliegen. Daher war das Amtsgericht Stuttgart insoweit zum Erlass des Haftbefehls unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuständig.

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