Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 10 U 75/09

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 12.06.2009 (4 O 11/09) wird

zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit von 115 % bzgl. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert: 23.518,50 EUR

Gründe

 
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Wertersatz, weil diese bei der Klägerin entwendete Silberpellets und Silberplatten angekauft, eingeschmolzen und weiterverkauft habe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, weil die Klägerin einen Ersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung habe. Für den Fall, dass die Beklagte durch das Einschmelzen des Silbers nicht Eigentümerin gemäß § 950 BGB geworden sein sollte, ergebe sich der Anspruch der Klägerin jedenfalls aus § 816 Abs. 1 BGB. Aufgrund des Diebstahls des Silbers bei der Klägerin hätten weder die Beklagte noch die nachfolgenden Erwerber Eigentum an dem Silber erlangen können, § 935 Abs. 1 BGB. Die Beklagte habe daher nach dem Einschmelzen als Nichtberechtigte i. S. v. § 816 Abs. 1 BGB über das Eigentum am Silber verfügt. Diese Verfügung sei nachträglich wirksam geworden, weil in der Klage auf Zahlung des Werts des Silbers eine stillschweigende Genehmigung der Veräußerung durch die Klägerin als damalige Eigentümerin zu sehen sei. Die Beklagte könne gegen den Herausgabeanspruch der Klägerin nicht die Kosten des Erwerbs entgegenhalten.
Die Beklagte ist der Auffassung, es liege eine Überraschungsentscheidung des Landgerichts insoweit vor, als das Urteil auf § 816 BGB gestützt werde, während das Gericht noch in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen habe, dass ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 951, 946 ff. BGB gegeben sei.
Es werde nach wie vor bestritten, dass das streitgegenständliche Silber aus einer industriellen Fertigung stamme und nur für diese benötigt werden könne. Es werde ausdrücklich nochmals bestritten, dass das streitgegenständliche Silber das bei der Klägerin gestohlene Silber sei, welches durch X verkauft worden sei.
Ein Anspruch nach § 816 Abs. 1 BGB liege nicht vor. Denn die Beklagte habe das Silber verbraucht. Nach Einschmelzen sei das streitgegenständliche Silber nicht mehr vorhanden. Dies stelle keine Verfügung dar. Die Verfügung könne sich lediglich auf das Einschmelzen des Silbers beziehen, nicht auf die Weiterveräußerung. Im Übrigen finde nach dem Einschmelzen keine Weiterveräußerung statt. Das Silber werde nur innerhalb einer Unternehmensgruppe, bspw. zur Herstellung von entsprechenden Legierungen verwendet. Es liege keine Verfügung eines Nichtberechtigten vor, die dem Berechtigten gegenüber wirksam sei. Eine Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten sei nicht möglich, da ein Einschmelzen stattgefunden habe.
Vor dem Einschmelzen sei das Silber ohne weiteres trennbar. Da keine Vermischung nach den §§ 946 - 948 BGB vorliege, könne lediglich § 950 BGB für den Fall der Verarbeitung eingreifen. Hierfür sei jedoch Voraussetzung, dass ein Herstellen einer neuen beweglichen Sache erfolge. Dies liege bei Einschmelzung von Metall nicht vor.
Berufungsantrag der Beklagten:
das Urteil des Landgerichts Rottweil, 4. Zivilkammer, vom 12.06.2009, Az. 4 O 11/09 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
Berufungsantrag der Klägerin:
10 
Zurückweisung der Berufung.
11 
Die Klägerin ist der Auffassung, dass weder die Beklagte noch etwaige nachfolgende Käufer oder Weiterveräußerer Eigentümer des Silbers hätten werden können, weil es unstreitig bei der Klägerin gestohlen worden sei, § 935 Abs. 1 S. 1 BGB. § 948 Abs. 1, 2 BGB greife ein, weil das von der Beklagten beschaffte Material bereits vor dem Einschmelzen ohne konkrete Eingangserfassung derart vermischt werde, dass eine Trennung aufgrund fehlender Zuordnung zum Anlieferer nicht mehr möglich sei. Aus dem eigenen Pressebild der Beklagten in ihrem Internetauftritt ergebe sich, dass vor dem Einschmelzen eine Vermischung i. S. d. § 948 BGB erfolge. Damit trete ein Rechtsverlust auf Seiten der Klägerin bereits in dem Augenblick ein, in dem die in ihrem Eigentum stehende Silberware vor dem Einschmelzen von anderer angekauften Ware nicht mehr ausgesondert werden könne. Folglich werde die Beklagte bereits durch Vermischung Alleineigentümerin des streitgegenständlichen Silbers.
12 
Im Übrigen habe die Beklagte mit der Weiterveräußerung des Silbers nach dem Einschmelzen i. S. des § 816 Abs. 1 BGB verfügt. Das Einschmelzen sei reiner Realakt und damit von vornherein nicht geeignet, Verfügungstatbestand i. S. d. § 816 Abs. 1 BGB zu sein, und stelle keinen Verbrauch der Sache dar, weil die Beklagte dadurch keinen Sachverlust erlitten hätte. Vielmehr stelle dies eine reine Formänderung dar. Der nach der Veräußerung der Beklagten zugeflossene Gegenwert sei an die Klägerin auszukehren. Die - unrichtige - Auffassung der Beklagten, dass der Verarbeitungsvorgang zu keinem Eigentumsverlust am Silber auf Seiten der Klägerin geführt habe und damit als eigentumsrechtlich „neutral“ anzusehen sei, führe gerade zur Anwendbarkeit des § 816 Abs. 1 BGB. Denn erst in der Weiterveräußerung des Silbers sei eine sich auf die Eigentumsrechte der Klägerin negativ auswirkende erstmalige Rechtshandlung der Beklagten zu sehen, die nach zutreffender Auffassung des Landgerichts nachträglich genehmigt worden sei. In der Weiterveräußerung des angekauften und eingeschmolzenen Silbers liege der Unternehmensgegenstand der Klägerin.
13 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Berufungsverfahrens wird auf die gewechselten Schriftsätze jeweils mit Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2010 Bezug genommen.
II.
14 
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
15 
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Wertersatz i. H. v. 23.518,50 EUR aufgrund des Einschmelzens der bei der Klägerin gestohlenen 78,395 kg Silber Ende 2006 durch die Beklagte nach Ankauf über die Y-Filiale der Zeugin A in … von den Zeugen B bzw. X und C gemäß §§ 951 Abs. 1 i. V. m. § 948 Abs. 1, 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 818 Abs. 2 BGB oder jedenfalls aufgrund nachträglicher Genehmigung der Weiterveräußerung durch die Beklagte gemäß §§ 816 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB.
1.
16 
Das streitgegenständliche Silber ist der Klägerin aufgrund des Diebstahls des Zeugen B gemäß § 935 Abs. 1 BGB abhanden gekommen, so dass ein gutgläubiger Eigentumserwerb der Beklagten nach §§ 932 - 934 BGB nicht möglich war.
17 
Bei den insgesamt 78,395 kg Silber, welches der Zeuge B bei der Klägerin entwendet hat, handelt es sich um das von der Beklagten über die Zeugin A angekaufte und später eingeschmolzene Silber. Dies ergibt sich zum einen aus dem unstreitigen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 12.06.2009 (§ 314 ZPO). Die Beklagte hat insoweit keine Tatbestandsberichtigung beantragt. Zum anderen hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2009 ausweislich des Protokolls (Bl. 96 d. A.) unstreitig gestellt, dass „die seitens der Y-Agentur für die Beklagte angekauften Silberteile im Eigentum der Klägerin standen“. Die Beklagte kann daher nicht - wieder - in der Berufungsreplik (Schriftsatz vom 29.10.2009, Bl. 157 d. A.) bestreiten, dass das streitgegenständliche Silber das bei der Klägerin gestohlene Silber sei, das durch X verkauft worden sei (§ 531 Abs. 2 ZPO).
2.
18 
Die Klägerin hat Anspruch auf Wertersatz nach §§ 951 Abs. 1 i. V. m. § 948 Abs. 1, 947 Abs. 2, 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 818 Abs. 2 BGB, weil die Beklagte hier durch das Einschmelzen des Silbers infolge Vermischung das Alleineigentum erlangt hat.
a)
19 
Durch das Einschmelzen des Silbers wurde keine neue bewegliche Sache i.S.v. § 950 Abs. 1 BGB durch die Beklagte hergestellt.
20 
Die Verarbeitung oder sonstige Umbildung ist die durch eine menschlich gesteuerte Arbeitsleistung von einigem Gewicht bewirkte gegenständliche Veränderung der Ausgangsstoffe. Am Ende des Verarbeitungsaktes muss eine (gegenüber dem oder den Ausgangsstoffen) neue bewegliche Sache stehen, deren Verarbeitungswert nicht erheblich geringer ist als die Summe der Werte der Ausgangsstoffe. Dies ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen. Dabei kann auch ein Zwischenfabrikat eine neue Sache darstellen. Indizien hierfür sind z. B. eine wesentliche Substanzveränderung, eine neue Form oder ein neuer Verwendungszweck. Unerheblich für die Annahme einer neuen Sache ist, ob die Verarbeitung zu einer Wertsteigerung geführt hat (Vieweg in jurisPK-BGB, 4. Aufl. 2008, § 950 Rn. 7 ff. m.w.N.). Bassenge in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl. 2009, § 950 Rn. 3 sieht im Einschmelzen von Metall keine Herstellung einer neuen beweglichen Sache. Eckert in Schulze/Dörner/Ebert, BGB, 5. Aufl. 2007, § 950 Rn. 4 sieht in dem Einschmelzen von Goldschmuck ebenfalls nicht die Herstellung einer neuen Sache.
21 
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem von der Klägerin entwendeten Silber ausweislich der Rechnungen vom 23.08.2006 und 08.11.2006 (Bl. 90 f d.A.) um Feinsilber. In diesem Fall spielt das Scheiden des Silbers von Zusatz-/Schlackestoffen im Zuge des Einschmelzvorgangs keine große Rolle. Folglich wird das gestohlene Silber aufgrund des Einschmelzens lediglich umgeformt. Das reine Umformen des Silbers stellt keine höhere Verarbeitungsstufe dar. Vielmehr wird lediglich die Handelbarkeit, Transportabilität und Verarbeitungsfähigkeit erhöht.
22 
Eine Weiterverarbeitung des Silber nach dem Einschmelzen durch die Beklagte findet nicht statt, weil die Beklagte das Silber nach ihrer Einlassung bei der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2010 an ihre rechtlich selbstständige Konzernmutter weiterreicht.
b)
23 
Jedoch liegt infolge des Einschmelzens eine „Vermischung“ i. S. v. § 948 Abs. 1 BGB vor.
24 
Bei der untrennbaren Vermischung verlieren die Sachen ihre körperliche Abgrenzung. Bei der untrennbaren Vermengung behalten sie diese, lassen sich aber mangels natürlicher Unterscheidbarkeit oder Kennzeichnung nicht mehr dem bisherigen Eigentümer zuordnen, wie z. B. Geld, Münzen, Getreide, Baumaterial, Tiere, Wertpapiere (Bassenge in Palandt, § 948 Rn. 3).
aa)
25 
Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt hier nicht bereits das Zusammenschütten der von verschiedenen Quellen angekauften Altsilberbestände unmittelbar vor dem Schmelzvorgang durch die Beklagte eine Vermengung i. S. v. § 948 Abs. 1 BGB dar. Denn nach der eigenen Darstellung der Klägerin im Hinblick auf das schuldhafte Verhalten der Beklagten bzw. der Zeugin A und des Zeugen D ist das von ihr stammende und zu industriellen Zwecken verwendbare Feinsilber deutlich als solches zu erkennen gewesen. Es habe sich um Silberpellets in Pfützenform und größere Silberplatten gehandelt, wie sie lediglich im industriellen Bereich vorkäme. Hinzu kommt, dass an dem von der Klägerin stammenden Silber ausweislich der Aussage der Zeugin A bei der polizeilichen Vernehmung (vgl. Protokoll, Anlage K 6, Bl. 56 d. A.) etwas dran gewesen sei, weshalb ihre Hände nachher so komisch gerochen hätten. Dabei dürfte es sich um Reste des Kaliumcyanids gehandelt haben, in der das vom Zeugen B bei der Klägerin entwendete Silber vor dem eigentlichen Verarbeitungsvorgang gelagert war. Folglich hätte man im vorliegenden Fall vor dem Einschmelzen das Silber noch gegenüber dem übrigen bei der Beklagten zur Einschmelzung bereitgestellten Silber herausfinden können, ohne einen zu großen Aufwand betreiben zu müssen.
bb)
26 
Jedoch wird das Silber durch das Einschmelzen selbst untrennbar mit dem Silber der Beklagten vermischt.
cc)
27 
Als Folge der Vermischung hat hier die Beklagte Alleineigentum gemäß §§ 948 Abs. 1, 947 Abs. 2 BGB erworben.
28 
Danach entsteht Alleineigentum des früheren Eigentümers der Hauptmenge entsprechend § 947 Abs. 2 u. a. bei sehr großem Mengenunterschied gleichartiger Sachen an der Gesamtmenge (BGHZ 14, 114; Bassenge in Palandt, § 948 Rn. 4). Ansonsten entsteht bei Vermischung Miteigentum des früheren Eigentümers entsprechend §§ 947 Abs. 1 BGB, 741 ff. BGB. Dabei ist die Entstehung von Miteigentum nicht von der Möglichkeit eines Nachweises des Wertanteils der bisherigen Eigentümer der vermengten oder vermischten Sache abhängig. Vielmehr hat in den Fällen, in denen eine Vermischung oder Vermengung stattgefunden hat, aber sich die Quoten der einzelnen Beteiligten nicht ermitteln lassen, nicht schon aus diesem Grunde der Besitzer Alleineigentum erworben, sondern es greifen die allgemeine Grundsätze der Beweislast ein (BGH NJW 1958, 1534).
29 
Die Beklagte hat auf Frage des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2010 erklärt, sie schmelze das angekaufte Silber mehrmals jährlich jeweils in einer großen Menge ein. Es handele sich dabei insgesamt um mehrere Tonnen pro Jahr. Nähere Angaben wollte die Beklagte trotz Rückfrage des Senats nicht machen. Die Beklagte trägt die sekundäre Darlegungslast für die von ihr eingeschmolzenen Mengen an Silber. Nennt sie hierfür nur allgemein „große Mengen“ und „mehreren Tonnen pro Jahr“, muss die Klägerin nicht das konkrete Verhältnis des von ihr gestohlenen Silbers und der bei der Beklagten eingeschmolzenen Menge im Hinblick auf den bei § 947 Abs. 2 BGB erforderlichen sehr großen Mengenunterschied darlegen und beweisen. Vielmehr geht der Senat auf dieser Basis davon aus, dass die gestohlenen 78,395 kg Silber sowohl gegenüber der bei einem einzelnen Schmelzvorgang verwendeten großen Silbermenge als auch gegenüber der von der Beklagten eingeschmolzenen Jahresmenge eine so kleinen Bruchteil darstellt, dass die Beklagte Alleineigentum nach § 947 Abs. 2 BGB erwirbt.
c)
30 
Aufgrund ihres Eigentumsverlustes nach § 948 Abs. 1 BGB hat die Klägerin einen Entschädigungsanspruch gemäß § 951 Abs. 1 i. V. m. § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. (Eingriffskondiktion), 818 Abs. 2 BGB von 23.518,50 EUR.
31 
Der Eingriff der Beklagten erfolgte ohne Rechtsgrund, weil § 951 BGB auf den Ausgleich nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften verweist (vgl. Sprau in Palandt, § 812 Rn. 44). Insoweit liegen die Voraussetzungen der Eingriffskondiktion vor.
32 
Der Wertersatzanspruch der Klägerin richtet sich dann nach § 818 Abs. 2 BGB, nachdem durch das Einschmelzen das bei der Klägerin entwendete Silber nicht mehr durch die Beklagte herausgegeben werden kann. Der Zeitpunkt für die Berechnung des Wertersatzes ist die Entstehung des Anspruchs (Sprau in Palandt, § 818 Rn. 19).
33 
Die Beklagte hat den von der Klägerin behaupteten Wert von 300,00 EUR/kg für das zu industriellen Zwecken nutzbare Feinsilber bestritten, ohne selbst einen konkreten niedrigeren Wert zu nennen, obwohl ihr das als Fachunternehmen möglich wäre. Ob das Bestreiten der Beklagten folglich überhaupt ausreichend ist, kann dahinstehen bleiben, weil der Senat mit der Klägerin von einem Wert des Feinsilbers von 300 EUR/kg ausgeht. Zum Einen hat die Klägerin für Juli, August und September 2006 Ankaufsrechnungen von ihrem Lieferanten vorgelegt (Bl. 89 ff d.A.), nach denen sie für Feinsilber zwischen 300,00 und 329,00 EUR/kg netto bezahlt hat. Zum Anderen betrug der Kurs für eine Feinunze Silber im Oktober 2006 ca. 12,00 US-$. Der Dollarkurs im Verhältnis zum Euro betrug 1,25 $ für 1,00 EUR. Ein Kilogramm besteht aus ca. 32 Feinunzen. Das würde einen Kilogrammpreis von ca. 307,00 EUR für ein Kilogramm Feinsilber ergeben. Die 300,00 EUR/kg x 78,395 kg Silber ergeben die eingeklagten 23.518,50 EUR.
34 
Die Beklagte kann den von ihr über die Zeugin A gezahlten Ankaufspreis von 80,00 EUR - 120,00 EUR/kg nicht gegen rechnen, weil der Bereicherte gegenüber dem Herausgabeanspruch nicht abziehen kann, was er für den Erwerb der Sache an einen Dritten geleistet hat. Das gilt auch bei Verarbeitung abhanden gekommener Sachen gegenüber dem Anspruch aus §§ 951, 812 BGB hinsichtlich des an den Dieb gezahlten Kaufpreises (Sprau in Palandt, § 818 Rn. 43 und § 816 Rn. 21).
3.
35 
Aber auch wenn man von der Entstehung von Miteigentum der Klägerin im Umfang von 78,395 kg am Silber der Beklagten infolge der Vermischung nach §§ 948 Abs. 1, 947 Abs. 1 BGB ausgeht, hat die Klägerin hier einem Anspruch gegen die Beklagte auf Wertersatz gemäß §§ 816 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB von 23.518,50 EUR.
a)
36 
Mit der von ihr in der mündlichen Erklärung vorgetragenen Weitergabe des eingeschmolzenen Silbers an ihre rechtlich selbstständige Konzernmutter hat sie rechtsgeschäftlich über das eingeschmolzene Silber und damit auch über den Miteigentumsanteil der Klägerin - insoweit als Nichtberechtigte - verfügt. Das Silber wurde bei der Konzernmutter z.B. zu Legierungen weiterverarbeitet, so dass die Beklagte das Eigentum übertragen und nicht nur den Besitz am Silber eingeräumt hat.
37 
Die Vermischung infolge des Einschmelzens nach § 948 BGB ist ein Realakt und daher keine rechtsgeschäftliche Verfügung. Sie stellt auch keinen Verbrauch dar, weil kein Substanzverlust, sondern nur eine Umformung stattfindet. Erst mit der Weiterveräußerung an die Konzernmutter zu einem bestimmten Verrechnungspreis verfügt die Beklagte über das eingeschmolzene Silber.
b)
38 
Diese Verfügung ist gegenüber der Klägerin als (Mit-)Eigentümerin und damit als Berechtigter wirksam geworden, weil in der uneingeschränkten Klageerhebung des Berechtigten auf Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten i. d. R. die Genehmigung liegt, sofern der Genehmigende die Unwirksamkeit des Geschäfts gekannt oder zumindest mit einer solchen Möglichkeit gerechnet hat (Sprau in Palandt, § 816 Rn. 9 m.w.N.).
39 
Zwar machte die Klägerin ursprünglich mit der Klage lediglich Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Jedoch kommt in der Klagbegründung deutlich zum Ausdruck, dass die Klägerin von dem Einschmelzen und Weiterveräußern des bei ihr gestohlenen Silbers durch die Beklagte ausgeht und hierfür Ersatz verlangt. Spätestens mit der Verteidigung des landgerichtlichen Urteils in der Berufungserwiderung (Bl. 143 d. A.), welches auf § 816 Abs. 1 BGB und die nachträgliche Genehmigung der Verfügung der Beklagten durch die Klägerin gestützt wurde, genehmigte die Klägerin die Veräußerung durch die Beklagte. Dabei kann sie die Genehmigung letztlich davon abhängig machen, dass ein Eigentumsverlust gemäß der §§ 946 ff. BGB nicht eingetreten und damit eine Ersatzpflicht nach § 951 BGB nicht gegeben ist. Denn der Berechtigte verlangt bei § 816 Abs. 1 BGB im Ergebnis nur Herausgabe des Erlöses Zug um Zug gegen Erteilung der Genehmigung, was zulässig ist und die Voraussetzung des § 816 Abs. 1 BGB erfüllt (Sprau in Palandt, § 816 Rn. 9 BGB).
c)
40 
Nach § 818 Abs. 1 BGB hat die Beklagte das durch die Verfügung Erlangte herauszugeben.
41 
Zwar hat die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast erklärt, sie habe das Silber zu einem Verrechnungspreis an ihre Konzernmutter weitergegeben. Sie war jedoch nicht bereit, seine Höhe zu nennen. Folglich geht der Senat von einem Verrechnungspreis von 300,00 EUR/kg auf Basis des Verkehrswertes im Oktober 2006 aus, weil davon auszugehen ist, dass sich die Beklagte als gewinnorientiertes kaufmännisches Unternehmen wirtschaftlich rational verhält und daher ihr Handelsgut zum Markt-/Verkehrswert veräußert. Die Ausführungen zu 2. c) gelten entsprechend.
4.
42 
Die von der Beklagten gerügte Überraschungsentscheidung des Landgerichts im Hinblick auf einen Anspruch gemäß § 816 Abs. 1 BGB hat, selbst wenn es sich um eine überraschende Entscheidung gehandelt haben sollte, keine Konsequenzen, weil die Beklagte mit der Berufung Gelegenheit hatte, zu dem Anspruch nach § 816 Abs. 1 BGB Stellung zu nehmen und eine Zurückverweisung an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO weder durch die Beklagte beantragt war noch in Betracht kommt.
43 
Der Einwand der Beklagten, das Landgericht habe fehlerhaft nicht über den Klagantrag Ziff. 2 bezüglich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten entschieden, geht fehl, weil die Klägerin ausweislich des Protokolls vom 19.05.2009 für den Fall des Widerrufs des Vergleichs den Klagantrag Ziff. 2 zurückgenommen hat. Der Vergleich wurde widerrufen, so dass diese zulässige innerprozessuale Bedingung eingetreten und damit der Klagantrag Ziff. 2 durch Zurücknahme entfallen ist. Nachdem es sich dabei um eine Nebenforderung gehandelt hat, hat die Rücknahme keine Auswirkungen auf die Kostenentscheidung. Im Übrigen wäre die Beklagte insoweit auch nicht beschwert, da sie durch die fehlende Entscheidung des Landgerichts über Ziff. 2 des ursprünglichen Klagantrags nur Vorteile gehabt hätte.
5.
44 
Für die Kosten den Berufungsverfahrens gilt § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich.

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