Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 9 U 185/12

Tenor

1. Die Berufung des Klägers und der Drittwiderbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 23. August 2012, Az. 6 O 25/12, wird zurückgewiesen.

2. Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Berufungsverfahren tragen der Kläger und die Drittwiderbeklagte die Hälfte als Gesamtschuldner, die weitere Hälfte trägt der Kläger alleine. Ihre eigenen Kosten tragen die Berufungskläger jeweils selbst.

3. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des insgesamt vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Wert der Berufung: bis 140.000,00 EUR

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten über (Schadenersatz-)Ansprüche aus Darlehensverträgen, mit denen der Kläger und die Drittwiderbeklagte den Erwerb einer Eigentumswohnung finanziert haben.
Am 8. Oktober 2004 schlossen der Kläger und die Drittwiderbeklagte nach vorangegangenen Gesprächen mit dem Zeugen L., der ihnen das Anlagekonzept vorgestellt hatte, zunächst einen notariellen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung in E. für 100.000,00 EUR (Anlage K2) und sodann in der Filiale der Beklagten in R. zwei Darlehensverträge, über 68.000,00 EUR mit der Beklagten (Anlage K3) und über 32.000,00 EUR mit der Dt. H. (Anlage K4). Bis heute erfüllen der Kläger und die Drittwiderbeklagte ihre Verpflichtungen aus den Darlehensverträgen.
Der Kläger stützt die geltend gemachten Schadenersatzansprüche auf arglistige Täuschungen des Vermittlers L.. Dieser habe zu Unrecht zugesichert, die Belastungen aus der Finanzierung würden durch Steuervorteile ausgeglichen. Die Miete habe am 8. Oktober entgegen der Zusicherung des Vermittlers in Höhe von 340,00 EUR nur 256,40 EUR betragen. Der Vermittler habe behauptet, der Verkehrswert der Wohnung entspreche dem Kaufpreis von 100.000,00 EUR. Die Wohnung habe aber nur einen Wert von 58.000,00 EUR gehabt, wie sich aus einem vom Kläger eingeholten Gutachten ergebe. Der Vermittler habe verschwiegen, dass vom Kaufpreis über 10 % Provisionen bezahlt worden seien. Außerdem habe er den Kläger und die Drittwiderbeklagte nicht darüber aufgeklärt, dass sie als Eigentümer Kosten wie Hausgeld und Instandhaltung zu tragen hätten.
Der Beklagten habe sich der wahre Wert der Wohnung aufdrängen müssen, da deren zuständige Sachbearbeiterin U. H. sie vorab mit Herrn L. angesehen habe. Die Miethöhe habe Herr L. in die Finanzierungsrechnung (Anlage K1) im Beisein von Frau H. eingetragen.
Die Beklagte habe eine Provision von 1% an Herrn L. für die Vermittlung des Darlehens bezahlt. Das sei als Schmiergeld einzustufen. Dadurch habe Herr L., welcher mit dem Kläger und der Drittwiderbeklagten einen Beratungsvertrag geschlossen habe, aus deren Sicht nicht mehr zuverlässig beraten können. Die Klägerseite hätte bei Kenntnis der Provision Abstand von den Verträgen genommen.
Die Beklagte und der Vermittler hätten institutionalisiert zusammengearbeitet. Dies ergebe sich daraus, dass Frau H. und Herr L. über 40 Darlehensverträge zur Finanzierung von Wohnungskäufen ausgearbeitet hätten. Die Wohnungen hätten jeweils im wirtschaftlichen Eigentum von Herrn G. gestanden. Herr L. hätte von Frau H. die Zusage gehabt, bei Bonität der Kunden die Käufe der Wohnungen zu finanzieren. Außerdem hätte Herr L. Selbstauskunftsformulare von der Beklagten erhalten. Die Wohnungen hätten Herr L. und Frau H. jeweils vorab - zumindest oberflächlich - angesehen.
Die Beklagte bestreitet arglistige Täuschungen des Herrn L. mit Nichtwissen und trägt vor, sie habe von Täuschungen jedenfalls keine Kenntnis gehabt, da sie über den Gesprächsverlauf nicht informiert worden sei. An Herrn L. sei nur eine Provision von 0,5% bezahlt worden.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den erstinstanzlich gestellten Anträge auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das Landgericht hat durch Urteil vom 23. August 2012, dem Vertreter des Klägers und der Drittwiderbeklagten am 30. August 2012 zugestellt, die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Schadenersatzansprüche seien nicht schlüssig vorgetragen. Das Landgericht sah keine Schmiergeldzahlungen in der Provision an Herrn L.. Einen Beratungsvertrag der Klägerseite mit Herrn L. lehnte das Landgericht ab, so dass eine Aufklärungspflicht über die gezahlte Provision ausscheide. Ob Herr L. den Kläger und die Drittwiderbeklagte arglistig getäuscht habe, könne offen bleiben. Es habe jedenfalls kein institutionalisiertes Zusammenwirken gegeben. Eine mögliche sittenwidrige Überteuerung des Kaufpreises für die Wohnung habe die Beklagte nicht gekannt.
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Gegen das Urteil haben der Kläger und die Drittwiderbeklagte am 24. September 2012 Berufung eingelegt und diese am 15. Oktober 2012 begründet. Sie verfolgen die erstinstanzlichen Anträge weiter. Sie rügen, entscheidungserheblicher Vortrag zum Beratungsvertrag der Klägerseite mit Herrn L. und der sich daraus ergebenden Aufklärungspflicht der Beklagten über die Provision an Herrn L. sowie zur zugesicherten Miethöhe sei nicht beachtet worden. Zudem sei die Rechtsauffassung des Landgerichts fehlerhaft.
11 
Nach Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 2013 haben der Kläger und die Drittwiderbeklagte innerhalb der nachgelassenen Schriftsatzfrist weiter vorgebracht, Frau H. von der Beklagten habe Herrn L. aufgefordert, wegen zur Verfügung stehender Kreditmittel Kunden heranzubringen. Belege über die Miete habe Frau H. auch im Fall des Klägers und der Drittwiderbeklagten nicht haben wollen, damit die Kreditakte „sauber bleibe“. Sie habe von den Angaben des Herrn L. zur Erzielbarkeit der Miethöhe nichts wissen wollen.
12 
Der Kläger und die Drittwiderbeklagte beantragen,
13 
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 23. August 2012 (Aktenzeichen 6 O 25/12)
14 
1. die Beklagte zu verurteilen,
15 
a) an den Kläger sowie die Drittwiderbeklagte 29.625,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.06.2010 zu zahlen
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b) an den Kläger sowie die Drittwiderbeklagte vorgerichtliche Anwaltskosten der Anwaltskanzlei Dr. Lu. in Höhe von 2.118,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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c) den Kläger sowie die Drittwiderbeklagte von den Forderungen der Z. Dt. H. Lebensversicherungs AG gemäß Darlehensvertrag vom 08.10.2004 (Darlehensbetrag 32.000,00 EUR, Kto.-Nr. .../...) freizustellen
18 
Zu a) - c) Zug um Zug gegen lastenfreie Übertragung des Eigentums an dem Wohnungsgrundbuch von E. (Amtsgericht E.) Bl. 5944, eingetragenen 390/10.000stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück Gemarkung E., Flur 27…, Flurstück 21…, Hof- und Gebäudefläche, B. Straße 1 - 3, L. Straße 37, in Größe von 15,90 a, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 23 im 2. Obergeschoss, im Aufteilungsplan mit Nr. 23 bezeichnet.
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2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Eigentumsübertragung an der in Z. 1 bezeichneten Wohnung in Verzug befindet.
20 
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegenüber dem Kläger und der Drittwiderbeklagten aus dem Darlehensverhältnis gemäß Darlehensvertrag vom 08./14.10.2004 (Kreditbetrag 68.000,00 EUR, Kto.-Nr. .../...) keine Forderungen mehr zustehen.
21 
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger über den Leistungstitel in Z. 1 hinaus sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Finanzierung der in Z. 1 bezeichneten Immobilie, wozu z.B. auch die Kosten der Abwicklung des Darlehensvertrages und die Übereignung der bezeichneten Eigentumswohnung gehören, entstehen.
22 
5. Hilfsweise
23 
a) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger und der Drittwiderbeklagten den durch die Finanzierung der im Antrag zu 1. bezeichneten Immobilie mittels Kreditvertrags zu Kto.-Nr. .../... (Kreditbetrag: 68.000,00 EUR) und Darlehensvertrag mit dem Dt. H. zu Kto.-Nr. .../... (Darlehensbetrag 32.000,00 EUR) entstandenen und entstehenden Zinszahlungen, soweit diese einen Betrag von 44.865,65 EUR überschreiten, zu ersetzen haben,
und
24 
b) festzustellen, dass der Beklagten gegenüber dem Kläger und der Drittwiderbeklagten aus dem Darlehensverhältnis gemäß Kto.-Nr. .../... (Kreditbetrag 68.000,00 EUR) über einen Betrag von 98.508,59 EUR (30.508,59 EUR Zinsen plus 68.000,00 EUR Darlehensvaluta) hinaus keine weiteren Ansprüche zustehen.
25 
6. Die (Dritt-)Widerklage der Beklagten abzuweisen.
26 
Den Klageantrag Ziff. 3 und die Hilfsanträge Ziff. 5 hat der Kläger für erledigt erklärt.
27 
Der Erledigungsklärung stimmt die Beklagte nicht zu.
28 
Die Beklagte beantragt,
29 
die Berufung zurückzuweisen.
30 
Zum weiteren Vorbringen in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
II.
31 
Die Berufung des Klägers und der Drittwiderbeklagten ist zurückzuweisen.
32 
Die Berufung ist gemäß § 511 ZPO statthaft und form- und fristgerecht erhoben und begründet. Der Beklagten sind jedoch keine Aufklärungspflichtverletzungen beim Abschluss der Darlehensverträge vorzuwerfen, weswegen der Kläger keine Schadenersatzansprüche (Antrag Ziff. 1) hat und die noch aufrecht erhaltenen Feststellungsanträge (Anträge Ziff. 2 und 4) unbegründet sind. Vielmehr hat das Landgericht auf die (Dritt-) Widerklage zutreffend festgestellt, dass der Kläger und die Drittwiderbeklagte ihre Pflichten aus dem Darlehensvertrag mit der Beklagten erfüllen müssen.
1.
33 
Für die Feststellungsanträge Ziff. 2 und 4 hat der Kläger ein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger weitere Schäden bei einer - unterstellten - Rückabwicklung der Verträge erleidet, z.B. Notarkosten oder sonstige Aufwendungen. Der Kläger hat ein Interesse an der Feststellung, dass diese Schäden zu ersetzen sind. Da der Kläger bei Antrag Ziff. 4 nicht die Ersatzpflicht von Schäden der Drittwiderbeklagten festgestellt haben möchte, bedarf die Frage, inwiefern für Drittrechtsverhältnisse ein Feststellungsinteresse besteht, keiner Entscheidung.
34 
Das Feststellungsinteresse für Antrag Ziff. 2 (Annahmeverzug der Beklagten) ist wegen § 765 Nr. 1 ZPO gegeben.
2.
35 
Der Kläger hat keinen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte auf Rückabwicklung der abgeschlossenen Verträge. Damit sind sämtliche Klageanträge unbegründet. Zwar wäre der Kläger als Mitgläubiger (§ 432 Abs. 1 BGB) berechtigt, die Zahlung von Schadenersatz an sich und die Drittwiderbeklagte zu verlangen (Palandt-Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 432, Rn. 3). Die Beklagte hat aber unter keinem der vorgebrachten Gesichtspunkte eine Aufklärungspflichten gegenüber dem Kläger verletzt (§§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB).
36 
a) Die Beklagte musste den Kläger und die Drittwiderbeklagte nicht darüber aufklären, dass sie an Herrn L. 1,0% oder 0,5% Provision für die Vermittlung der Darlehensverträge zahlte.
37 
Der BGH, Urteil vom 19. Dezember 2000, Az. XI ZR 349/99, hat eine Aufklärungspflicht der Bank bejaht, wenn sie den Vermögensverwalter eines Kunden an Provisionen und Depotgebühren beteiligt. Durch die Vereinbarung, dem Vermögensverwalter einen Teil der Provisionen und Depotgebühren zu vergüten, die sie künftig von Kunden erhalte, die er ihr zuführe, schaffe ihm die Bank einen Anreiz, bei der Auswahl der Bankverbindung sowie der Anzahl und des Umfangs der Geschäfte nicht allein das Interesse des Kunden, sondern auch das eigene Interesse an möglichst umfangreichen Vergütungen durch die Bank zu berücksichtigen. Für eine vergleichbare Gefährdung der Interessen des Klägers und der Drittwiderbeklagten hat die Beklagte durch die an Herrn L. bezahlte Provision von 1,0% oder 0,5% nicht gesorgt. Dabei ist irrelevant, ob Herr L. als Vermittler oder Berater für die Klägerseite tätig war. Er stand jedenfalls in keinem Vertragsverhältnis, aufgrund dessen er ähnlich einem Vermögensverwalter die Wahrnehmung der Interessen der Klägerseite - zumal als Hauptleistungspflicht - dauerhaft schuldete (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2010, Az. XI ZR 232/09, Rz. 20; BGH, Urteil vom 14. März 2003, Az. V ZR 308/02). Denn von einem vergüteten Vermögensverwalter kann erwartet werden, dass er sich nicht über Provisionen Dritter finanziert. Das ist bei einem Anlageberater und einem Anlagevermittler nicht der Fall, der bei einer einzelnen Anlageentscheidung des Klägers und der Drittwiderbeklagten tätig wird. Es ist unstreitig, dass der Kläger und die Drittwiderbeklagte Herrn L. für seine Tätigkeit nicht entlohnt haben und Herr L. sich nur auf Auskünfte zum Kauf der Wohnung beschränkte (siehe Protokoll vom 21. Dezember 2011, Bl. 99; darin liegt auch der Unterschied zu der von der Klägerseite zitierten Entscheidung OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. April 2006, Az. 6 U 128/04), was zudem für eine Vermittlungs- und nicht für eine Beratungstätigkeit spricht. Damit ist offensichtlich, dass Herr L. vom Verkäufer der Wohnung und/oder der Beklagten Provisionen erhalten muss. Denn der Kläger und die Drittwiderbeklagte konnten nicht davon ausgehen, dass Herr L. ohne jede Vergütung arbeitet. Die Provision ist selbst bei einer Höhe von 1,0% angemessen und üblich, so dass sich auch aus der Höhe der Provision kein Anhaltspunkt für eine Aufklärungspflicht herleiten lässt.
38 
Damit kann die Provisionszahlung an Herrn L. auch nicht, wie der Kläger meint, als „Schmiergeldzahlung“ angesehen werden.
39 
b) Die Beklagte traf weiter keine Aufklärungspflicht aufgrund eines konkreten Wissensvorsprungs. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (siehe z.B. Urteil vom 16. Mai 2006, Az. XI ZR 6/04, Rz. 41 nach juris; Urteil vom 15. Juni 2010, Az. XI ZR 318/09, Rz. 7 nach juris) ist eine kreditgebende Bank bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Geschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Sie darf regelmäßig davon ausgehen, dass die Kunden entweder über die notwendigen Kenntnisse oder Erfahrungen verfügen oder sich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bedient haben. Aufklärungs- und Hinweispflichten bezüglich des finanzierten Geschäfts können sich daher nur aus den besonderen Umständen des konkreten Einzelfalls ergeben. Dies kann unter anderem der Fall sein, wenn die Bank in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann.
40 
aa) Die Beklagte schuldete keine Aufklärung über einen möglicherweise überhöhten Kaufpreis.
41 
Grundsätzlich hat eine Bank nicht über die Risiken des finanzierten Geschäftes aufzuklären, insbesondere nicht über die Angemessenheit des Kaufpreises. Denn selbst der Verkäufer schuldet hierüber keine Aufklärung. Eine Aufklärungspflicht der Bank über die Unangemessenheit des Kaufpreises ist nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn es durch eine versteckte Innenprovision oder aus anderen Gründen zu einer so wesentlichen Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert kommt, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen muss. Dies ist bei Immobilienkäufen der Fall, wenn der Verkaufspreis knapp doppelt so hoch ist wie der Verkehrswert der Immobilie (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2010, Az. XI ZR 318/09, Rz. 8 nach juris; Urteil vom 23. Oktober 2007, Az. XI ZR 167/05, Rz. 16 nach juris).
42 
(1) Eine solche sittenwidrige Überteuerung behaupten der Kläger und die Drittwiderbeklagte nicht. Zwar gingen sie in der Klageschrift zunächst von einem Verkehrswert der Wohnung von 33.000,00 EUR aus. Die Behauptung haben sie aber nicht aufrecht erhalten, indem sie sich durch den Vortrag in der mündlichen Verhandlung vom 22. Dezember 2011 (Bl. 105 ff.) den Inhalt des vorgelegten Wertgutachtens zu eigen gemacht haben, wonach der Verkehrswert der Wohnung 58.000,00 EUR betrage. Ein Kaufpreis von 100.000,00 EUR bedeutet eine Überteuerung von 72% und damit noch kein grobes Missverhältnis (BGH, Urteil vom 10. Februar 2012, Az. V ZR 51/11, Rz. 15 nach juris).
43 
(2) Zudem fehlt es an einer Kenntnis der Beklagten von einer sittenwidrigen Überhöhung des Kaufpreises. Denn eine kreditgebende Bank ist unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs nur verpflichtet, den Kreditnehmer über solche Umstände aufzuklären, von denen sie positive Kenntnis hat bzw. sich die Kenntnis nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen musste. Seitens der Bank besteht keine Nachforschungspflicht hinsichtlich etwaiger Risiken des zu finanzierenden Vorhabens (BGH, Urteil vom 15. Juni 2010, Az. XI ZR 318/09, Rz. 9 nach juris).
44 
Unerheblich ist insoweit, ob die Beklagte mit dem Verkäufer bzw. Vermittler institutionalisiert zusammengearbeitet hat. Das würde nicht zu einer widerleglichen Vermutung der Kenntnis der Beklagten führen (BGH, Urteil vom 28. April 2008, Az. XI ZR 221/07, Rz. 17 nach juris). Die Kenntnis der Beklagten bzw. die konkreten Umstände des Einzelfalles, nach denen sich der zuständigen Mitarbeiterin H. die Sittenwidrigkeit des Kaufpreises aufdrängen musste, sind von der Klägerseite darzulegen und zu beweisen.
45 
Dem ist die Klägerseite nicht nachgekommen. Vielmehr trägt sie vor, die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten habe die Wohnung „nur im Vorbeifahren“ (Bl. 11) angesehen. Wie sie daraus den wahren Wert der Wohnung, die mit 71qm durchaus eine beachtliche Größe hatte, feststellen sollte, bleibt unerfindlich. Die aus dem vorgelegten Wertgutachten sich ergebenden wertbildenden Faktoren deuten nicht auf eine sittenwidrige Überteuerung der Wohnung hin. Die Beklagte trägt hingegen unbestritten vor, sie habe die Wohnung eingewertet und sei hierbei zu 75.000,00 EUR gelangt. Aus dem von der Klägerseite behaupteten Umstand, die Beklagte habe wenige Tage nach dem Abschluss der Darlehensverträge noch den Abschluss einer Lebensversicherung verlangt, lässt sich auf eine Kenntnis der Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung der Klägerseite nicht schließen. Die Lebensversicherung war im ursprünglichen Finanzierungsplan vorgesehen (Anlage K1). Wenn sie aus Versehen beim Abschluss der Darlehen nicht vereinbart wurde und im Nachhinein verlangt wird, deutet dies nicht darauf hin, dass die Beklagte die Wohnung für sittenwidrig überteuert gehalten hätte. Vor allem ist nicht erklärlich, warum die Beklagte gerade in den wenigen Tagen nach Abschluss der Darlehensverträge zu dieser Einschätzung gelangt sein soll, nachdem Frau H. die Objekte, so die Klägerseite, vor Vertragsschluss angesehen und rudimentär geprüft habe.
46 
bb) Für die Beklagte bestand auch keine Aufklärungspflicht über eine arglistige Täuschung des Klägers und der Drittwiderbeklagten durch Herrn L..
47 
Eine arglistige Täuschung durch Herrn L. setzt voraus, dass sich die behauptete Täuschung durch Vorspiegeln oder Entstellen von Umständen auf objektiv nachprüfbare Angaben bezieht und nicht lediglich subjektive Werturteile oder marktschreierische Anpreisungen vermittelt werden. Ein die Aufklärungspflicht der finanzierenden Bank auslösender konkreter Wissensvorsprung im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers erfordert dementsprechend konkrete, dem Beweis zugängliche unrichtige Angaben des Vermittlers oder Verkäufers über das Anlageobjekt (BGH, Urteil vom 19. September 2006, Az. XI ZR 204/04, Rz. 24 nach juris; Urteil vom 17. November 2009, Az. XI ZR 36/09, Rz. 32 nach juris).
48 
(1) Danach sind die behaupteten Aussagen des Herrn L., die „Belastungen würden durch die Steuervorteile ausgeglichen“ und der „Kaufpreis entspreche dem Verkehrswert“, als Werbung für den Kauf der Immobilie zu werten. Herr L. hat keine Berechnung der konkreten Steuervorteile durchgeführt. Vielmehr hat er (siehe Anlage K1) nur den Betrag von 258,00 EUR aufgeschrieben, welcher durch Steuervorteile erwirtschaftet werden müsse, um ohne weitere Eigenmittel die Wohnung zu finanzieren (BGH, Urteil vom 19. September 2006, Az. XI ZR 204/04, Rz. 26 nach juris). Darüber hinaus hat die Klägerseite nicht dazu vorgetragen, in welcher Höhe sie Steuervorteile erzielt hat. Somit ist nicht erkennbar, ob die offensichtlich als Prognose des Herrn L. aufgeschriebenen 258,00 EUR eventuell sogar erreicht wurden. Gleiches gilt für den Verkehrswert, der aufgrund der wertbildenden Faktoren, über welche keine falschen Angaben gemacht wurden, letztlich stets von den subjektiven Einschätzungen der Parteien bestimmt wird. Dass der verkaufte Gegenstand seinen Preis wert ist, versucht jeder Verkäufer darzustellen und dies ist - bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit - rechtlich nicht zu beanstanden.
49 
(2) Eine arglistige Täuschung des Herrn L. durch Unterlassen, indem er keine Angaben über Provisionen gemacht habe, ist ebenfalls nicht schlüssig vorgetragen. Eine Aufklärungspflicht über die behauptete Provision von über 10% bestand nicht. Dabei ist nicht einmal dargelegt, von wem Herrn L. die Provision erhalten haben soll. Erst ab einer Innenprovision von 15%, die zum Abfluss der eingesetzten Finanzierungsmittel ohne Erwerb eines Sachwertes führt, besteht eine Aufklärungspflicht (BGH, Urteil vom 12. Februar 2004, Az. III ZR 359/02, Rz. 39 nach juris; Urteil vom 28. Juli 2005, Az. III ZR 290/04, Rz. 27 nach juris). Dann ist die Grenze erreicht, bei welcher der Anleger die Rentabilität des Objekts hinterfragen würden.
50 
(3) Ebenso wenig bestand eine Aufklärungspflicht darüber, dass auf den Kläger und die Drittwiderbeklagte mit dem Erwerb der Wohnung laufende Kosten wie die Hausverwaltung und Instandhaltung zukommen. Ungefragt ist nur auf solche Umstände hinzuweisen, über die nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Auskunft erwartet werden kann, insbesondere wenn sie für die Klägerseite von ausschlaggebender Bedeutung sind (siehe Palandt-Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 123, Rn. 5 und 5b). Das ist bei allgemein bekannten Umständen wie laufenden Kosten einer Eigentumswohnung nicht der Fall. Darüber bedarf es keines ausdrücklichen Hinweises. Selbst wenn die Wohnung als Anlageobjekt vermittelt wird, ist jedem verständigen Käufer bewusst, dass man sich als Eigentümer um die Instandhaltung, Reparaturen, Neuvermietung, etc. kümmern muss und die nicht auf Mieter umlagefähigen Kosten selbst zu tragen hat. Dass Herr L. falsche Angaben zu diesen Kosten gemacht hätte, wird nicht behauptet.
51 
(4) Ob Herr L. den Kläger und die Drittwiderbeklagte arglistig getäuscht hat, als er bei dem Gespräch in der Wohnung des Klägers und der Drittwiderbeklagten, beim Notartermin und nochmals im Beisein von Frau H. erklärt habe, sie würden monatlich 340,00 EUR Mieteinnahmen für die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vermietete Wohnung erzielen, tatsächlich seien es aber nur 256,80 EUR gewesen, kann offen bleiben. Denn es fehlt an einer Kenntnis der Beklagten von der behaupteten arglistigen Täuschung.
52 
(a) Für die Kenntnis sind der Kläger und die Drittwiderbeklagte vollumfänglich beweispflichtig. Die Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird nur dann widerleglich vermutet, wenn Verkäufer, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers oder des für ihn tätigen Vermittlers nach den Umständen des Falles evident ist, so dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen (BGH, Urteil vom 16. Mai 2006, Az. XI ZR 6/04, Rz. 52 nach juris).
53 
Ein institutionalisiertes Zusammenwirken ist anzunehmen, wenn zwischen Verkäufer, den von ihm beauftragten Vermittlern und der finanzierenden Bank ständige Geschäftsbeziehungen bestanden. Diese können etwa in Form einer Vertriebsvereinbarung, eines Rahmenvertrages oder konkreter Vertriebsabsprachen bestanden haben oder sich daraus ergeben, dass von Vermittlern - von der Bank unbeanstandet - Formulare des Kreditgebers benutzt wurden oder dass der Verkäufer oder die Vermittler dem finanzierenden Institut wiederholt Finanzierungen von Eigentumswohnungen desselben Objektes vermittelt haben (BGH, Urteil vom 16. Mai 2006, Az. XI ZR 6/04, Rz. 53 nach juris). Ausreichend ist demnach, wenn die Beklagte die Finanzierung einer Vielzahl von Anlegern planmäßig übernommen hat, die nicht von sich aus mit einem Kreditwunsch an sie herangetreten sind, sondern denen - wie hier der Kläger und die Drittwiderbeklagte - vom Vermittler neben den Unterlagen zum Wohnungskauf auch die Finanzierungsunterlagen vorgelegt wurden (BGH, Urteil vom 24. März 2009, Az. XI ZR 456/07, Rz. 37 nach juris). Der Verkäufer bzw. der Vermittler sowie die Beklagte müssten aufgrund konkreter Absprachen planmäßig zusammengearbeitet haben. Eine allgemeine Finanzierungszusage der Beklagten gegenüber Herrn L. ist nicht ausreichend.
54 
Das haben der Kläger und die Drittwiderbeklagte nicht dargelegt. Sie haben behauptet, es sei zwischen Herrn L. und Frau H. vereinbart gewesen, Herr L. könne mit Kaufinteressenten aufgrund der vorhandenen Kreditmittel jederzeit vorbei kommen, das Darlehen werde nach den persönlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen gewährt, ohne dass die Werthaltigkeit des Grundpfandrechts im Einzelnen geprüft werde. Die Immobilien habe sich Frau H. zuvor mit Herr L. angesehen. Deshalb habe Frau H. Herrn L. Formulare für Selbstauskünfte überlassen, welche auch bei der Klägerseite zum Einsatz gekommen seien, wobei sich der Kläger und die Drittwiderbeklagte bei diesem Punkt selbst widersprechen, nachdem sie ein neutrales Selbstauskunftsformular verwendet haben (Anlage B2). Herr L. habe bis zu 40 Kunden für verschiedene Objekte aufgrund der reibungslosen Abläufe bei der Beklagten immer wieder zu dieser gebracht. Darunter seien mehrere Käufer von Wohnungen im selben Objekt in der B. Straße/L. Straße in E. gewesen. Eine Verbindung zwischen den verschiedenen Objekten habe bestanden, weil sie alle wirtschaftlich Herrn G. zuzuordnen seien, der zwar nicht selbst als Verkäufer aufgetreten sei, durch die Einschaltung von Strohmännern aber letztendlich der wirtschaftlich Begünstigte durch die Verkäufe gewesen sei.
55 
Darin liegt kein institutionalisiertes Zusammenwirken. Die „Zusammenarbeit“ zwischen Herrn L. und Frau H. von der Beklagten hat sich nicht auf bestimmte Objekte fokussiert. Frau H. hat vor jeder Objektfinanzierung eine zumindest oberflächliche Prüfung der Wohnungen vorgenommen, so dass jeweils im Einzelfall entschieden wurde. Die „Zusammenarbeit“ zwischen Herrn L. und Frau H. basierte nach den Behauptungen der Klägerseite zudem auf dem guten persönlichen Kontakt, was gegen eine Institutionalisierung spricht, die gerade unabhängig von den konkret handelnden Personen aufgrund einer Rahmenvereinbarung oder konkreter, über den Einzelfall hinausgehender Vertriebsabsprachen bestehen muss. Es wird nicht behauptet, dass der Verkauf der Wohnungen des Herrn G. über andere Vermittler in gleicher Weise abgelaufen wäre. Allein der gleiche reibungslose Ablauf und der Umstand, dass die Objekte durchgängig wirtschaftlich Herrn G. zuzuordnen seien, können ein institutionalisiertes Zusammenwirken nicht begründen.
56 
Selbst wenn die Beklagte Herrn L. Selbstauskunftsformulare überlassen hätte, ist dies in der vorliegenden Konstellation kein ausreichendes Indiz für ein institutionalisiertes Zusammenwirken. Eine konkrete Berechnung der Darlehensmodalitäten erstellte die Beklagte erst am 27. September 2004 (Anlage K1) nach Einreichung der Selbstauskunft vom 21. September 2004 (Anlage B2), so dass mit einem Überlassen von Selbstauskunftsformularen kein näherer Anschein zu den Darlehenskonditionen gesetzt werden konnte. Dies ist der Unterschied zu den Fällen, in welchen in einem Verkaufs- oder Fondsprospekt die Darlehenskonditionen bereits vorab dem Käufer erläutert werden und der Bezug dieser Konditionen zur finanzierenden Bank über die Auskunftsformulare hergestellt wird. Eine entsprechende Konkretisierung ist hier erst nach der Finanzierungsanfrage an die Beklagte aufgrund der bereits auf neutralem Papier ausgefüllten Selbstauskunftsformulare erfolgt. Denn ohne den Bezug zu den konkreten Darlehenskonditionen ist das Verwenden von Selbstauskunftsformularen als Indiz für ein institutionalisiertes Zusammenwirken kaum brauchbar, nachdem jeder Darlehensinteressent bei einer Anfrage entsprechende Formulare erhält.
57 
Deswegen kann insgesamt offen bleiben, ob die klägerischen Behauptungen zur Zusammenarbeit zwischen Herrn L. und Frau H. zutreffen. Wenn der Kläger und die Drittwiderbeklagte beispielsweise bei der Anhörung im erstinstanzlichen Termin angeben, Herr L. habe Frau H. gesagt, er schaffe im Jahr 2004 noch einen Umsatz von einer Millionen Euro, deutet das bei dem jeweils gegebenen Finanzierungsvolumen darauf hin, dass die Anzahl der vermittelten Kredite in einer Größenordnung von 10 bis maximal 15 pro Jahr lag und nicht bei 40 (Bl. 100).
58 
(b) Für eine Kenntnis der zuständigen Sachbearbeiterin Frau H. (§ 166 Abs. 1 BGB) von einer arglistigen Täuschung durch Herrn L. über die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entrichtete Miete haben der Kläger und die Drittwiderbeklagte keinen direkten Beweis angeboten. Sie haben lediglich ihren Vortrag unter Beweis gestellt, Frau H. habe durch das Aufschreiben der Miete auf das Berechnungsbeispiel (Anlage K1) in ihrer Anwesenheit mitbekommen, dass Herr L. dem Kläger und der Drittwiderbeklagten eine Miete von 340,00 EUR monatlich genannt habe. Desweiteren haben sie im nachgelassenen Schriftsatz vorgetragen und dafür Beweis angeboten, Frau H. habe von Herrn L. keine Angaben zur Miete wissen wollen und Unterlagen für ihre Akten nicht gewünscht, damit sie „sauber blieben“.
59 
Aus den unter Beweis gestellten Behauptungen kann nicht der sichere Schluss gezogen werden, Frau H. habe von einer arglistigen Täuschung über die tatsächlich erzielte Miete gewusst bzw. zumindest eine solche für ernstlich möglich gehalten. Zur Kenntnis von der arglistigen Täuschung gehört nicht nur das Wissen um die falsche Angabe von 340,00 EUR monatlicher Miete, sondern auch das Wissen um die tatsächliche Miete. Falls Frau H. keine Angaben über die Miete in der Akte haben wollte, deutet dies entgegen der klägerischen Auffassung nicht darauf hin, dass sie davon ausging, Herr L. werde den Kunden bewusst eine unzutreffende Miete nennen. Vielmehr dürfte es ihr ausschließlich darum gegangen sein, dass die Ermittlung des Beleihungswertes und damit die Kreditvergabe insgesamt nicht durch die Angabe einer niedrigen Miete in Frage gestellt werden könnte. In den Beleihungswert fließt die tatsächlich erbrachte bzw. die erzielbare Miete ein, sofern sie bekannt ist.
60 
Dass Frau H. hingegen vermeiden wollte, arglistige Täuschungen über die erzielte Miete in den Kreditunterlagen aktenkundig zu machen, erscheint kaum wahrscheinlich. Ansonsten hätte sie Herrn L. absichtliche Falschangaben gegenüber den Kunden, also gewerbsmäßigem Betrug, unterstellt. Dies ist aus Sicht von Frau H. schon deshalb fernliegend, weil die Kunden bereits bei der ersten Überweisung der tatsächlichen Miete die Falschangaben entdecken würden und sich Herr L. umfangreichen Schadenersatzforderungen aussetzen würde. Ein strafrechtlich relevantes und leicht zu entdeckendes Vorgehen wird Frau H. von Herrn L. kaum erwartet haben.
3.
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Die Widerklage ist zulässig und begründet.
62 
a) Das Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) für die Widerklage ist gegeben. Zwar könnte die Beklagte Leistungsklage gemäß § 257 ZPO erheben. Es ist umstritten, ob diese Möglichkeit das Feststellungsinteresse ausschließt (ausführlich zum Meinungsstand: MünchKomm-Becker-Eberhard, ZPO, 4. Aufl., § 256, Rn. 52, insb. Fn. 217). Der Vorrang der Leistungsklage besteht allerdings nicht, wenn bereits die Feststellungsklage der Beklagten die Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und der Drittwiderbeklagten einerseits und der Beklagten andererseits endgültig klärt (hierzu Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl., § 256, Rn. 8). Davon ist vorliegend auszugehen. Denn der Kläger und die Drittwiderbeklagte zahlen weiterhin bei Fälligkeit die Zins- und Tilgungsleistungen, obwohl sie momentan Einwendungen geltend machen. Sollte durch rechtskräftiges Urteil diese Verpflichtung festgestellt werden, womit sie mit ihren Einwendungen auch für die Zukunft ausgeschlossen würden, ist erst Recht zu erwarten, dass sie ihren Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag mit der Beklagten nachkommen.
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b) Die Feststellungsklage ist begründet, da dem Kläger und der Drittwiderbeklagten keine Einwendungen gegen den Anspruch aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB zustehen (siehe oben).
4.
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Sofern der Kläger den Feststellungsantrag Ziff. 3, dass der Beklagten keine Ansprüche aus dem Darlehensvertrag gegen ihn und die Drittwiderbeklagte zustehen, und den Hilfsantrag Ziff. 5 einseitig für erledigt erklärt hat, liegt darin eine Klageänderung. Er möchte nunmehr festgestellt wissen, dass die Anträge ursprünglich zulässig und begründet waren und durch ein erledigendes Ereignis, hier die Widerklage, unzulässig oder unbegründet geworden sind. Wie oben dargelegt, waren die Klageanträge bereits bei Klageerhebung jedenfalls unbegründet. Der Erledigungsfeststellungsantrag ist deshalb ebenfalls erfolglos.
5.
65 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Die Entscheidung weicht nicht von Entscheidungen anderer Obergerichte oder des Bundesgerichtshofs ab und beruht im Wesentlichen auf den Umständen des Einzelfalls.

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