1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hechingen vom 04.03.2013, Az. 1 O 196/12, abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, 44.453,52 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 750.797,59 EUR für die Zeit vom 17.09.2011 bis zum 31.01.2012 sowie aus 44.453,52 EUR seit dem 01.02.2012 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, weitere 1.530,58 EUR an die Klägerin zu bezahlen.
3. Im übrigen werden die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 13 % und die Beklagte 87 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
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| | Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen ‒ Az. 1 O 196/12 ‒ vom 04.03.2013, mit dem es ihre Klage auf Zahlung von Schadensersatz aus abgetretenem Recht wegen Erwerbs von Wertpapieren ohne Auftrag und fehlerhafter Anlageberatung abgewiesen hat, und verfolgt ihr Klagebegehren weiter. |
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| | Während eines allgemeinen Vorgesprächs am 12.04.2011 ermittelte die Beklagte die Risikobereitschaft des Zeugen L. anhand von Fragen im Depotvertrag (Nrn. 3 bis 6 der Anl. B1) und schlug ihm daraufhin die Anlage nach der Anlagestrategie „Wachstum“ vor, die er nach den Angaben im Depotvertrag auch wählte (Nr. 2 der Anl. B1). Zur Erläuterung der verschiedenen Anlagestrategien heißt es unter Nr. 1 des Depotvertrages: |
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| | „Die Anlagestrategien unterscheiden sich durch unterschiedlich stark ausgeprägte Chancen und Risiken. Im Allgemeinen gilt: Je risikoorientierter Sie Ihr Vermögen anlegen, desto größer können die Anlageergebnisse in guten und in schlechten Börsenjahren voneinander abweichen“. |
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| | Nachfolgend werden die einzelnen Anlagestrategien beschrieben. So heißt es für „Wachstum“: |
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| | Bei der Anlagestrategie Wachstum ist die Depotstruktur auf hohe Gewinnchancen ausgerichtet. Im Vordergrund steht die Erwirtschaftung einer überdurchschnittlichen Wertentwicklung. Hohe Wertverluste sind jederzeit möglich. Die Diversifikation wird über die Assetklassenaufteilung Renten, Aktien, Immobilien, Alternative Investments und Liquidität vorgenommen. Den Schwerpunkt dieser Anlagestrategie bilden nationale und internationale Aktien(fonds), Zertifikate und Rentenpapiere.“ |
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| | Bei der Anlagestrategie Chance ist die Depotstruktur auf überdurchschnittliche Gewinnchancen ausgerichtet. Im Vordergrund steht die Erwirtschaftung einer außergewöhnlich hohen Wertentwicklung. Sehr hohe Wertverluste sind jederzeit möglich. Die Diversifikation wird über die Assetklassenaufteilung Renten, Aktien, Immobilien, Alternative Investments und Liquidität vorgenommen. Den Schwerpunkt dieser Anlagestrategie bilden nationale und internationale Aktien(fonds) und Zertifikate.“ |
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| | Nach einem Beratungsgespräch am 28.06.2011 von jedenfalls mindestens 45 min über die Anlage von Wertpapieren in der Größenordnung von ca. 750.000 EUR veranlasste die Beklagte den Ankauf der besprochenen 10 Wertpapiere für den Zeugen L., deren Abrechnungen ihm nach Erstellung zugingen. In den „Geschäftsabrechnungen“ vom 29. und 30.06. sowie vom 05., 06. 08. und 28.07.2011 (Anl. K4) heißt es jeweils: „Wertpapierkauf […] Abwicklung: Festpreis […]“. In den Abrechnungen über den Kauf von Papieren, die nicht von der C. (WKN …, … und …) und der K. (WKN ...) emittiert wurden (im Beratungsbogen (Anl. K7) unter Ziff. 3 lit. a) bis d) sowie h) und i) aufgeführt), heißt es überdies jeweils: „In dem Kurswert sind […] % Ausgabeaufschlag der Bank erhalten.“ Für diese Papiere wurden dem Zeugen L. Bonifikationen zwischen 0,58 % und 1 % des Kurswertes gewährt. Von den erworbenen Papieren waren vier der Aktienfonds sowie ein Rentenfonds in die höchste Risikoklasse eingestuft. |
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| | Ca. fünf Wochen nach dem Beratungsgespräch kam es am 04.08.2011 zu einem erneuten Gespräch des Zeugen L. mit der Beraterin der Beklagten, der Zeugin M., bei dem er sich insbesondere über den bereits eingetretenen Kursverlust von ca. 40.000 EUR beklagte. Am 17.08.2011 rügte er bei der Vertreterin der Zeugin M. während deren Urlaubs, kein Beratungsprotokoll über die Beratung vom 28.06.2011 erhalten zu haben, woraufhin diese ihn am 18.08.2011 besuchte und ihm einen Ausdruck des Protokolls (Anl. K7) übergab. Mit Schreiben vom 20.08.2011 (Anl. K2) verlangte der Zeuge L. die Rückgängigmachung seiner im Hause der Beklagten getätigten Geldanlagen und Gutschrift der ursprünglichen Anlagesummen. Er habe der Zeugin M. den Auftrag für "eine einzelne Fondsanlage, DAX-Einzelwerte und eine Geldmarktanlage gegeben", wobei „der Fonds und die DAX-Aktien-Einzelwerte so ausgerichtet“ sein sollten, dass die Kurse in der FAZ nachzulesen seien. Er habe keinerlei Verkaufsberichte erhalten und vor dem 18.08.2011 keinen WpHG-Bogen unterschrieben und ausgehändigt bekommen. Ebenfalls habe er keinerlei Kontoeröffnungsunterlagen erhalten. |
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| | Durch den Verkauf der erworbenen Papiere am 25./26.01.2012 hat sich ein Schaden von 44.453,52 EUR realisiert. |
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| | Die Klägerin behauptet, der Zeuge L. habe den Auftrag zum Erwerb der Wertpapiere nicht erteilt. Jedenfalls habe die Beklagte ihn falsch beraten, weil die Papiere weder der von ihm beabsichtigten Anlagestruktur von 60 % des Anlagevolumens in DAX-Einzel-Werten und 40 % in Festzins- oder Geldmarktpapiere entspreche, noch seiner Risikoneigung. |
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| | Im übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 04.03.2013 (Bl. 196 ff. der Akte) Bezug genommen. |
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| | Das Landgericht hat die Klage mit der Klägerin am 11.03.2013 zugestelltem Urteil abgewiesen. |
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| | Die am 15.03.2013 bei Gericht eingegangene und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründete Berufung verfolgt das erstinstanzliche Klagebegehren vollumfänglich weiter. |
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| | Sie rügt zunächst einen Verfahrensverstoß des Landgerichts. In der Sache macht sie unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens insbesondere geltend: |
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| | Weil die Zeugin M. Widersprüche insbesondere zu den Vorerfahrungen des Zeugen L. nicht aufgeklärt habe, habe sie diese nicht ausreichend erforscht und seine konkrete Risikoneigung nicht ausreichend berücksichtigt. Weil die Anlagestrategie von 60 % in Aktien- und 40 % in Rentenwerten systemseitig vorgeschlagen worden sei, handele sich um eine fehlerhafte Ausarbeitung des Vorschlages. Nicht einmal diesen habe die Beklagte umgesetzt, da die Zeugin M. zu 100 % hochriskante Aktienfonds und Zertifikate ins Portfolio des Zeugen L. eingestellt habe. |
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| | Sie habe den Zeugen L. auch nicht objektgerecht beraten, weil sie nach eigenen Angaben nicht alle Risiken in allen Einzelheiten mit ihm besprochen habe. Letztlich habe sie das Beratungsgespräch fehlerhaft protokolliert. Die Beklagte habe daher den Nachweis des rechtzeitigen Zugangs des Protokolls vor Abschluss der streitgegenständlichen Geschäftsabschlüsse nicht führen können. Deshalb stehe nach der Beweisaufnahme fest, dass sie den Zeugen L. nicht ordentlich beraten habe. Auch könne die Beklagte daher nicht nachweisen, dass er die unstreitig empfohlenen Geschäftsabschlüsse gewollt habe. Die Beklagte treffe die Beweislast für die umfassende und korrekte Beratung und die Auftragserteilung durch den Kunden. |
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| | Auch die Ausführungen des Landgerichts zur Rückvergütung überzeugten nicht. Jedenfalls seit Inkrafttreten des § 31d WpHG (01.11.2007) treffe die vom Landgericht zitierte Rechtsprechung zur fehlenden Aufklärungspflicht über Gewinnmargen nicht mehr zu. |
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| | Die Klägerin beantragt (Bl. 227 ff., 294 der Akte): |
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| | 1. Es wird unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Hechingen vom 04.03.2013, Az. 1 O 196/12, beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 44.453,52 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 2,5 % aus |
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| seit dem 29.06.2011 bis 29.01.2012 |
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| seit dem 30.06.2011 bis 31.01.2012 |
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| seit dem 30.06.2011 bis 29.01.2012 |
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| seit dem 06.07.2011 bis 31.01.2012 |
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| seit dem 05.07.2011 bis 29.01.2012 |
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| seit dem 06.07.2011 bis 26.01.2012 |
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| seit dem 08.07.2011 bis 26.01.2012 |
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| seit dem 28.07.2011 bis 26.01.2012 und |
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| seit dem 29.06.2011 bis 26.01.2012 |
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| | zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 750.797,59 EUR seit dem 20.08.2011 bis 31.01.2012 sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus 44.453,52 EUR seit dem 01.02.2012 zu bezahlen. |
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| | 2. Unter Aufhebung des in Ziff. 1 benannten Urteils wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin, hilfsweise dem Zedenten Peter L., schriftlich Auskunft über die im Zusammenhang mit den gemäß nachfolgender Tabelle aufgeführten Werten, verdienten Zuwendungen sowie einstrukturierten anfänglichen negativen Marktwerten mitzuteilen und die Richtigkeit dieser Angaben an Eides statt zu versichern. |
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| | 3. Unter Aufhebung des in Ziff. 1 benannten Urteils wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin, hilfsweise dem Zeugen L, die außergerichtlich entstandenen Kosten aus einem Gegenstandswert i.H.v. 797.393,96 EUR i.H.v. 7.209,97 EUR zu erstatten. |
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| | Die Beklagte beantragt (Bl. 222, 294 d. A.): |
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| | Die Berufung wird zurückgewiesen. |
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| | Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihre erstinstanzlichen Vorbringens. |
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| | In der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2013 hat der Senat die Zeugen M. und L. vernommen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 293 ff. der Akte) verwiesen. |
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| | Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet, weil die zulässige Klage weitgehend begründet ist. |
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| | Die Klägerin hat gegen die Beklagte zwar keinen Anspruch auf Zahlung der Differenz aus mangels Auftragserteilung zu Unrecht abgebuchten 750.797,59 EUR zum Zwecke des Erwerbs der streitgegenständlichen Wertpapiere und dem Verkaufserlös für die Papier [s. u. 1.]. Sie hat aber einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz von 44.453,52 EUR nebst Verzugszinsen aus §§ 280 Abs. 1, 286, 288 Abs. 1, 398 BGB wegen Verletzung der Pflicht zur anlegergerechten Beratung [s u. 2. und 3.]. Allerdings hat sie Anspruch auf Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten lediglich aus einem Gegenstandswert von 44.453,52 EUR und nicht von 797.393,96 EUR [s. u. 4.]. Anspruch auf Auskunft über die Zuwendungen aus den Wertpapiertransaktionen und über etwaige einstrukturierte, anfängliche negative Marktwerte hat die Klägerin nicht [s. u. 5]. |
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| | Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der Differenz aus den zum Kauf der streitgegenständlichen Wertpapiere vom Transaktionskonto abgebuchten 750.797,59 EUR und dem Verkaufserlös der streitgegenständlichen Papiere aus dem Transaktions- und dem Depoteröffnungsantrag vom 12.04.2011 (Anlagen B1, B2). Denn die Beklagte hat den ihr obliegenden Beweis geführt, dass der Zeuge L. den Auftrag zum Erwerb der streitgegenständlichen Wertpapiere erteilte. |
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| | Der Senat ist nach Vernehmung der Zeugin M. davon überzeugt, dass der Zeuge L. zum Abschluss des Beratungsgesprächs am 28.06.2011 den Auftrag zum Erwerb der 10 streitgegenständlichen Papiere erteilte, indem er die Frage der Zeugin M. bejahte, ob sie das von ihr vorgestellte Konzept umsetzen sollten. Sie hat überzeugend und lebendig geschildert, wie sie dem Zeugen L. zum einen das vorgeschlagene Gesamtkonzept anhand einer grafischen Darstellung in Form einer Art Kreis-Diagramm vorgestellt hatte und sich zum anderen von ihm mündlich den Auftrag erteilen ließ, die einzelnen Papiere zu den im Gespräch weiterentwickelten Prozentsätzen zu erwerben. |
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| | Dabei ist dem Senat sehr wohl bewusst, dass eine mündliche Auftragserteilung bei einem Beratungsgespräch in der Filiale, das also nicht telefonisch stattfindet, insbesondere bei einer derart hohen Anlagesumme, ungewöhnlich ist. Bedenklich erscheinen auch die Umstände im Zusammenhang mit der nachträglichen Erstellung und Übersendung des Beratungsprotokolls (Anl. K7), zu dem die Beklagte – entgegen den Vorgaben des § 34 Abs. 2a WpHG – offensichtlich nicht mehr über ein ausgedrucktes und von der Zeugin M. unterschriebenes Original verfügt. Der Senat hatte die Beklagte vor dem Termin der mündlichen Verhandlung ausdrücklich aufgefordert, das Beratungsprotokoll im Original sowie etwaige WpHG-Dokumentation zur Ordererteilung und -ausführung mitzubringen (Verfügung vom 31.10.2013, Bl. 278 der Akte), wozu sich diese nicht im Stande sah. |
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| | Dennoch ist der Senat davon überzeugt, dass sich das Beratungsgespräch so ereignete, wie es die Zeugin M. geschildert hat. Zum einen hat diese den genauen Ablauf so detailliert geschildert, wie der Senat bisher von einem Berater kaum einmal eine Schilderung erlangt hat. Auch dieses besonders gute Erinnerungsvermögen spricht nicht etwa gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin. Es erklärt sich vielmehr neben der besonders hohen Anlagesumme des Zeugen L., der bis dahin kein Kunde der Beklagten war, mit seinen bereits wenige Wochen nach dem Gespräch gestellten Forderungen. Daraufhin musste die Zeugin bereits sehr früh Stellungnahmen abgeben und sich mit dem Sachverhalt gedanklich auseinandersetzen. Glaubwürdig ist die Zeugin insbesondere auch deswegen, weil ihre Aussage in keiner Weise einseitige Tendenzen erkennen ließ. So erklärte sie nicht nur, dass der Zeuge L. den Erwerb des zunächst auch vorgeschlagenen Immobilienfonds ablehnte, da er bereits über ausreichendes Immobilienvermögen verfügte. Sie stand vielmehr auch zu den von ihr zu verantwortenden Unzulänglichkeiten im Rahmen der Beratung und Nachbearbeitung. So hat sie zum einen erklärt, sich bewusst gegen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschrift des § 34 Abs. 2a WpHG entschieden zu haben, dem Zeugen das Beratungsprotokoll unmittelbar auszuhändigen. Denn sie hielt es für unzumutbar, ihn so lange warten zu lassen, wie sie für die Erstellung des Protokolls brauchen würde. Denn darin wollte sie auch die genauen Beträge für jedes Wertpapier aufnehmen, die im Gespräch lediglich prozentual bestimmt waren. Diese musste sie erst noch errechnen. |
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| | Zum anderen übernahm sie die volle Verantwortung dafür, nicht alle Kauforder gleichzeitig eingegeben zu haben, sondern – auch soweit es sich nicht um solche Papiere handelte, die erst im Laufe der Zeichnungsfrist erworben werden sollten – verteilt über einen Zeitraum zwischen dem 29. Juni und dem 8. Juli. Sie konnte sich das zwar nicht mehr erklären, war sich aber sicher, diese selbst eingegeben zu haben. |
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| | Der gegenbeweislich vernommene Zeuge L. dagegen konnte den Senat vom Gegenteil nicht überzeugen, da seine Aussage nicht glaubhaft war. Er machte überhaupt keine in sich geschlossenen Angaben, auch nicht dazu, über welche Erfahrungen mit welcher Art von Papieren er verfügte, wozu die Anlage dienen sollte, in welchem Zeithorizont welche Teile verfügbar sein sollten und was genau er in den Gesprächen am 12.04., 28.06. und 04.08.2011 mit der Zeugin M. besprach. Insbesondere hat er – im Gegensatz zur Zeugin M. – keinerlei Angaben zu den Randbedingungen wie etwa der kostenfreien Depotführung und der von der Beklagten behaupteten – und von der Zeugin M. bestätigten – Reduzierung der Ausgabeaufschläge gemacht, die sich in den lt. Wertpapierabrechnungen gewährten Bonifikationen wiederfinden. Anlass hierfür hätte ohne jegliche Thematisierung der Ausgabeaufschläge und Vertriebsprovisionen überhaupt nicht bestanden. Der Zeuge L. hat sich an Einzelheiten gar nicht mehr erinnert. Er verwies vielmehr, auch auf einzelne Nachfragen des Senats, lediglich stereotyp auf die nicht seinen Vorstellungen entsprechenden Vorschläge zum Erwerb von 40 % festverzinslichen Wertpapieren und 60 % Aktien. Damit hat er den Eindruck vermittelt, dass seine Wahrnehmung bzw. Erinnerung sich noch ausschließlich auf diesen Aspekt fokussiert und er andere, ihm ungünstige, Begebenheiten schlicht ausgeblendet hat. |
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| | Zudem erscheint dem Senat der Vortrag der Klägerin als ebenso lebensfremd wie die – wenigen – Angaben des Zeugen L.. Es ist nahezu unvorstellbar, dass eine Beraterin 10 verschiedene Wertpapieranlagen trotz des zu jedem Papier gemachten Hinweis des Anlegers, dass ihn solche Papiere nicht interessierten, sondern er lediglich Einzelaktien und festverzinsliche Wertpapiere erwerben wolle, vom ersten bis zum 10. Papier vorstellt und erläutert sowie diese Papiere trotz der ausdrücklichen Missbilligung des Anlegers für ihn anschafft. |
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| | Auch die Angabe des Zeugen L., er habe vor dem Gespräch am 04.08.2011 keinen Einblick in sein Depot gehabt und sei aufgrund zeitweiser Urlaube nicht in der Lage gewesen, die bereits bis Anfang Juli 2011 erstellten und unstreitig auch unverzüglich erhaltenen Kaufabrechnungen über Teilbeträge von insgesamt immerhin fast 635.000 EUR wahrzunehmen, ist angesichts der Behauptung, er habe die Anlagen – im Gegensatz zur vorherigen Vermögenssorge in der Schweiz – nun eigenverantwortlich führen wollen, nicht glaubhaft. Zum einen waren die Angaben, wann er wo und wie lange im Urlaub war, bereits in sich widersprüchlich. Denn innerhalb der fünfeinhalb Wochen zwischen dem 28. Juni und dem 4. August will er – jeweils mit Pausen zwischen acht und 10 Tagen – 14 Tage in Norddeutschland, eine Wochen in Spanien und eine Woche in Italien gewesen sein, was bereits rein rechnerisch nicht möglich ist. Überdies hätte jeder Anleger in den acht- bis 10-tägigen Pausen zwischen den Urlauben nicht nur die Post mit den darin enthaltenen Wertpapierabrechnungen gesichtet und sich darüber hinaus unverzüglich empört an die Bank gewandt, wenn er entsprechende Aufträge über ein solches Volumen gar nicht erteilt hätte, die zudem seinen Anlagewünschen zuwider gelaufen wären. Unerheblich ist dabei, dass der Zeuge L. die einzelnen Papiere nach dem Vortrag der Klägerin allein aufgrund der verkürzten Bezeichnungen in den Kaufabrechnungen nicht ausreichend identifizieren konnte. Denn nach ihrem Vortrag hatte er noch gar keine Kauforder erteilt, sondern wartete auf ein überarbeitetes Angebot. |
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| | Nicht erteilte Kaufaufträge hätte über diese jeder Anleger selbst in dem Fall, in dem er die Abrechnungen nicht wahrgenommen hätte, spätestens im Gespräch vom 04.08.2011 gerügt, als der Zeuge L. die Wertpapierkäufe unstreitig kannte. Statt dessen war er zu diesem Zeitpunkt lediglich ungehalten über die bereits aufgelaufenen Verluste von bis dahin ca. 40.000 EUR und erklärte erst 16 weitere Tage später, mit den Käufen nicht einverstanden gewesen zu sein, weshalb sie rückgängig zu machen seien (Anl. K2). Auch bemängelte er in diesem Schreiben, keinerlei Verkaufsberichte erhalten zu haben, obwohl er nach eigenen Angaben Unterlagen über Aktienfonds und die Wertpapierkaufabrechnungen erhalten hatte. |
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| | Entgegen der Ansicht der Klägerin waren die Umstände bei der Übermittlung des Beratungsprotokolls im Rahmen der Beweiswürdigung nicht zu berücksichtigen. Zwar gibt es Stimmen, wonach das Beratungsprotokoll und die rechtzeitige Übergabe vor Auftragserteilung Auswirkungen auf die Beweislast haben sollen (vergleiche nur mit Hinweis auf RL 2004/39/EG (sog. Finanzmarktrichtlinie, FM-RL) sowie der RL 2006/73/EG (FM-DRL), nach deren Erwägungsgründen 31 bzw. 5 deren Ziel der Anlegerschutz ist, Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Grundmann, HGB, 2. Aufl. 2009, § 34 WpHG, RN. VI 350). Denn es geht gerade nicht um eine Beweislastentscheidung. Der Senat ist vielmehr nach der Beweisaufnahme von der Auftragserteilung durch den Zeugen L. überzeugt. |
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| | Die Klägerin hat allerdings einen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 398 BGB auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 44.453,52 EUR, weil diese gegen ihre Pflicht zur anlegergerechten Beratung verstieß. |
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| | Der Zeuge L. und die Beklagte, nach § 164 Abs. 1 BGB vertreten durch die Zeugin M., schlossen einen Beratungsvertrag, indem der Zeuge L. sie um eine Beratung zur Anlage des frei gewordenen Geldes bat und sie ihn beriet. Von einem Beratungsvertrag ist immer auszugehen, wenn im Zusammenhang mit der Anlage eines Geldbetrages tatsächlich eine Beratung stattfindet (vergleiche statt vieler BGH, Urteil vom 25.09.2007, XI ZR 320/06, zitiert nach juris, Rn. 12 m. w. N.). |
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| | Aus dem Beratungsvertrag war die Beklagte verpflichtet, den Zeugen L. anlegergerecht zu beraten, indem sie ihm eine unter Berücksichtigung seines Wissensstandes und seiner persönlichen und finanziellen Situation, seiner grundsätzlichen Risikobereitschaft sowie seines konkreten Anlageziels hinsichtlich der Sicherheit bzw. eines möglichen spekulativen Charakters und ihres beabsichtigten Zwecks auf ihn zugeschnittene Anlage empfahl (st. Rspr. d. BGH, vgl. Urteil vom 06.12.2012, Az. III ZR 66/12, zit. nach juris, Rn. 20; ders., bereits Urteil vom 06.07.1993, Az. XI ZR 12/93, zitiert nach juris, Rn. 15 ff.). Überdies hatte sie ihn objektgerecht zu beraten (vgl. statt vieler nur BGH, Urteil vom 12.02.2004, Az. III ZR 359/02, zitiert nach juris, Rn. 22; ders., Urteil vom 05.03.2000, Az. III ZR 302/07, zit. nach juris, Rn. 13) und ihn über erhaltene bzw. erwartete Rückvergütungen aufzuklären (s. statt vieler nur BGH, Urteil vom 19.12.2006, Az. XI ZR 56/05, zit. nach juris, Rn. 22 f.; ders., Urteil vom 27.10.2009, Az. XI ZR 338/08, zit. nach juris, Rn. 31). |
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| | Die Beklagte verstieß gegen ihre dem Zeugen L. gegenüber obliegende Pflicht zur anlegergerechten Beratung, indem sie ihm kein seinen Kenntnissen und seiner Risikobereitschaft entsprechendes Anlageportfolio empfahl. |
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| | Der Zeuge L. war durchaus risikobereit, verfolgte aber keine hoch spekulative, sondern eine Anlagestrategie, wie sie die Beklagte im Depotvertrag mit „Wachstum“ beschrieb. Diese war nach der - nicht gewählten - Strategie „Chance“, zu der sie abzugrenzen ist, die dritthöchste von vier Risikokategorien. Hinsichtlich der Risikobereitschaft unterscheiden sich beide dadurch, dass bei Anlagen nach der Anlagestrategie „Chance“ nicht nur, wie bei „Wachstum“ jederzeit „hohe“ Wertverluste zur Realisierung „hoher Gewinnchancen“, sondern „sehr hohe“ Wertverluste zur Erzielung „überdurchschnittlicher Gewinnchancen“ möglich sind. Während den Schwerpunkt der Anlagestrategie „Chance“ nur „nationale und internationale Aktien(fonds) und Zertifikate“ bilden, gehören zum Anlageschwerpunkt der Anlagestrategie „Wachstum“ zusätzlich Rentenpapiere. |
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| | Da sich der Unterschied der beiden Anlagestrategien nicht unmittelbar erschließt, die Anlagestrategie jedoch die Grundlage der Anlageberatung bildete, ist deren Beschreibung durch die Beklagte analog §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Ihr kommt also die Bedeutung zu, die ihr ein potentieller Anleger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der Umstände, die ihm bekannt oder zumindest erkennbar sind, beimisst (vgl. nur Palandt, Ellenberger, 73. Aufl. 2014, § 133 BGB, Rn. 9 m. w. N.). Wie aus der Vorbemerkung über die unterschiedlich ausgeprägten Chancen und Risiken bei Anwendung der unterschiedlichen Anlagestrategien hervorgeht, unterscheiden sie sich im Wesentlichen nach dem Chancen-Risiko-Verhältnis. Eine solche Unterscheidung kann nach dem Verständnis des Senats nur auf zwei Wegen herbeigeführt werden: Entweder unterscheiden sich die nach beiden Strategien anzuschaffenden jeweiligen Wertpapiere nach der Risikoklasse. Das hätte zur Folge, dass zwar nach der Anlagestrategie „Chance“ möglicherweise, sogar überwiegend, Papiere der höchsten Risikoklasse empfohlen und angeschafft dürfen, nach der Anlagestrategie „Wachstum“ jedoch nicht. Oder nach beiden Anlagestrategien dürfen identische Papiere auch der höchsten Risikoklasse angeschafft werden. Das dadurch sehr hohe Risiko ist aber nach der Anlagestrategie „Wachstum“ durch Beimischung risikoarmer Papiere auszugleichen, so dass das Verlustrisiko in der Gesamtbetrachtung aller Papiere signifikant geringer ist als nach der Strategie „Chance“. |
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| | Der Zeuge L. konnte die Beschreibung der Anlagestrategie „Wachstum“ nur im letztgenannten Sinn verstehen. Denn zum einen war der einzig erkennbare Unterschied die Beimischung von Rentenpapieren nach der Anlagestrategie „Wachstum“ gegenüber der Strategie „Chance“. Zum anderen zeichnete sich die vom Zeugen L. gewählte Anlagestrategie über die im Depotvertrag vorgenommene Definition hinaus durch die Vereinbarung einer Aufteilung der Anlagesumme in 60 % aktienbasierte und 40 % Rentenwerte aus, wobei der Rentenanteil die „konservativen“ Anlagen enthalten sollte. |
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| | Weiter war Teil der Strategie, dass der Zeuge L. die Finanzinstrumente in der Folgezeit selbst beobachtete und verwaltete. |
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| | Dieses Anlegerprofil steht nach Durchführung der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest. Es ergibt sich zunächst aus der Dokumentation im Depotvertrag vom 12.04.2011 und den dort enthaltenen Angaben zur Risikoeinstellung. Wie die Zeugin M. nachvollziehbar erläuterte, münden die Antworten des Anlegers zu den einzelnen Fragen zur Risikobereitschaft in ihrer Gesamtheit in die Bestimmung einer Anlagestrategie und lassen in einem gewissen Maße auch Widersprüche zwischen einzelnen Antworten zu. Insgesamt ergibt sich sodann die Anlagestrategie aus der zusammenfassenden Beschreibung unter dem Namen der gewählten Kategorie (hier: „Wachstum“). Dabei ist kennzeichnend, dass sämtliche Fragen unter Ziff. 4 des Depotvertrages, die grafische Einordnung der Risikobereitschaft auf dem Schaubild unter Ziff. 4.5 sowie der Wortlaut der Definition der Anlagestrategie das Verhältnis von Ertrags-Chancen zu Verlust-Risiken betreffen. |
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| | Zwar konnte die Klägerin nicht beweisen, dass der Zeuge L. zu 60 % ausschließlich DAX-Einzelwerte sowie zu 40 % sichere, festverzinsliche Wertpapiere erwerben wollte. Denn die diesbezügliche Aussage des Zeugen L. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war aus den oben unter 1. genannten Gründen nicht glaubhaft. Die sehr glaubwürdige Zeugin M. dagegen (vgl. oben unter 1.) hat glaubhaft erklärt, sie selbst habe nach der Ermittlung der Risikobereitschaft des Zeugen L. bereits am 12.04.2011 die Anlage von 60 % in aktienbasierten Werten und 40 % in Rentenwerten vorgeschlagen, was er gebilligt habe. Da diese Aufteilung derjenigen des Musterdepots der Beklagten für diese Anlagestrategie „Wachstum“ entsprach, mussten die Papiere des Rentenanteils „konservativ“ sein. Auch für die Zeugin M. war der Rentenanteil „konservativ“ (s. Prot. d. mündlichen Verhandlung vom 13.11.2013, Bl. 293 ff [299] der Akte). Sonst hätte die Beklagte auf die Ablehnung der ebenfalls vorgeschlagenen Anteile an einem – als eher konservativ anzusehenden – Immobilienfonds nicht mit dem Vorschlag reagiert, die Anteile an den übrigen Rentenpapieren entsprechend aufzustocken, um letztlich die vorgeschlagenen 40 % Rentenwerte zu erhalten, wie die Zeugin M. ebenso glaubhaft erklärt hat. Sie gab weiter glaubhaft an, dass der Zeuge L. in diese Strategie eingewilligt habe. |
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| | Aufgrund dieser Anlagestrategie des Zeugen L. war die Beklagte verpflichtet, ein hierzu passendes Portfolio mit Finanzinstrumenten zu empfehlen, das er auf Grund seiner Kenntnisse und Erfahrungen eigenverantwortlich verwalten konnte. Gegen diese Verpflichtung verstieß sie, indem sie die Strategie und die Auswahl der Finanzinstrumente einseitig auf die prozentuale Zuordnung der Finanzinstrumente nach ihrer Einstufung als aktien- oder rentenbasiert abstellte, ohne das konkrete Chancen-Risiko-Verhältnis der einzelnen Produkte zu berücksichtigen und deren Bedeutung für den Anleger transparent zu machen. Bei einem Anleger darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass die empfohlenen Rentenpapiere immer zu risikoarmen („konservativen“) und die aktienbasierten Produkte immer zu den risikoreichen („spekulativen“) Anlageformen zählen. Denn festverzinsliche Unternehmensanleihen können – je nach Markt und Branche – riskanter und volatiler sein als Aktien oder Aktienfonds mit sehr risikoarmen Strategien. Wenn ein Berater eine Anlagestrategie nahezu ausschließlich anhand des Chancen-Risiko-Verhältnisses definiert und er dem Kunden ein Portfolio zur anschließenden eigenverantwortlichen Verwaltung empfiehlt, muss sich der Berater vergewissern, dass jener dazu in der Lage ist. Hierbei sind die Kenntnisse und Erfahrungen des Anlegers zu berücksichtigen, erforderlichenfalls müssen diese ihm vermittelt werden, um ihn zu der gewählten Anlagestrategie zu befähigen (Braun/Lang/Loy in: Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang, Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 4. Aufl. 2011, Rn. 383). Danach muss dem Anleger bewusst sein, dass die einzelnen Finanzinstrumente, die das Portfolio ausmachen, jeweils ein eigenes Chance-Risiko-Verhältnis haben, das sich zudem während der Laufzeit ändern kann. Weiter muss er wissen, welche Anlagen zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung riskanter und welche weniger riskant sind, um aus der Kombination über das Portfolio ein Gesamt-Chancen-Risiko-Verhältnis zu erhalten, das seiner Strategie entspricht. Hierauf muss der Berater den Anleger auch aufmerksam machen. Denn dieser muss die für die Verwaltung eines solchen Portfolios entscheidenden Kriterien kennen. Hierzu gehört die Kenntnis, dass die Anlageform (z.B. Aktien, Aktienfonds, Rentenpapiere) keinen vereinfachten Rückschluss auf das Chancen-Risiko-Verhältnis der jeweiligen Anlage zulassen und es sowohl hoch spekulative Rentenfonds als auch risikoarme Aktienfonds gibt. Nur dann ist der Anleger in der Lage zu erkennen, welche Anlagen in seinem Portfolio eine risikobegrenzende Funktion zum Ausgleich von anderen riskanteren Anlagen haben oder wie er, beispielsweise bei Fälligkeit eines Zertifikats, dieses ersetzt, um die Risikostruktur zu erhalten. |
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| | Die Zeugin M. hat demgegenüber angegeben, dass die Risikoklassifizierung bei der Beratung keine Rolle gespielt habe. Für sie war der Rentenanteil der „konservative“ Anteil. Sie konnte auch nicht angeben, nach welchen anderen Kriterien als der Zuordnung zu Renten- oder Aktienwerten sie die ermittelte „Wachstums-Strategie“ und somit die Entscheidung zur Empfehlung bestimmter Finanzinstrumente hätte umsetzen können. Dabei hat sie dem Zeugen L., ohne dies zu verdeutlichen, nicht nur überwiegend in der höchsten Risikoklasse eingestufte aktienbasierte Fondsbeteiligungen und Zertifikate empfohlen, sondern darüber hinaus einen Rentenfonds, der nach der Produktinformation ebenfalls in die höchste Risikoklasse eingestuft war. So waren nicht nur die Aktienfonds mit den Wertpapier-Kenn-Nrn. (WKN) … (A. Nebenwerte, Anl. K11), … (F., Anl. K 15), … (T. A. G. F., Anl. K13) und . (D., Anl. K12) in die jeweils höchste Risikoklasse (4 von 4 bzw. 7 von 7) eingestuft. Auch der Rentenfonds mit der WKN … (F., Anl. K16) war der Risikoklasse „4 – Spekulativ“ von 4 zugeordnet. Damit eignete er sich nicht zum Risikoausgleich für spekulative aktienbasierte Werte. |
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| | Der Zeuge L. durfte jedoch angesichts der Beschreibung der Anlagestrategie „Wachstum“ im Depotvertrag in Verbindung mit dem Aufteilungsvorschlag der Beklagten von 60 % Aktien- und 40 % Rentenwerten davon ausgehen, dass es sich bei den vorgeschlagenen Rentenwerten um „konservative“, also risikoarme Papiere handelte, die sich generell zum Ausgleich des hohen Risikos spekulativer Aktienwerte eigneten. Die Beklagte konnte auch nicht aufgrund der Vorerfahrungen des Zeugen L. davon ausgehen, dass er sich unter den vereinbarten 40 % Rentenpapieren auch spekulative Papiere vorstellte. Denn zu seinen Erfahrungen machte er keine Angaben, wie sowohl aus den Antworten zu den Fragen unter Nr. 5 des Depotvertrages (Anl. B1) ersichtlich ist, als auch die Zeugin M. erklärt hat. Mit seinem von der Beklagten vermittelten Kenntnisstand war er daher zur eigenverantwortlichen Verwaltung eines mit einem erhöhten Risikomaß auf „Wachstum“ ausgerichteten Portfolios nicht geeignet. |
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| | Durch die Verletzung der Pflicht zur anlegergerechten Beratung seitens der Beklagten entstand dem Zeugen L. ein Schaden in Höhe von 44.453,52 EUR. Er wandte zum Erwerb der Papiere 750.707 90,59 EUR auf, erzielte bei deren Verkauf jedoch lediglich einen Erlös von insgesamt 706.344,07 EUR. |
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| | Einen darüber hinaus gehenden Anspruch auf 2,5 % Zinsen entgangenen Gewinns hieraus nach § 252 BGB hatte der Zeuge L. mangels Kausalität nicht. Zwar behauptet die Klägerin, der Zeuge L. hätte bei korrekter Beratung insgesamt eine sichere Topzins-Konto Plus Anlage gewählt. Diese Behauptung widerspricht jedoch dem gesamten Vortrag, wonach der Zeuge L. zu 60 % in DAX-Einzelwerte und zu 40 % in Rentenwerte investieren wollte. Sie ist, auch unter Berücksichtigung der Aussagen des Zeugen L. in der mündlichen Verhandlung, unglaubhaft. Denn dort hat er wiederholt ausschließlich auf seine Absicht verwiesen, dass er 60 % DAX-Einzelwerte und 40 % festverzinsliche Wertpapiere erwerben wollte. Allein hiervon geht der Senat aus. Danach spricht nichts für eine Durchschnittsverzinsung von 2,5 % Zinsen, da in solchen Werten feste Erträge nicht zu erwarten sind und die Klägerin auch nichts zur allgemeinen Kursentwicklung solcher Werte vorgetragen hat. |
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| | Den Ertrag aus der Anlage von 50.000 EUR in Tagesgeld muss sich der Zeuge L. nicht anspruchsmindernd anrechnen lassen. Denn entgegen der Ansicht der Beklagten bezog sich weder die Anlageberatung hierauf, noch war sie Gegenstand des Depotvertrages und somit der Anlagestrategie. Der Zeuge L. wollte diesen Betrag, wie die Zeugin M. glaubhaft bestätigte, gerade nicht anlegen, sondern zur freien Verfügung behalten. |
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| | Der Schaden des Zeugen L. beruht nach der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens auch auf der Pflichtverletzung der Beklagten. Den der Beklagten danach obliegenden Beweis, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßer Beratung eingetreten wäre (vgl. dazu statt vieler nur BGH, Urteil vom 08.05.2012, Az. XI ZR 262/10, zit. nach juris, Rn. 26 ff.), hat sie nicht geführt. Die Kausalität entfällt – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch nicht deswegen, weil der Zeuge L. nach dem Vortrag der Klägerin gar keinen Auftrag zum Erwerb der Papiere erteilte. Denn die Klägerin hat sich den Vortrag der Beklagten, dass der Zeuge L. den Auftrag erteilte, hilfsweise zu eigen gemacht. |
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| | Zwar darf der Senat die vom Sachvortrag der Klägerin abweichenden Behauptungen der Beklagten über die erfolgte Auftragserteilung der Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn die Klägerin sich diese hilfsweise zu Eigen gemacht hat, und ihr einen Erfolg nicht aufnötigen, den sie mit dieser tatsächlichen Begründung nicht wollte (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.1989, Az. V ZR 125/88, zitiert nach juris, Rn. 16 m.w.N.). Entgegen der Ansicht der Beklagten hat sich die Klägerin dieses Vorbringen jedoch zu eigen gemacht. Zum einen ist bereits nach allgemeinen Grundsätzen davon auszugehen, dass der Prozessgegner sich ein für ihn günstiges Vorbringen der Gegenseite zumindest hilfsweise zu eigen macht (BGH, Urteil vom 17.01.1995, Az. X ZR 88/93, zitiert nach juris, Rn. 20). Zum anderen hat die Klägerin bereits in der Klageschrift (Bl. 13 ff. der Akte) unter Beifügung einer Vielzahl von Anlagen ausgeführt, dass der Zeuge L. bei pflichtgemäßer Aufklärung kein Kapital zum Erwerb der Papiere zur Verfügung gestellt hätte. Schon dieser Vortrag ist zumindest so auszulegen, dass der Zeuge L. jedenfalls dann keinen Auftrag erteilt hätte. Ausdrücklich hat die Klägerin sodann sogar auf S. 38 der Klageschrift als Hilfsvorbringen („selbst wenn man das Vorliegen entsprechender Aufträge einmal annimmt“) geltend gemacht, dass es bei korrekter und vollständiger Aufklärung nicht zu entsprechenden Aufträgen gekommen wäre. |
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| | Dieses Hilfsvorbringen steht auch nicht derart im Widerspruch zum eigenen Vorbringen der Klägerin, dass der Senat es aus diesem Grunde nicht berücksichtigen durfte (vgl. zur Relevanz von Widersprüchen nur BGH, Urteil vom 17.01.1995, Az. X ZR 88/93, zitiert nach juris, Rn. 20). Denn zum einen wäre jedenfalls das Abziehen des Kapitals von den durch die Beklagte geführten Konten möglich gewesen. Zum anderen verstieße die Klägerin mit diesem Hilfsvorbringen – entgegen der offensichtlichen Ansicht der Beklagten – auch nicht gegen die prozessuale Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO. Denn zum einen ist dem Hauptvortrag widersprechender Hilfsvortrag dann zulässig, wenn deren Verhältnis – wie hier – geklärt ist (Musielak, Stadler, 10. Aufl. 2013, § 138 ZPO, Rn. 2 m. w. N.; BGH, Urteil vom 14.07.1987, Az. VI ZR 199/86, zit. nach juris, Rn. 11; ders., Urteil vom 10.01.1985, Az. III ZR 93/83, zit. nach juris, Rn. 27). Zum anderen betrifft das Hilfsvorbringen keine eigene Handlung oder Wahrnehmung der Klägerin, sondern die des Zeugen L. (vgl. dazu nur Beck’OK, Vorwerk/Wolf, 10. Ed. 2013, § 138 ZPO, Rn. 34). Die Klägerin war bei dem Gespräch am 28.06.2011 nicht dabei, weshalb sie diesbezüglich nicht wahrheitswidrig vortragen konnte. |
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| | Anspruchsberechtigt war zunächst der Zeuge L., den die Beklagte beriet. Seine ihr gegenüber bestehenden Schadensersatzansprüche trat er jedoch mit Vertrag vom 01.03.2012 (Anl. K1) nach § 398 BGB an seine Tochter, die Klägerin, ab. Vor dem Hintergrund des im Original vorgelegten Vertrages sind Anhaltspunkte dafür, dass die Abtretung nicht wirksam ist, nicht ersichtlich. |
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| | Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht nach §§ 280 Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 750.797,59 vom 17.09.2011 bis zum 31.01.2012 sowie aus 44.453,52 EUR seit dem 01.02.2012. |
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| | Der Schadensersatzanspruch des Zeugen L. war nach § 271 BGB sofort, also mit Schadenseintritt durch Abbuchung der Gegenwerte für die erworbenen Papiere fällig. Verzug ist entgegen der Ansicht der Klägerin jedoch noch nicht durch das Schreiben des Zeugen L. vom 20.08.2011, sondern erst durch das Schreiben seines damaligen Vertreters vom 16.09.2011 (Anl. K1) als Mahnung i. S. d. § 286 Abs. 1 BGB eingetreten. Denn mit dem Schreiben vom 20.08.2011 machte der Zeuge L. keinen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung geltend, sondern forderte die Rückbuchung nur aus dem Grund, dass er keine Aufträge erteilt hätte, weil er nur andere Papiere wollte. Erst sein damaliger Vertreter forderte die Wiedergutschrift der Beträge nebst Zinsen u. a. unter Hinweis auf die fehlerhafte Beratung unter Punkt 2.2 mit Schreiben vom 16.09.2011. Erst von diesem Zeitpunkt an machte der Zeuge L. überhaupt einen Schadensersatzanspruch geltend. In dem Schreiben vom 20.08.2011 bezog er sich dagegen auf den – nicht bestehenden [s. o. 1.] – Gutschriftsanspruch. |
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| | Die Papiere wurden nach dem mit Anwaltsschreiben vom 23.01.2012 erteilten Auftrag mit einem Gesamterlös von 706.344,07 EUR verkauft. Daher stehen der Klägerin aus abgetretenem Recht bis zum Verkauf Ende Januar 2012 Verzugszinsen aus dem gesamten Anlagebetrag und seit dem aus dem letztlich realisierten Schaden von 44.453,52 EUR zu. |
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| | Darüber hinaus hat die Klägerin aus abgetretenem Recht nach §§ 280 Abs. 1, 398 BGB Anspruch auf Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 44.453,52 EUR. Dieser ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht aus einem Gegenstandswert von 797.393.96 EUR, weil der Klägervertreter mit seinen beiden vor Veräußerung der Wertpapiere verfassten Schreiben nicht zur Geltendmachung der behaupteten Schadensersatzansprüche tätig wurde, sondern lediglich Übertragungs- bzw. Kauforder erteilte und sich die Aufrechterhaltung von Ansprüchen nur vorbehielt (Anl. K8). Diese waren also vor Veräußerung der Papiere gar nicht Gegenstand seiner Tätigkeit gegenüber der Beklagten, so dass sich der Gegenstandswert auch nur auf den tatsächlich realisierten Schaden beziehen kann. |
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| | Aus dem Gegenstandswert von 44.453,52 EUR ergeben sich erstattungsfähige vorgerichtliche Anwaltskosten nur in Höhe von 1.530,58 EUR. Sie setzen sich zusammen aus 1,3 Gebühren für einen Gegenstandswert bis 45.000 EUR (1.266,20 EUR) zzgl. 20,00 EUR Telekommunikationspauschale zzgl. MwSt. |
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| | Entgegen der Ansicht der Klägerin handelte es sich auch nicht um eine besonders schwierige und umfangreiche Tätigkeit. Gegenstand war im Wesentlichen der Vorwurf, Papiere ohne Auftrag unter Verletzung der Pflicht zur anlegergerechten Beratung und ohne Aufklärung über Rückvergütungen gekauft zu haben. |
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| | Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Auskunft der im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Papieren verdienten Zuwendungen sowie einstrukturierten anfänglichen negativen Marktwerte. |
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| | Nach der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass sie den Zeugen L. über Rückvergütungen aufklärte. Denn die glaubwürdige Zeugin M. hat auch insofern detailreich sowie lebensnah und daher glaubhaft geschildert, wie sie ihm anhand von Charts die prozentualen Anteile an den Ausgabeaufschlägen nannte, die die Beklagte erhalten sollte [zur auch diesbezüglich geltenden grundsätzlichen Erwägungen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin und der Glaubhaftigkeit ihrer Angeben vgl. auch oben unter 1.]. Die Aussage ist insbesondere auch vor dem Hintergrund glaubhaft, weil die Aufklärung über Rückvergütungen auch im Zusammenhang mit den geforderten Kostenermäßigungen stehen. Diese finden sich in den Wertpapierabrechnungen wieder. Es erscheint als nahezu ausgeschlossen, dass die Beklagte ohne entsprechende Thematisierung der Rückvergütungen entsprechende Bonifikationen gewährt hätte. Damit sind etwaige, zunächst möglicherweise entstandene Auskunftsansprüche jedenfalls erfüllt. |
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| | Für die Annahme etwaiger einstrukturierter negativer Marktwerte fehlt es an jeglichem Vortrag und sonstigen Anhaltspunkten. Bei den erworbenen Papieren handelte es sich um gängige Fonds und Schuldverschreibungen und nicht um von der Beklagten speziell konzipierte Spezialprodukte wie etwa besondere Swaps. |
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| | Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung beruht vielmehr auf Einzelfallerwägungen im Zusammenhang mit der Beratung durch die Beklagte. |
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