Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 11 UF 83/16

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kirchheim vom 09.03.2016, berichtigt durch Beschluss vom 12.07.2016 - 2 F 577/15 - unter Aufrechterhaltung im Übrigen in Ziffer 1 dahingehend abgeändert, dass die Antragstellerin verpflichtet wird, dem Antragsgegner unter Angabe aller wertbildenden Faktoren und von Wertangaben bezüglich aller Vermögensgegenstände und -werte, Guthaben, Forderungen und Schulden Auskunft durch Vorlage eines vollständigen und geordneten Bestandsverzeichnisses bezogen auf die jeweiligen Einsatztage zu erteilen und zwar

a. über den Bestand ihres Anfangsvermögens zum Zeitpunkt der Eheschließung am 12.08.1988,

b. über den Bestand ihres Endvermögens zum Stichtag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages am 20.07.2011,

c. über unentgeltliche Zuwendungen, die sie in den letzten 10 Jahren vor dem Stichtag Endvermögen gemacht hat, somit seit dem 21.07.2001,

d. über Vermögen, das sie in den letzten 10 Jahren vor dem Stichtag Endvermögen verschwendet hat, somit seit dem 21.07.2001,

e. über Handlungen, die sie in den letzten 10 Jahren vor dem Stichtag Endvermögen (seit dem 21.07.2001) in der Absicht vorgenommen hat, den Antragsteller zu benachteiligen,

f. über das Vermögen, das sie nach Eintritt des Güterstandes (12.08.1988) von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erworben hat unter Angabe des Zeitpunktes der Zuwendung.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

5. Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 700,00 EUR

Gründe

 
I.
Die Beteiligten streiten um Zugewinnausgleich. Sie haben am 12.08.1988 geheiratet, der Scheidungsantrag wurde am 10.07.2011 zugestellt. Sie sind seit dem 10.10.2012 rechtskräftig geschieden. Ein während des Scheidungsverfahrens geführter Schriftwechsel der bevollmächtigten Anwälte über den Zugewinnausgleich wurde nach Rechtskraft der Scheidung nicht fortgeführt.
Durch Anwaltsschriftsatz vom 29.12.2015, beim zuständigen Familiengericht eingegangen am 29.12.2015 und dem Antragsgegner am 13.01.2016 zugestellt, nimmt die Antragstellerin den Antragsgegner im Wege eines Stufenantrags auf Zugewinnausgleich in Anspruch. Durch Schriftsatz vom 03.02.2016 hat der Antragsgegner einen Widerantrag auf Auskunft über den Bestand des Anfangsvermögens, des Endvermögens und über illoyale Vermögensverfügungen eingereicht. Die Antragstellerin wendet Verjährung des geltend gemachten Anspruchs ein.
Durch Beschluss (zutreffend Teilbeschluss) vom 09.03.2016 hat das Familiengericht dem Auskunftsantrag der Antragstellerin stattgegeben und die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten. In den Gründen führt das Familiengericht aus, dass der Auskunftsantrag des Antragsgegners wegen Verjährung unbegründet sei. Durch Beschluss vom 12.07.2016 hat das Familiengericht den Tenor seiner Entscheidung vom 09.03.2016 dahingehend berichtigt, dass der Widerantrag des Antragsgegners abgewiesen wird.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsgegner seinen Auskunftsanspruch wie folgt weiter:
1. Die Antragstellerin wird verpflichtet, dem Antragsgegner unter Angabe aller wertbildenden Faktoren und von Wertangaben bezüglich aller Vermögensgegenstände und -werte, Guthaben, Forderungen und Schulden Auskunft durch Vorlage eines vollständigen und geordneten Bestandsverzeichnisses bezogen auf die jeweiligen Einsatztage zu erteilen und zwar
a. über den Bestand ihres Anfangsvermögens zum Zeitpunkt der Eheschließung am 12.08.1988,
b. über den Bestand ihres Endvermögens zum Stichtag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages am 20.07.2011,
c. über unentgeltliche Zuwendungen, die sie nach Eintritt des Güterstandes (12.08.1988) gemacht hat,
d. über Vermögen, das sie nach Eintritt des Güterstandes (12.08.1988) verschwendet hat,
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e. über Handlungen, die sie nach Eintritt des Güterstandes (12.08.1988) in der Absicht vorgenommen hat, den Antragsteller zu benachteiligen,
11 
f. über das Vermögen, das sie nach Eintritt des Güterstandes (12.08.1988) von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erworben hat unter Angabe des Zeitpunktes der Zuwendung.
12 
2. Die Antragstellerin wird verpflichtet, dem Antragsgegner alle Unterlagen vorzulegen, welche ihre Auskunft über die in Ziffer 1 bezeichneten Vermögensgegenstände, -werte und Handlungen belegen.
13 
Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen.
14 
Der Senat hat durch begründeten Beschluss vom 10.01.2017 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, dem Auskunftsanspruch des Antragsgegners ohne weitere mündliche Verhandlung stattzugeben. Die Antragstellerin hat eine ergänzende Stellungnahme eingereicht.
II.
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Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig.
16 
Der Antragsgegner ist durch die Entscheidung des Familiengerichts beschwert, da sein Auskunftsanspruch abgewiesen wurde. Zwar fehlte im Tenor zunächst jeglicher Ausspruch über den vom Antragsgegner geltend gemachten Anspruch, jedoch ergab sich aus den Gründen zweifelsfrei, dass das Familiengericht den Auskunftsanspruch wegen Verjährung für unbegründet erachtet hat und ihn zurückweisen wollte. In diesem Fall findet keine Ergänzung der ergangenen Entscheidung gemäß §§ 113 FamFG, 321 ZPO statt, sondern lediglich eine Entscheidungsberichtigung gemäß §§ 113 FamFG, 319 ZPO, welche einerseits die Beschwerdefrist in Gang setzt und andererseits im Hinblick auf die tatsächlich getroffene Entscheidung eine Beschwer des durch die Entscheidung benachteiligten Beteiligten bewirkt (OLG Stuttgart FamRZ 1984, 403; Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Rn. 15 zu § 319). Die entsprechende Entscheidungsberichtigung ist erfolgt.
17 
Der Beschwerdewert des § 61 Abs. 1 FamFG, 600 EUR, ist erreicht. Die Beschwer des Antragsgegners bemisst sich an seinem Interesse am Erhalt der verlangten Auskunft. Dieses Interesse beträgt in der Regel 10 % bis 25 % des in der Zahlungsstufe vorgestellten wirtschaftlichen Vorteils. Nach den für die Bemessung der Beschwer maßgeblichen Angaben des Antragsgegners verspricht er sich mit der Auskunft den Nachweis illoyaler Vermögensverfügungen in einer Größenordnung von 8.000 EUR, welchen Betrag die Antragstellerin aus einer Unfallversicherung erhalten hatte. Im Erfolgsfall würde dies zu einer Minderung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich in hälftiger Höhe, somit in Höhe von 4.000 EUR führen. Keine Auswirkung auf die Beschwer haben dagegen die vom Antragsgegner behaupteten unkorrekten Zeitwertangaben der Antragstellerin zu ihren Motorrädern samt Zubehör im Endvermögen, da insoweit eine Klärung nicht in der Auskunfts-, sondern in der Zahlungsstufe zu erfolgen hat. Angesichts des Rahmens der Beschwer von 10 % bis 25 %, also von 400 EUR - 1.000 EUR, erachtet der Senat hinsichtlich der Beschwer des Antragsgegners die Beschwerdegrenze als erreicht.
18 
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
19 
Der Anspruch des Antragsgegners gegen die Antragstellerin auf Auskunft über ihre Vermögensverhältnisse zu den dargestellten Zeitpunkten ergibt sich aus § 1379 BGB. Darunter fallen seit der Rechtsänderung zum 01.09.2009 auch Ansprüche auf Auskunft über illoyale Vermögensverfügungen im Sinne des § 1375 Abs. 2 S. 1 BGB, welche zuvor aus § 242 BGB hergeleitet worden waren (BGH FamRZ 2012, 1785).
20 
Der Anspruch auf Auskunft nach § 1379 BGB ist allerdings nur ein Hilfsanspruch, der der Verwirklichung der Ausgleichsforderung nach § 1378 BGB dient. Seiner Geltendmachung kann daher der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehen, wenn ausnahmsweise nicht zweifelhaft sein kann, dass dem Auskunft Begehrenden keine Ausgleichsforderung zusteht (BGH FamRZ 2013, 105 unter Verweis auf BGH NJW 1972, 433 - Verzicht auf Zugewinnausgleich -). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, auch wenn der Antragsgegner bislang keinen eigenen Zahlungsanspruch behauptet oder geltend gemacht hat. Maßgeblich ist vielmehr, dass die geltend gemachte und auch geschuldete Auskunft Vermögensbestandteile aufzeigen kann, die bislang in den Vermögensbilanzen noch keine Erwähnung gefunden haben und deren Einbeziehung zu einer Reduzierung des Zugewinnausgleichsanspruchs der Antragstellerin oder auch zu einem eigenen Anspruch für den Antragsgegner führen könnte. Solange diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, besteht auch ein Rechtschutzbedürfnis für einen Auskunftsanspruch (BGH FamRZ 2013, 103). Dieses ist auch nicht ausgeschlossen, weil die Geltendmachung eines Zahlungsanspruches eventuell dauerhaft einredebehaftet wäre (Verjährung), da die Erhebung der Einrede beispielsweise einer Aufrechnung gegen ältere Forderungen der Antragstellerin, die vor Ende 2015 entstanden wären, nicht entgegenstehen würde.
21 
Der Auskunftsanspruch unterliegt allerdings, wie jeder andere zivilrechtliche Anspruch auch, einer regelmäßigen Verjährung, vorliegend der Regelverjährung von drei Jahren nach § 195 BGB. Diese beginnt mit Rechtskraft der Ehescheidung, §§ 199, 207 BGB, konkret mit Ende des Jahres 2012. Grundsätzlich war somit somit mit Ablauf des 31.12.2015 Verjährung eingetreten, so dass der Auskunftsanspruch des Antragsgegners bei erstmaliger Geltendmachung am 03.02.2016 verjährt sein könnte, worauf sich die Antragstellerin auch beruft.
22 
Die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs auf Zugewinnausgleich durch die Antragstellerin in unverjährter Zeit hat grundsätzlich keinen Einfluss auf die Verjährung des eigenen Anspruchs des Antragstellers (vgl. BGH NJW 2012, 3633 für den Fall der Verteidigung gegen eine negative Feststellungsklage über den identischen Streitgegenstand).
23 
Auch folgt die Verjährung eines gerichtlich einforderbaren Auskunftsanspruchs grundsätzlich der Verjährung des eigenen Zugewinnausgleichsanspruchs. Soweit der Antragsgegner sich für seine gegenteilige Meinung auf eine Entscheidung des BGH vom 17.10.2012, XII ZR 101/10 (FamRZ 2013, 103) beruft, übersieht er, dass hier dem Auskunftsanspruch gerade nicht stattgegeben wurde, um einen eventuell bereits verjährten Teilanspruch begründen zu können, sondern dass der Auskunftsanspruch deshalb zugesprochen wurde, um zumindest denjenigen Teil des vorgestellten Zugewinnausgleichsanspruchs nachweisen zu können, welcher in unverjährter Zeit gerichtlich geltend gemacht, jedoch vom Familiengericht mangels Nachweises abgewiesen worden war.
24 
Eine Ausnahme hiervon sieht der Senat, soweit der Auskunftsanspruch den Verbleib von Vermögensgegenständen betrifft, die auf illoyale Vermögensverfügungen vor Trennung zurückzuführen sind.
25 
Die Antragstellerin trägt im vorliegenden Verfahren als Anspruchstellerin die Beweislast für die Höhe ihres Anfangs- und Endvermögens. Hierzu zählen gemäß § 1375 Abs. 2 S. 2 BGB auch eventuelle Vermögensrückgänge zwischen Trennung und Stichtag Endvermögen. Kann der Verbleib von Vermögensgegenständen, welche zum Zeitpunkt der Trennung noch vorhanden waren, im gerichtlichen Verfahren nicht geklärt werden, greift zu Lasten der Antragstellerin die gesetzliche Vermutung, dass eine illoyale Vermögensverfügung vorliegt, so dass der Antragsgegner keine Rechtsnachteile erleidet, wenn ihm insoweit kein isolierter Auskunftsanspruch zusteht. Er hat daher weder vor noch nach Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs durch die Antragstellerin Veranlassung, insoweit um Auskunft nachzusuchen.
26 
Anders ist dies jedoch für Vermögensminderungen, die vor Trennung eingetreten sind, da insoweit die Beweislastumkehr des § 1375 Abs. 2 S. 2 BGB nicht eingreift. Will der Antragsgegner in diesem Zeitraum illoyale Vermögensverfügungen der Antragstellerin behaupten, muss er diese konkret darlegen und nachweisen. Es reicht nicht aus, wie im Zeitraum nach Trennung, dass lediglich das Vorhandensein bestimmter Vermögensgegenstände dargelegt wird, vielmehr obliegt es dem Antragsgegner weiterhin darzulegen, dass sich das Vermögen nicht im Rahmen ordnungsgemäßer Wirtschaftsführung vermindert hat, sondern aufgrund von Handlungen der Antragstellerin, die unter die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ziffern 1 - 3 des § 1375 Abs. 2 S. 1 BGB zu subsumieren sind.
27 
Die Erforderlichkeit der Beschäftigung mit tatsächlichen Verhaltensweisen der Antragstellerin vor Trennung erschloss sich dem Antragsgegner nach Auffassung des Senats nicht bereits mit Kenntnis der Rechtskraft der Scheidung, sondern erst mit Kenntnis von der Geltendmachung eines Anspruchs auf Zugewinnausgleich, so dass eine Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht bereits mit Rechtskraft der Scheidung, sondern erst mit Zustellung des Antrags auf Zugewinnausgleich entstanden ist. Dementsprechend ist der Anspruch auf Auskunft über illoyale Vermögensverfügungen derzeit noch nicht verjährt.
28 
Soweit ein Auskunftsanspruch über illoyale Vermögensverfügungen im Sinne des § 1375 Abs. 2 BGB geltend gemacht wird, der mehr als 10 Jahre vor den Stichtag Endvermögen zurückreicht, ist dieser abzuweisen, da insoweit ein Rechtschutzbedürfnis am Erhalt einer Auskunft nicht besteht, § 1375 Abs. 3 BGB.
29 
Ebenso ist der in Ziffer 2 geltend gemachte Beleganspruch zurückzuweisen, da dieser mangels Konkretisierung der vorzulegenden Unterlagen nicht vollstreckungsfähig und deshalb unzulässig ist.
30 
Dass in beiden Fällen durch die angefochtene Entscheidung eine entsprechende Verpflichtung des Antragsgegners ausgesprochen wurde, führt zu keiner abweichenden Beurteilung, da die Auskunftsverpflichtung des Antragsgegners dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen ist.
31 
Der Senat entscheidet gemäß § 68 Abs. 3 FamFG ohne weitere mündliche Verhandlung, worauf die Beteiligten durch Beschluss vom 10.01.2017 hingewiesen wurden, ohne dass sie innerhalb der gesetzten Frist Einwände erhoben haben.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 FamFG, 91 ZPO.
33 
Der Senat lässt zu der Frage der Zulässigkeit der Geltendmachung eines isolierten Auskunftsanspruchs trotz Verjährung des eigenen Zahlungsanspruches sowie zur Frage der Verjährung des Auskunftsanspruchs die Rechtsbeschwerde zu.

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