Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 14 U 204/19

Tenor

1. Das Urteil des Landgerichts Ulm vom 02.10.2019, Az. 6 O 217/19, wird wie folgt abgeändert:

I. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke x mit der Fahrgestellnummer ... dem Kläger 16.459,77 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.08.2019 zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

III. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten des außergerichtlichen Vorgehens des Anwaltsbüros …, in Höhe von 1.171,67 EUR freizustellen.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die darüber hinausgehenden Berufungen des Klägers und der Beklagten werden zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 70 %, die Beklagte 30 %.

4. Dieses Urteil und das unter Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht zuvor der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags erbringt.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

6. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 24.449,53 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten um die Einstandspflicht der Beklagten für ein vom Kläger erworbenes Dieselkraftfahrzeug mit sog. Abschalteinrichtung. Diese Softwareprogrammierung führt im Ergebnis dazu, dass die Abgaswerte auf dem Prüfstand von denjenigen im Fahrbetrieb abweichen.
1. Der Kläger erwarb durch Kaufvertrag vom 31.10.2011 vom Autohaus S. in L. einen Neuwagen der Marke x zu einem Kaufpreis von 30.800 EUR. Das Auto ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet. Der Tachostand bei Erwerb betrug 0 km; am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat belief er sich auf 116.398 km. Nachdem das Kraftfahrtbundesamt die Beklagte im Oktober 2015 verpflichtet hatte, die nach Auffassung der Behörde unzulässige Abschalteinrichtung zu entfernen, wurde im Juli 2017 auch beim Auto des Klägers ein entsprechendes Software-Update aufgespielt.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 30.08.2018 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz anzuerkennen.
Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage nun im Wege des Schadensersatzes von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich Nebenforderungen.
Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt:
I. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke x mit der Fahrgestellnummer ... an die Klagepartei den Kaufpreis in Höhe von 30.800 EUR abzüglich einer ins Ermessen des Gerichts zustellenden Nutzungsentschädigung nebst Zinsen
a. in Höhe von 4 % aus 30.800 EUR vom 03.11.2011 bis zum 13.09.2018 sowie
b. in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 24.449,53 EUR seit dem 14.09.2018 zu bezahlen.
II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs gemäß vorstehender Ziff. I in Annahmeverzug befindet.
III. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.242,84 EUR freizustellen.
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Die Beklagte hat in erster Instanz Klagabweisung beantragt.
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Wegen der weiteren Darstellung des unstreitigen Sachverhalts sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.
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2. Das Landgericht hat die Klage teilweise zugesprochen. Konkret hat es ausgeurteilt:
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I. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke x mit der Fahrgestellnummer ..., an die Klagepartei 17.040,53 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.09.2018 zu bezahlen.
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II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziff. I genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
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III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte hafte aus §§ 826, 31 BGB. Der Kläger habe einen Schaden erlitten, indem er einen Vertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug abgeschlossen habe, das nicht seinen Vorstellungen entsprochen habe. Es habe aufgrund der eingebauten, gesetzeswidrigen Abschalteinrichtung nicht die Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung erfüllt, womit die Gefahr des Zulassungswiderrufs bestanden habe. Da es für die Beurteilung des Schadens allein auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankomme, sei der Schaden nicht durch das Software-Update entfallen. Die Beklagte habe als Entwicklerin des Motors die Manipulation der Software zu verantworten. Sie sei im Hinblick auf die von Klägerseite behauptete Kenntnis ihres Vorstands ihrer sekundären Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen. Das Verhalten sei als sittenwidrig einzustufen, weil sie zum Zwecke der Gewinnmaximierung in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand zentrale gesetzliche Vorschriften ausgehebelt und darüber zugleich Behörden und Kunden getäuscht habe.
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Als Folge müsse die Beklagte Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs den Kaufpreis zurückerstatten abzüglich erfolgter Nutzungen bezogen auf eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km. Zinsen seien ab Rechtshängigkeit nach § 291 BGB geschuldet, nicht bereits seit Vertragsschluss gemäß § 849 BGB. Der Freistellungsanspruch sei zu unbestimmt, da nicht angegeben werde, gegenüber welchem der beiden vorgerichtlich tätig gewordenen Kanzleien die Beklagte den Kläger freistellen solle.
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3. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Ziel weiter.
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Er ist der Auffassung, dass sich der Nutzungsersatz auf Basis einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km errechne. Deliktszinsen seien geschuldet, da § 849 BGB auch Geldbeträge erfasse. Zumindest komme hilfsweise eine Verzinsung des Minderwerts des Fahrzeugs in Betracht und zwar auf 10 Prozentpunkte des Kaufpreises.
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Dem entsprechend beantragt er,
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unter Abänderung des am 02.10.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Ulm, Az. 6 O 271/19, wird die Beklagte verurteilt, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs der Marke x mit der Fahrgestellnummer ... an die Klagepartei den Kaufpreis in Höhe von 30.800 EUR abzüglich einer ins Ermessen des Gerichts zu stellenden Nutzungsentschädigung nebst Zinsen
22 
a. in Höhe von 4 % aus 30.800 EUR vom 03.11.2011 bis zum 13.09.2018 sowie
b. in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 24.449,53 EUR seit dem 14.09.2018 zu bezahlen.
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II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs gemäß vorstehender Ziff. I in Annahmeverzug befindet.
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III. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten des außergerichtlichen Vorgehens des Anwaltsbüros ... in Höhe von 1.242,84 EUR freizustellen.
25 
Demgegenüber begehrt die Beklagte,
26 
das am 02.10.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Ulm im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
27 
Es bestehe schon keine Haftung dem Grunde nach. Dem Kläger sei kein Schaden entstanden, weil das Fahrzeug uneingeschränkt brauchbar gewesen sei und durch Bekanntwerden der Software auch keinen Wertverlust erlitten habe. Jedenfalls sei der Schaden durch das Update entfallen, welches keine negativen Auswirkungen habe. Die Kausalität zwischen der Verwendung der „Umschaltlogik“ und der Kaufentscheidung sei nicht hinreichend nachgewiesen. Erst recht bestehe kein Kausalzusammenhang beim Erwerb von Fahrzeugen anderer Hersteller. Der Nutzungsabzug sei zu niedrig angesetzt, er dürfe nicht linear berechnet werden. Annahmeverzug sei mangels wirksamen Angebots nicht eingetreten. Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten bestehe nicht bei bekanntermaßen zahlungsunwilligen Schuldnern.
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Wegen des weiteren Vorbringens in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verwiesen.
II.
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Beide Berufungen haben nur in geringem Umfang Erfolg, diejenige des Klägers im Hinblick auf die begehrte Freistellung von Rechtsanwaltskosten, diejenige der Beklagten insofern, als bedingt durch die zwischenzeitlich erfolgte Weiternutzung des Fahrzeugs nunmehr ein höherer Nutzungsersatz in Abzug zu bringen ist.
30 
1. Dem Kläger steht wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB zu.
31 
a) Nach Auffassung des Senats steht - in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Kraftfahrtbundesamts - fest, dass die von der Beklagten in den Motortyp EA 189 verbaute Abschalteinrichtung unzulässig im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 VO (EG) 715/2007 war (BGH, B. v. 08.01.2019, VIII ZR 225/17). Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2017 sieht vor, dass Fahrzeuge im Rahmen der Erlangung der Typgenehmigung so auszurüsten sind, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) 715/2007 verbietet in diesem Zusammenhang ausdrücklich den Einsatz von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern. Vorwiegend sorgte das von der Beklagten als „Umschaltlogik“ bezeichnete Steuerungssystem dafür, dass im Testbetrieb automatisch ein anderer Modus mit geringeren Emissionswerten eingeschaltet war, als das im Realbetrieb der Fall ist. Damit war das Fahrzeug im Testbetrieb zur Erlangung der Typgenehmigung eindeutig anders, nämlich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung, ausgerüstet, als im Realbetrieb. Die Argumentation der Beklagten, dass die Emissionswerte - zumindest im maßgeblichen Zeitraum - nie an den Realbetrieb, sondern an den Testbetrieb anknüpften, geht an der Sache vorbei. Maßgeblich ist, dass die Werte unter Testbedingungen mit dem so wie im Realbetrieb ausgerüsteten Fahrzeug erzielt werden müssen. Vorliegend wurden die Werte aber mit dem normal ausgerüsteten Fahrzeug gerade nicht erreicht, sondern nur mittels eines ausschließlich für den Test vorgesehenen Betriebsmodusses mit veränderter Abgasrückführung, der nicht dem normalen Betriebsmodus entspricht.
32 
b) Aufgrund dieses Umstands bestand zumindest die Gefahr, dass die nur unter Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung erlangte Typgenehmigung und damit auch die Zulassung für das streitgegenständliche Fahrzeug nachträglich entzogen wird. Bevor ein Kraftfahrzeughersteller berechtigt ist, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, hat er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu absolvieren. Insbesondere ist die sogenannte EG-Typgenehmigung durch das Kraftfahrtbundesamt als zuständiger Behörde einzuholen und eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen (§ 27 Abs. 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung, im Folgenden: EG FGV). Das Kraftfahrtbundesamt hatte den Herstellern der Fahrzeuge mit dem Motor EA 189, zu denen auch das streitgegenständliche Fahrzeug gehört, für den jeweiligen abstrakten Fahrzeugtyp jeweils eine EG-Typgenehmigung nach § 4 EG-FGV (in Gestalt einer Gesamtfahrzeug- bzw. einer Systemgenehmigung) erteilt. Das Kraftfahrtbundesamt kann, wenn es feststellt, dass Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und technische Einheiten nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen, gemäß § 25 Abs. 1 EG-FGV die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Übereinstimmung der Produktion mit dem genehmigten Typ zu gewährleisten. Es kann zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit bei bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge auch nachträglich Nebenbestimmungen anordnen, § 25 Abs. 2 EG-FGV. Eben dies hat das Kraftfahrtbundesamt im vorliegenden Fall, nachdem es das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung festgestellt hatte, getan, indem es der Beklagten aufgegeben hat, nachträglich durch geeignete Maßnahmen, insbesondere Nachrüstaktionen, sicherzustellen, dass die unzulässig verbaute Abschalteinrichtung entfernt und die Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ wiederhergestellt wird. In einem solchen Fall droht, solange die Nachrüstung nicht ordnungsgemäß durchgeführt und damit die Nebenbestimmung erfüllt wird, die Betriebsuntersagung auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV), weil das Fahrzeug nicht (mehr) einem genehmigten Typ entspricht (ausführlich zum Ganzen VG Magdeburg, Beschl. v. 02.07.2018, Az. 1 B 268/18). Ebenso hätte das Kraftfahrtbundesamt auch nach § 25 Abs. 3 EG-FGV die Typgenehmigung aufheben können (VG Magdeburg, Beschl. v. 02.07.2018, Az. 1 B 268/18, juris Rz. 14), was unmittelbar die Betriebsuntersagung zur Folge gehabt hätte.
33 
c) Indem die Beklagte den Motor in Verkehr gebracht hat, obwohl damit ausgerüstete Fahrzeuge die Typgenehmigung nur unter heimlicher Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung erlangen konnten, und damit deren Entziehung drohte, hat sie potentielle Käufer getäuscht. Denn mit dem Inverkehrbringen ist die (unausgesprochene, weil selbstverständliche) konkludente Erklärung der Beklagten verknüpft, dass es sich um ein ordnungsgemäß zugelassenes Fahrzeug handele, bei dem keine nachträgliche Entziehung der Typgenehmigung und damit der Zulassung droht. Potentielle Käufer, denen die unzulässige Abschalteinrichtung unbekannt war, sind in ihrer berechtigten Erwartung auf Erhalt eines ordnungsgemäß zugelassenen Fahrzeugs von der Beklagten getäuscht worden. Anderes gilt nicht deshalb, weil nicht die Beklagte, sondern ein anderes, dem ...-Konzern angehörendes Unternehmen Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Denn die Beklagte hat den von ihr entwickelten und hergestellten Motor mit der unzulässigen Abschalteinrichtung gerade zu dem Zweck der Weiterveräußerung gebaut in dem Wissen, dass damit Fahrzeuge ausgestattet und mit der unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkauf gelangen.
34 
§ 826 BGB knüpft nicht an die Verletzung bestimmter Rechte und Rechtsgüter an. Der Begriff des Schadens ist vielmehr weit zu verstehen und erfasst nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinausgehend jede Beeinträchtigung eines rechtlichen Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (BGH, Urteil vom 19.07.2004, II ZR 402/02, juris Rz. 41; BGH, Urt. v. 28.10.2014, VI ZR 15/14, juris Rn. 19). Insofern kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs im Hinblick auf die unzulässige Abschalteinrichtung in Wahrheit einen geringeren Marktwert hatte (wobei das, wenn ein potentieller Käufer über diesen Umstand umfassend aufgeklärt worden wäre, mindestens naheliegend ist). Allein maßgebend ist, dass der Vertrag im Hinblick auf die Eigenschaften des Kaufgegenstands nicht den berechtigten Erwartungen des Käufers entsprach und überdies die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar war (BGH, Urt. v. 28.10.2014, VI ZR 15/14, juris Rz. 16 ff).
35 
d) Es ist vorliegend auch davon auszugehen, dass die Täuschung kausal für den Vertragsschluss war. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass ein Käufer vom Kauf eines Fahrzeugs Abstand nehmen würde, wenn ihm offenbart würde, dass dem Fahrzeug die Entziehung der Zulassung und damit die Stilllegung droht. In diesem Fall ist der zentrale Zweck des Fahrzeugerwerbs, nämlich die Möglichkeit der Fortbewegung, in Frage gestellt. Insoweit kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob der Käufer ein besonderes Umweltbewusstsein besaß und deshalb beim Kauf auf einen geringen Emissionsausstoß geachtet und diesen zum Motiv für seine Kaufentscheidung gemacht hat.
36 
Der Senat hat sich aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vom 05.03.2020 vorgenommenen persönlichen Anhörung des Klägers zu den näheren Umständen seiner Kaufmotivation davon überzeugen können, dass der Kläger, hätte er vor dem Kauf um die Betroffenheit des Fahrzeugs vom späteren ...-Dieselskandal gewusst, dieses konkrete Fahrzeug nicht erworben hätte. Anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus dem nachvertraglichen Verhalten des Klägers. Zwar ist richtig, dass dieser das streitgegenständliche Auto über längere Zeit hinweg nutzte, bevor er gegenüber der Beklagten Ansprüche anmeldete. Dies spricht allerdings nicht gegen die Annahme der Kausalität. Denn zum Einen blieb der „...-Abgasskandal“ - gerade wegen des Verhaltens der Beklagten - der Öffentlichkeit lange Jahre verborgen. Zum Anderen steht es jedem Anspruchsinhaber frei, mit der Geltendmachung eines ihm zustehenden Anspruchs bis kurz vor den Eintritt der gesetzlichen Verjährung abzuwarten.
37 
e) Das Verhalten der Beklagten verstößt bei der erforderlichen Gesamtwürdigung auch gegen die guten Sitten. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr., s. nur BGH, NJW 2014, 383, 384, Rz. 9; Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 826 Rn. 4 m.w.N.). Dabei genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Handelns hinzukommen, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, NJW 2014, 383, 384; BGH, NJW 2017, 205, 251, st. Rspr.). Vorliegend rechtfertigt zwar der Umstand, dass das Handeln der Beklagten zur Gewinnmaximierung erfolgte, für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht, weil das Streben nach Kostenoptimierung und Gewinnmaximierung einer Marktwirtschaft immanent und grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Sittenwidrigkeit resultiert jedoch insbesondere aus den zur Gewinnmaximierung angewandten unlauteren und gesetzeswidrigen Mitteln in Kombination mit dem Ausmaß des angerichteten Schadens. Maßgebliche Gründe für die Annahme der Sittenwidrigkeit sind, dass die Beklagte, wie gerichtsbekannt ist, in einer außerordentlich großen Zahl von Fällen bewusst die illegale Abschalteinrichtung in ihre Fahrzeuge verbaute, dabei mit hoher krimineller Energie die staatlichen Behörden systematisch täuschte und zu Werkzeugen machte, indem sie diese nämlich zur Ausstellung scheinbar rechtsgültiger Zulassungsbescheinigungen veranlasste, um auf diese Weise massenhaft Fahrzeugkäufer täuschen zu können, und sich dabei zudem allein aus wirtschaftlichen Erwägungen über die Belange des Umweltschutzes, denen die Zulassungsvorschriften dienen, hinwegsetzte.
38 
f) Mit der Zubilligung eines Direktanspruchs gegen den Hersteller setzt man sich auch nicht über die kaufvertragliche Risikoverteilung hinweg. § 826 BGB bietet unter eingeschränkten Voraussetzungen dem Geschädigten ausnahmsweise die Möglichkeit, einen reinen Vermögensschaden auch gegenüber einem Dritten, mit dem er nicht vertraglich verbunden ist, unmittelbar geltend zu machen. Diese Möglichkeit besteht, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, unabhängig und zusätzlich zu etwaigen vertraglichen Ansprüchen, die der Käufer gegenüber seinem Verkäufer hat.
39 
Auch unter Schutzzwecksgesichtspunkten entfällt die Sittenwidrigkeit nicht. Zwar ist richtig, dass das Sittenwidrigkeitsurteil über ein bestimmtes Verhalten des Schädigers nicht abstrakt, sondern in Bezug auf die Person des Geschädigten zu fällen ist (vgl. Wagner, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 22). Im vorliegenden Fall wirkt sich aber das sittenwidrige Verhalten der Beklagten vorhersehbar und planmäßig gerade zum Nachteil der Erstkäufer ebenso wie von weiteren Käufern des Fahrzeugs aus, indem diese über einen für ihren Kaufentschluss wesentlichen Umstand bewusst getäuscht werden. Es ist nicht ersichtlich, wieso der daraus resultierende Schaden unter Schutzzweckgesichtspunkten nicht erstattungsfähig sein sollte.
40 
g) Die Beklagte handelte vorsätzlich. Dabei muss sie sich das vorsätzliche Handeln ihrer verfassungsgemäß berufenen Vertreter gemäß § 31 BGB als eigenes Handeln zurechnen lassen.
41 
Dass Mitarbeiter der Beklagten bewusst und in Kenntnis der maßgeblichen tatsächlichen Umstände, die die Gesetzeswidrigkeit ihres Tuns begründeten, die unzulässige Software in den hier streitgegenständlichen Motor einbauten, steht außer Frage. Die Beklagte beruft sich darauf, dass nicht dargetan, geschweige denn erwiesen sei, dass Personen, deren schuldhaftes Handeln sie sich nach § 31 BGB zurechnen lassen muss, am Einbau der Software beteiligt waren, diesen angewiesen oder gebilligt hätten. Mit dieser Argumentation dringt sie nicht durch.
42 
Grundsätzlich sieht § 31 BGB, der entsprechend auf alle juristischen Personen Anwendung findet, eine Haftung des Vereins bzw. der sonstigen juristischen Person für das schuldhafte Verhalten nicht nur der Mitglieder des Vorstands, worauf die Beklagte abstellt, sondern aller „verfassungsmäßig berufenen Vertreter“ vor. Dieser Begriff wird zu Recht weit ausgelegt (vgl. nur Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl., § 31 Rn. 6), um zu verhindern, dass sich insbesondere Großunternehmen allein aufgrund ihrer Größe und durch ihre arbeitsteilige Organisationsstruktur einer Haftung für schuldhaftes Verhalten ihrer Mitarbeiter ohne Weiteres entziehen können. Es genügt für die Einordnung eines Mitarbeiters als verfassungsmäßig berufenem Vertreter, dass ihm durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und er die juristische Person insoweit repräsentiert (BGH, NJW 1998, 1854, 1856; Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl., § 31 Rn. 6 m.w.N.). Der personelle Anwendungsbereich deckt sich so in etwa mit dem arbeitsrechtlichen Begriff des leitenden Angestellten (Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl., § 31 Rn. 6).
43 
Berücksichtigt man diese weite Auslegung des § 31 BGB, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Entscheidung über den massenhaften Einsatz der Motorsteuerungssoftware im Rahmen der Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen Emissionswerte nicht ohne Kenntnis und Billigung wenn nicht des Vorstands, so jedenfalls eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters der Beklagten erfolgt ist. Es ist gerichtsbekannt, dass die Erfüllung sich stetig verschärfender gesetzlicher Emissionsgrenzwerte bei den Autoherstellern wie der Beklagten eine zentrale Problematik mit großer wirtschaftlicher Tragweite gewesen ist. Vor diesem Hintergrund ist zumindest sehr naheliegend, dass zumindest die für die Erfüllung dieser Emissionsgrenzwerte zuständigen verfassungsmäßigen Vertreter genaue Kenntnis der technischen Gegebenheiten und der technisch realisierbaren Möglichkeiten hatten, um diese Grenzwerte einzuhalten. Geht man von einer solchen tatsächlichen Vermutung aus, trifft die Beklagte zumindest eine sekundäre Darlegungslast bezogen darauf, dass entgegen der Vermutung kein verfassungsmäßig berufener Vertreter Kenntnis von der Manipulationssoftware hatte (ebenso die ganz herrschende Auffassung unter den mit dem Dieselskandal befassten Obergerichten, s. z.B. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019, ZVertriebsR 2019, 178, 184 Rz. 53; OLG Köln, Beschl. v. 29.04.2019, Az. 16 U 30/19, Rz. 10 ff.). Sie müsste, um dem nachzukommen, Näheres dazu vortragen, wie der Entscheidungsprozess abgelaufen ist und welche Mitarbeiter, die nicht als verfassungsmäßig berufene Vertreter anzusehen sind, hieran beteiligt waren. Derartigen Vortrag hat die Beklagte nicht gehalten, mit der Folge, dass der Vortrag des Klägers insoweit als zugestanden gilt.
44 
Was die weiteren Einwände der Beklagten gegen die Annahme einer sekundären Darlegungslast anbelangt, schließt sich der Senat den ausführlichen und überzeugenden Ausführung des OLG Karlsruhe an (Beschl. v. 05.03.2019, ZVertriebsR 2019, 178, 186, Rz. 78 ff.). Weder ist insbesondere die Auferlegung einer sekundären Darlegungslast auf Fälle beschränkt, in denen es um den Beweis einer negativen Tatsache geht, noch wird die Beklagte durch die Anerkennung einer sekundären Darlegungslast für interne Vorgänge über Gebühr belastet.
45 
h) Dass ein Software-Update nachträglich mit Billigung des Kraftfahrtbundesamtes aufgespielt wurde, spielt für den Schaden, der nach den obigen Ausführungen im Abschluss eines ungewollten Vertrages liegt, keine Rolle. Es bleibt dem Geschädigten auch dann, wenn im Nachhinein der Versuch, die in Frage gestellte Zulassungsfähigkeit wiederherzustellen, erfolgreich war, unbenommen, als Schadensersatz die Rückabwicklung des im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses ungünstigen und ungewollten Vertrages zu verlangen (ebenso OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019, 13 U 142/18, ZVertriebsR 2019, 178, 180, Rz. 19).
46 
2. In der Rechtsfolge ist der Kläger so zu stellen, wie er stünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB), mithin wenn er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte. Er kann demzufolge die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen Zug um Zug gegen die Rückübereignung des erworbenen Fahrzeugs.
47 
a) Allerdings hat er sich dabei im Wege des Vorteilsausgleichs die gezogenen Nutzungen, hier in Form der gefahrenen Kilometer, anrechnen zu lassen. Denn der Geschädigte darf unter Berücksichtigung des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots nicht mehr erhalten, als für den Ausgleich seines Schadens notwendig ist. Deshalb hat er sich Vorteile, die adäquat kausal aus dem schädigenden Ereignis erwachsen, schadensmindernd anrechnen zu lassen, sofern die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entspricht, den Geschädigten nicht unzumutbar belastet und den Schädiger nicht unbillig begünstigt. Demzufolge sind die vom Kläger gezogenen Nutzungen als Korrelat der durch den Kaufvertrag ermöglichten Nutzung der Kaufsache vom zurückzuerstattenden Kaufpreis in Abzug zu bringen. Dies ist dem Grunde nach zwischen den Parteien auch nicht streitig.
48 
Uneinigkeit besteht jedoch hinsichtlich der konkreten Berechnung des Nutzungsersatzes. Entgegen dem Dafürhalten des Klägers, der von einer Gesamtlaufleistung in Höhe von 500.000 km ausgeht, hält der Senat im vorliegenden Fall die Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km für angemessen. Für die im Rahmen von § 287 ZPO vorzunehmende Schätzung ist eine durchschnittliche Gesamtlaufleistung zugrunde zu legen; es kann nicht auf besonders langlebige Einzelfahrzeuge abgestellt werden. Darüber hinaus sind die fahrbaren Kilometer auch durch das allgemein erreichbare Alter eines Kraftfahrzeugs beschränkt. Bei dem hier vorliegenden mäßigen bis mittleren Fahrkonsum besteht kein Anlass, über die vom Senat angesetzten 250.000 km hinauszugehen.
49 
Es mag der Beklagten durchaus darin Recht zu geben sein, dass der Wertverlust durch die Abnutzung nicht streng linear verläuft, vielmehr zu Beginn der Nutzung, etwa im ersten Jahr, vergleichsweise höher liegt als in der Folgezeit. Allerdings hat sich dies jedenfalls im vorliegenden Sachverhalt, in dem das Auto bereits etliche Jahre genutzt wurde über die Zeit hinweg hinreichend nivelliert, so dass im Wege der Schätzung ein linear berechneter Nutzungsersatz angenommen werden kann.
50 
Tatsächlich gefahren ist der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung 116.398 km. Wird dies ins Verhältnis gesetzt zum gezahlten Kaufpreis, ergibt sich ein vorzunehmender Abzug für gezogene Nutzungen in Höhe von 30.800 EUR x 116.398 : 250.000 = 14.340,23 EUR.
51 
Es verbleibt damit ein Zahlungsanspruch in Höhe von 30.800 EUR - 14.340,23 EUR = 16.459,77 EUR.
52 
b) Der Zahlbetrag ist wie vom Landgericht ausgeführt, ab Eintritt der Rechtshängigkeit in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach §§ 291, 288 Abs. 1 BGB verzinslich zu stellen. Allerdings ist die Rechtshängigkeit nicht bereits zu dem im Tenor aufgeführten 14.09.2018 eingetreten, sondern, nachdem die Klage der Beklagten ausweislich der Postzustellungsurkunde am 01.08.2019 zugestellt wurde, erst am Folgetag, dem 02.08.2019.
53 
Eine vorherige Verzinsung aus Verzugsgesichtspunkten nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB kam nicht in Betracht. Die Beklagte geriet durch das vorgerichtliche Schreiben des Klägervertreters vom 30.08.2018 nicht in Zahlungsverzug mit der jetzt eingeklagten Summe; denn dort wurde nur allgemein aufgefordert, die Ansprüche des Klägers auf Schadenersatz anzuerkennen. Dies kann schon deshalb nicht als verzugsbegründende Mahnung im Sinne von § 286 Abs. 1 BGB qualifiziert werden, weil für den Gläubiger der geforderte Zahlbetrag nicht erkennbar ist.
54 
Dagegen ist keine weitergehende Verzinsung des Kaufpreises nach § 849 BGB geschuldet. Dies folgt nach dem Dafürhalten des Senats aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Deliktszinsen sollen zur Vermeidung von Nachweisschwierigkeiten in Bezug auf einen konkreten Schaden eine pauschale Nutzungsentschädigung gewähren. Dabei können sie dem Grunde nach nicht nur bei Entzug einer Sache im Sinne von § 90 BGB, sondern auch bei Entzug eines Geldbetrags verlangt werden. Allerdings ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass der Kläger im Gegenzug für den von ihm hingegebenen Kaufpreis die von ihm mit dem Kauf bezweckte Nutzung des Pkws erhalten hat. Dem Kläger ist aufgrund dieser konkreten Sachverhaltskonstellation als Ausgleich für die nicht weiter bestehende Nutzungsmöglichkeit in Bezug auf den Kaufpreis die Nutzung des gekauften Fahrzeugs zugewachsen, was nach dem Verständnis der Vertragsparteien eine adäquate Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises darstellte. Angesichts dessen ist für eine pauschalierte Nutzungsentschädigung über die Zubilligung von Deliktszinsen kein Raum. Dies gilt in gleicher Weise für die von Klägerseite hilfsweise geltend gemachte Verzinsung nur eines Teils des Kaufpreises in Höhe von 10 % wegen einer möglichen Wertminderung des Fahrzeugs.
55 
d) Von den vorgerichtlich angefallenen Anwaltskosten hat die Beklagte den Kläger in Höhe von 1.171,67 EUR freizustellen. Den Bedenken, die das Landgericht gegen die Bestimmtheit der erstinstanzlichen Antragsstellung hatte (und die der Senat teilt), ist durch die erfolgte Präzisierung der Antragstellung Rechnung getragen worden. Der Kläger hat nunmehr klargestellt, um welche der beiden von ihm beauftragten Kanzleien es ihm bei seinem Freistellungsantrag geht.
56 
Der Kläger durfte sich als Geschädigter anwaltlicher Hilfe zur Verfolgung seiner Schadensersatzansprüche bedienen, insoweit dies wie hier erforderlich und zweckmäßig war. Dass die Beklagte sich vorgerichtlich grundsätzlich auf keine Zahlungen eingelassen hat, steht der Erstattungsfähigkeit nicht entgegen. Zum Einen war aus Sicht des Klägers nicht gesichert, dass die Beklagte bei dieser Linie bleiben würde, zum Anderen hätte er sich gegebenenfalls im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses im Rechtsstreit das damit einhergehende Kostenrisiko nach § 93 ZPO aufgebürdet.
57 
Der Kläger verlangt die auch nach Auffassung des Senats ausreichende und angemessene Regelgebühr von 1,3. Als Gegenstandswert ist der berechtigte Anspruch zum Zeitpunkt der Mandatierung zugrunde zu legen, mithin nicht der komplette Kaufpreis, sondern der um die gefahrenen Kilometer geminderte. Dies hat der Kläger in seiner Antragsstellung dem Grunde nach bereits berücksichtigt, weil er die Gebühr aus dem in der Klagschrift vom 04.07.2019 angegebenen Streitwert von 24.449,53 EUR berechnet, der bereits den Nutzungsersatz aus dem damals aktuellen Tachostand von 103.092 km vom Kaufpreis in Abzug gebracht hat.
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Allerdings ergibt sich eine teilweise Änderung des Gegenstandswerts aufgrund des wie oben dargestellt auf Basis einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km anzusetzenden Nutzungsabzugs. Bei Klagerhebung Anfang Juli 2019 betrug der vorzunehmende Nutzungsabzug 12.700,93 EUR; der damals berechtigte Anspruch belief sich damit auf 18.099,07 EUR (30.800 - 12.700,93 = 18.099,07). Die Mandatierung der Kanzlei ... erfolgte nach den Angaben des Klägers im Jahr 2018 im Zusammenhang mit der Anmeldung bei der Musterfeststellungklage. Der Senat setzt unter Schätzung der sich zwischen Mandatierung der Kanzlei ... im Jahr 2018 und Klagerhebung ergebenden Weiternutzung (§ 287 ZPO) einen Gegenstandswert von bis zu 22.000 EUR an.
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Hiervon ausgehend errechnet sich eine 1,3-Gebühr zuzüglich der Auslagenpauschale mit 20 EUR und der 19%igen Umsatzsteuer in Höhe von 1.171,67 EUR.
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e) Zutreffend hat das Landgericht das Vorliegen des Annahmeverzugs bejaht. Das Feststellungsinteresse ist insoweit vor dem Hintergrund des § 756 ZPO zu sehen. Die Beklagte befand sich im Annahmeverzug nach §§ 293ff. BGB. Der Kläger hat die von ihm Zug um Zug geschuldete Übereignung des streitgegenständlichen Pkws der Beklagten spätestens mit der Klageschrift angeboten. Nachdem hierfür die Mitwirkung der Beklagten als Gläubigerin erforderlich war, genügte gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot. Dass der dabei seitens des Klägers eingeforderte Geldbetrag etwas zu hoch lag, ist im Ergebnis unschädlich.
III.
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Die Kostenquote ergibt sich aus dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen. Der Streitwert war für beide Instanzen auf 24.449,53 EUR festzusetzen. Denn der Kläger hat mit seiner vorliegenden Klage nicht den kompletten Kaufpreis geltend gemacht, sondern nur einen um die damalige Nutzungsentschädigung verminderten. Dies folgt zum Einen aus der Streitwertangabe in der Klage, zum Anderen aus der Klagbegründung.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil deutschlandweit eine Vielzahl ähnlich gelagerter Sachverhalte vor die Gerichte gebracht wurde, wobei die streitentscheidenden Rechtsfragen auch von den Obergerichten nicht immer einheitlich beurteilt wurden.

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