Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 4 U 28/21

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 17. Dezember 2020 (4 O 83/20) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil des Senats und – soweit die Berufung zurückgewiesen wurde – das Urteil des Landgerichts Heilbronn sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 8.000,00 EUR

Gründe

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A.
1. Die Klägerin verlangt Entschädigung wegen der Schließung ihres Frisiersalons im Frühjahr 2020 in der Corona-Pandemie.
Aufgrund der sogenannten CoronaVO des Landes (Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2) war der Betrieb der Klägerin vom 23.03.2020 bis 04.05.2020 geschlossen. Die Klägerin hat 9.000,00 EUR aus dem Soforthilfeprogramm des Landes erhalten, die sie nach dem in zweiter Instanz unstreitig gebliebenen Vortrag zurückzahlen muss.
Zwischen den Parteien besteht Streit, ob
- die Betriebsschließung erforderlich war,
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- der Klägerin aus §§ 56, 65 IfSG, § 55 PolG BW, enteignendem beziehungsweise enteignungsgleichem Eingriff, Aufopferung oder direkt Art. 14 GG ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 8.000,00 EUR zusteht.
2. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
e>nr="7"/>Die Klägerin k6;nne keine Anspr&#252;che aus §§ 56, 65 IfSG herleiten, da sie nicht zu dem dort geschützten Personenkreis gehö;re und die Betriebsschließung nicht auf §§ 16, 17 IfSG beruhte, sondern auf § 28 IfSG, für den § 65 IfSG nicht gelte. Für eine analoge Anwendung der Vorschriften fehle die erforderliche Lücke. Ansprüche aus § 55 PolG seien wegen der abschließenden Regelung des PolG ausgeschlossen. Für einen enteignenden Eingriff fehle es am erforderlichen individuellen Sonderopfer, zudem am Erfordernis einer einzelfallbezogenen Eigentumsbeeinträchtigung. Der allgemeine Aufopferungsanspruch erfasse nicht den streitbefangenen Sachverhalt, gelte wiederum nur für Einzelfälle. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff seien nicht gegeben, weil die Schließung rechtmäßig gewesen sei und es an einer unmittelbaren Eigentumsbeeinträchtigung fehle.</table>gn="top">
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und zu den Feststellungen des Landgerichts wird auf das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 17. Dezember 2020 (I 4 O 83/20) Bezug genommen (Blatt 177 – 192; § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
3. Die Berufungsbegründung der Klägerin rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts:
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- In formeller Hinsicht:
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"/>- Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft den Vortrag des beklagten Landes zur Intention der Bezugnahme auf § 31 IfSG nicht als unstreitig behandelt,
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- die Beweisangebote zur Intention der Bezugnahme auf § 31 IfSG seien übergangen worden,
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- das Beweisangebot zur Intention des Bundesgesetzgebers bei der Schaffung einer Entschädigungsregelung sei rechtsfehlerhaft übergangen worden.
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- Materielle Rügen:
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- Die Anwendung von § 56 IfSG sei rechtsfehlerhaft abgelehnt worden,
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- eine analoge Anwendung von § 56 IfSG sei zu Unrecht abgelehnt worden,
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- die analoge Anwendung der Entschädigungsregelungen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts sei zu Unrecht abgelehnt worden,
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- die Anwendung der Grundsätze des enteignenden beziehungsweise enteignungsgleichen Eingriffs sei zu Unrecht abgelehnt worden.
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a. Im Hinblick auf Verfahrensfehler macht die Berufung geltend:
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aa. Das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft angenommen, dass § 31 IfSG als Rechtsgrundlage keine Rolle gespielt habe. Die Klägerin habe ausführlich dargelegt, dass die Betriebsschließung auf § 31 IfSG gestützt worden sei, die Beklagte habe dazu nichts Substantiiertes vorgetragen, weshalb der Vortrag als unstreitig zu behandeln sei. Zumindest hätte das Landgericht den Beweisangeboten in der Replik nachgehen müssen (dort Seite 13), was ergeben hätte, dass die Schließung auf § 31 IfSG gestützt werden sollte, woraus sich dann eine unmittelbare Anwendung von § 56 IfSG ergebe.
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Soweit das Landgericht unterstellt habe, § 28 IfSG sei herangezogen worden, sei verkannt und übergangen worden, was dazu tatsächlich vorgetragen worden sei.
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bb. Die Klägerin habe ausdrücklich vorgetragen, dass die Materialien bezüglich der Entschädigungsregelungen zum Bundesseuchengesetz und dem IfSG keine Hinweise enthielten, dass diese abschließend sein sollten, die dazugehörigen Beweisantritte der Klägerin habe das Landgericht übergangen. Es verstoße gegen Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG, wenn ein Zivilgericht in evidenter Ermangelung eines hinreichenden Anhaltspunkts in den Gesetzesmaterialien auf den vermeintlich abschließenden Inhalt aufgrund eines vermeintlichen Willens des Gesetzgebers erkenne, ohne die angebotenen und geeigneten Beweismittel auszuschöpfen.
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cc. Aus den Verfahrensfehlern ergäben sich Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung des Landgerichts, weshalb eine erneute Feststellung geboten sei.
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b. Bezüglich materieller Rechtsfehler führt die Berufung aus
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aa. Es bestehe ein unmittelbarer Anspruch aus § 56 IfSG. Das Landgericht habe willkürlich, widersprüchlich und rechtsfehlerhaft verneint, dass die Klägerin als Ansteckungsverdächtige einem Tätigkeitsverbot unterworfen sein konnte,
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pt"><td>- wobei ihr Vortrag Seiten 6 – 8 der Klage übergangen worden sei, woraus sich mit dem Bundesverwaltungsgericht (3 C 16/11) ihre mögliche Einstufung als Ansteckungsverdächtige ergebe,
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- nicht belegt und willkürlich behauptet worden sei, dass keine überwiegende Infektionswahrscheinlichkeit bestanden habe,
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- hierzu im Widerspruch zu § 28 IfSG ein hohes Risiko für die Bevölkerung angenommen worden sei,
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- weshalb zu fragen sei, warum das Risiko für die Bevölkerung als Rechtfertigung für eine Betriebsschließung herangezogen werde, wenn nicht gleichzeitig die Klägerin als ansteckungsverdächtig anzusehen war.
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Insoweit sei auch der Sachverhalt verfahrensfehlerhaft festgestellt worden.
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Soweit das Landgericht hier auf § 28 IfSG als Ermächtigungsgrundlage abgestellt habe, sei dies verfahrensfehlerhaft falsch festgestellt worden. § 28 IfSG rechtfertige keine Betriebsschließung, die Norm sei in dieser Auslegung und Anwendung ohne eine konkrete Entschädigungsregelung zudem verfassungswidrig. Ergänzend verweist die Begründung auf die Replik Seite 17.
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bb. Das Landgericht habe zu Unrecht eine analoge Anwendung von § 56 IfSG abgelehnt. Zur Planwidrigkeit verweist die Berufung auf den Vortrag zum Verfahrensfehler. Die Annahme einer plangerechten beziehungsweise abschließenden Regelung im IfSG verlange denknotwendig die Annahme, dass entsprechend weitgehende pandemiebedingte Eingriffsmaßnahmen tatsächlich zum bewussten Anwendungsfeld gehörten. Das werde von niemandem vertreten, die Materialien ließen eine Zielsetzung zur Anwendung auf eine Pandemie wie die der Corona-Pandemie nicht erkennen. Die Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes vom 16.03.2020 habe hierzu ausgeführt, dass die Entschädigungsvorschriften des Seuchenrechts die Schadensszenarien der Corona-Pandemie nicht im Blick hatten. Die Begründung hat weiter auf die Replik Seiten 17 – 28 Bezug genommen.
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Die Kreation des Landgerichts bezüglich der Nichtstörerinanspruchnahme sei frei erfunden und negiere, dass es entschädigungsrechtlich nur Störer oder eben Nichtstörer gebe, nicht auch noch den „diversen Unstörer.“
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cc. Das landgerichtliche Urteil habe zwar eine Sperrwirkung des IfSG gegenüber dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht behauptet, habe jedoch nicht überzeugend begründet, warum das IfSG auch eine abschließende Regelung für den Bereich in pandemischen Situationen darstelle. Auch die Argumentation des Landgerichts Hannover sei insoweit unrichtig (weiter wurde die Replik Seiten 23 – 32 in Bezug genommen). Die Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes sei angesichts ihres Umfangs, der Begründungstiefe und ihres Inhalts kein ausreichender Beleg für einen Willen des Gesetzgebers, dass Betroffene keine Entschädigung erhalten sollen.
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Die Ausführungen im Urteil zu Ansprüchen aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht (LGU Seite 11) seien im Hinblick auf die Ausführungen des wissenschaftlichen Dienstes und die nicht abschließenden Regelungen im IfSG rechtsfehlerhaft.
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dd. Entgegen der Auffassung des LGU komme dem IfSG keine Sperrwirkung bezüglich eines enteignenden Eingriffs zu. Die Klägerin sei angesichts der Betriebsschließung in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb betroffen (nicht nur aus Art. 12 GG, das LGU argumentiere hier neben der Sache). Soweit das Urteil annehme, es fehle am erforderlichen Sonderopfer, sei verkannt worden, dass es Branchen gegeben habe, die nicht von den Schließungen betroffen waren, weshalb sehr wohl eine gruppenspezifische Sonderbetroffenheit anzunehmen sei. Der Versuch einer einschränkenden Auslegung des Begriffs der Allgemeinheit verbiete sich schon angesichts der Unzulänglichkeiten in der Grenzziehung zwischen erlaubten und verbotenen Geschäftsöffnungen. Auf eine existenzbedrohende Lage komme es nicht an, die Ausführungen des Landgerichts (bei wirtschaftlicher Betrachtung keine Schlechterstellung im Vergleich zum Störer) seien zynisch und rechtlich fragwürdig.
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Soweit das Landgericht ausgeführt habe, dass entsprechende Ansprüche nur für Einzelfälle in Betracht zu ziehen seien, gelte der Grundsatz, dass man Geld zu haben hat. Zudem seien Milliarden bis Billionen als freiwillige Hilfen im Ausland verteilt worden und es fehle ausreichend substantiierter Gegenvortrag des beklagten Landes (Ansprüche in welcher Höhe, Kompensation durch freiwillige Hilfen, warum kann der Rest nicht mehr aufgebracht werden).
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Zudem gehe es nicht um die Haftung für legislatives Unrecht, sondern um die Haftung für einen Eingriff durch untergesetzliche Normen aufgrund rechtswirksamer Gesetze, hier gebe es nach dem Bundesgerichtshof (III ZR 216/85) kein Haftungsprivileg.
39 
Wiederum wird auf die Replik verwiesen (Seite 49 – 51).
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ee. Die Rechtswidrigkeit des enteignungsgleichen Eingriffs ergebe sich schon daraus, dass die Betriebsschließung allein über § 31 IfSG zu begründen sei, nicht jedoch mit dem beklagtenseits in Anspruch genommenen § 28 IfSG. Angesichts des fehlenden Vortrags des Landes sei insoweit von einem Ermessensnichtgebrauch auszugehen, die vom Landgericht zitierten Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg seien für die Begründung des Landgerichts (LGU Seite 15) nicht tragfähig.
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Das Urteil sei zum Mitverschulden widersprüchlich, weil das Landgericht insoweit verlange, einen offensichtlich erfolglosen Zwischenschritt zu unternehmen. Ergänzend verweist die Berufung auf die Replik Seiten 43 – 44, beziehungsweise 32 – 47).
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ff. Es sei rechtsstaatlich geboten, bei einem das Maß der Entschädigungspflicht erreichende Eingriff in eigentumsrechtlich geschützte Rechtspositionen eine gesetzlich klar umrissene und gerichtlich überprüfbare Entschädigungsregelung zu schaffen, weshalb ein Anspruch direkt aus Art. 14 GG herzuleiten sei.
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c. Die Klägerin hat weiter vorgetragen, dass die geleisteten Soforthilfen keine hinreichende Entschädigung darstellten und beantragt für den Fall einer Zurückweisung der Berufung die Zulassung der Revision.
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4. Die Klägerin beantragt (Blatt 28 eAkte):
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Das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 17. Dezember 2020 (4 O 83/20) wird abgeändert: Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 8.000,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Das beklagte Land beantragt:
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Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
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5. Die Berufungserwiderung des beklagten Landes verteidigt das landgerichtliche Urteil. Der Vortrag der Klägerin zeige keine rechtlichen Fehler des Landgerichts auf,
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- die Beweisangebote seien unzulässig gewesen, da sie sich nicht auf zu beweisende Tatsachen bezogen,
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- Inhalt und Reichweite der §§ 56, 65 IfSG seien durch die Gerichte in Auslegung des Gesetzes zu bestimmen,
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- insoweit komme es nicht auf die Gedanken einzelner Abgeordneter an, zumal damit nicht der Wille des Gesetzgebers als des verfassungsrechtlichen Organs (Bundestag und Bundesrat) aufgezeigt werden könne,
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- die Klägerin sei keine Ansteckungsverdächtige im Sinne des § 2 Nr. 7 IfSG gewesen, sie habe dafür auch keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorgetragen, der Sachverhalt sei in Anwendung des Gesetzes zu bestimmen und könne nicht vom Verordnungsgeber vorgegeben werden.
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a. Es lägen keine Verfahrensfehler vor.
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54 
aa. Eine Beweiserhebung zur Intention der Betriebsschließung (Ermächtigungsgrundlage) sei nicht erforderlich gewesen. Es sei keine entscheidungserhebliche Tatsache, wie die Landesregierung die von Betriebsschließungen betroffenen Inhaber betrachtet habe. Maßgeblich sei insoweit vielmehr, ob die Klägerin insoweit als Ansteckungsverdächtige anzusehen war – die rechtliche Subsumtion der Tatbestandsmerkmale der Anspruchsgrundlage sei Rechtsanwendung, keine dem Beweis zugängliche Tatsache. Das Beweisangebot sei auch ungeeignet, denn allein relevant für die Einordnung als Ansteckungsverdächtige sei die Aufnahme von Krankheitserregern, hierzu könne die Landesregierung keine Aussagen treffen.
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Die Annahmen der Landesregierung zur Ermächtigungsgrundlage seien ohne Belang. Die Schließung von Einrichtungen sei nicht aufgrund einer (Einzel-) Maßnahme gegenüber (einer Vielzahl) von Ansteckungsverdächtigen erfolgt, sondern aufgrund der Generalklausel für Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit. Davon gehe auch der VGH Baden-Württemberg aus.
56 
<rd nr="56"/>Die Voraussetzungen von § 31 IfSG hätten nicht vorgelegen, da zum Zeitpunkt der Verordnung am 20.03.2020 nur 2.746 Infektionen bei 11 Millionen Bürgerinnen und Bürgern vorlagen, weshalb es nach den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts an einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Kontakts mit infizierten Personen gefehlt habe. Die Erwiderung verweist weiter auf die Klageerwiderung Seite 15.
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bb. Das Landgericht habe zutreffend ohne Beweisaufnahme zum abschließenden Charakter der Entschädigungsnormen entschieden, denn diese diene nur der Feststellung von Tatsachen, die Ermittlung und Auslegung inländischen Rechts sei demgegenüber alleine Sache des Gerichts. Eine Vernehmung von Bundestagsabgeordneten sei daher schlicht unzulässig. Die Frage des Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke sei keine beweisbare Tatsache.
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cc. Mangels etwaiger Verfahrensfehler gebe es keine Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellung.
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b. Das Urteil enthalte keine materiellen Rechtsfehler.
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<table>
nr="60"/>aa. Ein unmittelbarer Anspruch aus § 56 IfSG bestehe nicht. Die Klägerin sei keine Ansteckungsverdächtige nach § 2 Nr. 7 IfSG, etwas anderes habe sie nicht dargelegt. Ein Ansteckungsverdacht verlange, dass die Aufnahme von Krankheitserregern wahrscheinlicher ist, als das Gegenteil. Alleine die Verbreitung des Virus habe hierzu nicht genügt, weil 2.746 Infizierte gegenüber 11 Millionen die Aufnahme von Erregern keine überwiegende Infektionswahrscheinlichkeit beziehungsweise Aufnahme von Erregern begründete. Die Nennung von § 31 IfSG in der Präambel der Verordnung bedeute nicht, dass die Betriebsschließung auf dieser Grundlage erfolgt sei, hier sei nur der Ermächtigungsrahmen offengelegt worden. Der Verordnungsgeber sei nicht verpflichtet, zu jeder Bestimmung die Ermächtigung zu benennen. Die Berufungserwiderung nimmt Bezug auf Seiten 12 ff. der Duplik, 20 ff. Klageerwiderung.
61 
bb. Das Landgericht habe bezüglich einer analogen Anwendung von §§ 56, 65 IfSG mit zutreffenden Erwägungen das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke verneint. Dem IfSG seien keine Anhaltspunkte für eine Lücke zu entnehmen, da nur eng gefasste Entschädigungsansprüche für bestimmte Personen definiert worden seien, dies ergebe sich auch aus der Überschrift des 12. Abschnitts (Entschädigung nur in besonderen Fällen). Bei der Schaffung von Entschädigungstatbeständen sei keine Entschädigung für Opfer der Allgemeinheit vorgesehen worden. Die Einfügung von § 56 Abs. 1a IfSG belege, dass der Gesetzgeber keine Erweiterung beabsichtigt habe, dies ergebe sich auch aus der nicht vorgenommenen Regelung im November 2020 angesichts des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage, keine der Änderungen habe die Entschädigungsregelungen geändert. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei dem Gesetzgeber im Frühjahr 2020 die Anwendung des IfSG auf die Corona-Pandemie bewusst gewesen, schon in der Regelung zu § 5 IfSG (1999) seien entsprechende Pandemien ins Auge gefasst worden. Eine Analogie würde eine nicht zulässige Entschädigung qua Richterrecht begründen. Die Berufungserwiderung verweist weiter auf die Klageerwiderung Seiten 29 ff. und die Duplik Seiten 16 ff.
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cc. § 55 Abs. 2 PolG normiere ausdrücklich die Nichtanwendung, weil das IfSG eine abschließende spezialgesetzliche Regelung enthalte. Für Sondergefahrenabwehrrecht seien die Entschädigungsregelungen aus dem allgemeinen Polizeirecht nicht anzuwenden. Eine Regelung der Entschädigung von Nichtstörern hätte es nicht bedurft, wenn insoweit auf das allgemeine Polizeirecht abzustellen sei. Die Anerkennung einer auf das allgemeine Polizeirecht gestützten Nichtstörerentschädigung für Betroffene von Seuchenbekämpfungsmaßnahmen neben der vom Gesetzgeber geregelten Nichtstörerentschädigung für Betroffene von Seuchenverhütungsmaßnahmen würde eine Einebnung des ausdifferenzierten Regelungssystems des IfSG bedeuten.
63 
Dem allgemeinen Aufopferungsanspruch sollte nach dem Willen des Gesetzgebers gerade keine lückenschließende Funktion mehr zukommen. Die Landesregierung sei zudem keine Polizeibehörde. Die Berufungserwiderung nimmt auf die Klagerwiderung S. 33 ff. und die Duplik Seiten 20 ff. Bezug.
64 
dd. Das IfSG habe klargestellt, dass dem enteignenden Eingriff als Ausformung des allgemeinen Aufopferungsanspruchs keine lückenschließende Funktion mehr zukomme (BR-Drucks. 566/99, Seite 199). Zudem sei dieses Rechtsinstitut nur auf einzelfallbezogene Eigentumsbeeinträchtigungen anzuwenden, es sei keine Grundlage für den Ausgleich von massenhaft auftretenden Schäden. Es liege auch kein Sonderopfer vor, da praktisch alle Einrichtungen des öffentlichen Lebens geschlossen worden seien, die Ablehnung einer spezifischen Betroffenheit der Klägerin zur Allgemeinheit sei insoweit auch kein Trick, sondern eine zulässige Subsumtion. Angesichts der Kürze der Betriebsschließung fehle auch die Eigentumsbeeinträ;chtigung.
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ee. Der Betriebsschließung liege keine rechtswidrige hoheitliche Maßnahme zugrunde, denn
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- die Verordnung habe in §§ 28 Abs. 1, 32 IfSG eine hinreichende Rechtsgrundlage,
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- § 32 Satz 1 IfSG i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG stelle eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Schließung von Betrieben dar,
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- die Tatbestandsvoraussetzungen von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG seien unstreitig erfüllt gewesen,
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- weshalb die Behörden zum Handeln verpflichtet gewesen seien,
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- die Betriebsschließung als notwendige Schutzmaßnahme sichergestellt habe, dass die Verbreitung des Virus durch eine Unterbrechung beziehungsweise Unterbindung von Infektionsketten durch eine Reduzierung von Kontakten verlangsamt werden sollte.
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Angesichts der Kürze der Betriebsschließung fehle die Eigentumsbeeinträchtigung. Zudem habe die Klägerin es insoweit unterlassen, den Schaden mit den zulässigen und zumutbaren Rechtsmitteln abzuwenden, weshalb der Anspruch in entsprechender Anwendung von § 254 BGB ausgeschlossen sei.
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72 
ff. Für einen Ausgleichsanspruch sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine gesetzliche Regelung erforderlich, schon nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Nassauskiesung könne nicht direkt auf Verfassungsrecht abgestellt werden.
73 
c. Das beklagte Land ist weiter der Auffassung, dass die Klägerin ihren Schaden nicht ausreichend dargelegt habe. Der Hilfsantrag auf Aufhebung und Zurückverweisung sei nicht begründet, weil die dafür geltenden Voraussetzungen nicht vorlägen.
74 
6. Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den dazu vorgelegten Anlagen Bezug genommen. Hinsichtlich des Vortrags in der mündlichen Verhandlung und bezü;glich der Angaben der Parteien wird außerdem auf das Protokoll der Sitzung vom 15.12.2021 verwiesen.
B.
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Die Berufung ist zulässig, sie wurde insbesondere innerhalb der vorgegebenen Fristen ordnungsgemäß eingelegt und begründet, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
76 
I. Bezüglich der geltend gemachten Verfahrensfehler hat die Berufung keinen Erfolg.
77 
1. Soweit die Klägerin der Auffassung ist, die Betriebsschließung vom 23.03.2020 bis zum Ablauf des 03.05.2020 sei auf § 31 IfSG gestützt worden, das Landgericht habe wegen des nicht ausreichenden Bestreitens ihren Vortrag fehlerhaft nicht als unstreitig behandelt, jedenfalls die dazu angebotenen Beweise nicht erhoben, weshalb eine Ermächtigung zu Unrecht und entgegen dem Parteivortrag aus § 28 IfSG hergeleitet worden sei, kann der Senat diesen Aussagen nicht folgen.
78 
a. Die Klägerin hat zur Frage der in Anspruch genommenen Ermächtigungsgrundlage vorgetragen:
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- Die Anwendung von 7; 56 IfSG setze nicht voraus, dass das Tätigkeitsgebot ausdrücklich auf § 31 IfSG gestützt werde, da die Vorschrift nicht nur auf Quarant28;neanordnungen (§ 30 IfSG) Bezug nehme, sondern ganz allgemein auf Tätigkeitsverbote aufgrund dieses Gesetzes Anwendung finde, weshalb es nicht mehr auf die bisherige Praxis der Gesundheitsämter ankomme (Blatt 8, 80).
80 
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- Die Klägerin sei als Ansteckungsverdächtiger nach § 2 Nr. 7 IfSG alternativ nach § 31 Satz 2 IfSG in Anspruch genommen worden, dies ergebe sich auch aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Blatt 8, 9, 80 – 82).
81 
- Nach den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, sei es angesichts der Herausforderungen an das Gesundheitssystem und der drohenden Gefahren wahrscheinlich nicht zu beanstanden gewesen, dass Kontaktmultiplikatoren als Ansteckungsverdächtige angesehen wurden (Blatt 82).
82 
- Das beklagte Land habe sich nach den Maßstäben der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durchaus auf den Standpunkt stellen können, für einen begrenzten Zeitraum quasi jedermann als ansteckungsverdächtig im Sinne des § 31 IfSG anzusehen (Blatt 84 mit Beweisantritt).
83 
- Das beklagte Land habe nicht ausreichend vorgetragen, welchen Hintergrund die Bezugnahme auf § 31 IfSG habe (Blatt 170).
84 
Das beklagte Land hat demgegenüber ausgeführt:
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nr="85"/>- Die Betriebsschließung basiere als Maßnahme zur Verhütung (4. Abschnitt) auf § 28 IfSG, weil der Betrieb bestimmter Einrichtungen generell untersagt worden sei, es handle sich nicht um ein Tätigkeitsverbot gegenüber einer der in § 31 IfSG genannten Personen (Blatt 47 – 51).
86 
- Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass sie Krankheitsverdächtige, Ausscheiderin oder sonstige Trägerin von Erregern im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG war, nur pauschal behauptet, Ansteckungsverdächtige zu sein, habe damit ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht genügt (Blatt 141, 87 eAkte).
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87 
- Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts genüge die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe gerade nicht zur Begründung eines Ansteckungsverdachts (Blatt 141 &#8211; 143, 86 eAkte).
88 
- Die Annahmen der Landesregierung zur Ermächtigungsgrundlage seien ohne Belang. Die Schließung von Einrichtungen sei nicht aufgrund einer (Einzel-) Maßnahme gegenüber (einer Vielzahl) von Ansteckungsverdächtigen erfolgt, sondern aufgrund der Generalklausel für Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit (Blatt 88, 89 eAkte).
89 
- Die Voraussetzungen von 7; 31 IfSG hätten nicht vorgelegen, da zum Zeitpunkt der Verordnung am 20.03.2020 nur 2.746 Infektionen bei 11 Millionen Bürgerinnen und Bürgern vorlagen, weshalb es nach den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts an einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Kontakts mit infizierten Personen gefehlt habe (Blatt 86, 87 eAkte).
90 
b. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Land mit dem vorstehend zusammengefassten Vortrag hinreichend substantiiert bestritten, dass das in § 4 Nr. 14 CoronaVO normierte Tätigkeitsverbot nicht auf einem Ansteckungsverdacht nach § 2 Nr. 7 IfSG gegenüber der Klägerin beruhte. Hierfür lagen nach den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts die maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen schon gar nicht vor. Eine Beweisaufnahme durch Vorlage der Beschlussvorlage und Vernehmung der damaligen Kabinettsmitglieder (Blatt 84) kommt nicht in Betracht, weil die Parteien insoweit nicht über dem Beweis zugängliche rechtliche Einordnungen beziehungsweise über juristische Tatsachen streiten (Relevanz der Präambel der CoronaVO, Betriebsschließung, weil Ansteckungsverdacht, rechtliche Einordnung der Maßnahmen).
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Im Einzelnen:
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aa. Die Bezugnahme auf § 31 IfSG ist ohne Belang. Die CoronaVO führt in der Präambel aus, dass auf Grund §32 in Verbindung mit den § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 und § 31 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Februar 2020 (BGBl. I S. 148) geändert worden ist, verordnet wird. § 4 Nr. 14 CoronaVO hat sodann den Betrieb von Einrichtungen untersagt, für Frisöre galt das unstreitig vom 23.03.2020 bis zum Ablauf des 03.05.2020 (§ 4 Nr. 14 der Verordnung vom 04.05.2020 hat die Frisöre nicht mehr erfasst, vergleiche https://intra.landesrecht-bw.de/jportal/portal/t/6af/page/fpbawueprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=51&numberofresults=56&fromdoctodoc=yes&doc.id=aiz-jlr-CoronaVVBWrahmen%4020200504&doc.part=x&doc.price=0.0&doc.aizid=jlr-CoronaVVBWV6P6&doc.aizhl=1#focuspoint).
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Danach ist zwar festzuhalten, dass die Präambel der CoronaVO auch § 31 IfSG in Bezug nimmt, das bedeutet aber noch nicht, dass die angeordneten Betriebsschließungen als Verbot im Sinne des § 31 IfSG anzusehen waren.
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Das beklagte Land hat zutreffend ausgeführt, dass bei einer Sammelverordnung, die mehrere Sachverhalte regelt, nicht bei jeder einzelnen Bestimmung angegeben werden muss, auf welcher Erm8;chtigung diese beruht (BVerfG NJW 1967, 291 [292]: Zwar wird im Vorspruch der VO ein „ganzes Bündel” von Ermächtigungen angegeben (Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG). Aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG ist aber nicht zu schlie&#223;en, dass bei einer Sammelverordnung wie der vorliegenden zu jeder Bestimmung im Einzelnen angegeben werden muss, auf welcher der Ermächtigungen sie beruht.). Das Zitiergebot verlangt nicht, dass alle Normen genannt werden, die die Ermächtigung inhaltlich ausfüllen (BVerfGE 76, 130 [142]; BSG BeckRS 2003, 41261 unter II (3)). Maßgeblich für die – rechtliche – Einordnung der Betriebsschließungsanordnung ist das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der genannten Ermächtigungsgrundlagen, also entweder § 28 IfSG oder § 31 IfSG, das ist Rechtsanwendung und keine Tatsachenfeststellung. Die für die maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen der Normen vorher festzustellenden Tatsachen/Sachverhalte sind gegebenenfalls dem Beweis zugänglich, dies gilt jedoch nicht (mehr) für die Zuordnung zur einschlägigen Ermächtigungsgrundlage. Auch ein Anspruch auf Entschädigung verlangt das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale einer Entschädigungsregelung R11; danach kommt es nur darauf an, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer Anspruchsgrundlage gegeben sind.
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bb. Die Klägerin leitet schon allein aus der Bezugnahme der Präambel auf § 31 IfSG und einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.03.2012 (3 C 16/11) her, dass sie deshalb als Ansteckungsverd&#228;chtige angesehen worden sei. Das Land hat dies substantiiert damit bestritten, dass schon aus Rechtsgründen nicht auf § 31 IfSG abgestellt werden könne, weil die Bezugnahme auf § 31 IfSG ohne Belang sei und die Klägerin nach den maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben keine Ansteckungsverdächtige gewesen sei. Damit liegt ein Bestreiten bezüglich des Vorliegens von juristischen Tatsachen vor, diese sind aber nicht im Wege einer Beweisaufnahme zu klären (vergleiche insoweit nachfolgend unter ee.).
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Soweit die Klägerin meint, die Bezugnahme der Präambel auf § 31 IfSG belege, dass die Betriebsschließungen in § 4 CoronaVO auf dieser Basis getroffen wurden, kann alleine aus der Präambel einer Rechtsverordnung kein derart weitreichender Rückschluss gezogen werden. Denn nach der Systematik des IfSG enthält § 31 IfSG eine Sonderregelung gegenüber § 28 IfSG, was sich auch daraus ergibt, dass § 31 IfSG die in § 28 IfSG genannten Voraussetzungen aufgreift (Johann/Gabriel in Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand 01.10.2021, § 28 IfSG Rn. 3, 4; § 31 Rn. 5). Damit lag im Rahmen des Erlasses der CoronaVO sogar ein triftiger Grund vor, § 31 IfSG ebenfalls zu zitieren.
97 
cc. Die Betriebsschließung nach § 4 CoronaVO war kein Verbot nach § 31 Satz 1 IfSG. Nach § 31 Satz 1 IfSG kann die zuständige Behörde Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen. Dies gilt auch für sonstige Personen, die Krankheitserreger so in oder an sich tragen, dass im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht (§ 31 Satz 2 IfSG). Soweit das beklagte Land hierzu ausgeführt hat, § 31 IfSG erfasse nur Maßnahmen gegenüber Einzelpersonen (Blatt 48), trifft dieses aber wohl nicht zu. Denn die Anordnung eines Tätigkeitsverbots kann auch (abstrakt) durch eine Rechtsverordnung erfolgen (Johann/Gabriel in Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand 01.10.2021, § 31 IfSG Rn. 14).
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98 
>(1) Die Klägerin war keine Kranke, Krankheitsverdächtige oder Ausscheiderin. Die Klägerin macht lediglich geltend, sie sei als Ansteckungsverdächtige eingestuft worden bzw. alternativ nach § 31 Satz 2 IfSG in Anspruch genommen worden, weshalb sich eine Darstellung zu den übrigen Begrifflichkeiten erübrigt.
99 
(2) Es fehlte an einem Ansteckungsverdacht.
100 
(a) Gemäß der Legaldefinition von § 2 Nr. 7 IfSG ist Ansteckungsverdächtiger eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Nach der von den Parteien dazu zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.03.2012 (3 C 16/11, NJW 2012, 2823) ist der Ansteckungsverdächtige nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehr- und Polizeirechts als Störer anzusehen (BVerwG NJW 2012, 2823 [2825 Rn. 25]), wobei das Urteil in den maßgeblichen Passagen weiter wie folgt ausführt (BVerwG NJW 2012, 2823 [2827 Rn. 31 – 33])
31
101 
… Die Aufnahme von Krankheitserregern ist im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG „anzunehmen“, wenn der Betroffene mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer infizierten Person oder einem infizierten Gegenstand hatte (…). Die Vermutung, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, muss naheliegen. Eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Demzufolge ist die Feststellung eines Ansteckungsverdachts nicht schon gerechtfertigt, wenn die Aufnahme von Krankheitserregern nicht auszuschließen ist (anders die abweichende Formulierung in § 1 Abs. 2 Nr. 7 Tierseuchengesetz zur Legaldefinition des ansteckungsverdächtigen Tieres). Andererseits ist auch nicht zu verlangen, dass sich die Annahme „geradezu aufdrängt“. Erforderlich und ausreichend ist, dass die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil (…).
32
102 
Für die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckungsgefahr gilt allerdings kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. … Vielmehr ist der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (…). Dafür sprechen das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen (§§ 1Abs. 1, 28Abs. 1 IfSG), sowie der Umstand, dass die betroffenen Krankheiten nach ihrem Ansteckungsrisiko und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen unterschiedlich gefährlich sind. Im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde, drängt sich angesichts der schwerwiegenden Folgen auf, dass die vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts genügt. Das Beispiel zeigt, dass es sachgerecht ist, einen am Gefährdungsgrad der jeweiligen Erkrankung orientierten, „flexiblen“ Maßstab für die hinreichende (einfache) Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen.
33
103 
Ob gemessen daran ein Ansteckungsverdacht i. S. von § 2 Nr. 7 IfSG zu bejahen ist, beurteilt sich unter Berücksichtigung der Eigenheiten der jeweiligen Krankheit und der verfügbaren epidemiologischen Erkenntnisse und Wertungen sowie anhand der Erkenntnisse über Zeitpunkt, Art und Umfang der möglichen Exposition der betreffenden Person und über deren Empfänglichkeit für die Krankheit. Davon ist auch das OVG ausgegangen. Es hat dabei zu Recht darauf abgestellt, dass das zu Grunde liegende Erkenntnismaterial belastbar und auf den konkreten Fall bezogen sein muss. Die Feststellung eines Ansteckungsverdachts setzt voraus, dass die Behörde zuvor Ermittlungen zu infektionsrelevanten Kontakten des Betroffenen angestellt hat; denn ohne aussagekräftige Tatsachengrundlage lässt sich nicht zuverlässig bewerten, ob eine Aufnahme von Krankheitserregern anzunehmen ist. (…).
104 
Danach setzt ein Ansteckungsverdacht voraus, dass die Annahme einer Aufnahme von Krankheitserregern wahrscheinlicher ist als das Gegenteil, wobei für die Wahrscheinlichkeit der Ansteckungsgefahr ein flexibler Maßstab gilt (Ansteckungsrisiko, Gefährlichkeit des Erregers, Verlaufs- und Mortalitätsrisiko).
105 
Die Zugehörigkeit zu einer abstrakt gefassten Risikogruppe ist für die Annahme eines Ansteckungsverdachts jedoch nicht ausreichend (Kießling in Kießling, IfSG, 2. Aufl. 2021, § 2 Rn. 32; Loschelder NJW 1987, 1467 [1469]).
106 
Das OVG Lüneburg hat dazu im Urteil vom 03.02.2011 (13 LC 198/08, BeckRS 2011, 46763) überzeugend ausgeführt:
107 
Die für das Vorliegen eines Ansteckungsverdachts vorauszusetzende Annahme, eine Person habe Krankheitserreger aufgenommen, ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Person aufgrund Kontakts mit infizierten Personen oder Gegenständen dem Risiko ausgesetzt war, ihrerseits infiziert zu werden (…). Dass ein solcher Kontakt bestanden hat, muss nicht tatsächlich und frei von jedem Zweifel festgestellt sein; auch die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines solchen Kontakts kann zur Begründung eines Ansteckungsverdachts ausreichen. Grund hierfür ist nicht nur die Schwierigkeit, die der Versuch einer abgrenzungsscharfen Bestimmung eines solchen „Kontakts“ mit sich bringt, sondern auch der Umstand, dass das Erreichen des vom Gesetzgeber mit dem IfSG verfolgten Zwecks (§ 1 Abs. 1 IfSG) kaum möglich wäre, wenn die zuständige Behörde in jedem Einzelfall und auch dann, wenn es im Einzelfall um nicht zu kontrollierende oder zu rekonstruierende Kontaktketten geht, nur auf Grundlage eines tatsächlich nachweisbaren Kontakts tätig werden dürfte. ….
108 
(b) Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, warum bei Erlass der Verordnung davon auszugehen war, dass die Aufnahme von Krankheitserregern bei ihr wahrscheinlicher war als das Gegenteil. Alleine die mögliche Einstufung als Kontaktmultiplikatorin (Blatt 10), begründete lediglich eine abstrakte Gefahr. Die bloße Zugehörigkeit der Klägerin zur Berufsgruppe der Frisöre begründete insoweit noch keinen Ansteckungsverdacht. Angesichts der seitens des beklagten Landes mitgeteilten – unstreitig gebliebenen - Fallzahlen im März 2020bestand auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Aufnahme von Krankheitserregern, denn bei 2.746 festgestellten Infektionen auf 11 Millionen Bürger kann gerade noch nicht konkret festgestellt werden, dass ein Ansteckungsverdacht besteht beziehungsweise bestanden hat, also die Aufnahme von Krankheitserregern wahrscheinlicher war als das Gegenteil.
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Die durch die CoronaVO angeordneten Beschränkungen – insbesondere die Betriebsschließungen – sollten ersichtlich eine weitere Ausbreitung des Virus verhindern beziehungsweise unterbrechen, indem soziale und persönliche Kontakte in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen erheblich eingeschränkt wurden. So hat die CoronaVO den Betrieb an Schulen, Kindertageseinrichtungen und Universitäten ausgesetzt beziehungsweise erheblich eingeschränkt und den Betrieb von Einrichtungen untersagt, bei denen es zu sozialen Kontakten kommt (so auch der nicht bestrittene und deshalb nach § 138 Abs. 3 ZPO unstreitige Vortrag des Landes, Blatt 42). Nach der Systematik der Verordnung richteten sich die Verbote nicht gegen die Klägerin persönlich und es wurde insbesondere nicht an eine konkrete, von ihr ausgehende Infektionsgefahr angeknüpft.
110 
Ergänzend nimmt der Senat auf die Entscheidung des OLG Brandenburg Bezug, das insoweit zutreffend wie folgt ausgeführt hat (BeckRS 2021, 14869):
33
111 
Dem Kläger kann in diesem Zusammenhang nicht darin gefolgt werden, für seine Einordnung als Ansteckungsverdächtiger genüge die - wie auch immer konkretisierte - Gefahr, dass Krankheitserreger im Umfeld des von ihm in Person eröffneten Betriebes (…) aufgenommen wurden. Ein solches Normverständnis löst sich vollständig von der Legaldefinition, die auf die Annahme abstellt, dass der Ansteckungsverdächtige selbst Krankheitserreger aufgenommen hat (…).
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112 
nr="112"/>Ein derartiges Verständnis kann der Vorschrift auch nicht im Wege einer systematischen oder verfassungskonformen Auslegung untergeschoben werden:td>
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113 
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Die Einbeziehung der durch den Kläger genannten weiteren Personengruppen in den Kreis der „Ansteckungsverdächtigen“ ist schon nicht erforderlich, um infektionsschutzrechtliche Maßnahmen gegen sie zu ermöglichen. Die gegenteilige Annahme des Klägers beruht auf der unzutreffenden Überlegung, die §§ 28 und 32 IfSG erlaubten berufsbeschränkende Maßnahmen ausschließlich im Rahmen des § 31 IfSG. Sie dürften daher allein gegen die in der zuletzt genannten Norm genannten Personen gerichtet werden, das heißt nach § 31 Satz 1 IfSG nur gegen Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider bzw. im Falle des Satzes 2 der Vorschrift auch so genannte Carrier. Das ist jedoch nicht richtig. Vielmehr verpflichtet § 28 Abs. 1 IfSG die Behörde, zur Verhinderung der Weiterverbreitung einer übertragbaren Krankheit die diesem Ziel dienenden „notwendigen Schutzmaßnahmen“ zu treffen, soweit und solange dies erforderlich ist. Zu den notwendigen Schutzmaßnahmen gehören „insbesondere“ die in den folgenden Paragraphen genannten besonderen Maßnahmen, darunter auch berufliche Tätigkeitsverbote nach § 31 IfSG. Die Vorschriften zu speziellen Schutzmaßnahmen sind demzufolge nicht abschließend (…). Vielmehr kann die Behörde aufgrund der Generalklausel des § 28 IfSG auch Schutzmaßnahmen „gegen die Allgemeinheit“ oder auch „gegen Nichtstörer“ richten (…), selbst wenn dies faktisch mit Einschränkungen im Erwerbsleben der Betroffenen verbunden ist. Dies gilt in gleicher Weise auch für Ge- und Verbote, die nach § 32 IfSG durch die Landesregierungen bzw. die von ihnen bestimmten Stellen in Form von Rechtsverordnungen erlassen werden dürfen. Denn auch derartige Anordnungen sind nach § 32 Satz 1 IfSG unter den gleichen Voraussetzungen zulässig, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG gelten (…).
114 
(3) Die Klägerin war auch keine sonstige Person nach § 31 Satz 2 IfSG, weil sie schon nicht vorgetragen hat, dass sie ein sogenannter Carrier war.
115 
Adressat der Maßnahmen nach § 31 S. 2 IfSG sind Personen, die Krankheitserreger so in oder an sich tragen, dass im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht (sog. Carrier). Bei diesen Personen ist positiv nachgewiesen, dass eine Ansteckung mit einem Krankheitserreger vorliegt. Mangels bestehender Symptome sind diese Personen jedoch nicht als Kranke oder Krankheitsverdächtige zu qualifizieren.
116 
(4) Danach lässt sich gerade nicht feststellen, dass die Klägerin im Rahmen der Betriebsschließung als Ansteckungsverdächtige oder sonstige Person angesehen wurde.
117 
Im Übrigen hat das beklagte Land zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen für die Annahme eines Ansteckungsverdachts vorgetragen hat. Die bloße Möglichkeit ihrer Eigenschaft als Kontaktmultiplikatorin und der Hinweis auf die Herausforderungen des Gesundheitssystems genügen insoweit nicht, um eine konkrete Infektionsgefahr annehmen zu können.
118 
(5) Dem beklagten Land kann allerdings nicht gefolgt werden, soweit § 28 IfSG dem 4. Abschnitt (Verhütung übertragbarer Krankheiten) zugeordnet wird, denn dieser erfasst nur die §§ 16 – 23a IfSG, sowohl § 28 IfSG als auch § 31 IfSG sind im 5. Abschnitt betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten enthalten.
119 
dd. Die Betriebsschließung fiel nicht unter §§ 16 ff. IfSG. Soweit die Klägerin vortr8;gt, wegen der verschwimmenden Grenzen zwischen Verhütung und Bekämpfung sei auch zu prüfen, ob das Tätigkeitsverbot nicht in korrekter Weise ausschließlich oder mindestens ergänzend auf § 16 IfSG zu stützen war (Blatt 12, 87), trifft dieses nicht zu. § 16 IfSG ermächtigt als Verhütungsmaßnahme zu Maßnahmen vor dem Ausbruch einer übertragbaren Krankheit, nach dem – unstreitig erfolgten – Ausbruch der Krankheit kamen wegen der Exklusivität lediglich noch Maßnahmen nach §§ 24 ff. IfSG in Betracht (so zutreffend auch OVG Lüneburg, Urteil vom 03.02.2011, 13 LC 198/08, juris Rn. 40, BeckRS 2011, 46763).
120 
ee. Das Landgericht ist mit zutreffenden Erwägungen davon ausgegangen, dass die nach der CoronaVO erfolgte Betriebsschließung als Verbot nach § 28 IfSG zu qualifizieren ist.
121 
(1) Nach der aufgrund seiner systematischen Stellung im Gesetz und des Wortlauts als Generalklausel einzuordnenden § 28 Abs. 1 IfSG (vergleiche hierzu nur BVerwG BeckRS 2012, 51345 R. 24; Johann/Gabriel in Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand 01.10.2021, § 28 IfSG Rn. 1, 31) in der im März 2020 geltenden und deshalb maßgeblichen (Eckart/Kruse in Eckart/Winkelmüller, BeckOK IfSG, Stand 01.10.2021, § 56 Rn. Rn. 20a, vergleiche auch BVerwG NVwZ-RR 2005, 446) Fassung können
122 
- durch die zuständige Behörde
123 
- die notwendigen Schutzmaßnahmen angeordnet werden (insbesondere die in §§ 29 – 31 IfSG genannten und in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG aufgezählten Maßnahmen), wenn
124 
- Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war (woraus sich ergibt, dass es um Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit nach ihrem Auftreten geht),
125 
- soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.
126 
(a) Durch § 32 Satz 1 IfSG werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 – 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Ge- und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzma3;nahmen zu treffen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Insbesondere können Personen verpflichtet werden, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.
127 
(b) „Notwendige“ Schutzmaßnahmen sind nach dem Verständnis des Bundesverwaltungsgerichts diejenigen „Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit geboten sind“ (BVerwG BeckRS 2012, 51345 Rn. 24). Der Begriff der Notwendigkeit betrifft demnach nicht die Eingriffsintensität gegenüber den Adressaten der Schutzmaßnahmen, sondern die objektive Geeignetheit der Maßnahme zur Verhinderung der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit (Johann/Gabriel in Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand 01.10.2021, § 28 IfSG Rn. 24).
128 
Die Gesetzgebungsmaterialien führen zur Vorgängernorm des § 34 BSeuchG wie folgt aus (BT-Drucks. 8/2468 S. 27 f.):
129 
Die den Behörden bisher zur Verfügung stehenden abschließend aufgezählten Schutzmaßnahmen einschließlich der im bisherigen § 43 vorgesehenen „Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit" erscheinen für eine sinnvolle und wirksame Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu eng. … Die Fülle der Schutzmaßnahmen, die bei Ausbruch einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, lässt sich von vorneherein nicht übersehen. Man muss eine generelle Ermächtigung in das Gesetz aufnehmen, will man für alle Fälle gewappnet sein. Die Maßnahmen können vor allem nicht nur gegen die in Satz 1 (neu) Genannten, also gegen Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige usw. in Betracht kommen, sondern auch gegenüber „Nichtstörern". So etwa das Verbot an jemanden, der (noch) nicht ansteckungsverdächtig ist, einen Kranken aufzusuchen. Die bisher in § 43 aufgezählten Schutzmaßnahmen gegenüber der Allgemeinheit können künftig auf Grund der generellen Regelung des Absatzes 1 Satz 1 angeordnet werden. In Absatz 1 Satz 2 werden sie trotzdem beispielhaft ausdrücklich genannt, weil die genannten Maßnahmen einerseits besonders bedeutsam sind und es andererseits durch ihre Nennung ermöglicht wird, dass die in § 65 enthaltene Strafandrohung aufrechterhalten werden kann.
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130 
In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist anerkannt, dass angesichts der Weite des Begriffs der Schutzmaßnahme auch Betriebsschließungen erfasst werden. Die Auslegung von § 28 Abs. 1 Satz IfSG ergibt bereits ihrem Wortlaut nach, dass Geschäftsschließungen als eine Schutzmaßnahme angeordnet werden können. Der Begriff der „Schutzmaßnahmen“ ist umfassend und eröffnet der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen, welches durch die Notwendigkeit der Maßnahme im Einzelfall begrenzt wird (so auch VGH Baden-Württemberg BeckRS 2020, 7262 Rn. 30 – 37; VGH München NJW 2020, 1240 [1241 Rn. 11]; OVG Münster BeckRS 2020, 5158 Rn. 48). Dies ist richtig.
131 
(c) Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG müssen Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider „festgestellt“ werden, oder es muss sich „ergeben“, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war. Aus dem Wortsinn („festgestellt“; „sich ergibt“) folgt, dass ein bloßer Verdacht nicht genügt. Es muss vielmehr feststehen, dass eine oder mehrere der in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG genannten Tatsachen vorliegen. Dies zeigt auch der Vergleich mit dem weiter formulierten § 25 Abs. 1 IfSG, nach dem Ermittlungsmaßnahmen nicht nur durchzuführen sind, wenn sich „ergibt“, dass eine Person oder ein Verstorbener krank etc. ist bzw. war, sondern schon dann, wenn dies „anzunehmen“ ist (so zutreffend Johann/Gabriel in Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand 01.10.2021, § 28 IfSG Rn. 17).
132 
Die abstrakt passive („werden … festgestellt“) Formulierung ergibt weiter, dass die Tatsachen nicht zwingend durch die zuständige Behörde festgestellt werden müssen (Johann/Gabriel in Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand 01.10.2021, § 28 IfSG Rn. 18).
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133 
(d) Adressat von Schutzmaßnahmen sind vorrangig Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz. 1 (BVerwG BeckRS 2012, 51345 Rn. 25; OVG Hamburg BeckRS 2020, 9944 Rn. 21). Wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr, eine übertragbare Krankheit weiterzuverbreiten, sind sie nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehr- und Polizeirechts als „Störer“ anzusehen (BVerwG BeckRS 2012, 51345 Rn. 25). Gleichwohl können Schutzmaßnahmen auch gegenüber „Nichtstörern“ ergriffen werden, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen (BeckRS 2012, 51345 Rn. 26; OVG Sachsen BeckRS 2020, 9441 Rn. 19; OVG Mecklenburg-Vorpommern BeckRS 2020, 10494 Rn. 14; OVG Hamburg BeckRS 2020, 9944 Rn. 21; OVG Niedersachsen BeckRS 2020, 10749 Rn. 24; VGH Baden-Württemberg BeckRS 2020, 8653 Rn. 17; VGH Baden-Württemberg BeckRS 2020, 8277 Rn. 22: „Wie der Senat bereits entschieden hat (…), ermächtigt § 28 Abs. 1 IfSG nach seinem Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und dem Willen des Gesetzgebers zu Maßnahmen auch gegenüber Nichtstörern. Davon geht auch die höchstrichterliche Rechtsprechung aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.2012 - 3 C 16/11 - BVerwGE 142, 205, 213). Dass es überhaupt am Coronavirus Erkrankte gibt und insofern die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 IfSG erfüllt sind, steht außer Frage. Im Übrigen ist zu beachten, dass eine Vielzahl von Übertragungen des SARS-CoV-2-Viruses bereits in der präsymptomatischen Phase oder gar durch vollkommen symptomlose Überträger stattfinden können. Es stellt sich daher schon die Frage, ob eine Differenzierung von Störern und Nichtstörern im Falle von SARS-CoV-2 überhaupt sachgerecht ist (vgl. Senat, Beschluss vom 23.04.2020, a.a.O., unter Hinweis auf https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText20 [Ziff. 20]). Auch eine Beschränkung auf lediglich „kurzfristige“ Maßnahmen enthält § 28 Abs. 1 IfSG nicht. Eine dahingehende Auslegung wäre weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch mit dem auf die Bekämpfung von - häufig gerade nicht kurzfristigen - Infektionsgeschehen zu vereinbaren.“).
134 
Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 IfSG, dem sich eine Einschränkung der Adressatenwahl auf die in § 28 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 IfSG genannten „Störer“ (wie z.B. „ihnen gegenüber“) nicht entnehmen lässt (Bayerischer VGH BeckRS 2020, 10400 Rn. 36). Zudem werden in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG ausdrücklich „Personen“ als Adressaten genannt, ohne dass ein Bezug zu den § 28 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 IfSG aufgeführten Personengruppen hergestellt wird (OVG Thüringen BeckRS 2020, 12181 Rn. 51).
135 
(e) Mit dem Gebot der Erforderlichkeit ist das Verhältnismäßigkeitsgebot in § 28 IfSG aufgenommen, dies betrifft den Inhalt („soweit“), auch die Dauer („solange“) der Schutzmaßnahmen. Jede Schutzmaßnahme muss demnach gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zur Verhinderung der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit geeignet, erforderlich und angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne) sein. Für die Geeignetheit einer Maßnahme genügt es, wenn „der gewünschte Erfolg gefördert werden kann“ (BVerfGE 134, 204 Rn. 79); notwendig, aber auch hinreichend ist die „Möglichkeit der Zweckerreichung“ (BVerfGE 126, 112 [144] = BeckRS 2010, 50478). Im Hinblick auf Schutzmaßnahmen nach § 28 IfSG reicht es aus, wenn die Maßnahme die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der angestrebte Erfolg zumindest teilweise eintritt (BayVGH BeckRS 2020, 8313 Rn. 18; s. auch VGH BW BeckRS 2020, 8306 Rn. 17 = COVuR 2020, 322: „Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ermächtigt § 28 Abs. 1 IfSG auch zu Schutzmaßnahmen, wenn die Verhinderung der Weiterverbreitung nur teilweise zu erreichen ist. Dennoch dienen solche Maßnahmen dem Zweck des § 1 Abs. 1 IfSG. Andernfalls bestünde keine Befugnis zu infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen, je schwieriger die Verbreitung einer Infektion zu verhindern ist. Eine solche Gesetzesauslegung widerspräche offensichtlich dem Zweck des § 1 Abs. 1 IfSG.“).
136 
(2) Die Betriebsschließungen konnten auch auf § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützt werden und auch gegenüber sogenannten Nichtstörern ergehen, bei denen kein Ansteckungsverdacht (oder eine der sonstigen Voraussetzungen für einen Eingriff nach § 31 IfSG vorliegen). Der Tatbestand des § 31 IfSG verhindert es nicht, berufliche Tätigkeitsverbote gestützt auf § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG auch gegenüber Nichtstörern zu erlassen. § 31 IfSG hat keinen abschließenden Charakter, da er nur eine Ermächtigungsgrundlage für Maßnahmen gegen infektiöse Personen vorsieht. Den zuständigen Behörden muss die Möglichkeit offenstehen, alle notwendigen Schutzmaßnahmen auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG zu stützen. Insbesondere muss die Möglichkeit bestehen, Maßnahmen auch gegen Dritte (Nichtstörer) zu anzuordnen (so zutreffend OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2020, 6642 Rn. 10; OVG Münster BeckRS 2020, 5957 Rn. 49 ff.; OVG Bremen BeckRS 2020, 5629 Rn. 38; Johann/Gabriel in Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand 01.10.2021, § 31 IfSG Rn. 5).
137 
Auch der VGH Baden-Württemberg geht davon aus, dass § 4 der CoronaVO auf § 28 IfSG beruht:
138 
Rechtsgrundlage für den hier streitgegenständlichen § 4 der CoronaVO der Landesregierung ist damit § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG. Nach § 32 Satz 1 IfSG werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist (VGH Baden-Württemberg BeckRS 2020, 7262 Rn. 20).
139 
(4) Die Voraussetzungen sind für den vorliegenden Sachverhalt zu bejahen.
140 
(a) Der Erlass der CoronaVO ist durch die Landesregierung als zuständige Behörde erfolgt (§ 32 IfSG).
141 
(b) Die Klägerin hat selbst vorgetragen,
142 
- es sei angesichts der derzeitigen Herausforderungen des Gesundheitssystems (wahrscheinlich) nicht zu beanstanden, wenn die Gesundheitsbehörden Dienstleister als Kontaktmultiplikatoren unter einen Generalverdacht als Ansteckungsverdächtigte stellten (Blatt 10),
143 
- das Virus ist hochinfektiös (Blatt 77).
144 
Damit hat sie eingeräumt, dass die Betriebsschließung rechtmäßig gewesen ist (der Vortrag zur Frage von Ansprüchen aus enteignungsgleichem Eingriff führt nicht zu einer anderen Bewertung, vergleiche dazu die weiteren Ausführungen unter II. 6.). Bei den Betriebsschließungen handelte es sich evident um eine notwendige Schutzmaßnahme, weil damit – wie ausweislich der CoronaVO auch in allen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens – die sozialen Kontakte beschränkt worden sind, um eine Weiterverbreitung des Virus zu bremsen.
145 
(c) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass zum Zeitpunkt der Betriebsschließung 2.746 bestätigte Infektionen in Baden-Württemberg vorlagen (Blatt 82 eAkte), das Virus eine hohe Infektiosität mit erheblichen Gefahren und einer hohen Sterberate aufweist, weshalb das Auftreten einer übertragbaren Krankheit mit entsprechend erkrankten Personen vorgelegen hat (und bis heute vorliegt).
146 
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(d) Die Schließung der Betriebe war geeignet, erforderlich und angemessen, um die Verbreitung des Virus zumindest zu verlangsamen, was sich auch aus dem allgemein bekannten Rückgang der Infektionszahlen im Sommer 2020 ergibt. Die Verordnung hat auch berücksichtigt, dass entsprechende Schließungen immer nur für einen kurzen Zeitraum angeordnet werden dürfen. Ergänzend wird insoweit auf die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg (BeckRS 2020, 7262 Rn. 33 – 37) Bezug genommen
33
147 
Von dieser offenen, im Hauptsacheverfahren zu klärenden Frage abgesehen, dürfte die durch die CoronaVO angeordnete Schließung zahlreicher Einzelhandelsbetriebe ab Mitte März 2020 durch die CoronaVO vom 17.03.2020 geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne gewesen sein.
34
148 
Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit mit Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und auch erforderlich sind und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) noch gewahrt wird (…). Ein Gesetz ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Es ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können. Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu (…).
35
149 
Diesen Anforderungen dürfte die angeordnete Schließung der meisten Einzelhandelsbetriebe ab Mitte März 2020 durch die CoronaVO vom 17.03.2020 genügen. Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus ist von der WHO als Pandemie eingestuft worden. Die bisherigen Erfahrungen in der Bundesrepublik und in anderen Staaten zeigen, dass die exponentiell verlaufende Verbreitung des besonders leicht im Wege der Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus nur durch eine strikte Minimierung der physischen Kontakte zwischen den Menschen eingedämmt werden kann. Die Schließung von Einrichtungen gem. § 4 Abs. 1 CoronaVO bezweckt vor allem eine Reduzierung der Sozialkontakte (…). Dies stellt ein geeignetes Mittel dar, Infektionsketten zu unterbrechen und die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus zu verlangsamen.
36
150 
Die getroffenen Maßnahmen sind auch erforderlich. Ein anderes, gleich wirksames, aber weniger eingreifendes Mittel war nicht ersichtlich. Das Ansteckungsrisiko im Falle der Untersagung des Betriebs von Einzelhandelsgeschäften kann gänzlich ausgeräumt werden, während bei deren Öffnung - auch unter Auflagen - und dem zwangsläufigen Aufeinandertreffen von Menschen zumindest ein Restrisiko verbleibt.
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37
151 
Für die Beurteilung der Zumutbarkeit dieser Schließungen ist zu berücksichtigen, dass die davon betroffenen Betriebe gravierende wirtschaftliche Einbußen erleiden werden. Die betroffenen Belange der Betriebe sind als sehr erheblich einzuschätzen, da sie den einzelnen Inhaber des Betriebes und die von diesem besch&#228;ftigten Arbeitnehmer in ökonomischer Hinsicht gegebenenfalls existenziell betreffen und aufgrund der Vielzahl der Schließungen für die Volkswirtschaft Baden-Württembergs einschneidende Folgen haben. Demgegenüber stehen jedoch die ebenfalls gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und die damit verbundene Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands. Denn nach sachverständiger Einschätzung konnte selbst nach den bundesweit vorgenommenen weitgehenden Beschränkungen des öffentlichen Lebens nicht ausgeschlossen werden, dass die Kapazitäten zur Behandlung der mit dem Coronavirus infizierten Personen trotz ihrer Ausweitung nicht ausreichen werden, sondern wurde sogar als wahrscheinlich angesehen, dass eine medizinisch sachgerechte Behandlung aller Erkrankten nicht gewährleistet werden kann
(…).
152 
Auch das Bundesverfassungsgericht hat erst vor kurzem festgehalten, dass die ergriffenen Schließungsmaßnahmen verhältnismäßig waren. Insoweit wird auf den Beschluss vom 19.11.2021 (1 BvR 781/21 u.a.) in den Rn. 166 – 237 Bezug genommen und der Beschluss zum Gegenstand der vorliegenden Entscheidung gemacht. Die dortigen Ausführungen können auch auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden.
153 
(5) Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, das Landgericht habe zu Unrecht den Vortrag der Klägerin nicht als unstreitig behandelt (Blatt 34 eAkte), wird auf die Ausführungen unter B.I.1.b. Bezug genommen. Im Übrigen trifft es nicht zu, dass dieser Vortrag nicht bestritten wurde, denn das beklagte Land hat bereits in erster Instanz vorgetragen, dass die Maßnahme nach § 28 IfSG ergangen sei (vergleiche dazu nur den Vortrag auf Blatt 34, 49 – 51).
154 
(6) Nach alledem trifft es nicht zu, dass § 28 IfSG keine Inanspruchnahme der Klägerin erlaubte (so aber deren Vortrag, z.B. Blatt 11).
155 
c. Bei der Frage der Zuordnung der Ermächtigungsgrundlage geht es ebenfalls nicht um den Streit über Tatsachen, die dem Beweis zugänglich sind, sondern um die rechtlichen Einordnungen der Regelungen des IfSG und der CoronaVO und damit um Rechtsanwendung beziehungsweise juristische Tatsachen oder Rechtssätze.
156 
aa. Gegenstand des Beweises sind Tatsachen. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens. Sie betreffen etwas Geschehenes oder Bestehendes, das zur Erscheinung gelangt und in die Wirklichkeit getreten ist. Was noch nicht geschehen ist, ist nicht Tatsache (BGH NJW 1998, 1223 [1224]; Stein/Jonas/Thole, ZPO, 23. Aufl. 2018, § 284 Rn. 11).
157 
Nicht zu den Tatsachen gehören sogenannte juristische Tatsachen. Dabei handelt es sich um rechtliche Schlussfolgerungen, die sich aus der Subsumtion unter eine Rechtsnorm ergeben (MüKo/Prütting, ZPO, 6. Aufl. 2020, § 284 Rn. 41: &#8222;Bei diesen handelt es sich teilweise um juristische Urteile, die bereits durch eine Subsumtion konkreter Tatsachen unter bestimmte Rechtssätze gewonnen wurden und nur in einer nicht juristischen Weise ausgedrückt werden.“; Stein/Jonas/Thole, ZPO, 23. Aufl. 2018, § 284 Rn. 16). Etwas anderes gilt, wenn ein einfacher und allgemein geläufiger Rechtsbegriff verwandt wird, um einen ganzen Tatsachenkomplex zu bezeichnen (BGH NJW 1998, 2058 [2060]; BGH NJW 1958, 1968; OLG Koblenz NJW-RR 1993, 571 [572]; Stein/Jonas/Thole, ZPO, 23. Aufl. 2018, § 284 Rn. 17). Die Gleichstellung von Rechtsbegriffen und Tatsachenbehauptungen findet aber dort ihre Grenze, wo der Gegner den Rechtsbegriff bestreitet oder die Parteien erkennbar von einer falschen Wertung ausgehen. Der Rechtsbegriff muss dann aufgelöst werden und es sind die einzelnen konkreten zugrundeliegenden Tatsachen für eine Subsumtion zu ermitteln (Stein/Jonas/Thole, ZPO, 23. Aufl. 2018, § 284 Rn. 17; Laumen in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch des Beweisrechts, Band 1 Grundlagen, 4. Aufl. 2019, Kapitel 3 Rn. 3).
158 
Rechtssätze können ebenfalls grundsätzlich nicht Gegenstand einer Beweiserhebung sein. Schon aus § 293 ZPO folgt, dass das geltende Recht von Amts wegen zu ermitteln und anzuwenden ist (vergleiche nur Stein/Jonas/Thole, ZPO, 23. Aufl. 2018, § 284 Rn. 18; Laumen in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch des Beweisrechts, Band 1 Grundlagen, 4. Aufl. 2019, Kapitel 3 Rn. 4; zu einer Ausnahme z.B. BGHZ 144, 111 [113]).
159 
Nicht dem Beweis zugänglich ist ferner die rechtliche Beurteilung, das heißt die Subsumtion eines Sachverhalts unter den Tatbestand der einschlägigen Rechtsnormen (Stein/Jonas/Thole, ZPO, 23. Aufl. 2018, § 284 Rn. 16; Bacher in BeckOK ZPO, Stand 01.09.2021, § 284 Rn. 4).
160 
Beweis zu erheben ist zudem nur über beweisbedürftige Tatsachen, das sind die streitigen entscheidungserheblichen Tatsachen, die unmittelbar oder (als Indiztatsachen) mittelbar die Voraussetzungen einer streitentscheidenden Norm ausfüllen, wobei der Beweis nicht unzulässig sein darf (BVerfG, Beschluss vom 09.10.2002, 1 BvR 1611/96, Rn. 59: „…sind die Gerichte deshalb grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweismittel zu berücksichtigen, wenn und soweit eine Tatsachenbehauptung erheblich und beweisbedürftig ist. Dies gebieten auch der in § 286 ZPO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung sowie das grundrechtsähnliche Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG“).
161 
bb. Die Zuordnung der Betriebsschließung nach § 4 der CoronaVO ist als Rechtsanwendung beziehungsweise die Bewertung von juristischen Tatsachen anzusehen, was sich schon daraus ergibt, dass sowohl § 28 IfSG als auch § 31 IfSG einzelne Tatbestandsvoraussetzungen definiert haben, bei deren Vorliegen Schutzmaßnahmen (§ 28 IfSG) beziehungsweise ein berufliches Tätigkeitsverbot (§ 31 IfSG) angeordnet werden dürfen. Die Tatbestandsvoraussetzungen der einschlägigen Normen sind im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs (den die Klägerin ja geltend macht) juristisch zu definieren, lediglich die darunter zu subsumierenden Tatsachen (oder Sachverhalte) können mit den Beweismitteln der ZPO festgestellt werden. Welche der Normen einschlägig und gegebenenfalls anzuwenden ist, ist jedoch die ureigenste Feststellungsaufgabe der Gerichte im Rahmen der Rechtsanwendung. Die Gerichte sind dazu aufgerufen, die vorgenommene Rechtsanwendung daraufhin zu überprüfen, welche der maßgeblichen Rechtsnormen einschlägig sind und ob die dort definierten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Die rechtliche Beurteilung, also die Subsumtion eines Sachverhalts unter den Tatbestand der einschlägigen Rechtsnormen ist dem Beweis nicht zugänglich.
162 
Die Begriffe des Ansteckungsverdächtigen beziehungsweise der sonstigen Person sind zudem komplexe und schwer verständliche Rechtsbegriffe, weshalb nach dem Streit der Parteien, ob diese Tatbestandsvoraussetzungen bejaht werden können, die maßgeblichen Begrifflichkeiten aufzulösen sind, die zugrundeliegenden Tatsachen für eine Subsumtion zu ermitteln sind.
163 
Insoweit war und ist auch die Intention der Landesregierung beim Erlass der Verordnung ohne Belang – maßgeblich ist die spätere rechtliche Einordnung durch die Gerichte im Rahmen der von diesen vorzunehmenden Rechtsanwendung.
164 
Eine Beweisaufnahme durch Vorlage der Beschlussvorlage oder Vernehmung der damaligen Mitglieder der Landesregierung war und ist nach alledem nicht erforderlich.
165 
2. Soweit die Berufung rügt, das Landgericht habe bei der Verneinung des Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke die Beweisangebote der Klägerin übergangen, kann ein Verfahrensfehler ebenfalls nicht festgestellt werden.
166 
a. Die Klägerin führt aus:
167 
- Hilfsweise sei § 56 IfSG analog anzuwenden (Blatt 6),
168 
- weil sich sonst die kuriose, rechtsstaatlich unerträgliche Situation ergäbe, dass ein Erkrankter als Störer bessergestellt werde wie der über § 28 IfSG in Anspruch genommene Nicht-Störer (Blatt 11, 94).
169 
- Das Fehlen von Regeln zur Entschädigungsregelungen für Nichtstörer stelle eine planwidrige Regelungslücke dar (Blatt 88).
170 
- Das IfSG treffe keine Regelungen zur Entschädigung von Nicht-Störern und es treffe nicht zu, dass nach den Gesetzesmaterialien bewusst keine Entschädigung gewährt werden solle; in den Materialien fehle jeder Anhaltspunkt, dass der Gesetzgeber die Fragestellung zielgerichteter Betriebsschließungen überhaupt gesehen habe, § 43 BSeuchG habe nur Ansammlungen und Veranstaltungen abgezielt (Blatt 89).
171 
- Die Ausarbeitungen des wissenschaftlichen Dienstes seien unbehelflich, da dort nur externe Meinungen zusammengestellt seien, keine inhaltlichen Aussagen zum Gesetzgebungsverfahren getroffen seien, diesem erst zeitlich nachgefolgt seien, also keine inhaltliche Aussage zum Verfahren im März 2020 treffen könne (Blatt 89 ̵1; 95 – Zeugenbenennung Blatt 92 - 93).
172 
Das beklagte Land hat erwidert:
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173 
- Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs sei nicht geboten, denn Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung seien von der Allgemeinheit entschädigungslos hinzunehmen, weil das Seuchenrecht wegen der fehlenden Verantwortung nicht streng zwischen Störern und Nichtstörern differenziert werde, Störer seien tatsächlich schlechter gestellt seien, weil diese weiterreichenden Verboten unterlägen (Blatt 60).
174 
- Eine Analogie scheitere am Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke (Blatt 60),
175 
- weil die Entschädigungsregelungen des 12. Abschnitts des IfSG nicht für Opfer der Allgemeinheit gedacht seien (Blatt 61), insoweit nur Sonderopfer erfasst werden sollten (Blatt 61),
176 
- die Einführung von § 56 Abs. 1a IfSG belege, dass der Gesetzgeber nur in eingeschränktem Umfang entschädigen wolle (Blatt 62 f.),
177 
- seuchenpolizeiliche Maßnahmen entschädigungslos hinzunehmen seien (Blatt 64).
178 
b. Hinsichtlich der rechtlichen Vorgaben für die Durchführung einer Beweisaufnahme wird auf die vorherigen Ausführungen Bezug genommen (B.I.1.c.aa.).
179 
c. Die Klägerin hat insoweit zwar durchaus kreativ vorgetragen, weil die Benennung von Bundestagsabgeordneten als Zeugen und das Zitat von Aussagen der Bundeskanzlerin und des Bundesgesundheitsministers im Rahmen eines Interviews interessante Einblicke geben mag. Das Vorliegen einer Regelungslücke kann damit allerdings nicht festgestellt werden.
180 
Denn insoweit geht es um die Auslegung von § 56 IfSG im Kontext der sonstigen denkbaren Entschädigungsregelungen, die nach den üblichen Auslegungsmethoden vorzunehmen ist. Maßgeblich sind danach der Wortlaut (Sinngehalt des Normtextes, Bedeutung nach den sprachlichen Regelungen), die Systematik (im Kontext der weiteren Aussagen der Normen), der Normzweck der Vorschrift (teleologische Auslegung gemäß den erkennbaren Zwecken und Grundgedanken einer Regelung) sowie der historische Wille des Gesetzgebers und gegebenenfalls eine verfassungskonforme Auslegung (vergleiche zum Ganzen Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, Seite 320 – 346; Schäfers, JuS 2015, 875 – 880).
181 
Die Klärung der Frage, ob § 56 IfSG eine abschließende gesetzliche Sondervorschrift darstellt oder insoweit eine (nicht beabsichtigte) Regelungslücke vorliegt, erfordert danach keine Klärung von entscheidungserheblichen Tatsachen oder Indiztatsachen für die Feststellung eines Sachverhalts, sondern es handelt sich wiederum um Rechtsanwendung beziehungsweise die Klärung von Rechtstatsachen. Die Normvorstellungen des historischen Gesetzgebers sind schon keine festzustellenden Tatsachen, sondern es geht insoweit ja um die Ermittlung der rechtlichen Vorgaben, den Inhalt der Tatbestandsvoraussetzungen, die Obersätze, unter die der Sachverhalt subsumierbar sein muss.
182 
Die Ermittlung des historischen Willens des Gesetzgebers kann insoweit nur an die dazu vorliegenden Materialien anknüpfen, hier kann es nicht auf die Vorstellungen einzelner Abgeordneter (als Teil des maßgeblichen Organs Bundestag) ankommen. In der Literatur wird insoweit zutreffend ausgeführt, dass es schon deshalb nicht auf die Vorstellung einzelner am Gesetzgebungsverfahren betreffender Personen ankommen kann, weil bei auseinandergehenden Vorstellungen dann die Frage zu stellen ist, was maßgeblich sein soll. Als Wille seien deshalb nur die zutage getretene Grundabsicht des Gesetzgebers und diejenigen Vorstellungen anzusehen, die in den Beratungen zum Ausdruck gebracht und ohne Widerspruch geblieben sind. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, Seite 328 ff. führt dazu zutreffend aus:
183 
… die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die von ihm in Verfolgung dieser Absicht erkennbar getroffenen Wertentscheidungen bleiben für den Richter verbindliche Richtschnur, … Es wäre ersichtlich ergebnislos, nach den Vorstellungen zu forschen, die sich alle an der Beschlussfassung beteiligten Personen, …, von der Bedeutung dieser oder jener [329] Gesetzesbestimmung im Einzelnen gemacht haben. Solche Vorstellungen lassen sich nicht ermitteln, und wenn sie sich ermitteln ließen, welche sollten dann ma23;gebend sein, wenn sie auseinandergehen. … Als der „Wille des Gesetzgebers“ sind hiernach nur anzusehen die zutage liegende Grundabsicht des Gesetzgebers und diejenigen Vorstellungen, die in den Beratungen der gesetzlichen Körperschaft oder ihrer zuständigen Ausschüsse zum Ausdruck gebracht und ohne Widerspruch geblieben sind. … [330] Als Erkenntnisquellen für die Normvorstellungen der an der Vorbereitung und Abfassung des Gesetzes beteiligten Personen kommen in erster Linie die verschiedenen Entwürfe, die Beratungsprotokolle und die den Entwürfen beigegebenen Begründungen … in Betracht.
184 
Die Feststellung einer planwidrigen Regelungslücke und der Reichweite von Normen unterliegt danach nicht einer Beweisaufnahme.
185 
3. Nachdem die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen nicht durchgreifen, geht auch ihr Vorwurf einer unvollständigen oder fehlerhaften Feststellung des Sachverhalts ins Leere.
186 
II. Eine Verletzung materiellen Rechts liegt ebenfalls nicht vor.
187 
1. Die Passivlegitimation des Landes hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche aus § 56 IfSG ergibt sich aus § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG. Das Land hat sich zudem auf den geltend gemachten Anspruch eingelassen (Blatt 30; vergleiche auch Blatt 127).
188 
2. Ein Anspruch aus § 56 IfSG besteht nicht, denn die Klägerin gehört nicht zum dort genannten Personenkreis - Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG – und war auch nicht nach § 31 IfSG einem Tätigkeitsverbot unterworfen.
189 
a. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG enthält derjenige eine Entschädigung in Geld, der auf Grund dieses Gesetzes
190 
- als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG
191 
- Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird
192 
- und dadurch einen Verdienstausfall erleidet.
193 
- § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG enthält Einschränkungen, die im vorliegenden Sachverhalt ohne Relevanz bleiben.
d valign="top">able>194 
="194"/>aa. Der Entschädigungsanspruch setzt danach voraus,
195 
- die Einordnung des Anspruchstellers als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder sogenannter Carrier (§ 31 Satz 2 IfSG),
196 
- Tätigkeitsverbot,
197 
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- dadurch (also kausaler) Verdienstausfall.
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198 
Entschädigungsberechtigt kann gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 IfSG nur sein, wer „als“ Ausscheider im Sinne von § 2 Nr. 6 IfSG, Ansteckungsverdächtiger im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG, Krankheitsverdächtiger im Sinne von § 2 Nr. 5 IfSG oder (im Falle des Tätigkeitsverbots) als Carrier im Sinne von § 31 S. 2 IfSG von dem Tätigkeitsverbot betroffen ist. Dies ist bei flächendeckenden Betriebsschließungen in der Regel nicht der Fall (Eckart/Kruse in Eckart/Winkelmüller, BeckOK IfSG, Stand 01.10.2021, § 56 Einleitung vor Rn. 1 und Rn. 28, 30.1). Da der Anspruchsteller mit der Entschädigung eine Begünstigung begehrt, obliegt ihm nach den allgemeinen Beweisregeln die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Entschädigungsvoraussetzungen (OVG Lüneburg BeckRS 2013, 45922 unter Ziffer 1. der Entscheidungsgründe).
199 
bb. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, es komme allein auf die Voraussetzungen aus § 56 Abs. 4 IfSG an, es genüge der sachliche Zusammenhang zu § 56 Abs. 1 IfSG (Blatt 79, 80), kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Denn § 56 Abs. 4 IfSG enthält nur Ergänzungen zu dem Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 IfSG für besondere Fallkonstellationen (z.B. eine Existenzgefährdung). Es handelt es sich um Erweiterungen der Kernansprüche nach §§ 56 Abs. 1, 1a IfSG, nicht aber um losgelöst von diesen bestehende eigenständige Anspruchsgrundlagen (Eckart/Kruse in Eckart/Winkelmüller, BeckOK IfSG, Stand 01.10.2021, § 56 Rn. Rn. 67).
200 
b. Der Vortrag der Parteien ist unter A.I.1.a. zusammenfassend dargestellt worden – darauf wird Bezug genommen.
201 
c. Die Klägerin kann sich schon deshalb nicht auf eine direkte Anwendbarkeit von § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG berufen, weil sie keine Anknüpfungstatsachen dafür vorgetragen hat, dass sie als Ansteckungsverdächtige (oder sonstige Person im dort genannten Sinne) anzusehen war, also Krankheitserreger aufgenommen hatte, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein (§ 2 Nr. 7 IfSG). Die Klägerin trägt lediglich vor, dass sie durch die CoronaVO als eine solche Person „angesehen worden sei,“ hat aber gerade nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen von § 2 Nr. 7 IfSG bei ihr auch konkret und persönlich vorgelegen haben. Die Klägerin hat auch nicht erläutert, warum bei Erlass der Verordnung davon auszugehen war, dass die Aufnahme von Krankheitserregern bei ihr wahrscheinlicher war als das Gegenteil. Alleine die Einstufung als Kontaktmultiplikatorin (Blatt 10), begründete lediglich eine abstrakte Gefahr, jedoch gerade noch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit im oben genannten Sinne. Das beklagte Land hat in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt, dass alleine ein hohes Risiko für die Bevölkerung noch keine überwiegende Ansteckungswahrscheinlichkeit bedeutet.
202 
Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass allein die Formulierung „auf Grund dieses Gesetzes“ genüge, da die Vorschrift nicht nur auf Quarantäneanordnungen (§ 30 IfSG) Bezug nehme, sondern ganz allgemein auf Tätigkeitsverbote aufgrund dieses Gesetzes Anwendung finde, ergibt sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut und Sinnzusammenhang der Norm, dass ein Tätigkeitsverbot im Sinne von § 31 IfSG erforderlich war, welches ihr persönlich gegenüber gerade nicht ausgesprochen worden ist (B.I.1.b). Denn die ausdrückliche Benennung der Rechtsgrundlage würde keinen Sinn machen, wenn sämtliche Verbote des IfSG eine Entschädigungspflicht auslösen, erforderlich ist vielmehr ein Tätigkeitsverbot „im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG.“
203 
Bei den auf der Basis der CoronaVO angeordneten Betriebsschließungen handelte es sich nach den oben dargestellten Maßstäben auch nicht um ein Tätigkeitsverbot nach § 31 IfSG (vergleiche insoweit die Ausführungen unter B.I.1.b).
204 
Ergänzend ist auf die Ausführungen des OLG Brandenburg im Urteil vom 01.06.2021 Bezug zu nehmen (BeckRS 2021, 14869):
32
205 
Der Kläger wurde deshalb auch nicht „als Ansteckungsverdächtiger“ einem Tätigkeitsverbot unterworfen. Weder die behördliche und noch weniger die im Wege der Verordnung angeordnete Schließung seines Betriebes zielten auf den Kläger persönlich. Sie knüpften auch in keiner Weise an eine von ihm selbst ausgehende Infektionsgefahr an, die ihrerseits auf einer tatsächlich fundierten Annahme gegründet hätte, er selbst habe Krankheitserreger aufgenommen. Er ist vielmehr einer von vielen Betroffenen von flächendeckenden Betriebsschließungen, die ohne Zuordnung zu einem konkreten Ansteckungsverdacht erfolgten und daher als solche keine Entschädigungspflicht nach § 56 Abs. 1 IfSG auszulösen vermochten (…).
33
206 
Dem Kläger kann in diesem Zusammenhang nicht darin gefolgt werden, für seine Einordnung als Ansteckungsverdächtiger genüge die - wie auch immer konkretisierte - Gefahr, dass Krankheitserreger im Umfeld des von ihm in Person eröffneten Betriebes (auch durch Gäste und andere) aufgenommen wurden. Ein solches Normverständnis löst sich vollständig von der Legaldefinition, die auf die Annahme abstellt, dass der Ansteckungsverdächtige selbst Krankheitserreger aufgenommen hat (…).
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207 
Ein derartiges Verständnis kann der Vorschrift auch nicht im Wege einer systematischen oder verfassungskonformen Auslegung untergeschoben werden:
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208 
Die Einbeziehung der durch den Kläger genannten weiteren Personengruppen in den Kreis der „Ansteckungsverdächtigen“ ist schon nicht erforderlich, um infektionsschutzrechtliche Maßnahmen gegen sie zu ermöglichen. Die gegenteilige Annahme des Klägers beruht auf der unzutreffenden Überlegung, die §§ 28 und 32 IfSG erlaubten berufsbeschränkende Maßnahmen ausschließlich im Rahmen des § 31 IfSG. Sie dürften daher allein gegen die in der zuletzt genannten Norm genannten Personen gerichtet werden, das heißt nach § 31 Satz 1 IfSG nur gegen Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider bzw. im Falle des Satzes 2 der Vorschrift auch so genannte Carrier. Das ist jedoch nicht richtig. Vielmehr verpflichtet 67; 28 Abs. 1 IfSG die Behörde, zur Verhinderung der Weiterverbreitung einer übertragbaren Krankheit die diesem Ziel dienenden „notwendigen Schutzmaßnahmen“ zu treffen, soweit und solange dies erforderlich ist. Zu den notwendigen Schutzmaßnahmen gehören „insbesondere“ die in den folgenden Paragraphen genannten besonderen Maßnahmen, darunter auch berufliche Tätigkeitsverbote nach § 31 IfSG. Die Vorschriften zu speziellen Schutzmaßnahmen sind demzufolge nicht abschließend (…). Vielmehr kann die Beh&#246;rde aufgrund der Generalklausel des § 28 IfSG auch Schutzmaßnahmen „gegen die Allgemeinheit“ oder auch „gegen Nichtstörer“ richten (…), selbst wenn dies faktisch mit Einschränkungen im Erwerbsleben der Betroffenen verbunden ist. Dies gilt in gleicher Weise auch für Ge- und Verbote, die nach § 32 IfSG durch die Landesregierungen bzw. die von ihnen bestimmten Stellen in Form von Rechtsverordnungen erlassen werden dürfen. Denn auch derartige Anordnungen sind nach § 32 Satz 1 IfSG unter den gleichen Voraussetzungen zulässig, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG gelten (…).
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209 
Die vom Kläger postulierte Erweiterung des Kreises der „Ansteckungsverdächtigen“ ist auch verfassungsrechtlich nicht erforderlich.
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210 
Es ist bereits fraglich, ob eine Entschädigungspflicht - als Ziel der vom Kläger geforderten erweiternden Auslegung - überhaupt verfassungsrechtlich geboten wäre. Das Bundesverfassungsgericht hat dies - ohne hierzu im konkreten Fall entscheiden zu müssen - allerdings für den Fall erwogen, dass nur so die Verhältnismäßigkeit der mit einem Tätigkeitsverbot im Interesse der Allgemeinheit verbundenen Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit und gegebenenfalls in das Eigentumsgrundrecht gewahrt werden könne (…). Eine Entschädigungspflicht wird für die hier in Rede stehenden Betriebsschließungen als Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie von einem Teil des Schrifttums für notwendig erachtet (…). Nach anderer Auffassung dienen die Maßnahmen mit dem Ziel, das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Millionen von Menschen zu schützen, derart gewichtigen Gemeinwohlbelangen, dass die Sozialbindung des Eigentums dessen Eigennützigkeit überwiegt und auch entschädigungslose Eingriffe hinzunehmen sind. Die Pandemie wirke schicksalhaft und betreffe eine unüberschaubare Anzahl an Menschen, direkt und über die staatlich angeordneten Maßnahmen mittelbar. Keiner der Betroffenen erleide einen individuellen, besonderen Härtefall, für den nach herkömmlichen Grundsätzen allein eine Ausgleichsregelung erforderlich sei (…).
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211 
Auf diesen Meinungsstreit kommt es aber für die Auslegung der §§ 2 Nr. 7, 56 Abs. 1 IfSG nicht an. Denn die vom Kläger vertretene Auslegung der Norm ist mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht mehr zu vereinbaren (…). Der Wortlaut einer Vorschrift bildet die Grenze seiner Auslegung, die selbst aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht überschritten werden darf. Auch dürfen unter Berufung auf eine notwendige verfassungskonforme Auslegung die wesentlichen gesetzgeberischen Grundentscheidungen und Wertungen nicht angetastet werden (…). Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm ist vielmehr nur dann zulässig - und gegebenenfalls geboten -, wenn unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck mehrere Deutungen möglich sind, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt. Die durch den Wortlaut und den Gesetzeszweck gezogenen Grenzen sind zu beachten. Ein Normverständnis, das mit dem Wortlaut nicht mehr in Einklang zu bringen ist, kann durch verfassungskonforme Auslegung ebenso wenig gewonnen werden wie ein solches, das in Widerspruch zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes treten würde (…). Nicht zuletzt muss der Gesetzgeber selbst die maßgeblichen Entscheidungen zu Art und Ausmaß einer Entschädigung treffen (…).
212 
3. Eine analoge Anwendung von § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG scheidet aus, da es an schon einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.
213 
a. Die Analogie ist eine Übertragung der für einzelne Tatbestände gesetzlich vorgesehenen Regeln auf einen anderen – rechtsähnlichen – Tatbestand. Eine Analogie ist zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält. Die Lücke muss sich aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zu Grunde liegenden Regelungsplan ergeben. Darüber hinaus muss der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Norm, zum gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH NJW 2015, 1176 f. Rn. 9; BGHZ 184, 101 [112 Rn. 32]; BGHZ 183, 169 [177 Rn. 23]; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl. 2020, Einleitung Rn. 48).
214 
b. Der Vortrag der Parteien ist unter B.I.2.a. dargestellt worden, darauf wird Bezug genommen.
215 
c. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass der Gesetzgeber das Entschädigungssystem des BSeuchG noch als nicht abschließend bezeichnet hat, nachdem im damaligen Gesetzentwurf zu den §§ 48 ff. BSeuchG ausgeführt wird
216 
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Die Entschädigungsvorschriften des Siebenten Abschnitts stellen keine ausschließliche Regelung dar. Wie sich schon aus der Überschrift dieses Abschnitts ergibt, sind in ihm nur die wichtigsten der nach dem Gesetz in Betracht kommenden Entschädigungsfälle geregelt, ohne dass damit die Entschädigungspflicht in anderen Fällen, soweit eine solche auf Grund anderweitiger Rechtsvorschriften oder auf Grund Gewohnheitsrechts besteht, ausgeschlossen sein soll (BT-Drucks. 3/1888 Seite 27).
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217 
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="217"/>Es trifft zwar zu, dass das IfSG insoweit eine Lücke enthält, weil es bei Maßnahmen im Vorfeld einer Krankheit über § 65 IfSG den Nichtstörern eine Entschädigung gewährt (vergleiche insoweit vertiefend nur Eckart/Kruse in Eckart/Winkelmüller, BeckOK IfSG, Stand 01.10.2021, § 56 Rn. Rn. 31 m.w.N.).
218 
Die Aussage im Gesetzentwurf zum BSeuchG stammt jedoch aus dem Jahr 1961, als mit der Einführung des BSeuchG erstmals ein umfassendes seuchenrechtliches Gesetzeswerk geschaffen wurde und Erfahrungswerte insoweit fehlten (zur Historie vergleiche nur BT-Drucks. 3/1888 Seite 18 - 19). Im Rahmen der Schaffung des IfSG (nach einer Novelle des BSeuchG vom 25.08.1971, mit der alle drei Entschädigungsregelungen – die Verdienstausfallentschädigung, das Impfschadensrecht und die Entseuchungsentschädigung – grundlegend überarbeitet wurden (BSeuchG v. 25.8.1971, BGBl. I, Seite 1401) wurde jedoch in der Vorbemerkung zum 12. Abschnitt (Entschädigung in besonderen Fällen) festgehalten,
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219 
Die im 12. Abschnitt getroffenen Entschädigungsregelungen ersetzen umfassend den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Aufopferungsanspruch, dem damit insoweit keine lückenschließende Funktion mehr zukommt. Weitergehende Ansprüche aus Amtshaftung bleiben unberührt. … (BT-Drucks 14/2530, Seite 87).
220 
Daraus folgt, dass die Entschädigungsvorschriften der §§ 56 ff. IfSG als gesondert normierte Regelung eines allgemeinen Aufopferungsanspruchs (differenzierend Eckart/Kruse in Eckart/Winkelmüller, BeckOK IfSG, Stand 01.10.2021, § 56 Rn. 10) (mit Ausnahme von Amtshaftungsansprüchen) abschließend gemeint waren.
221 
Die bewusste gesetzgeberische Entscheidung, breitenwirksame Maßnahmen grundsätzlich entschädigungslos zu stellen, zeigt sich auch darin, dass für die früher gesondert normierten Maßnahmen gegenüber der Allgemeinheit (§ 43 BSeuchG a.F.), die im Zuge der Änderung des BSeuchG v. 18.12.1979 (BGBl. I 2262) in die „Bekämpfungsgeneralklausel“ des § 34 Abs. 1 S. 2 BSeuchG (heute § 28 Abs. 1 S. 2) verschoben wurden, zu keinem Zeitpunkt eine Entschädigung vorgesehen war (Stöß/Putzer NJW 2020, 1465 [1466 f.]), obwohl der Gesetzgeber auch den Ausnahmefall einer Epidemie vor Augen hatte (dies ergibt sich aus BT-Drucks. 3/1888, Seite 18; so zutreffend Eckart/Kruse in Eckart/Winkelmüller, BeckOK IfSG, Stand 01.10.2021, § 56 Rn. Rn. 31).
222 
Dafür, dass der Gesetzgeber nach wie vor das Konzept einer punktuellen Entschädigungsgewährung verfolgt, spricht schließlich auch die Ergänzung des § 56 IfSG um den Spezialfall der Kinderbetreuung (§ 56 Abs. 1a IfSG). Wenn der Gesetzgeber den Kreis der Entschädigungsberechtigten auch im Angesicht der Pandemie nicht weiterzieht, ist dies nach geltendem Recht hinzunehmen (vgl. auch BGHZ 55, 366 [371 f.] = BGH NJW 1971, 1080: „Der Richter ist deshalb nicht in der Lage, Unbilligkeiten, die sich bei der Abgrenzung der zu entschädigenden Tatbestände ergeben, durch entsprechende Anwendung der genannten Bestimmungen auf Fälle abzuhelfen, für die das Gesetz eine Entschädigung nicht vorsieht.“). Die bewusste gesetzgeberische Entscheidung gegen weitergehende Entschädigungspflicht ergibt sich danach auch daraus, dass im Rahmen der Reformen zur Bekämpfung der SARS-CoV-2-Epidemie außer dieser Regelung keine weitergehenden Entschädigungsregelungen normiert worden sind.
223 
Ergänzend ist wiederum auf das inhaltlich und in der Sache überzeugende Urteil des OLG Brandenburgs vom 01.06.2021 zu verweisen (BeckRS 2021, 14869 Rn. 39 – 47), dass sich der Senat insoweit zu eigen macht:
39
224 
Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf nicht ausdrücklich genannte Personengruppen kommt nicht in Betracht.
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40
225 
Etwas anderes wird zwar im Schrifttum gelegentlich vertreten: Wer seinen Beruf aufgrund einer Betriebsschließung nicht ausüben könne, stehe nicht anders als derjenige, der Adressat einer Tätigkeitsuntersagung oder Quarantäneanordnung sei (…). Er sei darüber hinaus sogar erst recht zu entschädigen, wenn er weder persönlich als Infizierter oder dessen Verdächtiger noch durch seine beruflich-gesellschaftliche Stellung Anlass für das ihm auferlegte Sonderopfer gegeben habe (…). Nach anderer Auffassung sprechen bereits der eindeutige Wortlaut und die abschließende Aufzählung der Anspruchsberechtigten gegen eine analoge Anwendung der Vorschrift (…).
41
226 
Indes fehlt es schon an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.
42
227 
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Analogie nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält. Die Lücke muss sich also aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrunde liegenden Regelungsplan ergeben. Darüber hinaus muss der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Norm, zum gleichen Abwägungsergebnis gekommen (…).
43
228 
Es lässt sich schon keine Regelungslücke im Sinne eines unbeabsichtigten Abweichens von dem durch den Gesetzgeber verfolgten Regelungsplan feststellen (…).
44
229 
Bereits der historische Gesetzgeber des Reichsseuchengesetzes verfolgte nicht den Plan einer umfassenden Entsch&#228;digungsregelung zugunsten aller - ob als „Störer“ oder als „Nichtstörer“, als Adressaten einer seuchenpolizeilichen Maßnahme oder nur mittelbar - Betroffener. Im Gegenteil war ihm bewusst, dass „[w]ie in Kriegszeiten […] auch in Seuchezeiten nicht Vergütung jedes erlittenen Nachtheiles möglich̶0; sei; maßgeblichen Einfluss gewann im Gesetzgebungsverfahren die Auffassung, dass „es der Gerechtigkeit und Billigkeit [entspreche], wenn solchen Personen eine Entschädigung zugesprochen werde, die durch direkte polizeiliche Eingriffe in ihre persönliche Verkehrsfreiheit und in die Verfügungsgewalt über ihre Arbeitskräfte daran gehindert würden, ihrer regelmäßigen Tagesarbeit nachzugehen und den im Falle unbehinderter Verkehrsfreiheit ihnen sicher in Aussicht stehenden Lohn zu verdienen“. Der Anspruch sollte dabei begrenzt werden auf invalidenversicherte Personen, weil man diesen „die Ersatzleistung wohl gönnen könne“. Zudem sollte jede anderweitige sozialversicherungsrechtliche Vorsorge zur Kürzung oder zum Wegfall des Entschädigungsanspruchs führen (…).
45
230 
Der Gesetzgeber des Bundes-Seuchengesetzes war ebenso zurückhaltend. Er beschränkte den Entschädigungsanspruch zunächst auf Ausscheider, Ausscheidungsverdächtige und Ansteckungsverdächtige, die kraft behördlicher Anordnung in ihrer Erwerbstätigkeit eingeschränkt sind. Denn sie erhalten anders als Kranke, die ebenfalls Adressaten eines dem entsprechenden beruflichen Tätigkeitsverbotes sein können, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Dies war Grund für den Gesetzgeber des § 49 BSeuchG (in der Gesetzgebung anfänglich noch bezeichnet als § 48 BSeuchG) als der Vorgängernorm des 7; 56 IfSG (…), ihnen eine ähnliche Absicherung zu verschaffen, da sie „vom Schicksal in ähnlicher Weise betroffen sind wie Kranke“. Ihnen sollte daher aus Billigkeit eine gewisse Sicherung vor materieller Not verschafft, keinesfalls aber voller Schadensausgleich gewährt werden. Die Leistungen sind deshalb seit je daran orientiert, was die Betroffenen als Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung im Krankheitsfalle erhalten würden (…). Diese letztlich punktuelle Regelung bezeichnete der Gesetzgeber des Infektionsschutzgesetzes als abschließend und weitere Ansprüche - mit der Ausnahme von Amtshaftungsansprüchen für schuldhaft rechtswidriges Verwaltungshandeln - ausschließend (…). Schon das spricht gegen die Annahme eines gesetzgeberischen Plans für eine umfassende Entschädigungsregelung.
46
231 
Umso mehr ist dies der Fall angesichts der zahlreichen Aktivitäten des Gesetzgebers nach Beginn der Corona-Pandemie, die auch in Änderungen des § 56 IfSG mündeten. Anzuführen ist hier in erster Linie das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (…), das mit § 56 Abs. 1a IfSG eine weitere Entschädigungsregelung einführte, die eindeutig auf den Verdienstausfall wegen des Wegfalls einer Kinderbetreuungsmöglichkeit beschränkt ist. Dieses Gesetz lässt damit gerade nicht erkennen, dass die schon zu diesem Zeitpunkt umstrittene Frage einer Entschädigung ganzer Branchen den Gesetzgeber zur Aufgabe seines überkommenen Regelungsplans bewegt hätte (…):
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232 
- Zweites Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 2020 (…)
233 
- Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise vom 19. Juni 2020 (…)
234 
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- Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (…)
235 
- Gesetz zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen vom 29. März 2021 (…).
47
236 
Es mag - je nach dem durch die Pandemie selbst oder durch die Infektionsschutzmaßnahmen bewirkten Ausmaß der individuell erlittenen wirtschaftlichen Einbußen - durchaus als ungleichgewichtig bis hin zur Ungerechtigkeit empfunden werden, dass der Gesetzgeber einzelnen Betroffenen einer (hoch) infektiösen Krankheit Entschädigung gewährt, anderen aber, zumal den hiervon nicht Betroffenen, dagegen nicht. Diese Betrachtung greift indes zu kurz. Sie lässt zum einen das erwähnte Ziel der gesetzlichen Regelung außer Acht: Dieses besteht gerade nicht in der Entschädigung desjenigen, in dessen Grundrechte aus Gründen des Infektionsschutzes (vorübergehend) eingegriffen wird. Die Regelung bezweckt nicht die Abmilderung des Eingriffs und damit seine Legitimierung im Sinne der Verhältnismäßigkeit. Sie ist nicht Ausdruck einer Verantwortungsübernahme durch den Staat. Sie soll vielmehr den von der Krankheit Betroffenen und damit in erster Linie Hilfsbedürftigen eine Billigkeitsentschädigung gewähren. Ihr Hintergrund ist sozialstaatlich, nicht entschädigungsrechtlich. Er ist auch nicht polizeirechtlich, weshalb eine Unterscheidung nach „Störern“ und „Nichtstörern“ ebenso verfehlt erscheint wie ihre Abstufung nach ihrer „Entschädigungswürdigkeit“ (…). Zum anderen ist die Ungleichbehandlung keineswegs willkürlich: Eine Entschädigung der von der Infektionskrankheit Betroffenen kann deren Bereitwilligkeit befördern, sich gesundheitsbehördlich angeordneten Maßnahmen zu beugen und sich ihnen nicht zu entziehen (Compliance; hierzu bereits allgemein BT-Drucks. III/1888 S. 53). Ungeachtet dessen wäre es jedenfalls allein Sache des Gesetzgebers, seine Entscheidung gegebenenfalls zu korrigieren (…).
</td>
237 
4. Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf § 55 PolG BW stützen, weil die §§ 56 ff. IfSG insoweit eine vorrangige und abschließende gesetzliche Sondervorschrift enthalten.
238 
a. Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 PolG BW kann in den Fällen des § 9 Abs. 1 PolG – also bei Maßnahmen gegenüber unbeteiligten Personen – derjenige eine angemessene Entschädigung für den ihm durch diese Maßnahme entstandenen Schaden verlangen, dem gegenüber die Polizei eine Maßnahme getroffen hat. Die Vorschrift regelt die Entschädigung der Nichtstörer bei gegen sie gerichteten (rechtmäßigen) polizeilichen Maßnahmen.
239 
Nach einhelliger Ansicht, die der Senat teilt, gehen dem allgemeinen polizeirechtlichen Entschädigungsanspruch des Nichtstörers sondergesetzliche Regelungen vor. Dies gilt allerdings nur, soweit jene Sondergesetze den betreffenden Entschädigungsanspruch abschließend regeln (Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl. 2014, § 55 Rn. 4, 23; Reschke DÖV 2020, 423 [426]; BGHZ 136, 172 = NJW 1998, 544 juris Rn. 8 zum TierSeuchenG).
240 
Das OLG Brandenburg hat insoweit die Rechtmäßigkeit der dortigen Verordnung festgehalten und ebenfalls auf die Subsidiarität der Parallelnorm im dortigen Gesetz abgestellt (BeckRS 2021, 14869 Rn. 54 – 58):
54
241 
Auch ein Anspruch aus § 38 OBG BB besteht zugunsten des Klägers nicht.
55
242 
Nach § 38 Abs. 1 lit. b OBG BB ist ein Schaden zu ersetzen, den jemand durch Maßnahmen der Ordnungsbehörden erleidet, wenn er durch rechtswidrige Maßnahmen entstanden ist, wobei gleichgültig ist, ob die Ordnungsbehörden ein Verschulden trifft oder nicht. Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, weil die mittelbar angegriffenen Verordnungen, die als Maßnahmen (…) der Gesundheitsministerin in ihrer Funktion als Landesordnungsbehörde (§ 2 Abs. 2 OBG BB) verstanden werden können, nicht rechtswidrig waren. Insoweit kann auf das oben Erörterte verwiesen werden.
56
243 
Doch auch ein Anspruch nach § 38 Abs. 1 lit. a OBG BB besteht nicht. Danach ist ein Schaden zu ersetzen, den jemand durch Maßnahmen der Ordnungsbehörden erleidet, wenn er infolge einer Inanspruchnahme nach § 18 OBG BB entstanden ist.
57
244 
Es ist bereits fraglich, ob der Kläger tatsächlich, wie von § 18 OBG BB vorausgesetzt, als „nicht verantwortliche Person“ in Anspruch genommen wurde, und nicht vielmehr als Gefahrverursacher im Sinne des § 16 Abs. 1 OBG BB. Nach weit verbreiteter Auffassung sind (nur) die in § 2 Nr. 4 bis 7 IfSG näher definierten „infektionsschutzrechtlich relevanten“ Personen als „infektionsschutzrechtliche Störer“ aufzufassen, das heißt Kranke, Krankheitsverdächtige, Ausscheider und Ansteckungsverdächtige (…) bzw. Eigentümer einer mit Krankheitskeimen oder -überträgern behafteten oder dessen verdächtigen Sache (…). Teils wird jedoch insbesondere die Einordnung der Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ausscheider und Ansteckungsverdächtigen als Störer für „irreführend“ gehalten, weil nach der Systematik des Infektionsschutzgesetzes diese vier Personengruppen vorrangig im Rahmen des infektionsschutzrechtlichen Anlasses, also der bestehenden Gefahrenlage, erwähnt werden und nur in einzelnen Standardermächtigungen als Adressaten (…). Vereinzelt wird besonders bei SARS-CoV-2 die Differenzierung von Störern und Nichtstörern generell in Frage gestellt, weil eine Vielzahl von Übertragungen des Virus bereits in der präsymptomatischen Phase oder gar durch vollkommen symptomlose Überträger stattfinden könne (…). Nach einer weiteren Auffassung sollen Geschäftsschließungen der auch hier in Rede stehenden Art keine Inanspruchnahme von Nichtstörern, sondern eine „Jedermannmaßnahme“ sein, die nicht Einzelne besonders, sondern gewissermaßen „jedermann“ als Teil der Allgemeinheit treffe (…). Und teils wird schließlich mit Blick auf das besondere Schutzgut des Infektionsschutzgesetzes - die Freiheit der ganzen Nation von Infektionskrankheiten - jedes Verhalten als gefahrerhöhend und damit als Störung angesehen, das geeignet ist, zur Verbreitung der Krankheit beizutragen. Dem entspreche es, dass § 28 IfSG auch Anordnungen gegenüber Veranstaltungen oder sonstigen Ansammlungen von Menschen, gegenüber Badeanstalten oder Gemeinschaftseinrichtungen und damit „Schutzmaßnahmen gegenüber der Allgemeinheit“ (…) erlaube, die abzugrenzen seien von der Inanspruchnahme von Nichtstörern. Zu dem in diesem Sinne die Gefahr einer weiteren Verbreitung des Virus erhöhenden Verhalten zähle aber schon das Öffnen von gastronomischen oder Einzelhandelsbetrieben, soweit dieses physische Kontakte, Interaktionen und Ansammlungen befördere. Jedenfalls müsse der Unternehmer in diesen Fällen als Zweckveranlasser aufgefasst werden, der aber letztlich als Handlungsstörer zu qualifizieren sei. Jeder Unternehmer, der trotz der grassierenden Pandemie das Zusammenkommen fremder Menschen fördere, nehme die Weiterverbreitung des Virus in Kauf und profitiere hiervon sogar noch wirtschaftlich (…).
245 
b. Die Klägerin ist der Auffassung:
246 
- Die Ansprüche aus dem IfSG stellten keine abschließende Regelung aller Anspruchsgrundlagen dar (wegen der weiteren Details vergleiche Blatt 99 - 103).
247 
Das Land hat erwidert,
248 
- die §§ 56 ff. IfSG enthielten eine abschließende Sonderregelung (Blatt 66),
249 
- es fehle schon an einer Maßnahme der Polizei (Blatt 66).
250 
c. § 56 IfSG stellt eine abschließende Sonderregelung im Rahmen der Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten dar, der eine abschließende Regelung für diese Fallkonstellation enthält. Das OLG Brandenburg hat in seinem Urteil vom 01.06.2021 (2 U 13/21, BeckRS 2021, 14869 Rn. 58) dazu überzeugend und zutreffend zur entsprechenden Regelung im Polizeirecht des Landes Brandenburg wie folgt ausgeführt:
251 
Eine solche abschließende Regelung ist im Infektionsschutzgesetz getroffen worden. Dieses Gesetz enthält mit den §§ 56 ff IfSG eine Vielzahl an Entschädigungsnormen, darunter in § 65 IfSG auch eine Regelung zur Entschädigung von in Anspruch genommenen „Nichtstörern“. Schon das begründet die Vermutung, diese Regelung stelle die nach dem Plan des Gesetzgebers vollständige und lückenlose, in diesem Sinne also abschließende Regelung dar (…). Dieses Ergebnis wird durch die Gesetzesbegründung untermauert, wonach die im 12. Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes getroffenen Entschädigungsregelungen umfassend den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Aufopferungsanspruch ersetzen sollen, dem damit im Anwendungsbereich des Infektionsschutzgesetzes keine lückenschließende Funktion mehr zukomme. Lediglich Ansprüche aus Amtshaftung blieben unberührt (BT-Drucks. 14/2530 Seite 87). Dieses ausdrückliche gesetzliche Ziel würde ebenso unterlaufen wie das ausdifferenzierte Entschädigungssystem für Seuchenverhütungs- und Seuchenbekämpfungsmaßnahmen, würden neben der im Infektionsschutzgesetz geregelten Entschädigung von „Nichtstörern“ bei Verhütungsmaßnahmen auf der Grundlage des allgemeinen Polizeirechts auch Entschädigungsansprüche für Bekämpfungsmaßnahmen gewährt (…).
252 
Der Senat nimmt darauf zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen in vollem Umfang Bezug.
253 
Bei den Betriebsschließungen handelte es sich nach deren Reichweite – es wurde bis auf den Handel mit Gegenständen für den täglichen Bedarf praktisch der gesamte Handels- und Dienstleistungssektor erfasst und geschlossen – um eine sogenannte Jedermann-Maßnahme, weshalb es an der erforderlichen Unmittelbarkeit fehlt, weil sich keine Gefahr verwirklicht hat, die in der Inanspruchnahme der Klägerin als Nichtstörer angelegt war (Reinhart in BeckOK Polizeirecht Baden-Württemberg, 19. Edition 01.07.2020, § 55 PolG Rn. 9). Dem Begriff der „Jedermann-Maßnahme“ unterfallen hierbei unterschiedliche Fallgestaltungen. Zum einen liegt eine „Jedermann-Maßnahme“ vor, wenn bei der bewussten Inanspruchnahme einer Person nicht an die Eigenschaft als Störer/Nichtstörer angeknüpft wird. Derartige „Jedermann-Maßnahmen“ kommen bei der gezielten Inanspruchnahme von Personen unterhalb der Schwelle der unmittelbaren Gefahrenabwehr in Betracht, etwa bei allgemeinen Personenkontrollen. Daneben liegt eine „Jedermann-Maßnahme“ vor, wenn eine Vielzahl von unbeteiligten Personen durch eine polizeiliche Maßnahme beabsichtigt oder unbeabsichtigt betroffen sind (Reinhart in BeckOK Polizeirecht Baden-Württemberg, 19. Edition 01.07.2020, § 55 PolG Rn. 29).
254 
5. Die Klägerin kann sich nicht auf einen Anspruch aus einem enteignenden Eingriff berufen, weil § 56 IfSG insoweit eine abschließende Sonderregelung enthält und es zudem an einem insoweit erforderlichen Sonderopfer fehlt.
255 
a. Ein Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff kommt in Betracht, wenn rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen bei einem Betroffenen zu Nachteilen führen, die er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen muss, die aber die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigen (BGHZ 197, 43 [46 Rn. 7]; BGHZ 117, 240 [252])
256 
Sowohl der enteignungsgleiche als auch der enteignende Eingriff setzen eine Einwirkung auf eine konkrete subjektive, von der Eigentumsgarantie des Art 14 Abs. 1 GG umfasste Rechtsposition voraus (BGHZ 94, 373 [374 f.]). Als solche kommen nicht nur das Eigentum an Grundstücken oder beweglichen Sachen in Betracht, sondern auch sonstige dingliche oder obligatorische Rechte, wie etwa das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Nicht erforderlich ist, dass auf die Rechtsstellung selbst in ihrem rechtlichen Bestand eingewirkt wird; vielmehr genügen auch rein tatsächliche Einwirkungen, die die Rechte in den Grenzen der geschützten Rechtsposition faktisch beeinträchtigen (BGHZ 84, 261 [266]; BGHZ 94, 373 [374]).
257 
Der enteignende Eingriff besteht darin, dass eine an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahme auf eine Rechtsposition des Eigentümers einwirkt und im konkreten Fall bei einzelnen Betroffenen zu - meist atypischen und unvorhergesehenen - Nebenfolgen und Nachteilen führt, die die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreiten (BGHZ 91, 20 [26 f.]; BGHZ 94, 373 [374 f.]; BGHZ 100, 335 [337]; BGHZ 102, 350 [361]; BGHZ 197, 43 [46 Rn. 7]; BGH NJW 2019, 227 Rn 26). Solche Nachteile können ein entschädigungspflichtiges Sonderopfer darstellen, wenn sie in einem inneren Zusammenhang mit der hoheitlichen Maßnahme stehen. Dafür genügt es nicht, dass sie deren adäquat kausale Folge sind, weil das auf die Annahme einer allgemeinen Gefährdungshaftung der öffentlichen Hand hinauslaufen würde, für die das geltende Recht keine Grundlage bietet (BGHZ 55, 229 [232 f.]; BGHZ 60, 303 [307 f., 311]; BGHZ 100, 335 [338]). Dass es zumeist um atypische und unvorhergesehene Nachteile geht, ist für den Anspruch aus enteignendem Eingriff aber nicht Voraussetzung (BGHZ 197, 43 [46 Rn. 7]; BGH NJW 1986, 2423 [2424]). Erforderlich ist vielmehr, dass sich eine besondere Gefahr verwirklicht, die bereits in der hoheitlichen Maßnahme selbst angelegt ist, so dass sich der im konkreten Fall eintretende Nachteil aus der Eigenart dieser Maßnahme ergibt (BGHZ 28, 310 [313]; BGHZ 60, 302 [310 f.]; BGHZ 100, 335 [338 f.]; BGHZ 197, 43 [46 Rn 7]).
258 
Das „Sonderopfer für die Allgemeinheit“ ist Tatbestandsvoraussetzung sowohl des enteignungsgleichen als auch des enteignenden Eingriffs. Während beim enteignungsgleichen Eingriff das Sonderopfer durch die Rechtswidrigkeit konstituiert wird, bedarf bei rechtmäßigen Eingriffen die Annahme eines entschädigungspflichtigen Sonderopfers einer besonderen Begründung. Hier ist ein Ersatzanspruch nur dann gegeben, wenn die Einwirkungen die Sozialbindungsschwelle überschreiten, also im Verhältnis zu anderen ebenfalls betroffenen Personen eine besondere Schwere aufweisen oder im Verhältnis zu anderen nicht betroffenen Personen einen Gleichheitsverstoß bewirken (BGHZ 197, 43 [47 Rn. 8]).
259 
Maßgeblich ist, ob ein zwangsweiser staatlicher Eingriff in das Eigentum vorliegt (sei es in der Gestalt der Entziehung oder Belastung), der die betroffenen einzelnen oder Gruppen im Vergleich zu anderen ungleich, besonders trifft und sie zu einem besonderen, den übrigen nicht zugemuteten Opfer für die Allgemeinheit zwingt, und zwar zu einem Opfer, das gerade nicht den Inhalt und die Grenzen der betroffenen Rechtsgattung allgemein und einheitlich festlegt, sondern das aus dem Kreise der Rechtsträger einzelne oder Gruppen von ihnen unter Verletzung des Gleichheitssatzes besonders trifft (BGHZ 6, 270 [280]). Ein Sonderopfer liegt also vor, wenn die Einwirkungen die Sozialbindungsschwelle überschreiten, also im Verhältnis zu anderen ebenfalls betroffenen Personen eine besondere „Schwere“ aufweisen oder im Verhältnis zu anderen nicht betroffenen Personen einen Gleichheitsverstoß bewirken (BGHZ 197, 43 [47 Rn. 8]; BGH NJW 2018, 1396 Rn 10). Ob in diesem Sinn eine hoheitliche Maßnahme die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren überschreitet oder sich noch als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums begreifen lässt, kann nur aufgrund einer umfassenden Beurteilung der Umstä;nde des Einzelfalls entschieden werden (BGHZ 197, 43 [47 Rn. 8]). Maßgeblich ist letztlich, wo nach dem vernünftigen Urteil aller billig und gerecht Denkenden die Opfergrenze liegt beziehungsweise wo die Grenze dessen liegt, was eine Gemeinschaft, die ihre verfassungsmäßige Ordnung in einem sozialen Rechtsstaat gefunden hat, dem Einzelnen entschädigungslos zumuten kann und will (BGHZ 197, 43 [47 Rn. 8]).
260 
Die Haftungsinstitute des enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffs sind subsidiär, setzen also voraus, dass die entsprechenden Ansprüche wegen des Eingriffs in eine geschützte Rechtsposition nicht anderweitig abschließend geregelt sind (BGHZ 189, 231 [245 Rn. 36]).
261 
b. Die Klägerin führt aus:
262 
- Die Schließung des Geschäfts stelle ein Sonderopfer dar (Blatt 115).
263 
- Es wäre eine Kapitulation des Rechtsstaats, wenn auf der Ebene des Entschädigungsanspruchs die vermeintliche Handlungsfähigkeit des Parlaments auf der Haushaltsebene als Argument dafür herhalten müsste, eine rechtsstaatlich gebotene Entschädigung zu verweigern (Blatt 121 – 122).
264 
Nach Auffassung des Landes
265 
- ist weder eine Beeinträchtigung des Eigentums (Blatt 67)
>
266 
</td>
- noch ein Sonderopfer dargelegt (Blatt 67)
267 
c. Es kann zwar unterstellt werden, dass mit der Betriebsschließung auch das unter dem Schutz des Art. 14 GG stehende Recht der Klägerin an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen war, weil dazu auch die Sach- und Rechtsgesamtheit des Betriebes erfasst wird und die Schließung eine Funktionsbeeinträchtigung bewirkte (vertiefend hierzu OLG Brandenburg BeckRS 2021, 14869 Rn. 62).
268 
Aus den oben gemachten Ausführungen (II. 4. c.) folgt, dass die Regelungen im IfSG abschließende Sonderregelungen darstellen, weshalb die Regelungen des enteignenden Eingriffs als subsidiäres Institut zurücktreten.
269 
Nach den oben dargestellten Maßstäben stellte die Betriebsschließung kein Sonderopfer dar, weil weder ein besonders schwerwiegender Eingriff noch eine die Klägerin ungleich belastende Maßnahme vorgelegen hat. Die Betriebsschließungen haben nicht nur den Betrieb der Klägerin betroffen, sondern es wurden praktisch sämtliche Bereiche des öffentlichen und kulturellen Lebens lahmgelegt, mit Ausnahme der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs. Der Senat folgt den Ausführungen des OLG Brandenburg BeckRS 2021, 14869 Rn. 68), die uneingeschränkt auch für die CoronaVO des beklagten Landes zutreffen:
68
270 
Der vorliegende Fall betrifft ein solches Massenphänomen, das zu lösen der enteignende Eingriff weder entwickelt noch auch nur in der Lage ist (…). Der Kläger führt selbst an, dass die verordneten Betriebsschließungen nicht nur ihn, sondern alle Gastronomen in Brandenburg betrafen, und zu erheblichen wirtschaftlichen Verwerfungen geführt hätten. Schon das spricht gegen ein individuelles Sonderopfer. Darüber hinaus ist die Gastronomie bei weitem nicht die einzige von den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie betroffene Branche. Die Eindämmungsverordnung vom 22. März 2020 verbot in § 1 Abs. 1 Satz 1 Veranstaltungen und betraf damit so gut wie die gesamte Kulturszene des Landes. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 waren körpernahe Dienstleistungen untersagt, bei denen dienstleistungsbedingt ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen Leistungserbringer und Empfänger nicht eingehalten werden kann. Nach § 3 waren Tanzveranstaltungen, Messen, Ausstellungen, Spezialmärkte, Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnliche Gewerbe untersagt. Vergnügungsstätten, Prostitutionsstätten, Kinos, Theater, Konzerthäuser, Museen, Jahrmärkte, Freizeit- und Tierparks sowie Einrichtungen, die Freizeitaktivitäten anbieten und ähnliche Einrichtungen, waren zu schließen. Gleiches galt nach § 4 für Sportanlagen, Schwimmbäder, Fitnessstudios, Tanzstudios, Thermen, Wellnesszentren und ähnliche Einrichtungen. Die in § 6 genannten Gaststätten und Beherbergungsbetriebe wie die des Klägers waren damit bei weitem nicht die einzigen betroffenen Betriebe. Ihre Inhaber erbrachten offensichtlich kein „Sonderopfer“ im genannten Sinne. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Schließung aufgrund der Verordnung vom 17. April 2020. Zwar ermöglichte diese eine weitere Öffnung insbesondere von Betrieben des Einzelhandels (vgl. besonders § 2 der Verordnung). Sogenannte körpernahe Dienstleistungen waren aber weiterhin untersagt, desgleichen die in den §§ 3 und 5 (vormals 4) genannten Freizeiteinrichtungen.
271 
6. Die Klägerin kann sich nicht auf einen Anspruch aus einem enteignungsgleichem Eingriff berufen, weil § 56 IfSG insoweit eine abschließende Sonderregelung enthält, insoweit ansonsten ein Ausgleich für legislatives Unrecht erfolgen würde und es zudem an einem insoweit erforderlichen Sonderopfer fehlt.
272 
a. Ein Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff setzt voraus, dass rechtswidrig in eine durch Art 14 GG geschützte Rechtsposition von hoher Hand unmittelbar eingegriffen wird, die hoheitliche Maßnahme also unmittelbar eine Beeinträchtigung des Eigentums herbeiführt, und dem Berechtigten dadurch ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt wird (BGHZ 125, 258 [264]; BGHZ 117, 240 [252]; BGHZ 111, 348 [355]). Wegen der Voraussetzungen wird ergänzend auf die vorherigen Ausführungen unter B.II.5.a. Bezug genommen, hier sind bereits die auch für einen enteignungsgleichen Eingriff geltenden Voraussetzungen dargestellt.
273 
Das Haftungsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs gewährt grundsätzlich keinen Ausgleich für Nachteile, die auf sogenanntes legislatives Unrecht gestützt werden. Die Haftungsbeschränkung betrifft nicht nur die Auswirkungen der betreffenden, gegen höherrangiges Recht verstoßenden Norm, sondern erfasst auch einen darauf gestützten Verwaltungsakt oder eine aufgrund des Gesetzes erlassene untergesetzliche Rechtsnorm. Der Ausgleich von Nachteilen, die auf diese Weise unmittelbar oder mittelbar durch ein verfassungswidriges formelles Gesetz herbeigeführt werden, hält sich nicht mehr im Rahmen eines richterrechtlich geprägten und ausgestalteten Haftungsinstituts, wie es der enteignungsgleiche Eingriff nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darstellt. Die Zubilligung von Entschädigungsansprüchen für legislatives Unrecht in Gestalt eines mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden formellen Gesetzes kann für die Staatsfinanzen weitreichende Folgen haben. Schon das spricht dafür, die Haushaltsprärogative des Parlaments in möglichst weitgehendem Umfange zu wahren und die Gewährung von Entschädigung für legislatives Unrecht der Entscheidung des Parlamentsgesetzgebers zu überantworten (BGHZ 205, 63 [76 Rn. 34]; BGHZ 100, 136 145 f.]; BGH NJW 2005, 1363 [1364]).
274 
b. Die Klägerin macht geltend:
275 
- Angesichts der Herausforderungen an das Gesundheitssystem und der drohenden Gefahren sei es (wahrscheinlich) nicht zu beanstanden, dass die Klägerin als Kontaktmultiplikatorin und Ansteckungsverdächtige eingestuft worden sei (Blatt 10).
276 
- Ein striktes Abstandsgebot kombiniert mit einer Maskenpflicht sei ausreichend gewesen, um eine Eindämmung der Verbreitung zu erreichen (Blatt 77).
277 
- Die Tragfähigkeit von § 28 IfSG als Eingriffsnorm werde als offen bewertet (Blatt 98 m.N. aus der Rechtsprechung).
278 
- Es bestehe auch für rechtswidrige Rechtsverordnungen ein Anspruch, das Fehlen einer Entschädigungsregelung indiziere einen Anspruch (Blatt 103 – 105).
279 
- Es stünden Mängel im Rahmen der Ausübung des Ermessens im Raum: Ermessensnichtgebrauch der Landesregierung als Getriebene des Robert Koch-Instituts; Ermessensfehlgebrauch wegen zweck- oder sachfremder Erwägungen; Ermessensfehlgewichtung bezüglich der wirtschaftlichen Belange; Ermessensdisproportionalität durch nicht ausreichende Gewichtung der wirtschaftlichen Belange; Verstoß gegen Art. 3 GG wegen der Inanspruchnahme nur bestimmter Branchen (Blatt 113 – 114).
280 
- Es wäre eine Kapitulation des Rechtsstaats, wenn auf der Ebene des Entschädigungsanspruchs die vermeintliche Handlungsfähigkeit des Parlaments auf der Haushaltsebene als Argument dafür herhalten müsste, eine rechtsstaatlich gebotene Entschädigung zu verweigern (Blatt 121 – 122).
281 
Das Land führt aus:
282 
- Ein rechtswidriger Eingriff sei nicht dargelegt (Blatt 67).
283 
- Das Rechtsinstitut sei wegen des Vorrangs des IfSG nicht anwendbar (Blatt 67).
284 
c. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff scheitern ebenfalls am Vorliegen der vorrangig geltenden Haftungsregelungen in § 56 IfSG (Subsidiarität).
285 
Es kommt hinzu, dass die Klägerin schon keinen konkreten Vortrag gehalten hat, dass die CoronaVO rechtswidrig gewesen ist. Soweit die Klägerin auf andere gleich wirksame Maßnahmen abgestellt hat (Blatt 77), führte dies noch nicht zu einer Rechtswidrigkeit, weil nicht dargelegt wurde, ob das insoweit bestehende Auswahlermessen (vergleiche hierzu nur Johann/Gabriel in Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand 01.10.2021, § 28 IfSG Rn. 20) rechtsfehlerhaft ausgeübt worden ist. Aus den oben gemachten Ausführungen ergibt sich zudem, dass die Betriebsschließung zu Recht auf § 28 IfSG gestützt worden ist. Es trifft auch nicht zu, dass die CoronaVO als Rechtsverordnung rechtswidrig gewesen ist, der VGH Banden Württemberg hat vielmehr deren Rechtmäßigkeit festgehalten, andere Verwaltungsgerichte sind dem für vergleichbare Verordnungstexte gefolgt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.04.2020, 1 S 925/20, BeckRS 2020, 6351 Rn. 13 – 42; VGH München BeckRS 2020, 4618 Rn. 34 – 64; OVG Bautzen BeckRS 2020, 5149 Rn. 9 – 21; OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2020, 5147; a.A. Antweiler NVwZ 2020, 584 [587])
286 
Nicht zuletzt würde eine Entschädigung der Klägerin bewirken, dass das beklagte Land dann für sogenanntes legislatives Unrecht haften müsste, da die Betriebsschließung unmittelbar auf der CoronaVO beruhte, einer aufgrund des IfSG erlassene untergesetzliche Rechtsnorm.
287 
7. Der von der Klägerin in Anspruch genommene Art. 14 GG (und auch Art. 12 GG) verlangen nicht, dass eine Entschädigung zu gewähren ist. Nachdem eine Enteignung mangels einer Nutzung des Eigentums für einen öffentlichen Zweck nicht vorliegt (Art. 14 Abs. 3 GG also nicht einschlägig ist), geht es nur darum, dass ein Eingriff erfolgte, um das Rechtsgut Leben und Gesundheit der Gesamtbevölkerung vor Gefahren zu schützen (BVerfG NJW 1967, 548). Die fehlende gesetzliche Regelung erlaubt aber keinen Rückgriff auf Verfassungsrecht und eine daran anknüpfende durch Richterrecht zu treffende Regelung. Dem hat der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung zum legislativen Unrecht eine eindeutige Absage erteilt, insoweit wird auf die vorherigen Ausführungen unter B.II.6.a. Bezug genommen.
C.
288 
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wird zugelassen, denn es handelt sich um einen Fall mit grundsätzlicher Bedeutung.

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