Urteil vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 Bf 92/17.A

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 31. März 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, nach eigenen Angaben Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien, kurdischer Volkszugehörigkeit und moslemischen (sunnitischen) Glaubens, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

2

Der Kläger ist nach eigenen Angaben am ... in Trpespi geboren und lebte vor seiner Ausreise aus Syrien in der Nähe von Quamishli. Er reiste nach eigenen Angaben am 17. September 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 24. September 2013 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) einen Asylantrag. In der Niederschrift ist zu den Sprachkenntnissen des Klägers vermerkt: „Sprache (1.) Arabisch“ und „Sprache (2.) Kurdisch“. Dem Kläger wurde die Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten und allgemeine Verfahrenshinweise, einschließlich der Belehrung über die Regelungen in §§ 10, 25 Abs. 1 - 3 und 36 Abs. 4 Satz 3 AsylVfG in deutscher und in arabischer Sprache gegen Empfangsbestätigung ausgehändigt und in die kurdische Sprache mündlich übersetzt. Auf die „Wichtige Mitteilung“ wird Bezug genommen (Bl. 12 - 19 Beiakte A). Auszugsweise heißt es dort (Bl. 12 ff. Beiakte A):

3

Wichtige Mitteilung

4

- Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten
und
- Allgemeine Verfahrenshinweise

5

Sehr geehrte/r Antragsteller(in)
(...)

6

Achten Sie bitte auf die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung, insbesondere auf die dort genannten Fristen. Nur innerhalb dieser Fristen können Sie gegen die Entscheidung bei dem angegebenen Verwaltungsgericht vorgehen.

7

Nach dem Asylverfahrensgesetz sind Sie verpflichtet, im Asylverfahren mitzuwirken.

8

Die Erfüllung der Mitwirkungspflichten ist für Sie äußerst wichtig, denn die Vernachlässigung Ihrer Mitwirkungspflichten kann zu empfindlichen Nachteilen führen.

9

Deshalb müssen Sie dem Bundesamt, der Ausländerbehörde und im Falle eines Gerichtsverfahrens auch dem Verwaltungsgericht insbesondere jeden Wohnungswechsel umgehend mitteilen.

10

Im Asylverfahren müssen Ihnen von diesen Behörden oder vom Gericht Mitteilungen, Ladungen oder Entscheidungen übersandt werden. Die Übersendung erfolgt immer an die letzte Anschrift, die der Behörde oder dem Gericht mitgeteilt worden ist.

11

Wenn sich Ihre Anschrift geändert hat, ohne dass dies diesen Stellen bekannt geworden ist, wird die Mitteilung/Ladung/Entscheidung an Ihre alte Anschrift gesandt.

12

Das Gesetz bestimmt, dass diese Mitteilung/Ladung/Entscheidung auch dann wirksam ist, wenn Sie dort nicht mehr wohnen und daher von deren Inhalt keine Kenntnis erhalten.

13

Die Unterlassung der Mitteilung über Ihren Wohnungswechsel kann für Sie erhebliche Folgen haben, z.B. kann

14

- (...)
- die Entscheidung des Bundesamtes unanfechtbar werden, wenn Sie bei Entscheidungen die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels zum Gericht deshalb versäumen. Die Rechtsmittelfristen, die unbedingt eingehalten werden müssen, sind so bemessen, dass Sie ggf. sofort etwas unternehmen müssen (z.B. Kontaktaufnahme zu einem Rechtsanwalt). Ansonsten können Sie bei unanfechtbarer Entscheidung des Bundesamtes unter Umständen sofort abgeschoben werden.

15

Wichtig ist:

16

Teilen Sie den genannten Stellen jeden Wohnungswechsel mit. Dies gilt auch dann, wenn Ihnen von einer staatlichen Stelle ein neuer Wohnort und eine neue Unterkunft zugewiesen worden sind; denn die Zuweisungsbehörden sind in der Regel andere Behörden.
(...).“

17

Der Kläger wurde am 26. September 2013 von dem Bundesamt persönlich angehört. Ausweislich der Niederschrift (Bl. 33 Beiakte A) wurden u.a. die Angaben in Teil 1 der Niederschrift zum Asylantrag, zu denen auch die Anschrift gehört, mit dem Kläger abgeglichen.

18

Mit einem auch dem Bundesamt übermittelten Schreiben vom 18. Dezember 2013 teilte „fördern & wohnen“ dem Kläger mit, dass diesem im Wege der öffentlich-rechtlichen Unterbringung gemäß § 53 AsylVfG mit sofortiger Wirkung und befristet bis zu seiner Berechtigung, privaten Wohnraum anmieten zu können, ein Wohnplatz in der Wohnunterkunft (Gemeinschaftsunterkunft) ... in Hamburg zur Verfügung gestellt werde. Das Schreiben ging beim Bundesamt ausweislich des Eingangsstempels am 23. Dezember 2013 sowie erneut am 13. Januar 2014 ein. Eine am unteren Rand des Schreibens sichtbare Datumsangabe eines Telefaxgerätes von „fördern & wohnen“ weist das Datum „17/12/2013“ auf. Auf die Schreiben (Bl. 38, 41 Beiakte A) wird ergänzend Bezug genommen.

19

Mit Bescheid vom 20. Januar 2014 gewährte das Bundesamt dem Kläger den subsidiären Schutzstatus und lehnte im Übrigen den Asylantrag ab. Dem Bescheid beigefügt ist eine Rechtsbehelfsbelehrung, die nach dem Text des Bescheides „Bestandteil dieses Bescheides“ ist und in der es u.a. heißt (Bl. 51 Beiakte A):

20

„Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Klage bei dem Verwaltungsgericht Hamburg (...) erhoben werden. Für die Rechtzeitigkeit ist der Tag des Eingangs beim Verwaltungsgericht maßgebend.

21

Die Klage muss den Kläger, die Beklagte und den Gegenstand des Klagbegehrens bezeichnen und in deutscher Sprache abgefasst sein. Sie ist gegen die Bundesrepublik Deutschland (...) zu richten. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten.

22

Die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel sind binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung dieses Bescheides anzugeben. (...)“

23

Dem Bescheid beigefügt ist zudem eine Übersetzung der Bescheidtenorierung (Bl. 48 Beiakte A) und der Rechtsbehelfsbelehrung (Bl. 49 Beiakte A) in arabischer Sprache. In dem deutschen Begleittext heißt es u.a. (Bl. 48 Beiakte A):

24

„Dies ist eine Übersetzung der Entscheidung über Ihr Asylgesuch. Sie soll Ihnen lediglich als Hilfe dienen, den Bundesamts-Bescheid richtig zu verstehen, ersetzt aber nicht den deutschsprachigen Bescheid. Maßgeblich für die Entscheidung in Ihrem Asylverfahren ist deshalb ausschließlich der Bescheid in der Amtssprache Deutsch.

25

1. Der subsidiäre Schutzstatus wird zuerkannt.

26

2. Im Übrigen wird der Asylantrag abgelehnt.

27

Auf der folgenden Seite finden Sie die Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung. Darin ist das Verfahren für eine Klage gegen die Bundesamtsentscheidung beschrieben und die Adresse des zuständigen Verwaltungsgerichts genannt. Auch die maßgebliche Rechtsbehelfsbelehrung ist ausschließlich die in der Amtssprache Deutsch, welche Bestandteil des deutschsprachigen Bescheides ist.“

28

Nach der vom Berufungsgericht veranlassten Rückübersetzung der Hinweise zu der Rechtsbehelfsbelehrung aus der arabischen Sprache (Bl. 157 d. Gerichtsakte - GA -) heißt es dort u.a.:

29

„Anweisungen bezüglich der Rechtsmittel a

30

Eine Klage kann gegen diesen Bescheid innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung erhoben werden, bei dem Verwaltungsgericht Hamburg (...)

31

Das Eingangsdatum der Klage beim Verwaltungsgericht ist die Zeitgrenze der oben genannten Frist.

32

(Erste Version) in der Klage, die auf Deutsch geschrieben sein muss, muss der Kläger und die Beklagte sowie der Gegenstand der Klage erwähnt werden.

33

(Zweite Version) in der Klage, die auf Deutsch abgefasst sein muss, muss der Kläger und die Beklagte sowie der Gegenstand der Klage erwähnt werden.
(...).“

34

Nach der vom Berufungsgericht veranlassten Rückübersetzung der Hinweise zu der Rechtsbehelfsbelehrung in arabischer Sprache (Bl. 158 GA) heißt es dort u.a.:

35

„Und auf den Pro-Seiten finden Sie die Übersetzung der Anweisungen bezüglich der Rechtsmittel. Darin finden Sie eine Aufklärung zum Verfahren, das durchgeführt werden muss, um eine Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes einzureichen, und auch die Adresse des zuständigen Verwaltungsgerichtes. Und ebenfalls ausschlaggebend in Bezug auf die Anweisungen bezüglich der Rechtsmittel sind in der Amtssprache Deutsch und keine anderen abgefasst, die als Bestandteil des deutschsprachigen Bescheides zu betrachten ist.“

36

Das Bundesamt versuchte ausweislich der Zustellungsurkunde am 30. Januar 2014 vergeblich, dem Kläger den Bescheid vom 20. Januar 2014 unter der Anschrift ..., ... Hamburg, zuzustellen. Als Grund für den erfolglosen Zustellungsversuch ist auf der Zustellungsurkunde (Bl. 62 Beiakte A) angekreuzt „Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ (Ziffer 1.4.1 der Zustellungsurkunde). Ein „Anderer Grund“ (Ziffer 1.4.5. des Vordrucks) wurde nicht angekreuzt. In der Zustellungsurkunde ist handschriftlich eingefügt „Bescheid vom 20.01.2014“ sowie im Anschriftenfeld eine „11“ oder „M“ neben der Straßenbezeichnung „...“.

37

Der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, hat am 27. März 2014 Klage bei dem Verwaltungsgericht Hamburg erhoben, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO beantragt und die Feststellung begehrt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen. Zur Begründung hat er geltend macht, ihm sei Wiedereinsetzung in Bezug auf die versäumte Klagefrist zu gewähren, da ihm der Bescheid des Bundesamtes nicht zugestellt worden sei; die Ausländerbehörde Hamburg habe ihm den Bescheid am 24. März 2014 in Kopie ausgehändigt. Ihm stehe ein Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung zu.

38

Auf gerichtliche Anfrage vom 2. Juni 2014 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 18. Juni 2014 mitgeteilt, dass der Kläger am 20. Januar 2014 die Unterkunft ... verlassen habe und am 22. Januar 2014 in die Unterkunft ... gezogen sei. Auf gerichtliche Anfrage vom 4. August 2016 hat der Kläger am 27. September 2016 vorgetragen, dass die Leiterin der Unterkunft „...“ ihm auf seine Nachfrage mitgeteilt habe, dass er seine Adresse dem Bundesamt nicht mitteilen müsse, da dies die Heimleitung tue. Zudem hat er geltend gemacht, dass ohnehin die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO gelte, da die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft sei. Mit der Formulierung „in deutscher Sprache abgefasst“ werde dem Betroffenen unrichtiger Weise nahegelegt, die Klage müsse schriftlich erhoben werden.

39

Der Kläger hat beantragt,

40

ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs.1 VwGO zu gewähren;

41

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20. Januar 2014 zu Ziffer 2., Geschäftszeichen: 5671536-475, zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG bei dem Kläger vorliegen.

42

Die Beklagte hat beantragt,

43

die Klage abzuweisen.

44

Sie hat sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide bezogen und im Schriftsatz vom 8. April 2014 ergänzend vorgetragen, der Bescheid sei bzw. gelte als am 22. Januar 2014 zugestellt, die Klage sei verfristet.

45

Mit Urteil vom 31. März 2017 hat das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Klage sei nicht unter Einhaltung der Klagefrist erhoben worden. Eine Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren. Der Bescheid gelte gemäß § 10 Abs. 2 AsylG spätestens am Tag des vergeblichen Zustellungsversuchs als zugestellt. Durch die Zustellung habe die Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs zu laufen begonnen. Insbesondere sei die Rechtsbehelfsbelehrung in dem angefochtenen Bescheid zutreffend. Die gewählte Formulierung, die Klage müsse in deutscher Sprache abgefasst sein, sei bei lebensnaher Betrachtung nicht irreführend. Insbesondere sei dieser Formulierung nicht zu entnehmen, die Klage könne ausschließlich schriftlich und nicht auch zur Niederschrift erhoben werden. Der fristgerecht gestellte Wiedereinsetzungsantrag habe keinen Erfolg. Es fehle bereits an Ausführungen dazu, weshalb der Eintritt der Zustellfiktion unverschuldet gewesen sei. Angesichts der Bedeutung der Mitteilung der neuen Anschrift für den Kläger und des geringen Aufwands der Mitteilung an die Beklagte habe der Kläger mindestens fahrlässig gehandelt, indem er sich auf das Angebot der Heimleitung verlassen habe, die Mitteilung an das Bundesamt vorzunehmen. Im Übrigen sei dieser Vortrag auch nicht rechtzeitig erfolgt, da er nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist erfolgt sei, die mit der persönlichen Aushändigung des Bescheids am 24. März 2014 durch die Ausländerbehörde begonnen habe. Es handele sich nicht nur um eine Vertiefung des fristgerecht vorgetragenen Sachverhalts, sondern um das Nachschieben neuer Gründe. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 5. April 2017 zugestellt worden.

46

Der Kläger hat am 28. April 2017 die Zulassung der Berufung beantragt. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen hat er vorgetragen, dass der in der Rechtsbehelfsbelehrung enthaltene Hinweis „Die Klage muss in deutscher Sprache abgefasst sein“ fehlerhaft sei; dies ergebe sich auch daraus, dass die in die kurdische Sprache (Kurdisch-Kumanci) übersetzte Rechtsbehelfsbelehrung der Beklagten vorsehe, dass die Klage „in deutscher Sprache geschrieben sein“ müsse.

47

Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 20. Juni 2017 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

48

Am 29. Juni 2017 hat der Kläger die Berufung dahingehend begründet, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts und der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Versagung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtswidrig seien und ihn in seinen Rechten verletzten; ihm stehe ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu. Zur Begründung hat er auf das bisherige Vorbringen im Verwaltungsverfahren Bezug genommen.

49

Der Kläger beantragt,

50

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 31. März 2017 (8 A 1613/14) und unter Aufhebung der Ziffer 2 des Bescheides der Beklagten vom 20. Januar 2014 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

51

Die Beklagte beantragt,

52

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

53

Die vom Berufungsgericht beauftragte Übersetzerin hat die möglichen Bedeutungen des im Arabischen verwendeten Verbes, das von ihr mit „geschrieben“ bzw. „abgefasst“ übersetzt worden ist, bezogen auf dessen Infinitivform („harra“) wie folgt angegeben (Bl. 157 GA):

54

„ausstellen, befreien, liberalisieren, ausfertigen, entledigen, erlösen, freigeben, schreiben, notieren, redigieren, freischalten, losmachen, bearbeiten, emanzipieren, edieren, freilassen, freisetzen, befreien, abfassen.“

55

In der mündlichen Verhandlung hat die Übersetzerin ergänzend erklärt, dass in der arabischen Fassung der Rechtsbehelfsbelehrung das Verb „harra“ im Passiv verwendet worden sei.

56

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen bisherigen Vortrag dahingehend ergänzt, dass ihm auch in der Unterkunft ... mitgeteilt worden sei, dass dort seine Post automatisch an die Unterkunft nach Bergedorf weitergeschickt werde, bis seine Adresse geändert worden sei. Auch habe man ihm dort mitgeteilt, dass alles automatisch geändert werde. In die Unterkunft ...sei er an einem Wochenende umgezogen. Bereits am darauffolgenden Montag habe man ihm dort erklärt, dass alles geändert worden sei. Er habe dann aber ca. 4 Wochen keine Briefe erhalten, mit Ausnahme der Mitteilungen des Sozialamtes. In der Unterkunft ... habe es ein Büro gegeben, in dem die Post abgegeben worden sei. Dort hätten sich alle Bewohner der Unterkunft ihre Post abgeholt.

57

Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 181 ff. GA) wird ergänzend Bezug genommen. Die Sachakten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

58

Die Berufung des Klägers ist zulässig (A.), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht die Klage des Klägers zu Recht als unzulässig abgewiesen hat (B.).

A.

59

Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig.

60

1. Der Kläger hat innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung und damit fristgerecht i.S.d. § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO die Berufung begründet. Die Berufungsbegründung genügt (noch) den Anforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO. Danach muss die Begründung der Berufung die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten. Grundsätzlich ist insoweit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen aufzuführen, weshalb das angefochtene Urteil nach der Auffassung des Berufungsführers unrichtig ist und geändert werden muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.4.2001, 1 C 33.00, BVerwGE 114, 155, juris Rn. 10). Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers zwar nicht, da diese auf die Unzulässigkeit der Klage, auf die das Verwaltungsgericht die Klagabweisung gestützt hat, nicht eingeht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 8.3.2004, 4 C 6.03, NVwZ-RR 2004, 541, juris Rn. 21) soll es jedoch auch ausreichend sein, dass durch einen fristgerecht im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass und weshalb der Berufungsführer an der Durchführung des zugelassenen Berufungsverfahrens festhalten will. Im Übrigen komme es wesentlich auf die Umstände des konkreten Einzelfalles an. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann es zur Berufungsbegründung auch genügen, dass der Berufungsführer innerhalb der Berufungsbegründungsfrist durch einen gesonderten Schriftsatz erkennbar zum Ausdruck bringt, dass er die Berufung durchführen will und weshalb er sie für begründet hält. Einer ausdrücklichen Bezugnahme auf das bereits im Antrag auf Zulassung der Berufung enthaltene Begehren und die dort genannten Gründe bedarf es insbesondere nicht, wenn sich beides aus dem Gesamtzusammenhang (Urteil erster Instanz, Antrag auf Zulassung der Berufung und Zulassungsbeschluss) hinreichend deutlich ergibt.

61

Ein solcher Fall liegt hier (noch) vor. Durch den mit Schriftsatz vom 28. Juni 2017 schriftsätzlich gestellten Berufungsantrag wird deutlich, dass der Kläger das Zulassungsverfahren als Berufungsverfahren fortführen will. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung gehen zwar nicht mehr auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils ein, mit dem die Klage als unzulässig abgewiesen worden ist, sondern allein auf die Begründetheit der auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten Klage. Auch dürfte der im Schriftsatz vom 28. Juni 2017 enthaltene Verweis auf das Vorbringen im Verwaltungsverfahren nicht auch als Verweis auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren verstanden werden können, da das Verwaltungsverfahren nicht das gerichtliche Verfahren und damit nicht das Zulassungsverfahren umfasst. Den im Berufungsverfahren allein geltend gemachten Gründen zur Begründetheit der Berufung, insbesondere zur Gewährung der Flüchtlingseigenschaft, kann jedoch entnommen werden, dass der Kläger (stillschweigend) die Klage zudem weiterhin - wie im Zulassungsverfahren geltend gemacht - für zulässig erachtet.

B.

62

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zutreffend als unzulässig abgewiesen. Die Klage ist verfristet erhoben worden (I.). Dem Kläger ist keine Wiedereinsetzung in Bezug auf die Versäumung der Klagefrist zu gewähren (II.).

I.

63

Die Klage ist verfristet erhoben worden.

64

Nach § 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylVfG (jetzt: AsylG) muss die Klage innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung des Bundesamtes erhoben werden. Diese Klagefrist beginnt gemäß § 58 Abs. 1 VwGO nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist belehrt worden ist. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGO ist die Einlegung des Rechtsbehelfs regelmäßig (nur) innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, wenn die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist.

65

Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gilt dem Kläger spätestens am 30. Januar 2014 als zugestellt (1.). Der Bescheid kann nicht gemäß § 58 Abs. 2 VwGO innerhalb eines Jahres angefochten werden. Denn die Rechtsbehelfsbelehrung genügt den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO (2.); weder die in deutscher Sprache abgefasste Rechtsbehelfsbelehrung (3.) noch deren dem Bescheid beigefügte Übersetzung in arabischer Sprache sind unrichtig i.S.d. § 58 Abs. 2 VwGO; eine unrichtige Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung könnte zudem allein - sofern die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen - einen Anspruch auf Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO in Bezug auf die Versäumung der Klagefrist begründen (4.). Die am 27. März 2014 erhobene Klage hält die zweiwöchige Klagefrist nicht ein (5.).

66

1. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 20. Januar 2014 gilt dem Kläger spätestens am 30. Januar 2014 als zugestellt.

67

Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG in der bei Bewirkung der Zustellung maßgeblichen Fassung - § 10 AsylVfG in der hier maßgeblichen Fassung vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474, gültig ab 1.12.2013) ist in Bezug auf die hier einschlägigen Regelungen mit § 10 AsylG in der ab dem 24. Oktober 2015 geltenden (aktuellen) Fassung (v. 20.10.2015, BGBl. I. S. 1722) text- und inhaltsgleich -, muss der Ausländer Zustellungen unter der letzten Anschrift gegen sich gelten lassen, wenn er, wie vorliegend der Kläger für das Verfahren vor dem Bundesamt, für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat, und wenn die letzte Anschrift, unter der der Ausländer wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist. Kann die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden, so gilt die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt, § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylVfG. Die für einen Eintritt dieser Zustellungsfiktion erforderlichen Voraussetzungen sind erfüllt:

68

a) Ausweislich der Zustellungsurkunde hat der Zusteller der Deutschen Post AG am 30. Januar 2014 vergeblich versucht, den Bescheid vom 20. Januar 2014 dem Kläger unter der Anschrift „...“ in Hamburg zuzustellen.

69

Diese Anschrift ist dem Bundesamt zuvor - entsprechend den Eingangsstempeln - am 23. Dezember 2013 bzw. 13. Januar 2014 mitgeteilt worden (vgl. Bl. 38, 41 Beiakte A); „fördern & wohnen“ hat das an den Kläger gerichtete Schreiben vom 18. Dezember 2013, mit welchem „fördern & wohnen“ dem Kläger mitteilt, dass für ihn ein Wohnplatz in der Gemeinschaftsunterkunft ... zur Verfügung steht, dem Bundesamt übermittelt. Sowohl am 23. Dezember 2013 als auch am 13. Januar 2014 wohnte der Kläger bereits in der Unterkunft ... Die auf beiden Schreiben am unteren Rand ersichtliche Telefaxeintragung mit der Datumsangabe „17/12/2013“ ist zur Überzeugung des Berufungsgerichts nicht dahingehend zu verstehen, dass die Schreiben bereits am 17. Dezember 2013 an das Bundesamt per Telefax übermittelt wurden. Hiergegen sprechen die abweichenden Eingangsstempel des Bundesamts; zudem fehlen die üblichen Eingangsdaten (Datum, Uhrzeit und Faxkennung) des Empfangsgerätes des Bundesamtes.

70

Die durch „fördern & wohnen“ mitgeteilte Anschrift „...“ (ohne Hausnummer) war zutreffend und ermöglichte eine eindeutige Zustellung von Schreiben. Unter der Anschrift ... war in Hamburg eine Containerunterkunft auf einem ehemaligen P&R-Gelände errichtet und betrieben worden, der keine Hausnummer zugeteilt war. Angesichts der nur geringen Häuserzahl in der Straße ..., die aus zwei Reihenhäusern (Häuser 3 und 5) sowie zwei Mehrfamilienhäusern (Häuser Nummer 7 und 9) besteht, war zur Überzeugung des Berufungsgerichts unzweifelhaft, dass die Anschrift „...“ ohne jegliche Hausnummer diejenige der Containerunterkunft war.

71

Ausweislich der Zustellungsurkunde erfolgte am 30. Januar 2014 ein erfolgloser Zustellversuch unter der Anschrift „...“ in Hamburg. Der Zusatz „M“ bzw. „11“ auf der Zustellungsurkunde steht dem nicht entgegen. Das Gericht kann bereits nicht sicher beurteilen, ob dieser Zusatz überhaupt einen Bezug zu dem danebenstehenden Straßennamen hat. Sollte dies der Fall sein, so wäre es die Konkretisierung der Hausnummer mit „11“, die nur vom Postzusteller vorgenommen worden sein könnte; dies wäre dann eine Fortführung der Häusernummerierung in der Straße und würde unterstreichen, dass der Zusteller das Schreiben der Gemeinschaftsunterkunft zugeordnet hat. Dem entspricht, dass als Grund der Nichtzustellung auf der Zustellungsurkunde vermerkt ist, dass der Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln war. Soweit der Kläger bezweifelt, dass der Zusteller ein Schreiben mit der Anschrift „...“ der Gemeinschaftsunterkunft zugeordnet hat, steht dem zur Überzeugung des Gerichts der Inhalt der Zustellungsurkunde entgegen. Dort ist vermerkt, dass der Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln war. In der Zustellungsurkunde ist insbesondere unter Ziffer 1.4.5. „Anderer Grund“ für die Nichtzustellung nicht angegeben, dass die Adresse zu unbestimmt sei oder die Adresse nicht ermittelt werden konnte. Die Zustellungsurkunde als öffentliche Urkunde erbringt daher den vollen Beweis über den darin festgehaltenen Zustellungsvorgang (§ 182 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 418 ZPO; vgl. auch: § 98 VwGO i.V.m. § 418 ZPO).

72

Der Kläger hat nicht den Beweis erbracht, dass der erfolglose Zustellungsvorgang unrichtig beurkundet wurde, vgl. § 418 Abs. 2 ZPO. Das Berufungsgericht hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der Beurkundung und sieht daher auch keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen. Für die Richtigkeit der Zustellungsurkunde spricht zunächst, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst berichtet hat, dass die Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft ihre Post im Büro abholen konnten. Dies spricht bereits dafür, dass dort regelmäßig Post ankam und die Postzusteller die Anschrift zuordnen konnten. Da die Straße ... - wie ausgeführt - mit vier Häusern und der Gemeinschaftsunterkunft sehr übersichtlich ist und zudem auf den Briefen des Bundesamtes der Absender „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“ gut sichtbar auf der Vorderseite angebracht ist (vgl. exemplarisch: Bl. 74 Beiakte A), ist auch deshalb davon auszugehen, dass ein Zusteller den Brief der Gemeinschaftsunterkunft zuordnen konnte, obwohl keine Hausnummer im Anschriftenfeld des Briefes angegeben war.

73

Der Umstand, dass regelmäßig Post in der Gemeinschaftsunterkunft ankam, spricht ebenfalls dafür, dass die Postzusteller in der Lage waren, das Büro der Gemeinschaftsunterkunft, in dem die Post abzugeben war, zu erkennen. Wie der Kläger ausgeführt hat, war das Büro vormittags geöffnet, es saßen dort zwei Praktikantinnen, im Büro lag Papier auf den Schreibtischen, so dass es als solches zu erkennen war. Die Vermutung des Klägers, dass das Büro von einem Postzusteller nicht gefunden worden sei, hält das Berufungsgericht für realitätsfern.

74

b) Der Kläger wurde am 24. September 2013 (Bl. 12 - 15 Beiakte A) mündlich (in kurdischer Sprache) auf die Zustellungsvorschriften des § 10 AsylVfG hingewiesen. Ihm wurden diese zudem den Vorgaben des § 10 Abs. 7 AsylVfG entsprechend in deutscher und arabischer Sprache gegen Empfangsbekenntnis ausgehändigt (Bl. 12 - 19 Beiakte A; vgl. zum Erfordernis der Belehrung: Bergmann in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Auflage 2018, § 10 AsylG Rn. 30). Die Belehrung genügt den an sie zu stellenden Anforderungen (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 8.7.1996, 2 BvR 96/95, DVBl. 1996, 1252).

75

§ 10 Abs. 4 AsylVfG kommt vorliegend nicht zur Anwendung, da die Anschrift, an die zugestellt wurde, die einer Gemeinschaftsunterkunft (vgl. § 53 AsylVfG) und nicht die einer Aufnahmeeinrichtung (vgl. §§ 46 ff. AsylVfG) ist. Eine Ersatzzustellung (vgl. § 10 Abs. 5 AsylVfG; hierzu: Funke-Kaiser in: GK-AsylG, Stand März 2018, § 10 AsylG Rn. 87 sowie Rn. 256 ff.) an die Adresse der Gemeinschaftsunterkunft ... in Hamburg war nicht möglich, da der Kläger am 30. Januar 2014 dort nicht mehr wohnte (vgl. zur Ersatzzustellung an die Wohnadresse/Gemeinschaftsunterkunft: § 3 Abs. 2 VwZG i.V.m. § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).

76

Die Aufgabe des Bescheides vom 20. Januar 2014 vom Bundesamt an die Post ist in der Asylakte nicht vermerkt. Das Anschreiben zum Bescheid (Bl. 50 Beiakte A) sowie weitere Schreiben im Zusammenhang mit dem Bescheid (Bl. 52, 56, 59 Beiakte A) datieren vom 22. Januar 2014. Dies bedeutet zwar nicht zwingend, dass das Schreiben auch an diesem Tag zur Post gegeben wurde. Vorliegend kann aber sicher davon ausgegangen werden, dass die Aufgabe zur Post spätestens am 30. Januar 2014 - dem Tag der Zustellung - erfolgt war, so dass der Bescheid jedenfalls an diesem Tag als zugestellt gilt. Das Unterlassen des Vermerks der Aufgabe zur Post führt nicht dazu, dass die Zustellungsfiktion des § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylVfG nicht eintreten kann (vgl. Funke-Kaiser in: GK-AsylG, Stand März 2018, § 10 AsylG Rn. 271).

77

§ 10 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG ist unionsrechtskonform (a.A. Bruns in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 10 AsylG Rn. 28). Die Regelung verstößt nicht gegen Art. 11 Abs. 2 lit. c) RL 2005/85/EG (jetzt: Art. 13 Abs. 2 lit. c) RL 2013/32/EU). Der dort aufgeführte Fall, dass die Mitgliedstaaten festlegen können, dass der Asylbewerber eine an den von ihm mitgeteilten letzten Aufenthaltsort erfolgte - bzw. an die mitgeteilte letzte Anschrift gerichtete - Mitteilung gegen sich gelten lassen muss, ist nicht abschließend, sondern ist nur eine ausdrücklich erwähnte Möglichkeit („Die Mitgliedstaaten können insbesondere ... festlegen“), wie die Mitgliedstaaten die Verpflichtung der Asylbewerber zur Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden regeln können; zu solchen Regelungen sind die Mitgliedstaaten in Art. 11 Abs. 1 RL 2005/85/EG ausdrücklich ermächtigt worden.

78

2. Die Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 VwGO für den Beginn des Laufes einer Rechtsbehelfsfrist sind erfüllt.

79

Der Kläger ist in der allein maßgeblichen (hierzu unter 4.) deutschen Rechtsbehelfsbelehrung über das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist (Verwaltungsgericht Hamburg), den Sitz des Gerichts und die einzuhaltende Frist (zwei Wochen) in deutscher Sprache (vgl. § 23 Abs. 1 VwVfG – die Amtssprache ist deutsch) belehrt worden. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die in arabischer Sprache erfolgte Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung diese Angaben enthält. Eine Belehrung über das Formerfordernis des § 81 Abs. 1 VwGO, wonach die Klage schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden kann, ist nach § 58 Abs. 1 VwGO nicht erforderlich; dies entspricht gefestigter Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.1978, 6 C 77.78, BVerwGE 57, 188, juris Rn. 22; OVG Schleswig, Beschl. v. 16.11.2017, 1 LA 68/17, juris Rn. 8).

80

3. Der Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung (in deutscher Sprache), dass die Klage in deutscher Sprache abgefasst sein muss, ist nicht unrichtig i.S.d. § 58 Abs. 2 VwGO.

81

Eine Rechtsmittelbelehrung ist dann unrichtig erteilt, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend erforderlichen Angaben nicht enthält, diese unrichtig wiedergibt oder wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen. Entscheidend ist, welcher Eindruck bei einem (objektiven) Leser erweckt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.3.2016, 3 PKH 5.15 u.a., juris Rn. 6, mit Verweis auf Beschl. v. 31.8.2015, 2 B 61.14, NVwZ 2015, 1699, juris Rn. 8).

82

Der Hinweis, dass die Klage in deutscher Sprache abgefasst sein muss, entspricht der Vorgabe des § 55 VwGO i.V.m. § 184 Satz 1 GVG, wonach die Gerichtssprache deutsch ist. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist zudem nicht geeignet ist, bei einem objektiven Leser einen Irrtum über die formellen Voraussetzungen einer Klageerhebung hervorzurufen; sie erweckt insbesondere nicht den Eindruck, dass der Empfänger des Bescheides die Klage ausschließlich selbst in Schriftform bei Gericht einreichen muss, obwohl die Klage gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden kann (wie hier u.a.: VGH München, Urt. v. 10.1.2018, 13a B 17.31116, NVwZ 2018, 838; OVG Schleswig, Beschl. v. 16.11.2017, 1 LA 68/17, juris; VG Greifswald, Urt. v. 7.2.2018, 3 A 1089/17 As HGW, juris Rn. 23; VG Berlin, Urt. v. 24.1.2017, 21 K 346/16.A, juris Rn. 21 ff.; VG Berlin, Beschl. v. 19.5.2017, 6 L 383.17 A, juris Rn. 12; VG Göttingen, Beschl. v. 23.1.2017, 3 B 90/17, juris Rn. 7 ff.; VG Oldenburg, Beschl. v. 20.10.2016, 15 B 5090/16, juris Rn. 9; vgl. auch: BVerwG, Beschl. v. 5.2.1990, 9 B 506.89, NJW 1990, 3103, juris Rn. 3; a.A. z.B.: VGH Mannheim, Urt. v. 18.4.2017, A 9 S 333/17, NVwZ 2017, 1477, juris Rn. 27 ff.; VG Augsburg, Beschl. v. 3.12.2014, Au 7 S 14.50321, juris Rn. 19; VG Düsseldorf, GB v. 28.6.2016, 22 K 4119/15.A, juris Rn. 47 ff.; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 10.2.2017, 3a K 4163/16.A, juris Rn. 20 ff.).

83

§ 81 Abs. 1 VwGO bestimmt, dass die Klage bei dem Gericht schriftlich zu erheben ist; bei dem Verwaltungsgericht kann sie auch zu Protokoll des Urkundsbeamten erhoben werden. Gemäß § 55a Abs. 1 Satz 1 VwGO können die Beteiligten dem Gericht zudem elektronische Dokumente übermitteln. Bei Erhebung der Klage zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist zu berücksichtigen, dass auch dann die Klage „verschriftlicht“ erhoben wird. Denn erforderlich ist die wörtliche Protokollierung der Klage durch den Urkundsbeamten. Das Protokoll soll nochmals vorgelesen und vom Kläger genehmigt werden. Für die Wirksamkeit der Klageerhebung sind die (nochmalige) Verlesung, die Beurkundung der Verlesung und der Genehmigung und die Unterzeichnung des Protokolls durch den Kläger allerdings nicht erforderlich (BGH, Beschl. v. 20.12.1979, 1 StR 164/79, BGHSt 29, 173 , juris Rn. 16 - fernmündlich zur Niederschrift möglich; vgl. auch: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 81 Rn. 13). Notwendig ist aber die Protokollierung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. An dessen Unterschrift sind prinzipiell dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze durch einen Rechtsanwalt (BGH, Beschl. v. 20.12.1979, 1 StR 164/79, BGHSt 29, 173, juris Rn. 16; a.A. Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., § 81 Rn. 13). Hingegen ist ein bloßer Aktenvermerk nicht ausreichend. Bei diesem Verständnis sind „schriftlich“ und „zu Protokoll“ keine gegensätzlichen Begriffe, vielmehr ist zu Protokoll des Urkundsbeamten eine Unterform der Schriftlichkeit (vgl. VG Berlin, Beschl. v. 19.5.2017, 6 L 383.17 A, juris Rn. 26; Schübel-Pfister in: Gärditz, VwGO, 2. Auflage 2018, § 81 Rn. 34; Geiger in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 81 Rn. 11; Ortloff/Riese in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 81 Rn. 5).

84

Die in der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehenen Möglichkeiten der Klagerhebung beim Verwaltungsgericht setzen demnach voraus, dass die Klage dem Verwaltungsgericht in einer verschriftlichten Form vorliegen muss. Allerdings muss ein Kläger nicht zwingend selbst die Klage schriftlich beim Verwaltungsgericht einreichen.

85

Diese Rechtslage kommt in der vom Bundesamt in der Rechtsbehelfsbelehrung verwendeten Formulierung „Die Klage muss (...) in deutscher Sprache abgefasst sein“ zutreffend zum Ausdruck. Für das Berufungsgericht ist dabei von maßgeblicher Bedeutung die Verwendung des Verbes „abfassen“ im Passiv. Durch die Verwendung des Passivs wird nur eine Aussage dazu getroffen, dass die (verschriftlichte) Klage in deutscher Sprache verfasst sein muss, und es wird gerade keine Aussage dazu gemacht, wer die Klage verfassen bzw. die Klage in die Schriftform bringen muss; dies kann z.B. der Kläger, dessen Prozessbevollmächtigter oder eben der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts sein. Es wird zudem nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger selbst die Klage in schriftlicher Form einreichen muss. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Einbeziehung des vorangegangenen Satzes der Rechtsbehelfsbelehrung, wonach für die Rechtzeitigkeit der Klagerhebung der Tag des „Eingangs“ beim Verwaltungsgericht maßgebend ist. Denn der „Eingang“ bezieht sich ebenfalls auf den Eingang der verschriftlichten Form der Klage. Auch für die Klage, die zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben wird, ist der Tag des Eingangs beim Verwaltungsgericht maßgebend.

86

Dass bei flüchtigem Lesen und/oder aufgrund unzureichender Sprachkenntnisse unter Berücksichtigung des Empfängerkreises der Satz „Die Klage muss in deutscher Sprache abgefasst sein“ möglicherweise dahingehend missverstanden werden kann, dass der Empfänger des Bescheides selbst die Klage in deutscher Sprache abfassen oder diese bereits schriftlich beim Verwaltungsgericht einreichen muss, führt zu keiner anderen Bewertung (vgl. auch: VGH München, Urt. v. 10.1.2018, 13a B 17.31116, NVwZ 2018, 838, juris Rn. 31, 34; OVG Schleswig, Beschl. v. 16.11.2017, 1 LA 68/17, juris Rn. 15). Insoweit ist vielmehr auf einen „objektiven Leser“ bzw. den „objektiven Empfängerhorizont“ abzustellen. Im Hinblick darauf kann die Eignung zur Irreführung daher auch nicht schon daraus geschlossen werden, dass andere Gerichte die Rechtsbehelfsbelehrung im Ergebnis für unrichtig befunden haben.

87

Nach dem objektiven Empfängerhorizont ist zudem zu berücksichtigen, dass die Rechtsbehelfsbelehrung erkennbar einen juristisch geprägten Text darstellt, der genau zu lesen und auszulegen ist. Diese Pflicht obliegt auch einem Asylantragsteller. In seiner spezifischen Verfahrenssituation wird er durch die ergänzenden Informationen, die das Bundesamt ihm gibt, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelfrist unbedingt eingehalten werden muss und so bemessen ist, dass ggf. sofort etwas unternommen werden muss. Wie der Asylantragsteller die Erhebung der Klage in deutscher Sprache bewerkstelligen will - z.B. durch ein eigenes Schreiben, durch Kontaktaufnahme zu einem Rechtsanwalt, durch Kontaktaufnahme mit der Öffentlichen Rechtsauskunftstelle oder durch Niederschrift beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts - obliegt seiner Entscheidung. Darüber besagt die Rechtsbehelfsbelehrung nichts. Ein Asylantragsteller hat daher nach Erhalt des Bescheides des Bundesamts zu entscheiden, ob er Klage erheben und wie er dies ggf. in deutscher Sprache bewerkstelligen will. Es spricht nach Ansicht des Berufungsgerichts auch viel dafür, dass die Rechtsbehelfsbelehrung des Bundesamtes regelmäßig durch die Empfänger genau so verstanden wird.

88

Da in dem angefochtenen Bescheid ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass allein die deutsche Fassung des Bescheides einschließlich der Rechtsbehelfsbelehrung maßgeblich ist, ist die in deutscher Sprache verfasste Rechtsbehelfsbelehrung auch nicht vor dem Hintergrund der arabischen Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung auszulegen.

89

Ergänzend kommt hinzu, dass das Verb abfassen zwar überwiegend, aber nicht allein auf eine schriftliche Form zielt. Nach Duden (https://www.duden.de/rechtschreibung/abfassen, abgerufen am 27.6.2018) wird unter „abfassen“ verstanden, dass einem vorgegebenen, nicht allzu umfangreichen Stoff die entsprechende sprachliche Form gegeben wird. Als Synonyme werden dort genannt anfertigen, aufschreiben, aufsetzen, ausarbeiten, formulieren, niederschreiben, schreiben, verfassen, zu Papier bringen und (gehoben) niederlegen. Demnach bedeutet „abfassen“, dass ein bestimmter Tatsachenstoff vom bloßen Gedanken in eine sprachliche Formulierung transportiert wird und so nach außen dringen kann. Auch wenn die im Duden angeführten Synonyme in der Mehrzahl auf eine Verschriftlichung hindeuten, werden darüber hinaus andere Möglichkeiten genannt, wie etwa „formulieren“.

90

Der gegenteiligen Meinung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Urt. v. 18.4.2017, A 9 S 333/17, NVwZ 2017, 1477, juris Rn. 27 ff.) wird aus den genannten Gründen nicht gefolgt. Soweit sich der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zudem darauf stützt, der Rechtsbehelfsbelehrung ließen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Betroffene nach der Verwaltungsgerichtsordnung auch die Unterstützung einer staatlichen Stelle in Anspruch nehmen könne, ist dem entgegenzuhalten, dass dies auch bei einer vollständig „richtigen“ Rechtsbehelfsbelehrung (ohne den streitgegenständlichen Zusatz) nicht der Fall ist. Darüber hinaus kann sich der Betroffene auch nicht generell darauf verlassen, dass in der Rechtsmittelbelehrung sämtliche Modalitäten für die Einlegung des Rechtsmittels genannt werden (BVerwG, Beschl. v. 31.8.2015, 2 B 61.14, NVwZ 2015, 1699, juris Rn. 11).

91

4. Die Klage durfte auch nicht deshalb nach § 58 Abs. 2 VwGO innerhalb eines Jahres erhoben werden, weil die in arabischer Sprache beigefügte Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig wäre. Die dem angefochtenen Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung in arabischer Sprache ist nicht unrichtig (a). Selbst wenn das Berufungsgericht diese als unrichtig ansehen würde, so käme nicht § 58 Abs. 2 VwGO zur Anwendung; stattdessen wäre bei einem hierauf beruhenden Irrtum, der zur Versäumnis der Klagefrist geführt hätte, ggf. gemäß § 60 VwGO unter den dort genannten Voraussetzungen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (b).

92

a) Die dem angefochtenen Bescheid beigefügte Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung in arabischer Sprache ist zutreffend.

93

Nach der (Rück-)Übersetzung lautet der hier streitige Satz, dass die Klage in deutscher Sprache „geschrieben“ bzw. „abgefasst“ sein muss. In der dem Bescheid beigefügten Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung in arabischer Sprache ist für „geschrieben“ bzw. „abgefasst“ das arabische Verb „harra“ in der Passivform verwendet worden, das eine Vielzahl von Bedeutungen hat und u.a. mit schreiben, abfassen, ausstellen oder ausfertigen übersetzt werden kann. In dieser Bedeutungsbreite entspricht es nahezu dem in der deutschen Fassung verwendeten Verb „abfassen“. Da das Verb zudem im Passiv verwendet wurde, handelt es sich um eine der deutschen Fassung entsprechende und damit zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung.

94

Selbst wenn das Berufungsgericht unterstellen würde, dass das Verb „harra“ nur mit „schreiben“ zu übersetzen wäre, wäre die arabische Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung zutreffend. Denn auch dann käme durch die Verwendung des Passivs zum Ausdruck, dass die Klage in der verschriftlichten Form in Deutsch verfasst sein muss. Es wird gerade nicht der Eindruck erweckt, dass ein Empfänger des Bescheides die Klage selbst in geschriebener Form einreichen muss.

95

b) Selbst wenn das Berufungsgericht unterstellen würde, dass die arabische Übersetzung der deutschen Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig i.S.d. § 58 Abs. 2 VwGO wäre, so hätte dies nicht zur Folge, dass § 58 Abs. 2 VwGO zur Anwendung käme. Vielmehr bestünde dann allein die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO unter den dort genannten Voraussetzungen (vgl.: VG Berlin, Beschl. v. 19.5.2017, 6 L 383.17 A, juris Rn. 29; VG Stuttgart, Beschl. v. 17.5.2011, A 4 K 634/11, InfAuslR 2011, 311, juris Rn. 4; Funke-Kaiser in: GK-AsylG, Stand März 2018, § 31 Rn. 11 und § 74 AsylG Rn. 92; a.A. - Anwendung des § 58 Abs. 2 VwGO: VG Minden, Urt. v. 5.6.2015, 6 K 182/15.A, juris Rn. 21; VG Köln, Urt. v. 27.11.2014, 23 K 4781/13.A, juris Rn. 21; VG Meiningen, Urt. v. 7.3.2014, 1 K 20235/11 Me, S. 5 f. UA, juris; VG München, Urt. v. 29.11.2013, M 2 K 13.30275, juris Rn. 26; VG Münster, Urt. v. 25.8.2008, 6 K 1836/07.A, juris Rn. 11; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Januar 2018, § 31 AsylG Rn. 11; Schröder in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 31 AsylG Rn. 16; Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 31 Rn. 5).

96

In dem angefochtenen Bescheid wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die maßgebliche Rechtsbehelfsbelehrung ausschließlich die in der Amtssprache Deutsch ist. Der Hinweis auf die allein maßgebliche deutsche Fassung des Bescheides einschließlich der Rechtsbehelfsbelehrung ist zutreffend und sinnvoll; eine Übersetzung in eine andere Sprache birgt die Gefahr, dass das deutsche Wort nicht genau identisch in der ausländischen Sprache vorhanden ist bzw. dort nicht vollständig identisch wie im Deutschen verwendet wird.

97

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Bestimmung der Maßgeblichkeit der deutschen Fassung des Bescheides einschließlich der Rechtsbehelfsbelehrung verstößt weder gegen die Vorgaben des § 31 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 AsylG (aa) noch gegen das dieser Regelung zugrunde liegende Unionsrecht (bb).

98

aa) Der Hinweis auf die Maßgeblichkeit der deutschen Fassung der Rechtsbehelfsbelehrung steht im Einklang mit § 31 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 AsylG. Die Vorschrift lautet:

99

„Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist [der Entscheidung des Bundesamtes] eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis [durch den Asylbewerber] vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann;“

100

Bereits die in der gesetzlichen Regelung verwendete Wortwahl spricht dafür, dass allein die deutsche Fassung maßgeblich ist, weil der Entscheidung des Bundesamtes (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 AsylG) eine „Übersetzung“ „beizufügen“ ist. Die Regelung fordert gerade nicht, dass die Entscheidung bzw. die Rechtsbehelfsbelehrung des Bundesamtes in einer Sprache zu ergehen hat, deren Kenntnis durch den Asylbewerber vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Bereits der Begriff der „Übersetzung“ legt nahe, dass die deutsche Bescheidfassung maßgeblich ist. Das Wort „beifügen“ unterstützt dies.

101

Dieser Auslegung entspricht die Gesetzeshistorie. Die Regelung wurde als § 31 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG mit Wirkung ab dem 28. August 2007 auf der Grundlage von Artikel 10 Abs. 1 lit. e) RL 2005/85/EG des Rates (jetzt: Art. 12 Abs. 1 lit. f) RL 2013/32/EU) eingefügt. In der Begründung des der Einführung der Regelung zu Grunde liegenden Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (BT-Drs. 16/5065 v. 23.4.2007, S. 217) heißt es (Unterstreichung nur hier):

102

„Die Ergänzung in Absatz 1 Satz 2 und der neu eingefügte Satz 3 erster Halbsatz entsprechen der Regelung des Artikels 10 Abs. 1 Buchstabe e der Verfahrensrichtlinie. Die Regelung sieht vor, dass Asylbewerber, die nicht von einem Bevollmächtigten vertreten werden, über das Ergebnis der Entscheidung und mögliche Rechtsbehelfe in einer Sprache unterrichtet werden, von deren Kenntnis ausgegangen werden kann. Die Unterrichtung kann sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen.“

103

Auch hieraus wird deutlich, dass lediglich eine „Unterrichtung“ über das „Ergebnis der Entscheidung“ in einer Sprache erfolgen soll, von deren Kenntnis ausgegangen werden kann, nicht aber die Entscheidung selbst in einer Sprache zu ergehen hat, von deren Kenntnis ausgegangen werden kann.

104

bb) Diese Auslegung des § 31 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 AsylG verstößt nicht gegen Unionsrecht.

105

(1) Die Auslegung entspricht den Vorgaben der Asylverfahrensrichtlinien. Sowohl Art. 10 Abs. 1 lit. e) RL 2005/85/EG als auch Art. 12 Abs. 1 lit. f) RL 2013/32/EU sehen eine Unterrichtung des Antragstellers über das Ergebnis der Entscheidung in einer Sprache vor, von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass der Antragsteller diese verstehen könne; die Mitteilung muss auch Informationen darüber enthalten, wie die ablehnende Entscheidung angefochten werden kann. Es ist lediglich von einer „Unterrichtung“ bzw. in Bezug auf die Rechtsbehelfe ausdrücklich von „Informationen“ die Rede, nicht gefordert ist aber, dass der Bescheid bzw. die Rechtsbehelfsbelehrung selbst in einer Sprache ergehen müssen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Für diese Auslegung spricht auch, dass Art. 10 RL 2005/85/EG und Art. 12 RL 2013/32/EU Verfahrensgarantien für die Antragsteller regeln, während in Art. 9 RL 2005/85/EG bzw. Art. 11 RL 2013/32/EU die Anforderungen an die Entscheidung der Asylbehörde geregelt sind. Art. 9 RL 2005/85/EG bzw. Art. 11 RL 2013/32/EU bestimmt insoweit zwar, dass die Entscheidungen über die Anträge schriftlich zu ergehen haben, die rechtlichen Gründe für eine Ablehnung darzulegen sind und unter den dort genannten Voraussetzungen auch eine schriftliche Rechtsbehelfsbelehrung zu ergehen hat. Dort gerade nicht geregelt ist aber die Verpflichtung zu einer Information über den Rechtsbehelf in einer für den Antragsteller verständlichen Sprache.

106

(2) Diese Auslegung steht zudem mit den Erwägungsgründen der Asylverfahrensrichtlinien im Einklang.

107

Im maßgeblichen Erwägungsgrund 13 der RL 2005/85/EG bzw. Erwägungsgrund 25 der RL 2013/32/EU heißt es lediglich, dass das Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz dem Antragsteller in der Regel zumindest das Recht einräumen sollte, in entscheidenden Verfahrensabschnitten in einer Sprache, die er versteht oder von der vernünftigerweise angenommen werden kann, dass er sie versteht, über seine Rechtsstellung informiert zu werden. Erwägungsgrund 25 der RL 2013/32/EU erwähnt zusätzlich das Recht, im Fall einer ablehnenden Entscheidung über einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht informiert zu werden.

108

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass in Erwägungsgrund 27 der RL 2005/85/EG bzw. in Erwägungsgrund 50 der RL 2013/32/EU darauf hingewiesen wird, dass einem „Grundprinzip des Unionsrechts zufolge“ bzw. „Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts zufolge“ gegen die Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz ein wirksamer Rechtsbehelf vor einem Gericht gegeben sein muss.

109

Durch die oben aufgezeigte Auslegung von § 31 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 AsylG wird dem Zweck der Asylverfahrensrichtlinien entsprochen und der Grundsatz der Effektivität des Unionsrechts beachtet. Art. 10 Abs. 1 lit. e) RL 2005/85/EG bzw. Art. 12 Abs. 1 lit. f) RL 2013/32/EU sollen einen fairen Umgang mit schutzsuchenden Antragstellern gewährleisten, die gerade auch der regelmäßig verletzlichen Situation eines Schutzsuchenden, die oft gekennzeichnet ist durch Flucht und Ankunft in einem fremden Land, Rechnung trägt. Dieses Ziel der Richtlinien erfordert nicht, dass der im Rechtsverkehr für alle Behörden maßgebliche Bescheid bzw. dessen Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache abgefasst sein muss, die der Schutzsuchende, nicht aber die beteiligten weiteren Behörden verstehen. Allerdings können fehlerhafte Übersetzungen nicht dem schutzsuchenden Asylantragsteller angelastet werden, sondern begründen für diesen regelmäßig binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses ein Recht auf Wiedereinsetzung. Das Erfordernis, sich an das Gericht zu wenden und diese Situation darzulegen, ist dem Schutzsuchenden zumutbar und wird in entsprechenden Situationen auch anderen Rechtsschutzsuchenden zugemutet. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Schutzsuchenden in ihrer Situation an einen Rechtsanwalt oder auch an die Öffentliche Rechtsauskunftstelle wenden können, um Rechtsrat einzuholen. Dass in einer solchen Situation Eile geboten ist, versteht sich aus sich heraus. Hierauf wurde in der „Wichtigen Mitteilung“, die dem Kläger am 24. September 2013 auch in arabischer Sprache ausgehändigt wurde, zudem ausdrücklich hingewiesen.

110

(3) Diese Auslegung verstößt auch nicht gegen das unionsrechtliche Äquivalenzprinzip. Der Europäische Gerichtshof hat zum Äquivalenzprinzip ausgeführt (EuGH, Urt. v. 19.9.2006, C-392/04 u.a., Arcor, Slg. 2006 I-8559 Rn. 57):

111

„Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung mangels einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats sind; sie dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzprinzip), und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip) (vgl. insbesondere Urteile vom 16. Mai 2000 in der Rechtssache C-78/98, Preston u. a., Slg. 2000, I-3201, Randnr. 31, und vom 7. Januar 2004 in der Rechtssache C-201/02, Wells, Slg. 2004, I-723, Randnr. 67).“

112

Dieser Grundsatz ist nicht verletzt. Hätte nach deutschem Recht eine (ergänzende) Information zu einem Rechtsbehelf zu erfolgen, wäre allein § 60 VwGO anwendbar, wenn diese (ergänzende) Information missverständlich formuliert wäre.

113

5. Da der angefochtene Bescheid als am 30. Januar 2014 zugestellt gilt, endete die zweiwöchige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am 13. Februar 2014. Die am 27. März 2014 erhobene Klage hält diese Frist nicht ein.

II.

114

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO in Bezug auf die versäumte Klagefrist liegen nicht vor, da der Kläger innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist keine die Wiedereinsetzung tragenden Wiedereinsetzungsgründe geltend gemacht hat.

115

Nach § 60 VwGO ist auf Antrag oder von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag ist bei Versäumung einer Klagefrist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Frist von zwei Wochen ist nicht nur die versäumte Verfahrenshandlung (vorliegend die Erhebung der Klage) nachzuholen, sondern es sind auch die Wiedereinsetzungsgründe geltend zu machen; die Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsgründe - d.h. des Hinderungsgrundes und des Vortrags, wann der Hinderungsgrund weggefallen ist, - kann im Laufe des Wiedereinsetzungsverfahrens erfolgen, ohne dass insoweit eine Fristbindung besteht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.3.1981, 6 CB 91/80, DÖV 1981, 636, juris Rn. 2; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 60 Rn. 29, 32).

116

Der anwaltlich vertretene Kläger hat die Klage am 27. März 2014 erhoben und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Klagefrist geltend gemacht. Als Wiedereinsetzungsgrund hat der Kläger vorgetragen, dass ihm der Bescheid des Bundesamtes erst am 24. März 2014 von der Ausländerbehörde in Kopie ausgehändigt worden sei und weiter vorgetragen, dass eine Wiedereinsetzung zu gewähren sei, weil „Der Bescheid wurde dem Kläger nicht zugestellt“. Dies ist - wie ausgeführt - nicht zutreffend.

117

Das spätere Vorbringen des Klägers zur Wiedereinsetzung, die Leiterin der Unterkunft „...“ habe ihm auf seine Nachfrage mitgeteilt, dass er seine Adresse dem Bundesamt nicht mitteilen müsse, die Heimleitung würde dies tun, seine weiteren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung hierzu sowie zu den Auskünften der Mitarbeiter der Gemeinschaftsunterkunft ... können - ihre Richtigkeit unterstellt - bereits deshalb die Wiedereinsetzung nicht begründen, weil diese Ausführungen nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist geltend gemacht worden sind. Entsprechend den obigen Ausführungen ist der Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses auch zu begründen. Vorliegend dürfte das Hindernis am 24. März 2014 mit Aushändigung des Bescheides durch die Ausländerbehörde, spätestens aber mit Übermittlung der Stellungnahme des Bundesamtes, wonach der Bescheid dem Kläger bereits im Januar 2014 zugestellt worden sei, weggefallen sein. Das hier streitige klägerische Vorbringen erfolgte deutlich nach Ablauf der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist.

118

Der mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung erfolgte Vortrag des Klägers, die Rechtsbehelfsbelehrung in kurdischer Sprache bzw. sein Vortrag in der mündlichen Verhandlung, die Rechtsbehelfsbelehrung in arabischer Sprache sei fehlerhaft, ist ebenfalls nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist erfolgt. Eine Rechtsbehelfsbelehrung in Kurmanci ist zudem dem Kläger nicht übermittelt worden. Die vom Kläger vorgetragene (Rück-)Über-setzung aus der Rechtsbehelfsbelehrung in Kurmanci entspricht zudem der (Rück-)Über-setzung des arabischen Textes und ist nicht fehlerhaft. Ein mögliches Verschulden des Rechtsanwalts an der Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist ist dem Kläger zuzurechnen, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO.

C.

119

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen (vgl. auch: VGH München, Urt. v. 10.1.2018, 13a B 17.31116, NVwZ 2018, 838, juris Rn. 36).

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