Urteil vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (1. Senat) - 1 L 194/07
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 08. August 2007 – 5 A 888/04 – geändert und der Beklagte zu 2. verurteilt, an den Kläger 91.676,04 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 27. März 2007 zu zahlen.
2. Der Beklagte zu 2. trägt die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens. Für das erstinstanzliche Verfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben. Der Kläger trägt die gesamten außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. und seine eigenen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu einem Drittel. Der Beklagte zu 2. trägt zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte Verfahren und seine eigenen außergerichtlichen Kosten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten zu 2. wird nachgelassen, die Vollstreckung aus Ziffer 1. des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000,- EUR abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Soweit Kosten zu vollstrecken sind, wird dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch um die Erstattung von Kosten der Sozialhilfe, die der Kläger in der Zeit vom 01. Dezember 1998 bis zum 31. August 2002 an Frau H.... S.... (Hilfeempfängerin) erbracht hat.
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Die Hilfeempfängerin wurde am 13. März 1937 geboren. Sie leidet seit Jahrzehnten u. a. an einer Residualschizophrenie und Hospitalismus. Deswegen bedurfte sie ständiger Betreuung und Unterstützung. Sie lebte seit mindestens 1971 ununterbrochen in der Landesklinik ..., seit dem 01. August 2000 in einer Außenwohnung der Wohnstätte L.... in ..... Die Kosten der stationären Unterbringung und Betreuung trug der Kläger aus Mitteln der Eingliederungshilfe gemäß §§ 39 ff. Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
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Mit Schreiben vom 15. Dezember 1999, gerichtet an das Land Mecklenburg-Vorpommern, Sozialministerium, meldete der Kläger einen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 2 Abs. 3 SGB X i.V.m. § 102 Abs. 2 und § 113 SGB X an. Neben dem Namen und Geburtsdatum der Hilfeempfängerin teilte er mit, dass diese 1960 in den ... Kliniken GmbH (ehemalige Landesklinik ...) Aufnahme gefunden habe, ferner der gewöhnliche Aufenthalt vor Aufnahme in „W..../Landkreis Neustrelitz“ (W...) zu verzeichnen gewesen sei. Entsprechend wies er darauf hin, dass die Hilfeempfängerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern begründet gehabt habe, und bat um Übernahme der Gewährung der Sozialhilfe in eigene Zuständigkeit sowie die Anerkennung seines Kostenerstattungsanspruches, wobei dessen Bezifferung nach Absprache erfolgen solle. Gleichzeitig bat der Kläger um eine Erklärung bis zum 28.Dezember 1999, ob der Kostenerstattungsantrag dem Grunde nach anerkannt und auf die Einrede der Verjährung verzichtet werde. Er sei anderenfalls gezwungen, Frist wahrend bis zum 31. Dezember 1999 Klage zu erheben.
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Unter dem 22. und 28. Dezember 1999 verwies der Beklagte zu 1. gegenüber dem Kläger hinsichtlich des im Fall der Hilfeempfängerin geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs auf eine in Vorbereitung befindliche Vereinbarung zwischen den überörtlichen Sozialhilfeträgern der neuen Länder und empfahl, auf eine Entscheidung des Landes Brandenburg zu drängen, da der Beklagte zu 1. vorher über eine Kostenübernahme in diesen sogenannten Altfällen nicht befinden könne. Für den Fall, dass keine Vereinbarung zu einem Kostenerstattungsverzicht abgeschlossen werden könne, teilte der Beklagte zu 1. weiter mit, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern gemäß § 111 SGB X maximal für ein Jahr ab Anmeldung des Anspruches rückwirkend die Kosten vorbehaltlich einer Prüfung der endgültigen Zuständigkeit erstatten werde und diese Fälle dann in eigene Zuständigkeit übernommen würden. Diese Verfahrensweise entspreche dem Ergebnis der Arbeitsberatung der überörtlichen Träger der neuen Bundesländer vom 03. Juni 1999 in Halle, dem auch das Land Brandenburg zugestimmt habe. Auf die Einrede der Verjährung werde in den vom Kläger geltend gemachten Kostenerstattungsfällen nicht verzichtet.
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Am 29. Dezember 1999 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Schwerin zunächst gegen den Beklagten zu 1. Klage erhoben (Aktenzeichen: 6 A 619/01). Am 13. Oktober 2003 richtete er die Klage auch gegen den Landkreis Mecklenburg-Strelitz als Beklagten zu 2. und Rechtsvorgänger des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte, soweit sie auf die Übernahme des Hilfefalles und auf Kostenerstattung ab dem 01. Januar 2002 gerichtet war. Mit am 29. Januar 2004 eingegangenem Schriftsatz machte er Ansprüche nur noch gegen den Beklagten zu 2. geltend. Mit Beschluss vom 17. März 2004 hat das Verwaltungsgericht Schwerin das Verfahren an das Verwaltungsgericht Greifswald verwiesen. Nachdem er zwischenzeitlich einen gegen den Beklagten zu 1. gerichteten Hilfsantrag anhängig gemacht hatte, hat der Kläger am 23. März 2007 die Klage gegen den Beklagten zu 1. wieder zurückgenommen. Während des gerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte zu 2. den Hilfefall in die eigene Zuständigkeit übernommen und dem Kläger seine in der Zeit vom 01. September 2002 bis zum 31. Januar 2007 entstandenen Aufwendungen in Höhe von 104.631,29 EUR erstattet. Insoweit haben der Kläger und der Beklagte zu 2., was letzterer in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat, den Rechtsstreit erstinstanzlich übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen,
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dass ihm auch für den Zeitraum vom 01. Dezember 1998 bis zum 31. August 2002 ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten zu 2. zustehe, weil er diesen mit seinem Schreiben vom 15. Dezember 1999 wirksam angemeldet habe. Die Mitteilung, dass und für welchen Hilfeempfänger Sozialhilfe gewährt würde, sei für die Anmeldung des Kostenerstattungsanspruchs ausreichend. Nicht erforderlich gewesen sei die Mitteilung, dass er der Hilfeempfängerin Hilfe in besonderen Lebenslagen gewährt habe, da die anspruchsbegründende Norm darauf nicht abstelle. Es sei auch nicht erforderlich gewesen, den Zeitraum, für den Kostenerstattung begehrt werde, ausdrücklich anzuführen, da durch die Bezugnahme auf § 2 Abs. 3 SGB X klar gewesen sei, dass es nicht um Ansprüche vor dem 27. Juni 1993 gegangen sein könne. Seiner Bitte, auf die Verjährungseinrede zu verzichten, habe ein sachkundiger Behördenvertreter entnehmen können, dass es allenfalls um Ansprüche ab dem 01. Januar 1995 gegangen sein könne. Außerdem hätte der Beklagte zu 1. ihn gemäß § 86 SGB X auf Mängel der Anmeldung hinweisen müssen.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an ihn 91.676,04 EUR zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. März 2007 zu zahlen.
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Der Beklagte zu 2. hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe seinen Erstattungsanspruch mit dem Schreiben vom 15. Dezember 1998 nicht ordnungsgemäß angemeldet, da der seinerzeitige Erstattungspflichtige dem Schreiben mangels Angabe der gewährten Hilfeart nicht habe entnehmen können, ob er als überörtlicher Sozialhilfeträger erstattungspflichtig sei.
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Mit dem angefochtenen Urteil vom 08. August 2007 – 5 A 888/04 – hat das Verwaltungsgericht das Verfahren im Umfang der Klagerücknahme sowie der übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen: Der Kläger habe gegen den Beklagten zu 2. keinen Anspruch auf Erstattung seiner in der Zeit vom 01. Dezember 1998 bis zum 31. August 2002 erbrachten Aufwendungen. Der dem Grunde nach aus § 2 Abs. 3 Satz 3 SGB X folgende Anspruch sei nach § 111 SGB X ausgeschlossen. Mit seinem Schreiben vom 15. Dezember 1999 habe der Kläger den Erstattungsanspruch nicht im Sinne der Vorschrift geltend gemacht. Für die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs genüge es nicht, dass überhaupt ein solcher Erstattungsanspruch angemeldet werde. Die Anmeldung müsse zumindest so konkret sein, dass der angeblich erstattungspflichtige Leistungsträger seine grundsätzliche Verpflichtung zur Kostenerstattung erkennen und sich entsprechend darauf einrichten könne. Aus diesem Grunde habe das Verwaltungsgericht in Kostenerstattungsverfahren nach den §§ 2 Abs. 3 SGB X, 97 Abs. 2 BSHG z.B. immer verlangt, dass der erstattungspflichtige Leistungsträger dem Anmeldeschreiben den früheren gewöhnlichen Aufenthalt des Hilfeempfängers vor der Heimaufnahme entnehmen können müsse, weil daraus seine örtliche Zuständigkeit für die Sozialleistung nach § 97 Abs. 2 BSHG als Voraussetzung seiner Kostenerstattungspflicht folge. Aus dem gleichen Grund müsse der überörtliche Sozialhilfeträger, der um Kostenerstattung angegangen werde, dem Anmeldeschreiben entnehmen können, dass Hilfe in einer Anstalt, in einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung gewährt werde, und zwar wegen § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG Hilfe in besonderen Lebenslagen an den dort genannten Personenkreis. Nur unter den dort genannten Voraussetzungen sei die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers gegeben. Werde die Hilfe in einer Anstalt als Hilfe zum Lebensunterhalt oder an andere als die in § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG genannten Personen erbracht, sei dagegen die sachliche Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers und damit auch dessen Erstattungspflicht gegeben. Daher reiche die Angabe, dass Erstattung der Sozialhilfeaufwendungen für eine Anstaltsunterbringung gewährt werde, noch nicht aus. Erforderlich sei, dass die Art der Leistung (Eingliederungshilfe) oder zumindest die Zugehörigkeit des Hilfeempfängers zu dem in § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG genannten Personenkreis mitgeteilt werde. Dass der Hilfeempfängerin Eingliederungshilfe gewährt worden sei, habe der Kläger frühestens mit Schreiben vom 04. September 2003 erklärt. Das Urteil wurde dem Kläger am 17. August 2007 zugestellt.
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Mit am 24. August 2007 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger den Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und diesen mit am 27. September 2007 beim Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangenem Schriftsatz begründet. Mit Beschluss vom 11. Januar 2011, dem Kläger am 18. Januar 2011 zugestellt, hat der Senat die Berufung des Klägers wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zugelassen.
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Der Kläger trägt in seiner am 15. Februar 2011 beim Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangenen Berufungsbegründung im Wesentlichen vor, er habe gegen den Beklagten zu 2. einen Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 2 Abs. 3 SGB X für den Zeitraum vom 01. Dezember 1998 bis zum 31. August 2002 in Höhe von 91.676,04 EUR. Der Anspruch sei nicht gemäß § 111 SGB X ausgeschlossen. Aufgrund ihrer Erkrankung befinde sich die Hilfeempfängerin seit mehr als 47 Jahren in stationärer Behandlung. Der Kläger habe im streitgegenständlichen Zeitraum die Hilfegewährung für sie übernommen. Seinerzeit sei man davon ausgegangen, dass bei Heimunterbringungen im Bereich der neuen Bundesländer vor dem 01. Januar 1991 keine Kostenerstattung nach § 103 BSHG bzw. § 2 Abs. 3 SBG X möglich gewesen und keine Änderung der örtlichen Zuständigkeit durch die seit dem 27. Juni 1993 geänderte Fassung des § 97 Abs. 2 BSHG eingetreten sei, weil vor dem Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes im Beitrittsgebiet dort ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht habe begründet werden können. Hierzu seien auch entsprechende Beschlüsse in der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe gefasst worden. Letztere habe ihre Rechtsauffassung nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 1998 – 5 C 30.97 – korrigiert. Im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft sowie zwischen den Fachministerien der neuen Bundesländer seien die Folgen der Entscheidung und ihr praktischer Vollzug diskutiert worden. Zunächst sei eine einvernehmliche Lösung zwischen den Bundesländern avisiert worden. Parallel dazu seien die örtlichen Träger der Sozialhilfe in Brandenburg angewiesen worden, den gewöhnlichen Aufenthalt der Hilfeempfänger vor der Heimaufnahme zu prüfen, Kostenerstattungsansprüche anzumelden und gegebenenfalls vor dem 31. Dezember 1999 Klage zu erheben. Der Kläger sowie die anderen örtlichen Träger der Sozialhilfe in Brandenburg hätten daher Hunderte von Fällen in Mecklenburg-Vorpommern zur Anmeldung gebracht und jeweils Klage erhoben. Beide Beklagten seien seit Jahresende 1999 von einer Vielzahl von Geltendmachungsschreiben und Klagen betroffen gewesen. Im vorliegenden Fall sei mit Schreiben vom 15. Dezember 1999 der Kostenerstattungsanspruch beim Beklagten zu 1. angemeldet worden. Der von diesem in seinem Schreiben vom 14. September 2000 selbst verwandte Begriff der Altfälle sei in der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger geprägt und in gleichem Sinne von ihren Mitgliedern verwandt worden. Er entspreche der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 3 Sozialhilfefinanzierungsgesetz M-V vom 28. Dezember 2001. Demzufolge sei dem Beklagten zu 1. klar gewesen, dass es nur um eine Hilfeleistung habe gehen können, die nach Maßgabe von § 100 BSHG in seine Zuständigkeit gefallen sei. Das Schreiben vom 15. Dezember 1999 und die Erhebung der Klage vom 29. Dezember 1999 hätten die Ausschlussfrist gewahrt, auch wenn die Angabe „Eingliederungshilfe“ gefehlt habe. Diese sei entbehrlich gewesen, da ein verständiger Adressat anhand der mitgeteilten Tatsachen, der Rechtsgrundlage des § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X und der allgemein bekannten Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 1998 – 5 C 30.97 – habe erkennen können, welcher Art die geltend gemachten Ansprüche seien. Der ursprünglich Beklagte zu 1. habe gewusst, welcher Art die geltend gemachten Ansprüche seien. Dies ergebe sich aus der Tatsache, dass das Sozialministerium die Verhandlungen auf Länderebene bezüglich dieser Erstattungsfälle geführt habe und in der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger vertreten gewesen sei. Der Beklagte zu 1. habe durch Schreiben vom 13. Oktober 2000 sowie vom 14. September 2000 bestätigt, dass er erkannt habe, welcher Art der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch sei, und dass die Hilfeempfängerin unter den in § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG bezeichneten Personenkreis falle. Die Gewährung einer Hilfe zum Lebensunterhalt sei bei einer 39 Jahre währenden Unterbringung in einer Einrichtung ausgeschlossen. Schließlich habe der Beklagte zu 1. gegenüber dem Kläger keinerlei Klärungsbedarf geltend gemacht. Ein solches Verhalten lasse nur den Schluss zu, dass er aufgrund der vorangegangenen Gespräche auf Länderebene in der Bundesarbeitsgemeinschaft gewusst habe, um welche Fälle es gehe. Aus § 86 SGB X ergebe sich zudem die Pflicht, den Erstattungsberechtigten über eine eventuell mangelhafte Geltendmachung zu unterrichten. Im Übrigen sei anerkannt, dass Erstattungsansprüche auch konkludent geltend gemacht werden könnten. Jedenfalls sei unter Heranziehung der Angaben im Schreiben und unter Beachtung der Zusammenhänge zu erkennen gewesen, dass der Kläger an die Hilfeempfängerin Hilfe in besonderen Lebenslagen erbracht habe. Der Kostenerstattungsanspruch bestehe zwischen den Parteien unstreitig in einer Höhe von 91.676,04 EUR.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 08. August 2007 den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an den Kläger 91.676,04 Euro zzgl. 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. März 2007 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er macht geltend, die erforderlichen Angaben, insbesondere zu Art und Zeitraum der kostenerstattungspflichtigen Hilfegewährung sowie zum Tag der Aufnahme in die stationäre Einrichtung seien im außergerichtlichen Schreiben vom 15. Dezember 1999 nicht enthalten gewesen. Im Hinblick auf die erforderliche Prüfung, insbesondere zur Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe, habe auf die vorstehenden Angaben nach § 111 SGB X nicht verzichtet werden können. Mit der Geltendmachung sei ein unbedingtes Einfordern der Leistung gemeint. Die nach Auffassung des Klägers anzustellende Auslegung eines Kostenerstattungsbegehrens könnte der gesetzlichen Zweckbestimmung entgegenstehen, eine einfache Zuordnung der Zuständigkeit zu ermöglichen. Die Aufnahme der Hilfeempfängerin in die ... Kliniken GmbH im Jahr 1960 lasse nicht auf eine konkrete Hilfegewährung zur damaligen Zeit schließen. Darüber hinaus werde die in der Folgezeit seitens der Klinik vermittelte Hilfe, für einen verständigen Empfänger des Schreibens vom 15. Dezember 1999 ebenso wenig erkennbar wie der für den Erstattungsanspruch maßgebende Zeitraum der Hilfegewährung. Gemäß § 99 BSHG in der Fassung von 1993 sei für Leistungen der Sozialhilfe grundsätzlich der örtliche Träger der Sozialhilfe zuständig gewesen, soweit nicht eine Kosten verursachende Hilfeleistung gemäß § 100 BSHG ausdrücklich dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe zugewiesen gewesen sei. Die Angabe zur Aufnahme des Leistungsempfängers in eine Einrichtung mache weitere Angaben zur Hilfeart nicht entbehrlich, um eine rasche Prüfung insbesondere der Zuständigkeit zu ermöglichen. Es sei dem Verwaltungsgericht Greifswald zuzustimmen, dass der überörtliche Sozialhilfeträger dem Anmeldeschreiben entnehmen können müsse, dass Hilfe in einer Anstalt gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG und Hilfe in besonderen Lebenslagen an den dort genannten Personenkreis gewährt werde. Die Jahresangabe „1960“ habe mit Blick auf § 98 Abs. 2 SGB XII nicht ohne Weiteres für die Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthaltes vor Aufnahme in eine stationäre Einrichtung zur Feststellung des zuständigen örtlichen Trägers der Sozialhilfe führen können, wenn der Tag der Heimaufnahme nicht bekannt gewesen sei. Die länderübergreifenden Gespräche hätten keine Angaben in Bezug auf die Leistungsempfängerin zur Hilfeart, zum Zeitraum der kostenpflichtigen Hilfegewährung und zum Tag ihrer Heimaufnahme enthalten. Darüber hinaus sei die Klageschrift ausdrücklich unter dem Vorbehalt des Ergebnisses der Verhandlungen der neuen Bundesländer nur Frist wahrend erhoben worden. Die nur 14 Tage zuvor vom überörtlichen Träger der Sozialhilfe begehrte Kostenerstattung sei ebenfalls ausdrücklich unter den Vorbehalt des Ausgangs der Verhandlungen der neuen Bundesländer gestellt. Diese Erklärung stehe einem „unbedingten Willen“ zur Geltendmachung entgegen, ebenso der erforderlichen Unbedingtheit der Klageerhebung.
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Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der Senat hat das Passivrubrum von Amts wegen umgestellt, da der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte mit Wirkung ab dem 04. September 2011 gemäß § 10 Abs. 1 i. V. m. § 7 LNOG M-V Gesamtrechtsnachfolger des Landkreises Mecklenburg-Strelitz als Beklagter zu 2. geworden ist.
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Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Seine allgemeine Leistungsklage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 2. einen Kostenerstattungsanspruch über 91.676,04 EUR zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. März 2007 für den Leistungszeitraum vom 01. Dezember 1998 bis zum 31. August 2002.
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Soweit der Beklagte zu 2. geltend macht, die Klage sei schon unzulässig, weil sie unter einer unzulässigen Bedingung und damit nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 82 VwGO erhoben worden sei, folgt der Senat dem nicht. Die Rüge des Beklagten zu 2. knüpft an den Umstand an, dass in der Klageschrift vom 29. Dezember 1999 vom Kläger ausgeführt worden ist, zwischen den zuständigen Fachministerien der neuen Bundesländer würden derzeit Gespräche zur Frage eines möglichen Verzichts auf Erstattungsansprüche in Hilfefällen der vorliegenden Art geführt, das Ergebnis solle zunächst abgewartet werden. Dieses Vorbringen knüpft ohne Weiteres erkennbar an den Hinweis des Klägers dazu an, dass die Klageerhebung zunächst Frist wahrend erfolge, und erläutert damit, warum eine nähere Begründung der Klage noch fehle. Um diesen Zweck zu erfüllen, musste die Klageerhebung aber unbedingt sein. Der Kläger hat folglich allenfalls die Fortsetzung des Verfahrens und die zukünftige Begründung der Klage unter die Bedingung des Scheiterns der erwähnten Gespräche gestellt. Dieser Sachverhalt stellt jedoch die Unbedingtheit der Klageerhebung nicht in Frage.
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Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung des Klägers in Gestalt des Kostenerstattungsanspruchs für an die Hilfeempfängerin erbrachte Sozialhilfeleistungen dem Grunde und der Höhe nach begründet (1.). Gleiches gilt für die Nebenforderungen (2.).
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1. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Kostenerstattung für den Leistungszeitraum vom 01. Dezember 1998 bis zum 31. August 2002 ist § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X. Hat die örtliche Zuständigkeit gewechselt, muss die bisher zuständige Behörde gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X die Leistungen noch solange erbringen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Diese hat nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X der bisher zuständigen Behörde die nach dem Zuständigkeitswechsel noch erbrachten Leistungen auf Anforderung zu erstatten. § 102 Abs. 2 SGB X gilt entsprechend (Satz 3).
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Die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X als lex specialis gegenüber § 105 SGB X (vgl. OVG Weimar, Urt. v. 26.05.2004 – 3 KO 76/04 –, ThürVBl. 2004, 284 – zitiert nach juris; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Urt. v. 30.05.2007 – 1 L 539/04 –) liegen vor. Die örtliche Zuständigkeit für die durch den Kläger auch im maßgeblichen Zeitraum an die Hilfeempfängerin erbrachten Leistungen der Sozialhilfe hat durch Art. 7 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944) gewechselt. Nach dem bis dahin geltenden § 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG a. F. war für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende tatsächlich aufhielt. Es galt das reine Aufenthaltsprinzip. Ab dem Inkrafttreten zum 27. Juni 1993 (vgl. Art. 43 Abs. 1 FKPG) wurde in § 97 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BSHG bestimmt, dass für die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat (Satz 1). War bei Einsetzen der Sozialhilfe der Hilfeempfänger aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Hilfebeginn ein solcher Fall ein, dann ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend (Satz 2). Die örtliche Zuständigkeit hat am 27. Juni 1993 vom sachlich zuständigen Sozialhilfeträger am tatsächlichen Aufenthaltsort der Hilfeempfängerin in der Landesklinik .../Brandenburg – dem Kläger – nach Maßgabe dieser Bestimmung zum sachlich zuständigen Sozialhilfeträger für den Ort W.../Landkreis Mecklenburg-Strelitz (vormalig: Neustrelitz) in Mecklenburg-Vorpommern – dem Beklagten zu 2. – gewechselt. Es bestehen keine Zweifel, dass die Hilfeempfängerin im Zeitpunkt der Aufnahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Ort gehabt hatte.
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Zu erstatten sind die rechtmäßig erbrachten Leistungen, was § 2 Abs. 3 Satz 3 SGB X verdeutlicht, der auf § 102 Abs. 2 SGB X verweist (vgl. Engelmann, in: von Wulffen, SGB X, 4. Aufl., § 2 Rn. 14). Dass die Hilfeempfängerin stationärer Hilfe bzw. Leistungen der Eingliederungshilfe bedurfte, kann nach Aktenlage nicht zweifelhaft sein und steht außer Streit. Die Hilfeempfängerin befindet sich seit 1960 bzw. mindestens seit 1971 ununterbrochen in einer Einrichtung bzw. stationärer Unterbringung. Gegen die Rechtmäßigkeit der fortgesetzten Hilfegewährung dem Grunde nach hat der Senat angesichts des Krankheitsbildes der Hilfeempfängerin keine Bedenken: Sie leidet u. a. an einer Residualschizophrenie und Hospitalismus. Deswegen bedarf sie ständiger Betreuung und Unterstützung. Sie lebte seit mindestens 1971 ununterbrochen in der Landesklinik ..., seit dem 01. August 2000 in einer Außenwohnung der Wohnstätte L... in .... Die Kosten der stationären Unterbringung und Betreuung trug der Kläger aus Mitteln der Eingliederungshilfe gemäß §§ 39 ff. BSHG. Dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe an die Hilfeempfängerin durch Übernahme der Kosten für die stationäre Unterbringung vorgelegen haben, ist nicht zweifelhaft.
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Der Kläger ist im Übrigen – nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. etwa Urt. v. 22.11.2005 – 1 L 496/04 –) – aktivlegitimiert, ebenso wie der Beklagte zu 2. auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. ausführlich Urt. v. 22.11.2005 – 1 L 496/04 u. a. –, juris) nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften passivlegitimiert bzw. richtiger Beklagter in Ansehung von Kostenerstattungsansprüchen auch für Leistungszeiträume vor dem 01. Januar 2002 ist. Er ist als sachlich und örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe gemäß § 97 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §§ 1, 3 des insoweit am 01. Januar 2005 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – SGB XII-AG M-V – vom 20. Dezember 2004 (GVOBl. M-V, S. 546, zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes v. 17.12.2009, GVOBl. M-V, S. 726) ohne eine zeitliche Begrenzung auf Leistungszeiträume ab dem 01. Januar 2002 erstattungspflichtig. Diese Regelung entspricht mit Blick auf die Geltendmachung und Gewährung von Kostenerstattung den Vorläuferregelungen der §§ 1, 3 des am 01. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes – AG-BSHG – vom 17. Dezember 2001 (GVOBl. M-V, S. 612, berichtigt 2002, S. 470). Gemäß § 3 Satz 1 SGB XII-AG M-V sind entsprechend der Regelung des § 3 Satz 1 AG-BSHG die örtlichen Träger der Sozialhilfe – dies sind gem. § 1 Satz 1 SGB XII-AG M-V die Landkreise und die kreisfreien Städte – für die in § 8 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch genannten Leistungen einschließlich insbesondere der Geltendmachung und Gewährung von Kostenerstattungen nach § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X sachlich zuständig und ermöglichen die personenzentrierte und lebensfeldorientierte Leistungserbringung.
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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Erstattungsanspruch auch nicht nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Der Anspruch auf Erstattung ist nach dieser Vorschrift ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat (§ 111 Satz 2 SGB X).
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"Geltend machen" im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X ist nach Maßgabe der Senatsrechtsprechung auf der Grundlage insbesondere des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. April 2003 – 5 C 18/02 – (FEVS 54, 495) sowohl die gerichtliche als auch die außerhalb eines förmlichen Verfahrens abgegebene Erklärung mit dem erkennbaren Willen der Rechtssicherung und dem ausreichend deutlich formulierten Erstattungsbegehren. Die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind – hier die Hilfebedürftigkeit –, und der Zeitraum, für den die Sozialleistung erbracht wurde, sind dabei hinreichend konkret mitzuteilen. Die rechtssichernde Funktion des Geltendmachens von Kostenerstattungsansprüchen erfordert, dass der unbedingte Wille des Sozialleistungsträgers erkennbar wird, einen solchen etwa bestehenden Anspruch auch durchsetzen zu wollen. § 111 Satz 1 SGB X erfasst auch die Fälle des § 2 Abs. 3 Satz 2 SGB X. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, die "Ansprüche auf Erstattung" ohne Einschränkung auf bestimmte Erstattungsansprüche ausschließt, und aus Sinn und Zweck der Vorschrift, zu einer schnellen Klarstellung der Verhältnisse zu kommen. Für die Wahrung der Ausschlussfrist erforderlich, aber auch hinreichend ist die erkennbar auf Rechtssicherung gerichtete Mitteilung, für welchen Hilfeempfänger welche Sozialleistung gewährt wird bzw. wurde und für welche Leistung Erstattung begehrt wird. Dazu müssen die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind, und der Zeitraum, für den die Sozialleistung erbracht worden ist, hinreichend konkret mitgeteilt werden. Der Anspruch muss zudem gegen den Erstattungspflichtigen selbst geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.04.2003 – 5 C 18/02 –, FEVS 54, 495; vgl. zum Ganzen Urt. des Senats vom 22.11.2005 – 1 L 496/04 –; Urt. v. 28.07.2007 – 1 L 300/05 –, NordÖR 2008, 31, 34; Urt. v. 28.07.2007 – 1 L 59/05 –, juris; Urt. v. 15.09.2004 – 1 L 106/02 – und – 1 L 107/02 –, LKV 2005, 510, 514). Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 19. August 2010 – 5 C 14.09 – (juris) hierzu weiter ausgeführt, an das Geltendmachen im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X dürften keine überzogenen formalen oder inhaltlichen Anforderungen gestellt werden, zumal es sich bei den am Erstattungsverfahren Beteiligten um Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Behörden handele, deren Vertreter Kenntnis von den jeweils in Betracht kommenden Leistungen besäßen. Bei dem Geltendmachen handele es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit Zugang beim Empfänger wirksam werde. Ein konkludentes Geltendmachen sei zulässig und ausreichend. Die inhaltlichen Anforderungen bestimmten sich nach dem Zweck des § 111 SGB X, möglichst rasch klare Verhältnisse darüber zu schaffen, ob eine Erstattungspflicht besteht. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.
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Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ergibt sich jedenfalls in der Summe der nachfolgenden Erwägungen, dass das Schreiben des Klägers vom 15. Dezember 1999 den Anforderungen an eine Geltendmachung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X genügt hat. Der Kläger hat mit diesem seinen Erstattungsanspruch beim Land Mecklenburg-Vorpommern, Sozialministerium, als zuständigem Träger der Sozialhilfe angemeldet. Wie die Antwortschreiben des Beklagten zu 1. vom 22. und 28. Dezember 1999 belegen, ist es dort noch im selben Monat eingegangen. Das Schreiben ist ohne Weiteres erkennbar auf Rechtssicherung gerichtet und das Erstattungsbegehren hinreichend deutlich formuliert. Es wird die Übernahme des Hilfefalles, die Anerkennung des Kostenerstattungsanspruchs und eine Erklärung erbeten, ob auf die Einrede der Verjährung verzichtet wird. Schließlich wird – soweit den entsprechenden „Bitten“ bzw. Forderungen nicht nachgekommen wird – die Klageerhebung angekündigt. Das Anmeldungsschreiben ist als ein unbedingtes Einfordern der Leistung zu werten. Soweit der Beklagte zu 2. auch in diesem Zusammenhang den Inhalt der Klageschrift vom 29. Dezember 1999 ins Spiel bringt und die Unbedingtheit der Forderung in Frage stellt, dringt er damit analog den vorstehenden Erwägungen zur Frage der ordnungsgemäßen Klageerhebung nicht durch.
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Der Kläger hat ferner die Rechtsgrundlage seines Kostenerstattungsanspruchs benannt: § 2 Abs. 3 SGB X i. V. m. § 102 Abs. 2 und § 113 SGB X. In Ansehung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB X („hat die örtliche Zuständigkeit gewechselt“) war damit klargestellt, dass Grundlage des Kostenerstattungsanspruchs in erster Linie ein Zuständigkeitswechsel in örtlicher Hinsicht sein sollte. Zu den Voraussetzungen des betreffenden Kostenerstattungsanspruchs hat der Kläger im Tatsächlichen mitgeteilt, dass die Hilfeempfängerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor Aufnahme in die ehemalige Landesklinik ... in „W.../LK Neustrelitz“ und damit im Zuständigkeitsbereich des Landes Mecklenburg-Vorpommern als überörtlichem Träger der Sozialhilfe (bzw. des Beklagten zu 2.: W... ist Ortsteil der Gemeinde B..., die zum Amt Neustrelitz-Land gehört; das Amt liegt wiederum im Kreisgebiet des Beklagten zu 2.) gehabt hatte. Aus diesen Angaben ergab sich bei verständiger Würdigung zudem ohne Weiteres, dass der örtliche Zuständigkeitswechsel entsprechend den vorstehenden Erwägungen Folge des Inkrafttretens des FKPG zum 27. Juni 1993 war und aus der Anwendung des damals neuen § 97 Abs. 2 BSHG folgte. Eine genaue Bezeichnung des Aufnahmedatums im Anmeldeschreiben ist nicht erforderlich gewesen.
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Dem Schreiben lässt sich weiter der Name der Hilfeempfängerin und ferner entnehmen, dass der Kläger ihr gegenüber Sozialhilfeleistungen erbringt bzw. erbracht hat.
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Auch die Angaben zur Art der Hilfeleistung, für die Erstattung begehrt wird, und zum Zeitraum, für den die Sozialhilfeleistungen erbracht worden sind, sind unter näherer Betrachtung bzw. Auslegung des Inhalts des Anmeldungsschreibens und unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts des Beklagten zu 1. hinreichend konkret. Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht nicht darin, dass die Art der geleisteten Leistung (Eingliederungshilfe) oder zumindest die Zugehörigkeit des Hilfeempfängers zu dem in § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG genannten Personenkreis und damit die Umstände, die die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe begründet haben, in dem Schreiben vom 15. Dezember 1999 nicht hinreichend mitgeteilt worden seien.
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Wenn das Verwaltungsgericht insoweit als Argument für die Unbestimmtheit der Anmeldung anführt, dass die Hilfe in einer Anstalt auch als Hilfe zum Lebensunterhalt erbracht werden könne und damit die Möglichkeit der sachlichen Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers gegeben sei, überzeugt dies nicht. Allerdings wird man das an das Einwohnermeldeamt des Amtes Neustrelitz-Land gerichtete Amtshilfeersuchen des Klägers vom 21. Juli 2000, in dem dieser u. a. mitteilt, dass der Hilfeempfängerin Eingliederungshilfe gemäß §§ 39, 40 BSHG gewährt werde, und das vom Ordnungsamt des Beklagten zu 2. unter dem 09. August 2000 beantwortet worden ist, außer Betracht lassen müssen, weil das Schreiben augenscheinlich nicht an die beim Beklagten zu 2. für den Erstattungsanspruch zuständige Stelle gelangt ist.
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Dem Anmeldeschreiben des Klägers lässt sich aber immerhin bereits entnehmen, dass die Hilfeempfängerin sich seit nahezu 40 Jahren in einer Einrichtung aufgehalten hat, bei der es sich um eine vollstationäre Unterbringung – 24 Stunden, Tag und Nacht – mit einem Mindestmaß an persönlicher Hilfe und Betreuung handelt. Dies folgt aus § 97 Abs. 2, 4 BSHG, dessen Anwendung Grundlage des Erstattungsanspruchs ist, und dem dort normierten Einrichtungsbegriff (vgl. Bräutigam, in: Fichtner, BSHG, 2. Aufl., § 97 Rn. 42; Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Aufl., § 97 Rn. 95). Ferner soll es sich bei dieser Einrichtung um eine Klinik („Landesklinik ...“, jetzt „... Kliniken GmbH) handeln, was begrifflich eine Einrichtung nahelegt, in der jedenfalls auch eine medizinische Betreuung erfolgt. Diese Informationen legen die Annahme nahe, dass es sich bei den von dem Kläger gewährten Leistungen um Hilfe in besonderen Lebenslagen, wie sie § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG zur Begründung der Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers voraussetzt, gehandelt hat. Ebenso liegt es nahe, dass die Hilfeempfängerin zu dem in dieser Vorschrift genannten Personenkreis zu rechnen ist.
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Nur diese Annahme harmoniert zudem mit dem Umstand, dass der Kostenerstattungsanspruch gerade beim Land Mecklenburg-Vorpommern als überörtlichem Sozialhilfeträger angemeldet worden ist. Meldet ein Sozialhilfeträger bei einem bestimmten anderen Sozialhilfeträger einen Erstattungsanspruch an, hat dies einen Erklärungswert dahingehend, dass der in Anspruch genommene Träger nach Auffassung des anderen Trägers zuständig ist: Es kann nämlich grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der anmeldende Sozialhilfeträger mit den einschlägigen – landesrechtlichen – Bestimmungen auch zur Zuständigkeit vertraut ist und seinen Erstattungsanspruch beim „richtigen“ bzw. erstattungspflichtigen Sozialhilfeträger anmelden will und wird. Dies gilt umso mehr, als die Geltendmachung grundsätzlich die Inanspruchnahme des „richtigen“ bzw. zuständigen Erstattungspflichtigen erfordert. Das Land Mecklenburg-Vorpommern war insoweit nach Maßgabe von § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG bis zum Inkrafttreten der §§ 1, 3 des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes – AG-BSHG – vom 17. Dezember 2001 (GVOBl. M-V, S. 612, berichtigt 2002, S. 470) am 01. Januar 2002 sachlich zuständig (vgl. im einzelnen Senatsurteil v. 22.11.2005 – 1 L 496/04 –, juris; vgl. auch Urt. v. 28.08.2007 – 1 L 59/05 –, juris). Jedenfalls unter Berücksichtigung der vorstehend näher erörterten Informationen aus dem Anmeldeschreiben vom 15. Dezember 1999 lässt demnach der Umstand der Anmeldung beim überörtlichen Träger der Sozialhilfe nur den Rückschluss zu, dass es sich bei der Art der vom Kläger erbrachten Hilfeleistungen um Hilfe in besonderen Lebenslagen gehandelt hat. Ein solcher Rückschluss war auch nicht unzulässig, weil Vorschriften der Landesverordnung über die Durchführung von Aufgaben der Sozialhilfe (– AufgabenDVO BSHG –) vom 04. August 1992 (GVOBl. MV, S. 528) einem derartigen Verständnis entgegen gestanden hätten. § 1 Satz 1 AufgabenDVO BSHG bestimmte, dass die örtlichen Träger alle Aufgaben des überörtlichen Trägers nach § 100 BSHG einschließlich der damit zusammenhängenden Gewährung von Leistungen nach § 100 Abs. 2 BSHG durchführen. Nach § 1 Satz 4 AufgabenDVO BSHG oblag die Anerkennung der sachlichen Zuständigkeit und die Entscheidung dem Grunde nach über den Inhalt der Hilfe dem überörtlichen Träger, soweit Kostenerstattungsansprüche nach §§ 103 bis 112 BSHG bei den örtlichen Trägern angemeldet werden. Die Formulierung „soweit“ macht dabei deutlich, dass eine Anmeldung beim – zuständigen – überörtlichen Träger zulässig war, und regelte nur, wie für den Fall der Anmeldung von gegen den überörtlichen Träger gerichteten Erstattungsansprüchen beim örtlichen Träger zu verfahren wäre (vgl. hierzu Senatsurteil v. 28.08.2007 – 1 L 300/05 –, a. a. O.; Urt. v. 28.08.2007 – 1 L 59/05 –, a. a. O.). Es konnte demnach nur im Falle einer Anmeldung beim örtlichen Träger die Frage auftauchen, ob Adressat letztlich der überörtliche oder der örtliche Träger sein sollte, und insoweit ein Erklärungswert im vorstehenden Sinne fraglich sein.
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Schließlich führt die Berücksichtigung des Empfängerhorizonts des Beklagten zu 1. zu der Schlussfolgerung, dass die Art der vom Kläger erbrachten Hilfeleistung bzw. seine eigene Zuständigkeit nach § 100 Abs. 1 BSHG für ihn nicht in Zweifel stand bzw. nicht in Zweifel stehen konnte. Zwischen den zuständigen Fachministerien der neuen Bundesländer wurden im Vorfeld des Schreibens vom 15. Dezember 1999 über einen längeren Zeitraum Gespräche insbesondere zur Frage eines möglichen Verzichtes auf Erstattungsansprüche in Hilfefällen der vorliegenden Art geführt. Zum Inhalt dieser Gespräche ergibt sich aus den in das Berufungsverfahren eingeführten Dokumenten, die zum Teil vom Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern herrührten, insbesondere Folgendes: Ausweislich eines von einem Vertreter des Landes Sachsen-Anhalt gefertigten Vermerks über eine am 03. Juni 1999 durchgeführte Besprechung betreffend „Kostenerstattung nach § 103 BSHG a. F. für Hilfeempfänger (HE) aus den ostdeutschen Bundesländern und dem Ostteil Berlins“, an der auch eine Vertreterin des Sozialministeriums des Landes Mecklenburg-Vorpommern teilgenommen hat, wurden in dem Gespräch insbesondere die Beibehaltung der „bisherigen Absprache“ und insoweit exemplarisch verschiedene Fallkonstellationen der Hilfeleistung sowie Auswirkungen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 1998 – 5 C 30.97 – diskutiert. Dabei stand durchgängig die Zuständigkeit der überörtlichen Sozialhilfeträger im Mittelpunkt. Z. B. wird darauf hingewiesen, dass mit Blick auf § 2 Abs. 3 SGB X „der bisher örtlich zuständige üöTrSH bis zur Übernahme durch den nunmehr örtlich zuständigen üöTrSH die Leistung erbringen“ kann und muss. „Leistungsansprüche des HE sind an den bisher zuständigen üöTrSH zu richten“. Die diskutierten Fallkonstellationen hatten durchgängig Hilfeempfänger mit einer geistigen, seelischen oder sonstigen Behinderung zum Gegenstand, die stationäre Maßnahmen bzw. Betreuung erhalten, also den in § 100 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BSHG angesprochenen Personenkreis. In einem Schreiben aus Januar 1994 wies der Sozialminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Dr. Gollert gegenüber seinen Amtskollegen/-kolleginnen der anderen Bundesländer u. a. darauf hin, dass „zunehmend … bei mir als überörtlicher Träger der Sozialhilfe im Land Mecklenburg-Vorpommern jetzt Erstattungsforderungen von überörtlichen Trägern der Sozialhilfe in westlichen Bundesländern angemeldet (werden), die diese Gesetzgebung (FKPG) zum Anlaß nehmen, eine alte Absprache aus früherer Zeit wieder in Frage zu stellen.“ Weiter heißt es: „Wenn jetzt die Gesetzesänderung durch das FKPG zum Anlaß genommen wird, auch diese sogenannten ‚Altfälle’ wieder neu aufzurollen, so widerspricht dies nach meiner Auffassung der Zielsetzung des Gesetzes, …“. Auch in weiteren Dokumenten geht es um die sog. „Altfälle“ und Kostenerstattungsansprüche gegen überörtliche Sozialhilfeträger. Zu erwähnen ist zudem ein vom hiesigen Sozialministerium gefertigter Entwurf einer „Vereinbarung über den Verzicht auf eine Kostenerstattung in Altfällen“ vom 16. November 1999, die dann jedoch nicht zustande kam. Unter Ziffer 2. dieses Entwurfs heißt es: „Altfälle sind die Fälle, in denen für Hilfesuchende aus dem Bereich eines unterzeichnenden überörtlichen Trägers der Sozialhilfe Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung oder im Zusammenhang hiermit durch einen anderen Vereinbarungspartner vor dem 01.01.1991 bzw. darüber hinaus gewährt wurde oder noch gewährt wird.“ § 3 Abs. 2 Sozialhilfefinanzierungsgesetz vom 17. Dezember 2001 (GVOBl. M-V, S. 612, 616) knüpft hieran an: Altfälle sind danach Fälle, in denen Personen von Trägern der Sozialhilfe vor dem 1. Januar 1991 Hilfen in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung und über den 31. Dezember 1990 hinaus gewährt wurden, der Anstaltsaufenthalt seitdem ununterbrochen fortbestanden hat und für die nach § 2 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes vom 31. Januar 1992 (GVOBl. M-V S. 60) in Verbindung mit § 100 des Bundessozialhilfegesetzes bis zum 31. Dezember 2001 das Land als überörtlicher Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig war.
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Dass der Beklagte zu 1. insbesondere auch den vorliegend konkret betroffenen Hilfefall und das ihn betreffende Anmeldeschreiben vom 15. Dezember 1999 ohne weiteres in diesen Kontext gestellt hat, ergibt sich deutlich aus seinen Antwortschreiben vom 22. und 28. Dezember 1999. Darin wird auf die in Vorbereitung befindliche Vereinbarung zwischen den überörtlichen Sozialhilfeträgern der neuen Länder verwiesen. Es geht daraus klar hervor, dass der Beklagte zu 1. erkannt hat, dass es um „eine Kostenübernahme in diesen sogenannten Altfällen“ geht und „diese Fälle“ nach entsprechender Prüfung „dann in eigene Zuständigkeit übernommen würden“. Letzteres war aber nur möglich, wenn die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach Maßgabe von § 100 Abs. 1 BSHG gegeben war. Schließlich wird ausdrücklich auf das Ergebnis der Arbeitsberatung der überörtlichen Träger der neuen Bundesländer vom 03. Juni 1999 in Halle verwiesen.
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All dies charakterisiert den Empfängerhorizont des Landes Mecklenburg-Vorpommern als ursprünglich zuständigem überörtlichen Träger der Sozialhilfe und Adressaten der Kostenanmeldung bzw. des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers dahingehend, dass er hinreichend deutlich erkennen konnte und musste, dass es der Art der Hilfeleistung nach um Fälle ging, für die seine Kostenerstattungspflicht in Betracht kam.
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Die vorstehenden Erwägungen stehen schließlich in Einklang damit, dass an das Geltendmachen im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X keine überzogenen formalen oder inhaltlichen Anforderungen gestellt werden dürfen, zumal es sich bei den am Erstattungsverfahren Beteiligten um Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Behörden handelt, deren Vertreter Kenntnis von den jeweils in Betracht kommenden Leistungen besitzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.08.2010 – 5 C 14.09 –, juris; vgl. im Übrigen auch § 86 SGB X und die dort geregelte Verpflichtung zur engen Zusammenarbeit); sie gelten entsprechend für erforderliche Angaben zu dem in § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG vorausgesetzten Personenkreis.
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Auch der Zeitraum, für den die Leistung vom Kläger erbracht wurde, ist im Schreiben vom 15. Dezember 1999 letztlich noch hinreichend konkret mitgeteilt worden. Der Leistungszeitraum, für den der Kläger Kostenerstattung verlangt, ist in dem Schreiben zwar nicht ausdrücklich bezeichnet. Allerdings geht aus ihm mit Blick insbesondere auf das Übernahmeersuchen hinreichend deutlich hervor, dass der Kläger auch im Zeitpunkt der Anmeldung aktuell Hilfeleistungen erbracht hat, folglich auch diese Hilfeleistungen sowie solche, die nach Anmeldung und vor Übernahme erbracht worden sind, erstattet erhalten möchte. Mit Blick darauf, dass der Kläger zudem einen Kostenerstattungsanspruch nach § 2 Abs. 3 SGB X angemeldet hat, für den § 111 SGB X gilt, hat er zumindest schlüssig ebenfalls bis zu dem Zeitpunkt in der Vergangenheit, ab dem die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X greift, eine Erstattung geltend gemacht. Genau in diesem Sinne hat der Beklagte zu 1. das Anmeldeschreiben ausweislich seiner Antwortschreiben verstanden, wenn er darin mitteilt, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern gemäß § 111 SGB X maximal für ein Jahr ab Anmeldung des Anspruches rückwirkend die Kosten vorbehaltlich einer Prüfung der endgültigen Zuständigkeit erstatten werde. Da die laufenden Sozialhilfeleistungen an die Hilfeempfängerin monatlich erbracht worden sein werden, folgt aus der Geltendmachung im Dezember 1999 nach § 26 SGB X i.V.m. den §§ 187 bis 193 BGB jedenfalls ein Leistungszeitraum beginnend am 01. Dezember 1998, da der 31. Dezember 1998 der letzte Tag des Leistungszeitraumes war, für den im Dezember 1998 eine Zahlung erfolgt ist (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 10.02.2005 – 6 B 21/03 –, juris; Urt. des Senats v. 22.11.2005 – 1 L 496/04 – und Urt. v. 28.08.2007 – 1 L 59/05 –, juris).
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Der Beklagte zu 2. muss sich die danach hinreichende Geltendmachung gegenüber dem Land Mecklenburg-Vorpommern als ursprünglich zuständigem überörtlichen Träger der Sozialhilfe zurechnen lassen (vgl. Urt. des Senats v. 28.07.2007 – 1 L 300/05 –, a. a. O.).
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Im Hinblick auf die monatliche Erbringung der Sozialhilfeleistungen musste die Geltendmachung wie schon ausgeführt spätestens bis zum 31. Dezember 1999 erfolgen. Diese Frist hat der Kläger mit seinem im Dezember 1999 beim Beklagten zu 1. eingegangenen Anmeldungsschreiben eingehalten.
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Eine Verjährungseinrede (§ 113 SGB X) ist nicht erhoben worden, sie kann insbesondere nicht in den Antwortschreiben des Beklagten zu 1. erblickt werden, in denen lediglich erklärt worden ist, ganz allgemein in den zahlreichen vom Kläger geltend gemachten Kostenerstattungsfällen nicht auf eine – zukünftige – Einrede der Verjährung verzichten zu wollen; eine Verjährung war nicht von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 28.08.2007 – 1 L 59/05 –, a. a. O.). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass nach den im Urteil des Senats vom 28.08.2007 – 1 L 59/05 – entwickelten Grundsätzen eine Verjährung vorliegen könnte.
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Der dem Kläger danach für den streitgegenständlichen Leistungszeitraum dem Grunde nach zustehende und nicht ausgeschlossene Kostenerstattungsanspruch besteht auch in der geltend gemachten Höhe von 91.676,04 EUR. Zu erstatten sind die rechtmäßig erbrachten Leistungen. Der Anspruch wird der Höhe nach vom Beklagten zu 2. nicht bestritten. Er wird vom Kläger unter konkreter Bezugnahme auf die Verwaltungsvorgänge näher erläutert. Dafür, dass insoweit in die Forderung eingestellte Aufwendungen rechtswidrig erbracht worden sein könnten, bestehen keine Anhaltspunkte.
- 48
2. Die Klage ist darüber hinaus auch hinsichtlich der Nebenforderung bzw. des Begehrens des Klägers begründet, an ihn zusätzlich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. März 2007 zu zahlen. Das Bundesverwaltungsgericht stellt in ständiger Rechtsprechung als allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts den Satz heraus, dass für öffentlich-rechtliche Geldforderungen Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten sind, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 22.02.2001 – 5 C 34.00 –, BVerwGE 114, 61 m.w.N. – zitiert nach juris; zuletzt etwa Beschl. v. 21. 01.2010 – 9 B 66.08 –, DVBl. 2010, 575, 577). Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat angeschlossen (vgl. Urt. v. 28.08.2007 – 1 L 300/05 –, juris). Gemäß § 291 Satz 1 BGB hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht in Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 BGB finden entsprechende Anwendung (Satz 2). Auch im vorliegenden Fall der allgemeinen Leistungsklage setzt ein Anspruch auf Prozesszinsen nach Maßgabe der Senatsrechtsprechung (vgl. ausführlich Urteil v. 15.06.2011 – 1 L 73/07 –, NJW 2011, 3383) voraus, dass die geltend gemachte Geldforderung vom Kläger beziffert worden oder jedenfalls bestimmt bzw. eindeutig bestimmbar ist. Diesen Anforderungen entsprechend hat der Kläger ab dem im Berufungsantrag benannten Zeitpunkt gegen den Beklagten zu 2. den geltend gemachten Zinsanspruch. Jedenfalls mit am 27. März 2007 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat er seinen Antrag beziffert. Die Höhe des Zinssatzes ergibt sich aus § 291 Satz 2 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den § 155 Abs. 1, 2, § 161 Abs. 2 Satz 1, § 188 Satz 2, 2. Halbsatz VwGO sowie § 188 VwGO a. F.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
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