Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 18 B 1183/20
Tenor
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. , E. , bewilligt.
Der angegriffene Beschluss wird geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragteller zu 1/3 und die Antragsgegnerin zu 2/3.
Unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung wird der Streitwert für jenes Verfahren auf 1.250 Euro festgesetzt. Für das Beschwerdeverfahren wird der Streitwert auf 3.750 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist begründet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. den §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 119 Abs. 1 Satz 2, 121 Abs. 1 ZPO).
3Die Beschwerde hat (nur) in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
4Dem Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Ausbildungsduldung steht der Versagungsgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 3 AufenthG entgegen. Danach wird die Ausbildungsduldung nicht erteilt, wenn die Identität nicht geklärt ist.
5Die Klärung der Identität setzt die Gewissheit voraus, dass ein Ausländer die Person ist, für die er sich ausgibt, mithin Verwechslungsgefahr nicht besteht.
6Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 9. Oktober 2020 - 10 CE 20.2100 -, juris, Rn. 11.
7Das ist hier nicht der Fall.
8Die - rechtlich nicht näher begründete - Annahme des Verwaltungsgerichts, die Rechtskraftwirkungen des guineischen Nachbeurkundungsurteils samt Beischreibung bänden auch die Behörden und Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland, ist unzutreffend.
9Nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht ist kein Staat verpflichtet, ausländische Urteile anzuerkennen. Soweit keine Staatsverträge geschlossen sind, ist jeder Staat frei; er kann also selbst bestimmen, ob ausländische Urteile anerkannt werden und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen.
10Vgl. Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, Kommentar, 33. Aufl. 2020, § 328 ZPO Rn. 1; Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2020, Rn. 2757.
11In der Bundesrepublik Deutschland kann sich eine Pflicht zur Anerkennung in erster Linie aus unionsrechtlichen Bestimmungen sowie in zweiter Linie aus völkerrechtlichen Übereinkommen ergeben, soweit diese unmittelbar anwendbares staatliches Recht geworden sind. Wenn im jeweiligen Einzelfall keine unions- oder völkervertragsrechtlichen Bestimmungen einschlägig sind, richtet sich die Anerkennung von ausländischen Entscheidungen im Bereich von Familiensachen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach §§ 108, 109 FamFG (vgl. § 97 Abs. 1 FamFG). Dasselbe gilt gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 PStG für Verfahren nach dem Personenstandsgesetz. Im Anwendungsbereich der Zivilprozessordnung, d. h. im Kern in Zivil- und Handelssachen, findet der mit den §§ 108, 109 FamFG weitgehend übereinstimmende § 328 ZPO Anwendung.
12Vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. März 2020 - 1 S 397/19 -, juris, Rn. 50, m. w. N.
13Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren richtet sich die Anerkennung ausländischer Urteile grundsätzlich (ebenfalls) nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 328 ZPO. Dieser anerkennungsrechtlichen Grundnorm gehen jedoch auch im Verwaltungsprozess die Sonderregelungen des § 108 Abs. 1 i. V. m. § 109 FamFG vor.
14Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012- 10 C 4.12 -, juris, Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 14. Juli 2016 - 19 A 2/14 -, juris, Rn. 41.
15Gemessen daran sind weder der Senat noch die Antragsgegnerin an das guineische Nachbeurkundungsurteil samt Beischreibung gebunden.
16Dies gilt zunächst unter Berücksichtigung von Unions- und Völkerrecht. Eine Bindung aus unionsrechtlichen Vorschriften scheidet aus, da Guinea kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist. Ebenso existiert kein völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Guinea, der eine entsprechende Bindungswirkung anordnen könnte.
17Vgl. die Aufzählung multilateraler Übereinkommen, an denen die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist, sowie der Staaten, mit denen die Bundesrepublik Deutschland bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge geschlossen hat bei Geimer, in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2020, Rn. 2758 ff.; Guinea ist überdies nicht am Übereinkommen der Internationalen Kommission für das Zivilstandswesen (CIEC) (https://www.personenstandsrecht.de/Webs/PERS/DE/uebereinkommen/ciec/UE_CIEC-node.html; zuletzt abgerufen am 14. Dezember 2020) beteiligt.
18Auch aus den innerstaatlichen Anerkennungsvorschriften des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 328 ZPO und §§ 108, 109 FamFG folgt keine Bindungswirkung für den Senat und die Antragsgegnerin.
19Der konkrete Umfang der Wirkung der Anerkennung bestimmt sich in jedem Einzelfall danach, welche Wirkungen das fremde Forum nach seinem Recht seinem Urteil beimisst. Durch die Anerkennung erhält die ausländische Entscheidung keine weiterreichenden Wirkungen, als sie nach dem Recht des Erststaates hat. Die Begrenzung der Wirkungserstreckung auf den Umfang der Wirkung im ausländischen Recht gilt auch in Bezug auf die subjektiven Grenzen der Rechtskraft. Diese erstreckt sich grundsätzlich nur auf die Parteien des ausländischen Verfahrens. Ob ein Urteil ausnahmsweise eine Rechtskraftbindung auch gegenüber Dritten entfaltet, richtet sich grundsätzlich ebenfalls nach dem Recht des Urteilsstaats.
20Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. März 2020 - 1 S 397/19 -, juris, Rn. 68, m. w. N.
21Hier ist bereits nichts dafür ersichtlich, dass das guineische Recht eine derartige Rechtskrafterstreckung auf Dritte vorsieht. Selbst wenn dies der Fall wäre, schlössen § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bzw. § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG eine Bindungswirkung aus.
22Gemäß § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist die Anerkennung eines Urteils eines ausländischen Gerichts ausgeschlossen, wenn die Anerkennung des Urteils zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Einen entsprechenden Ausschlusstatbestand enthält § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG.
23Die vorgenannten Ausschlussgründe stehen nicht nur der Anerkennung von Urteilen zwischen den Beteiligten sondern auch der subjektiven Rechtskrafterstreckung auf Dritte entgegen, wenn diesen in dem ausländischen Verfahren kein rechtliches Gehör gewährt worden ist. Denn der verfassungsrechtlich abgesicherte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist Teil des deutschen ordre public.
24Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. März 2020 - 1 S 397/19 -, juris, Rn. 68; Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 328 ZPO Rn. 180, und Bach, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK, 38. Edition Stand 1. September 2020, § 328 ZPO Rn. 59 (jeweils zu § 328 ZPO); Spellenberg, in: Staudinger, BGB, Kommentar, Neubearbeitung 2016, § 108 FamFG Rn. 208 (zu §§ 108, 109 FamFG); siehe in diesem Zusammenhang auch BGH, Beschluss vom 5. März 2009 - IX ZR 150/05 -, juris, Rn. 7.
25Hierauf können sich auch juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden berufen.
26Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2014- 1 BvR 2142/11 -, juris, Rn. 55 f.
27Die Antraggegnerin war am gerichtlichen Verfahren in Guinea nicht beteiligt. Ihr wurde dort auch kein rechtliches Gehör gewährt. Daher scheidet eine Rechtskrafterstreckung auf diese aus. Damit ist auch der beschließende Senat an das Nachbeurkundungsurteil samt Beischreibung nicht gebunden.
28Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts folgt nichts Gegenteiliges aus einer E-Mail des Auswärtigen Amts vom 8. März 2017 an den damaligen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers. Soweit es dort heißt, die beiden Urkunden [gemeint sind das Nachbeurkundungsurteil und die Beischreibung] entfalteten „nur gemeinsam Rechtskraft“, bezieht sich diese Aussage offensichtlich allein auf die Rechtslage in Guinea, ohne sich zur Frage der Rechtskrafterstreckung auf Dritte in weiteren Staaten zu verhalten. Dies verdeutlicht im Übrigen auch recht anschaulich der Hinweis in dem Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Conakry vom 18. Oktober 2019 („Überprüfung der formalen und inhaltlichen Richtigkeit guineischer Urkunden“), der sowohl bezüglich des Nachbeurkundungsurteils als auch der Beischreibung Folgendes festhält:
29„Die Wirksamkeit für den deutschen Rechtskreis sowie ein evtl. ordre public-Vorbehalt o.ä. ist durch die inländische Stelle in eigener Zuständigkeit zu prüfen.“
30Aufgrund des Vorstehenden kommt es nicht darauf an, ob es sich bei dem Nachbeurkundungsurteil samt Beischreibung überhaupt um eine anerkennungsfähige Entscheidung handelt,
31vgl. zu diesem Problemkreis BGH, Beschluss vom 20. März 2019 - XII ZB 320/17 -, juris, Rn. 11 ff.,
32und wie der jeweilige Anwendungsbereich der vorgenannten innerstaatlichen Anerkennungsvorschriften voneinander abzugrenzen ist.
33Vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. März 2020 – 1 S 397/19 -, juris, Rn. 50; Bayerischer VGH, Beschluss vom 11. Dezember 1981 - 10 CS 81 A.2341 -, NVwZ 1982, 322 (323).
34Dem Nachbeurkundungsurteil samt Beischreibung kommt auch keine besondere Beweiskraft im Sinne von § 98 VwGO i. V. m. §§ 415, 417, 418 ZPO zu.
35Die nach § 98 VwGO anzuwendenden Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Beweis durch öffentliche Urkunden gelten - wie die in § 438 Abs. 1 ZPO vorgesehene Echtheitsprüfung zeigt - mit Ausnahme der Echtheitsvermutung (§ 437 ZPO) auch für ausländische öffentliche Urkunden.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1986 - 9 C 8.86 -, juris, Rn. 25.
37Wird die Urkunde als echt angesehen, entspricht ihre Beweiskraft mithin der einer inländischen öffentlichen Urkunde; es gelten die §§ 415, 417, 418 ZPO.
38Vgl. Schreiber, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 438 ZPO Rn. 5.
39Angesichts der entsprechenden Ausführungen in dem Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland D. vom 18. Oktober 2019 („Überprüfung der formalen und inhaltlichen Richtigkeit guineischer Urkunden“) hat der Senat - trotz der Aussetzung der Legalisation von Urkunden aus Guinea durch das Auswärtige Amt - keinen begründeten Anlass, an der Echtheit der beiden Dokumente zu zweifeln.
40Der Antragsteller kann indes aus § 98 VwGO i. V. m. §§ 415, 417, 418 ZPO nichts Tragfähiges herleiten.
41Gemäß § 98 VwGO i. V. m. § 415 Abs. 1 ZPO begründen Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffentliche Urkunden), wenn sie über eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet sind, vollen Beweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorganges. Die erhöhte Beweiskraft einer solchen Urkunde erstreckt sich jedoch nur auf die Abgabe der beurkundeten Erklärungen, nicht auf deren inhaltliche Richtigkeit.
42Vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 - IX ZR 96/92 -, juris, Rn. 30, und Beschluss vom 14. August 1986- 4 StR 400/86 -, juris, Rn. 5.
43Letztere unterliegt vielmehr der freien Beweiswürdigung.
44Vgl. Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, Kommentar, 17. Aufl. 2020, § 415 ZPO Rn. 10.
45Gemäß § 98 VwGO i. V. m. § 417 ZPO begründen die von einer Behörde - dazu zählen auch Gerichte - ausgestellten, eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden öffentlichen Urkunden vollen Beweis ihres Inhalts. Auch insofern beweist die entsprechende Urkunde nicht, dass deren materieller Inhalt richtig ist.
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 1970- II C 101.65 -, juris, dazu auch Deiseroth, jurisPR-BVerwG 3/2013 Anmerkung 3 C. I.; Hessischer VGH, Urteil vom 19. April 2013 - 7 A 908/12 -, juris, Rn. 63; Bayerischer VGH, Urteil vom 13. Februar 2013 - 11 B 11.2798 -, juris, Rn. 55; BGH, Beschluss vom 4. Juli 2018 - VII ZB 4/17 -, juris, Rn. 11.
47Welche Beweiswirkung dem Dokument insoweit zukommt, ist (ebenfalls) in freier Beweiswürdigung zu beurteilen.
48Vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 19. April 2013- 7 A 908/12 -, juris, Rn. 63.
49Nach § 98 VwGO i. V. m. § 418 ZPO begründen öffentliche Urkunden, die einen anderen als den in den §§ 415, 417 bezeichneten Inhalt haben, vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen (Absatz 1). Beruht das Zeugnis indes nicht auf eigener Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson, so ist die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann anzuwenden, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, dass die Beweiskraft des Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist (Absatz 3).
50Die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nach § 98 VwGO i. V. m. § 418 Abs. 1 ZPO reicht folglich nur so weit, wie die zur Beurkundung befugte Person die Tatsachen selbst verwirklicht oder auf Grund eigener Wahrnehmung zutreffend festgestellt hat.
51Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. August 2020 - OVG 11 S 5/20 -, juris, Rn. 13; Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. August 2016- 11 CS 16.1185 -, juris, Rn. 28; BGH, Beschluss vom 11. Juli 2018 - XII ZB 138/18 -, juris, Rn. 5.
52Gemessen daran kann sich die Beweiskraft des Nachbeurkundungsurteils (samt Beischreibung) schon deshalb nicht auf die Tatsache erstrecken, dass der Antragsteller die Identität des E1. H. , geboren am 18. Juni 1991, Namen der Eltern E1. sowie H1. H. besitzt, weil der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht in Guinea nicht anwesend war. Es fehlt mithin an der eigenen Wahrnehmung des Gerichts. Dem Nachbeurkundungsurteil lässt sich auch darüber hinaus nichts dafür entnehmen, dass das Gericht in Guinea auf sonstige Weise die Identität des Antragstellers auf Grund eigener Wahrnehmung festgestellt haben könnte.
53Unter Berücksichtigung des Vorstehenden unterliegt die Frage, ob die Identität des Antragstellers geklärt ist, der freien Beweiswürdigung des Gerichts (§§ 122 Abs. 1, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Danach ist die Identität des Antragstellers nicht geklärt. Er selbst hat die Ausstellung des Nachbeurkundungsurteils samt Beischreibung in Guinea veranlasst. Danach lautet seine Identität „E1. H. “. Allein auf diesen Angaben beruht augenscheinlich auch die am 20. April 2020 erfolgte Ausstellung einer Konsularkarte. Dem stehen die ausführlich begründeten Erwägungen in der Stellungnahme des von der deutschen Botschaft in D. beauftragten Vertrauensanwalts entgegen, wonach der Antragsteller I. D1. heißt. Die Behauptungen in der Beschwerdeerwiderung, die Ausführungen des Vertrauensanwalts seien „einseitig und tendenziös“, ziehen die Aussagekraft der Stellungnahme (jedenfalls) nicht durchgreifend in Zweifel. Der Vorwurf, die Stellungnahme gründe allein auf den Aussagen zweier Nachbarinnen, ist unzutreffend. Denn ausweislich der Stellungnahme haben weitere „Nachbarn, Kinder und Erwachsene“, den Antragsteller auf vorgelegten Fotos identifiziert. Wieso sich angesichts des eindeutigen Ergebnisses der Untersuchung eine Befragung weiterer Familienangehöriger, ein Besuch des Friedhofs, auf dem die Mutter des Antragstellers beerdigt worden sein soll sowie das Aufsuchen von Schulen, die der Antragsteller besucht haben will, hätten „aufdrängen“ müssen, ist nicht ersichtlich. Der Verweis auf einen (vermeintlich) unergiebigen Vermerk der Antragsgegnerin vom 14. Februar 2020 zieht die Aussagekraft der Stellungnahme des Vertrauensanwalts ebenfalls nicht in Zweifel. Die These zur Möglichkeit eines sprachlichen Missverständnisses hinsichtlich des Begriffs „père adoptif“ ist rein spekulativ.
54Sollte der Antragsteller dennoch weiteren Aufklärungsbedarf sehen, so bleibt es ihm unbenommen, in einem Hauptsacheverfahren entsprechende Beweisanträge zu stellen.
55Nichts Gegenteiliges folgt aus der Ansicht des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, dessen Identität sei nunmehr auf Grund der Nachforschungen des Vertrauensanwalts des Auswärtigen Amtes geklärt. Denn der Antragsteller behauptet entgegen dieser Nachforschungen weiterhin, E1. H. zu sein. In diesen Zusammenhang fügt sich nahtlos ein, dass der Antragsteller daran festhält, die aus Guinea stammenden Dokumente (Nachbeurkundungsurteil samt Beischreibung) seien inhaltlich richtig und beschrieben seine Identität.
56Schließlich kann der Antragsteller für sein Begehren nicht die Bestimmung des § 60c Abs. 7 AufenthG fruchtbar machen. Danach kann eine Duldung nach Absatz 1 Satz 1 unbeachtlich des Absatzes 2 Nummer 3 erteilt werden, wenn der Ausländer die erforderlichen und ihm zumutbaren Maßnahmen für die Identitätsklärung ergriffen hat. Dass hier eine Ermessensreduktion auf null vorliegen könnte, die allein auf den vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch führt, hat dieser nicht glaubhaft gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich.
57Der Beschwerde bleibt hingegen mit dem weiteren Begehren,
58„2. festzustellen, dass die Identität des Beschwerdegegner / Antragsteller nicht geklärt ist.“,
59bereits aus prozessualen Gründen der Erfolg versagt.
60Dieses Begehren betrifft einen neuen Streitgegenstand. Das Beschwerdeverfahren dient jedoch ausschließlich der rechtlichen Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung.
61Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Oktober 2020- 18 B 291/20 -, vom 30. September 2020- 18 B 926/19 -, vom 10. September 2020- 18 B 1233/20 -, und vom 19. August 2010- 18 B 998/10 -, m. w. N.
62Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO.
63Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 GKG. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass der Streitwert in auf die Erteilung einer Ausbildungsduldung gerichteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit 1.250 Euro bemessen wird.
64Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. August 2020- 18 B 1636/19 -.
65Den Wert des Feststellungsantrags bemisst der Senat mit dem halben Auffangwert.
66Die Änderung der Wertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
67Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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