Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (13. Senat) - 13 A 11421/19
Tenor
Soweit die Berufung hinsichtlich des Asylbegehrens zurückgenommen wurde, wird das Berufungsverfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 24. Mai 2019 zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt im Berufungsverfahren zuletzt noch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie hilfsweise die Gewährung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungsverboten.
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Der am 1. Januar 1993 oder 1994 geborene Kläger ist schiitischen Glaubens und dem Volk der Tadschiken zugehörig. Er lebte mit seiner Familie zuletzt in der Provinz L…. Am 10. März 2015 verließ er Afghanistan und reiste am 10. Juni 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 18. Juni 2015 einen Asylantrag stellte.
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Zur Begründung seines Antrags führte der Kläger im Wesentlichen aus, dass er in Afghanistan von den Taliban bedroht worden sei. Die Taliban hätten einmal eine Frau in das Geschäft der Familie geschickt, die vor dem Kläger ihren Schleier abgenommen habe. Deswegen hätten die Taliban gedroht, ihn zu steinigen.
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Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 6. Mai 2017 den Antrag des Klägers auf Asylanerkennung, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie auf Zuerkennung subsidiären Schutzes ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – nicht vorliegen. Gleichzeitig forderte sie den Kläger unter Fristsetzung und Androhung der Abschiebung zur Ausreise auf. Die ablehnende Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dem Kläger eine innerstaatliche Fluchtalternative etwa in der Stadt Herat oder Mazar e-Sharif zur Verfügung gestanden habe. Der Bescheid wurde am 8. Mai 2017 zur Post aufgegeben.
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Mit Telefax vom 23. Mai 2017 hat die „Rechtsanwaltskanzlei Wehnert“ für den Kläger Klage gegen den Bescheid erhoben. Zur Begründung der Klage ist ausgeführt worden, der Kläger habe glaubhaft angegeben, dass er von den Taliban zwangsrekrutiert habe werden sollen. Auch sei Afghanistan kein sicheres Land, in das eine Abschiebung vorgenommen werden könne.
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Der Kläger hat erstinstanzlich schriftsätzlich begehrt:
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1. Ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
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2. Ihm die Asylanerkennung auszusprechen.
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3. Hilfsweise festzustellen, dass subsidiärer Schutzstatus gegeben ist.
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4. Festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.
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Die Beklagte hat erstinstanzlich schriftsätzlich begehrt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat sich auf die Gründe des angegriffenen Bescheides bezogen.
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Die Klageschrift ist mit dem Namen der Rechtsanwältin Brigitte Kress unterschrieben. Herr Assessor jur. Michael Wehnert ist kein zugelassener Rechtsanwalt. Auf Rückfrage hat Rechtsanwältin Kress mitgeteilt, dass ihre Unterschrift auf der Klagebegründung gefälscht worden sei.
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Die Ladung für die mündliche Verhandlung am 24. Mai 2019 ist an die „Rechtsanwaltskanzlei Wehnert“ gesandt worden. Herr Assessor jur. Wehnert ist unter Fristsetzung aufgefordert worden, seine Prozessvollmacht vorzulegen. Eine persönliche Ladung an den Kläger ist nicht erfolgt, ihm ist jedoch seitens des Gerichts das Ladungsschreiben an die „Rechtsanwaltskanzlei Wehnert“ zur Kenntnis übersandt worden mit dem Hinweis, „vor dem Hintergrund der unklaren Prozessbevollmächtigung“ bestünden Zweifel hinsichtlich der ordnungsgemäßen Erhebung der Klage und diese dürfte deshalb nach vorläufiger Einschätzung unzulässig sein. Weiterhin ist er gebeten worden mitzuteilen, ob er auf eine mündliche Verhandlung verzichte. Der Kläger hat hierauf nicht reagiert.
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In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht in Abwesenheit des Klägers zunächst Rechtsassessor Wehnert aufgrund eines fehlenden Nachweises seiner Prozessvollmacht als Prozessbevollmächtigten zurückgewiesen und sodann die mündliche Verhandlung fortgesetzt und geschlossen.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. Mai 2019 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei unzulässig, da sie nicht ordnungsgemäß erhoben worden sei. Gemäß § 81 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – sei eine Klage schriftlich zu erheben, was voraussetze, dass sie vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werde. Unzulässig sei dagegen insbesondere die Unterzeichnung mit einem fremden Namen. Vorliegend habe Rechtsassessor Wehnert die Klage nicht nur „in fremdem Namen“ unterzeichnet, sondern die Unterschrift von Rechtsanwältin Kress sogar gefälscht, wie diese dem Gericht gegenüber ausgeführt habe, sodass es an einer wirksamen Klageerhebung fehle. Der Assessor habe darüber hinaus trotz Aufforderung weder seine Vollmacht noch seine Prozessführungsbefugnis beigebracht und sei gemäß § 67 Abs. 3 S. 1 VwGO zurückgewiesen worden. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der mangels wirksamer Klageerhebung abgelaufenen Klagefrist gem. § 74 Abs. 1 Asylgesetz – AsylG – sei schon aufgrund von § 60 Abs. 3 VwGO kein Raum. Davon abgesehen sei eine Wiedereinsetzung auch weder beantragt worden noch sei die versäumte Rechtshandlung von dem Kläger nachgeholt worden, obwohl dieser auf die Unzulässigkeit seiner Klage hingewiesen worden sei.
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Der Senat hat auf entsprechenden Antrag des im Berufungsverfahren zunächst aufgetretenen Prozessbevollmächtigten die Berufung gemäß § 78 Abs. 3 AsylG in Verbindung mit § 138 Abs. 3 Nr. 4 VwGO zugelassen und ausgeführt, dass der Kläger in dem vorliegenden – atypischen – Verfahren nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten gewesen sei. Das gelte jedenfalls, nachdem der einzig in Betracht kommende Prozessbevollmächtigte, Herr Assessor jur. Wehnert, von dem Gericht zurückgewiesen worden sei, der Kläger aber ausweislich der Gerichtsakte weder persönlich zur mündlichen Verhandlung geladen noch darauf hingewiesen worden sei, dass eine Zurückweisung seines Prozessbevollmächtigten drohen könnte. § 138 VwGO vermute die Ursächlichkeit des genannten Fehlers für das Urteil, so dass es nicht auf die Frage ankomme, ob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache zutreffend sei.
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Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger zunächst aus, die Klage sei zulässig. In der Sache sei er in Afghanistan von den Taliban bedroht worden. Grund sei gewesen, dass die Taliban eine Frau in das Geschäft seiner Familie geschickt hätten, welche vor ihm den Schleier abgenommen habe, und deswegen sei ihm gedroht worden, ihn zu steinigen. Er habe vier Jahre die Schule besucht und dann im Laden seines Vaters gearbeitet. Dieser Laden sei häufiger von Taliban aufgesucht worden und diese hätten den Vater des Klägers aufgefordert, ihn, seinen Sohn, mit diesen kämpfen zu lassen. Kurz danach habe sich der oben beschriebene Vorfall ereignet und daraufhin habe er sein Heimatland verlassen. Sein ehemaliger Heimatort sei von den Taliban kontrolliert worden. In der Region, in der er gelebt habe, sei es zu Steinigungen gekommen, die sogar im Fernsehen gezeigt worden seien und nach seiner Kenntnis sei mindestens eine Todesstrafe vollstreckt worden. Bei Rückkehr in sein Heimatland könne er mit der Todesstrafe bestraft werden. Die Taliban seien in der Provinz, in der er gelebt habe, tatsächlich aktiv.
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Mit Schriftsatz seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten trägt der Kläger vor, es seien einige Angaben aus der Anhörung beim Bundesamt zu korrigieren bzw. zu konkretisieren. Diese neuen Angaben betreffen insbesondere die Höhe der Reisekosten und die Umstände der Begleichung derselben, das Alter der Brüder des Klägers, die Lebenssituation seiner Geschwister, seine Ehefrau und seine Kinder sowie seine Schulbildung und berufliche Tätigkeit. Weiterhin trägt der Kläger vor, es sei zu konkretisieren, dass die Taliban ihn, den Kläger und seinen Vater, zunächst zwecks Zwangsrekrutierung angesprochen hätten. Aufgrund der Aufforderung der Taliban habe er das Land verlassen sollen. Der Vater habe die Ausreise geplant und habe ihn zunächst zu seinem Onkel schicken wollen. In dieser Zeit sei er sehr vorsichtig gewesen, hätte jedoch im Laden des Vaters aushelfen müssen, während dieser alles vorbereitet habe. Da der Vater die Taliban habe hinhalten wollen, um die Flucht zu organisieren, habe er sich zunächst normal verhalten, um keinen Verdacht zu erregen, sei aber vorsichtig gewesen.
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Der Zwischenfall mit der Frau im Laden habe jedoch dazu geführt, dass keine Zeit mehr gewesen sei, die Ausreise zu planen. Er habe nicht angegeben, dass die Frau eine Agentin der Taliban gewesen sei. Vielmehr sei der Vorfall im Laden zufällig gewesen sei. Die Frau habe sich ihm nähern wollen und ihm Avancen gemacht. Da er abgelehnt habe und die Frau gebeten habe, dies zu unterlassen, habe die Frau angefangen zu schreien und den Laden verlassen. Dies habe Aufmerksamkeit auf sich gezogen, sodass auch die Taliban hiervon erfahren hätten. Seine früheren Angaben, die Taliban hätten die Frau geschickt, beruhten wohl auf einem Missverständnis mit dem Dolmetscher. Nachdem den Taliban zu Ohren gekommen sei, dass er, der Kläger, eine Frau belästigt haben solle und diese zudem vermutet hätten, dass er mit den Amerikanern sympathisiere, habe sich das Interesse der Taliban an ihm schlagartig gesteigert. Ihm drohe daher die Ermordung durch die Taliban. Der Vorfall habe 15 bis 20 Tage vor der Ausreise stattgefunden. Er habe sich lediglich eine Nacht bei seinem Onkel aufgehalten und sei anschließend nach Kabul geflüchtet, wo er sich bis zu seiner Ausreise ca. zwei Wochen versteckt habe. Sein Vater habe daher sehr schnell den Schleuser bezahlen und die Flucht organisieren müssen.
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Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass er aufgrund seiner finanziellen Verpflichtungen und der derzeitigen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftssituation durch die Corona-Pandemie bei einer Rückkehr nach Afghanistan verelenden würde. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie seien weltweit spürbar und insbesondere in Ländern wie Afghanistan, die über keinen Staatshaushalt verfügten, der es ermögliche, die Wirtschaft massiv zu unterstützen, mehr als nur Besorgnis erregend. Der Lockdown und die Reduzierung der Wirtschaftsleistung führten zu massiven sozialen Spannungen und zu einem drastischen Anstieg der Lebenshaltungskosten. Diese Folgen träfen auf eine pandemiebedingte Reduzierung von Zahlungen der Geberländer an internationale Hilfsorganisationen und der UN, die für die Notversorgung mit Lebensmitteln zuständig seien und schon ohne finanzielle Restriktionen mit einem immer größer werdenden Heer an Vertrieben und Hungernden zu kämpfen hätten.
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Er könne sich in Afghanistan auf keine finanzielle oder sonstige Unterstützung von Familienangehörigen oder Bekannten verlassen. Sein Vater habe sich für die Ausreise hoch verschuldet. Zudem habe die Familie ihr Heimatdorf verlassen und den Lebensmittelladen und damit ihre Existenzgrundlage aufgeben müssen. Die Schwestern könnten nicht zum Lebensunterhalt beitragen. Seine Brüder seien noch jünger und könnten daher nicht die Verantwortung für ihre Eltern und ihn übernehmen. Zudem halte sich der 17-jährige Bruder im Iran auf und könne die Familie und ihn nicht unterstützen. Er, der Kläger, schicke regelmäßig Geld nach Afghanistan, um seine Ehefrau und Kinder sowie seine Familie finanziell zu unterstützen. Andernfalls wäre ein Überleben nicht möglich. Sein Vater müsse die Wohnungsmiete zahlen und die Erkrankungen der Eltern führten zu erhöhten Behandlungskosten. Er, der Kläger, könnte seine Familie nicht aus Afghanistan heraus versorgen. Arbeiten als Tagelöhner seien aufgrund der derzeitigen Pandemie kaum zu finden. Des Weiteren habe er keine Berufserfahrung in Afghanistan. Er habe nur in L… gelebt und seinem Vater im Lebensmittelladen geholfen. Insofern habe er keine Berufserfahrung sammeln und berufliche Kontakte knüpfen können. Ohne jegliche Unterstützung werde ihm und seiner Familie rasch Verelendung bis hin zum Hungertod drohen.
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Nachdem der Kläger in der Berufungsbegründung auch den Antrag angekündigt hat, ihm die Asylanerkennung zuzusprechen, beantragt er in der mündlichen Verhandlung nur noch,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 24. Mai 2019 und entsprechender Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 6. Mai 2017 die Beklagte zu verpflichten,
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ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
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hilfsweise ihm subsidiären Schutz zu gewähren,
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weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 Aufenthaltsgesetz vorliegen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte verweist im Berufungsverfahren auf den Bescheid und führt aus, der Kläger habe eine Verfolgung durch die Taliban bisher nicht glaubhaft darlegen können. Sein Vorbringen hierzu in der persönlichen Anhörung sei detailarm und vage geblieben und erschöpfe sich in weiten Teilen in Mutmaßungen. Darüber hinaus habe der Kläger – wie im Bescheid dargelegt – nicht glaubhaft machen können, dass es sich bei ihm um eine Person handele, an der die Taliban ein besonderes persönliches Interesse haben könnten. Eine Bedrohung durch die Taliban aufgrund unterlassener Zusammenarbeit betreffe nicht nur den Kläger im Speziellen, sondern eine Vielzahl von Personen, sodass von keiner landesweiten Verfolgung durch die Taliban auszugehen wäre. Der Kläger könnte daher bei einer (hypothetischen) Rückkehr nach Afghanistan internen Schutz in Kabul, dem Ort, an dem sich nach seinen eigenen Angaben auch seine Eltern aufhalten, finden.
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Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG insbesondere aufgrund der aktuellen Lage hinsichtlich der Corona-Pandemie zu. Eine gegenüber dem Bescheid veränderte Bewertung rechtfertige auch die COVID-19-Pandemie nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die von den Beteiligten zu den Akten gereichten Schriftsätze und Unterlagen, die vom Senat in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel zu den Verhältnissen in Afghanistan (vgl. die Senats-Unterlagenliste Stand 2. September 2020 und Ergänzung hierzu zum Stand 20. November 2020 – berichtigt mit gerichtlicher Verfügung vom 26. November 2020 –, sowie die in der mündlichen Verhandlung in Kopie überreichten Unterlagen UNOCHA, Strategic Situation Report COVID-19 No. 85 vom 26. November 2020 und BAMF, Briefing Notes vom 23. November 2020) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2020. Die genannten Unterlagen lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Das Berufungsverfahren war einzustellen, soweit die Berufung in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der zunächst noch begehrten Asylanerkennung konkludent zurückgenommen wurde. Im Übrigen bleibt die zulässige Berufung in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen; sie ist in dem noch anhängigen Umfang zwar zulässig (I.), in der Sache hat der Kläger mit seinem Begehren aber keinen Erfolg (II.).
I.
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Die Klage ist in dem noch zur Entscheidung anstehenden Umfang zulässig.
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Insbesondere hält die Klageschrift die Schriftform des § 81 VwGO ein. Sie ist als Schriftstück (Telefax) fristgerecht beim Verwaltungsgericht am 23. Mai 2017 eingegangen. Zwar stammt sie nicht von der als Unterzeichnerin angegebenen Frau Rechtsanwältin Kress, sondern von dem im Briefkopf angegebenen Herrn Assessor Wehnert, der nach den zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätzen eindeutig als Aussteller der Klage anzusehen ist. Dieser hat zwar keine Vollmacht vorgelegt, der Mangel der Vorlage einer Prozessvollmacht bei Klageeinreichung wurde jedoch zwischenzeitlich geheilt.
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Ist eine Klageschrift – wie hier – von einer anderen Person als dem Kläger handschriftlich unterschrieben worden, genügt sie nur dann dem Schriftlichkeitserfordernis des § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wenn diese Person wirksam zur Prozessführung bevollmächtigt ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Januar 2017 – 5 B 8/16 –, juris). Das setzt gemäß § 67 Abs. 6 Satz 1 VwGO grundsätzlich voraus, dass zum Zeitpunkt der Einreichung der unterschriebenen Klageschrift eine auf den Unterzeichner ausgestellte Vollmacht zur Gerichtsakte gereicht wird. Ist dies – wie vorliegend – nicht der Fall, ist dem Schriftlichkeitserfordernis Genüge getan, wenn der Mangel der Vollmacht bei Einreichung der Klage nachträglich geheilt wird (vgl. § 67 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 VwGO). So liegt es hier. Der Mangel der Vollmacht bei Einreichung einer Klage oder Einlegung eines Rechtsmittels kann durch Genehmigung des Vertretenen, die auch in der Erteilung einer Prozessvollmacht liegen kann, mit rückwirkender Kraft geheilt werden. Zwar gilt dies grundsätzlich nur dann, wenn ein die Klage oder das Rechtsmittel als unzulässig verwerfendes Prozessurteil noch nicht vorliegt (vgl. Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 17. April 1984 – GmS-OGB 2/83 –, BVerwGE 69, 380 [381 f.]; BVerwG, Zwischenurteil vom 21. Januar 2004 – 6 A 1.04 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 40 S. 73 [75], jeweils m.w.N.). Im hier gegebenen – atypischen – Fall kann aber eine Heilung ausnahmsweise auch noch im Berufungsverfahren erfolgen.
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Denn das Prozessurteil des Verwaltungsgerichts ist nicht verfahrensfehlerfrei ergangen (vgl. Beschluss des Senates vom 19. September 2019 – 13 A 10894/19.OVG –), da der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht wirksam vertreten war. Wollte das Verwaltungsgericht den vollmachtlosen Vertreter, der die Ladung zur mündlichen Verhandlung erhalten hatte, zurückweisen, hätte das Gericht den Kläger persönlich zur mündlichen Verhandlung laden und sein persönliches Erscheinen anordnen müssen. Denn nur so wäre gewährleistet gewesen, dass der Kläger entweder selbst im Verfahren auftreten und durch Genehmigung der Klageerhebung deren Zulässigkeit noch herbeiführen oder er einen (nunmehr schriftlich bevollmächtigten) neuen Vertreter suchen, bevollmächtigen und dieser sich gegenüber dem Gericht bestellen kann. Durch die Verkündung des Zurückweisungsbeschlusses in Abwesenheit des Klägers wurde diesem – ohne dass er darauf Einfluss nehmen konnte – diese Möglichkeit genommen. Bei Zurückweisung des Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung durch das Verwaltungsgericht in Abwesenheit des Klägers war danach eine Vertagung angezeigt, um dem betroffenen Kläger zu ermöglichen, einen neuen Prozessbevollmächtigten heranzuziehen oder selbst vor Gericht aufzutreten (Schenk in: Schoch/Schneider/Bier. VwGO, 38. EL Januar 2020, § 67 Rn. 61 m.w.N, Czybulka/Siegel in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 67 Rn. 37).
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Danach konnte die Klageerhebung ausnahmsweise noch durch den im Berufungsverfahren aufgetretenen (früheren) Prozessbevollmächtigten, Rechtanwalt Nachbauer, durch die Aufrechterhaltung der Klage konkludent genehmigt werden, was spätestens mit dem Schriftsatz vom 21. Oktober 2019 und Vorlage der entsprechenden Prozessvollmacht des Klägers am 11. Dezember 2019 geschehen ist. Dem steht auch nicht die vom Verwaltungsgericht an Herrn Assessor Wehnert gesetzten Frist zur Nachreichung einer Vollmacht entgegen, da es sich nicht um eine Ausschlussfrist handelt (vgl. Porz in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 67 Rn. 48 m.w.N. zur Gesetzesbegründung).
II.
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Die Klage ist, soweit über sie noch zu entscheiden war, aber nicht begründet, sodass das Verwaltungsgericht sie im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.
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Der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2017 ist in dem noch streitgegenständlichen Umfang im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 AsylG (1.) noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG (2.). Die Voraussetzungen für die Feststellung von Abschiebungsverboten im Sinne von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – liegen ebenfalls nicht vor (3.). Die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung nach Afghanistan sind rechtlich ebenso wenig zu beanstanden wie das befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot (4.).
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1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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a) Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft richtet sich nach § 3 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 AsylG. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK –, BGBl. 1953 II S. 559, 560) wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet.
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Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK – (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist. Gleiches gilt nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG für eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
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Nach § 3a Abs. 2 AsylG können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG unter anderem gelten die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt (Nr. 1), gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (Nr. 2), eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (Nr. 3), die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung (Nr. 4).
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Die in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe werden in § 3b Abs. 1 AsylG näher umschrieben. Was den notwendigen Zusammenhang zwischen den in § 3 Abs. 1 und § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen vor dem Schutz vor solchen Handlungen angeht, stellt § 3a Abs. 3 AsylG klar, dass insoweit eine Verknüpfung bestehen muss.
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Von wem Verfolgung ausgehen kann, legt § 3c AsylG fest. Über den Staat (Nr. 1) und Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), hinaus können dies nach § 3c Nr. 3 AsylG auch nichtstaatliche Akteure sein, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
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Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheidet nach § 3e Abs. 1 AsylG dann aus, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
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Ob der Ausländer sich im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG aus begründeter Furcht vor einer solchen Verfolgung außerhalb des Herkunftslandes befindet, ist anhand einer Prognose zu beurteilen, die auf der Grundlage einer zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat zum Gegenstand hat (BVerwG, Urteil vom 6. März 1990 – 9 C 14.89 –, juris Rn. 13 m.w.N.).
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Dabei ist es Aufgabe des Schutzsuchenden, von sich aus unter genauer Angabe von Einzelheiten den der Prognose zugrunde zu legenden, aus seiner Sicht die Verfolgungsgefahr begründenden Lebenssachverhalt zu schildern (vgl. § 25 Abs. 1 AsylG). Das Gericht muss sich sodann, um die behaupteten, möglicherweise eine Verfolgungsgefahr begründenden Tatsachen seiner Entscheidung als gegeben zugrunde legen zu können, nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO die volle Überzeugung von deren Wahrheit – und nicht nur von deren Wahrscheinlichkeit – verschaffen.
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Die Prognose in Bezug auf eine bei Rückkehr in den Heimatstaat drohende Verfolgung hat einheitlich anhand des Maßstabs der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zu erfolgen (vgl. dazu im einzelnen BVerwG, Urteile vom 1. Juni 2011 – 10 C 25.10 –, juris Rn. 22 und vom 1. März 2012 – 10 C 7.11 –, juris Rn. 12). Dabei ist nach eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen (st. Rspr. des BVerwG, vgl. Beschluss vom 7. Februar 2008 – 10 C 33.07 –, juris Rn. 37 m.w.N.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Antragstellers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann.
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Von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohender politischer Verfolgung muss das Gericht – wie auch bereits von der Wahrheit des der Prognose zugrunde zu legenden Lebenssachverhalts – die volle richterliche Überzeugung gewonnen haben (BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 – 9 C 109.84 –, juris Rn. 17 m.w.N.).
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Eine Beweiserleichterung gilt für Vorverfolgte. Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. Nr. L 337, S 9 ff) – EU-Qualifikationsrichtlinie – ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder unmittelbar von Verfolgung bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist; etwas Anderes soll nur dann gelten, wenn stichhaltige Gründe gegen eine erneute derartige Bedrohung sprechen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5.09 –, juris Rn. 23 m.w.N.; siehe zu den vorstehenden Ausführungen auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. April 2018 – 1 A 10988/16.OVG –, sowie Urteil vom 26. April 2019 – 10 A 11136/18 –, jeweils nach juris).
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b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze steht dem Kläger kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu. Ihm ist weder unter dem Gesichtspunkt der Einzelverfolgung (1) noch aufgrund einer Gruppenverfolgung (2) die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
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(1) Der Kläger war vor seiner Ausreise keiner Einzelverfolgung ausgesetzt und bei einer Rückkehr nach Afghanistan ist für ihn eine individuelle Verfolgung auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Dies gilt sowohl hinsichtlich der von ihm vorgetragenen beabsichtigten (Zwangs-)Rekrutierung durch die Taliban als auch im Hinblick auf eine Bestrafung wegen des angeblichen Vorfalls im Ladengeschäft.
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Soweit der Kläger eine Verfolgungsgefahr aus einer beabsichtigten (Zwangs-)Rekrutierung durch die Taliban herleitet, hat er schon nicht von ihn oder seine Familie treffenden Maßnahmen der Taliban im Hinblick auf die beabsichtigte Rekrutierung berichtet, die das asylrelevante Eingriffsmaß für Verfolgungshandlungen (§ 3a AsylG) auch nur im Ansatz erreichen könnten. Er gibt lediglich eine persönliche Ansprache ihm gegenüber durch die Taliban sowie Anfragen an seinen Vater an, schildert aber nicht einmal konkreten Bedrohungen.
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Im Übrigen hat der Kläger weder behauptet, dass er (schon in Afghanistan) gegen die Taliban eingestellt gewesen sei, noch, dass diese ihn als (vermeintlichen) Gegner angesehen hätten. Die Maßnahmen der Taliban zur (ggf. Zwangs-)Rekrutierung dienen in der Regel dem Anwerben neuer Kämpfer und nicht der Bestrafung von Gegnern (vgl. ebenso: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Juni 2019 – 13 A 3741/18.A –, juris) und fallen danach nicht ausnahmslos unter § 3 bis § 3e AsylG. Ziel der Taliban ist es vielmehr, das staatliche Sicherheitsgefüge als solches zu erschüttern und infrage zu stellen. Die Zwangsrekrutierung insbesondere Jugendlicher oder junger Erwachsener stellt hierfür lediglich ein angewandtes Mittel dar (vgl. allgemein dazu: EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan: Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen, vom September 2016, S. 43 ff.; ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Rekrutierungsmaßnahmen der Taliban, vom 13. August 2018).
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Auch die vom Kläger befürchtete Bestrafung im Hinblick auf den von ihm geschilderten Vorfall in dem Ladengeschäft seines Vaters würde – so man ihm den Vorfall überhaupt in der zuletzt in der mündlichen Verhandlung geschilderten Version glauben sollte – nicht an ein asylrelevantes Merkmal anknüpfen, sondern diente allenfalls der Durchsetzung der von den örtlichen Taliban in der Provinz L… für richtig gehaltenen Wertmaßstäbe für die Bestrafung von auffällig gewordenen Personen auf der Grundlage ihrer Sharia-Auslegung. Durch die Angaben in dem Schriftsatz vom 5. Oktober 2020 hat der Kläger im Übrigen selbst deutlich gemacht, dass ihm die Taliban keine „Falle“ hätten stellen wollen, um ihn zur Mitarbeit zu bewegen oder für die fehlende Bereitschaft zur Mitarbeit zu bestrafen. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch gleichgerichtet bestätigt. Ein flüchtlingsrechtlich relevanter Verfolgungsgrund wird danach vom Kläger nicht mehr geltend gemacht.
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Darüber hinaus sind die Angaben des Klägers zum angeblichen Verfolgungsgeschehen sowohl im Hinblick auf die Anwerbung/Zwangsrekrutierung als auch im Hinblick auf den Vorfall im Ladengeschäft und die nachfolgende Flucht nach Kabul und außer Landes nicht glaubhaft. Das Vorbringen ist viel zu vage, detailarm, nicht lebensnah und nicht durchgehend gleichbleibend.
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So fehlen zunächst schon nähere Angaben zu der persönlichen Begegnung mit Taliban, die den Kläger angeblich hätten anwerben wollen. Ebenso fehlen jegliche Details zu den Gesprächen der Taliban mit seinem Vater, in dessen Lebensmittelgeschäft im Basar sie häufiger eingekauft haben sollen. Darüber hinaus hat er selbst den Vorfall im Ladengeschäft hinsichtlich des Zwecks des Besuchs der fremden Frau in der mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz vom 5. Oktober 2020 in völlig anderer Weise dargestellt als noch in der Anhörung und im Berufungsbegründungsschriftsatz. Nähere Darlegungen fehlen, ebenso wie eine Auflösung des vom Kläger selbst dargelegten Widerspruchs zu den ersten Angaben zu dem Vorfall. Insbesondere ist auch nicht plausibel, dass die fremde Frau, die ihn angeblich im Ladengeschäft provoziert habe, seitens der Taliban trotz ihres – in deren Augen „unsittlichen“ und nicht der Sharia entsprechenden – Verhaltens gänzlich unbestraft geblieben sein solle, obwohl sie (nach den vom Kläger korrigierten Angaben) gerade nicht im Auftrag der Taliban gehandelt haben soll, sondern dem Kläger als verheiratetem Mann Avancen habe machen wollen. Dies widerspricht der Auskunftslage, nach der in der durch islamische Rechtsvorstellungen geprägten Rechtstradition in Afghanistan vorrangig die Frauen im Focus einer Bestrafung bei unsittlichem Verhalten stehen, nicht nur in der staatlichen Justiz, sondern erst recht bei der Rechtsdurchsetzung durch die Taliban in den von ihnen beanspruchten Gebieten (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Gefährdungsprofile, 12. September 2019, S. 5 f. und S. 7f.).
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Ob dieser Vorfall überhaupt sich zugetragen hat, bleibt danach erheblich zweifelhaft, steht jedenfalls nicht zur Überzeugung des Senats fest.
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Bei dieser gerichtlichen Einschätzung, die zunächst die klägerischen Angaben zum Kerngeschehen betrifft, fällt zusätzlich ins Gewicht, dass auch die Ausführungen des Klägers zum Randgeschehen in weiten Teilen nicht nachvollziehbar sind. Denn der Kläger war im Jahr 2015, als er nach seinen Angaben einmal angesprochen worden sein soll, mindestens 21 Jahre alt und nach seinem Bekunden in der mündlichen Verhandlung verheiratet und Vater zumindest eines Kindes, wenn nicht gar schon von zwei Kindern. Danach wäre es höchst ungewöhnlich, dass die Taliban ihn noch als einfachen Kämpfer in ihre Reihen eingruppieren wollten, obwohl viele jüngere und ungebundene Männer und Jugendliche als Rekruten zur Verfügung gestanden hätten, so etwa seine nach den Angaben des Klägers in der Anhörung vom 20. Dezember 2016 zum Ende des Jahres 2016 bereits 15, 17 und 19 Jahre alten Brüder des Klägers. Junge Männer im wehrfähigen Alter und Jugendliche stehen in Afghanistan in ausreichender Zahl zur Verfügung, so sind ca. 63 % der afghanischen Staatsbürger jünger als 25 Jahre (vgl. Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung vom 13. November 2019, letzte Information eingefügt am 21. Juli 2020, S. 269 ff. sowie S. 281 ff.). Der Kläger berichtet auch nicht von besonderen Fähigkeiten oder Verbindungen, denen sich die Taliban versichern wollten. Verheiratete Männer, insbesondere mit Kindern, stehen nicht im Focus der Bemühungen der Taliban um Rekruten (vgl. allgemein dazu: EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan: Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen, vom September 2016, S. 43 ff.; ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Rekrutierungsmaßnahmen der Taliban, vom 13. August 2018). Vielmehr wären die nach den Angaben in der Anhörung damals 15, 17 und 19 Jahre alten unverheirateten Brüder eher im Rekrutierungsalter gewesen, um von den Taliban angeworben zu werden.
- 63
Dabei ist es nicht nachvollziehbar, dass der Kläger nunmehr fast vier Jahre nach seiner Anhörung (vom 20. Dezember 2016) plötzlich im Schriftsatz vom 5. Oktober 2020 die Angaben zum Alter seiner Brüder (zum Zeitpunkt der Anhörung) von 15, 17 und 19 auf 8, 10 und 12 Jahre (im Zeitpunkt der Anhörung) bzw. 13, 15 und 17 Jahre (im Zeitpunkt des Schriftsatzes vom 5. Oktober 2020) klarstellt. Verständigungsschwierigkeiten sind von ihm vorher nicht geltend gemacht worden und sind auch ansonsten nicht ersichtlich. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, die drei Brüder seien 13, 11 und 17 Jahre alt, was wiederum von den Angaben im Schriftsatz vom 5. Oktober 2020 abweicht und nicht erläutert wird. Auf entsprechenden Vorhalt in der mündlichen Verhandlung erklärt der Kläger, er habe die Angaben zu seinen Brüdern so beim Bundesamt nicht gemacht. Dass, wie er auf Vorhalt angegeben hat, eine Rückübersetzung des Protokolls nicht erfolgt sei, ist nicht nachvollziehbar. Soweit er vorträgt, ihm sei erklärt worden, ihm werde eine Übersetzung zugesandt werden, entspricht dies weder dem üblichen Verfahren der Beklagten noch ergeben sich Anhaltspunkte hierfür aus den Asylakten. Die Rückübersetzung ist im Protokoll der Anhörung mit 25 Minuten zusätzlich zur Anhörung (160 Minuten) vermerkt (Bl. 52, 53 der Asylakten).
- 64
Ebenso ist nicht nachvollziehbar, dass er bei der Frage bei der Anhörung nach seinen Verwandten in Afghanistan seine beiden Kinder nicht erwähnt hat, sofern er tatsächlich verheiratet ist und Kinder hat, zumal er auch ansonsten bei der Anhörung durch das Bundesamt seine Frau und ihren Verbleib mit den beiden kleinen Kindern in Afghanistan und ihre wirtschaftliche Absicherung für die Zeit nach seiner Flucht nicht erwähnt hat. Zu den Kindern gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, er habe dies ausführlich erörtert, aber der Dolmetscher habe es nicht übersetzt. Für eine mangelhafte Übersetzung bestehen indes keine Anhaltspunkte.
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Zusammenfassend ist festzustellen, dass die erst nach fast vier Jahren veränderten Angaben zum Alter der Brüder und zu dem Vorhandensein von zwei eigenen Kindern zu einem asyltaktischen Verhalten passen, um zum einen dem Vorhalt zu entgehen, dass eine Anwerbung der Brüder durch die Taliban seinerzeit viel wahrscheinlicher gewesen wäre – auch, um dem Vater den ältesten Sohn als Gehilfen im Laden zu belassen, – und um zum anderen die Hürden für die Sicherung des Existenzminimums in Afghanistan anzuheben, da er nun sich als unterhaltspflichtiger Vater darstellen kann. Auch widerspricht die Behauptung des Klägers, er habe zwei Monate nach der Anhörung eine Übersetzung des Anhörungsprotokolls erhalten, den Akten. Wenn diese Behauptung zuträfe, wäre es erst recht nicht nachvollziehbar, dass er mit der Korrektur der Angaben fast vier Jahre gewartet hat.
- 66
Nach alledem kann dem Kläger eine (flüchtlingsrelevante Einzel-) Vorverfolgung vor der Ausreise nicht geglaubt werden. Danach fehlt es auch an einem Ansatzpunkt für eine Verfolgungsfurcht bei einer Rückkehr nach Afghanistan.
- 67
(2) Für eine Gruppenverfolgung der Schiiten in Afghanistan gibt es keine Anhaltspunkte (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan vom 16. Juli 2020, S. 8 ff.; Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, a.a.O., S. 269 ff. sowie S. 281 ff.; vgl. ebenso Urteil vom 5. Juli 2016 – Nr. 29094/09, A.M. ./. Niederlande –, Rn. 86 f., und jeweils zur Feststellung von Abschiebungsverboten im Hinblick auf Art. 3 EMRK und die Lage Schiiten: Niedersächsisches OVG, Urteil vom 29. Januar 2019 – 9 LB 93/18 juris, Rn. 83 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 11. April 2018 – A 11 S 924/17 –, juris, Rn. 45, vom 17. Januar 2018 – A 11 S 241/17 –, juris, Rn. 68 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Juni 2019 – 13 A 3741/18.A –, juris Rn. 156 - 192; OVG Bremen, Urteil vom 12. Februar 2020 – 1 LB 276/19 –, juris Rn. 86 – 87; BayVGH, Urteile vom 1. Oktober 2020 – 13 A 20.31004 –, juris Rn. 51 ff., und vom 26. Oktober 2020 – 13a B 20.31087 –, juris Rn. 50 ff.).
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Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gilt als ernsthafter Schaden 1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, 2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder 3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG sind die §§ 3c (Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann), 3d (Akteure, die Schutz bieten können) und 3e (interner Schutz) entsprechend anzuwenden, wobei nach § 4 Abs. 3 Satz 2 AsylG auf die Gefahr eines ernsthaften Schadens, den Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens abzustellen ist.
- 70
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes, weil er keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsstaat ein ernsthafter Schaden im vorbeschriebenen Sinne droht.
- 71
a) Zunächst kann der Kläger keinen subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG beanspruchen. Wie oben bereits zum Flüchtlingsschutz näher dargelegt, können dem Kläger die Angaben zu der von den Taliban ausgehenden Zwangsrekrutierung und der Furcht vor der Bestrafung (Steinigung) für den Vorfall im Ladengeschäft nicht geglaubt werden.
- 72
b) Dem Kläger steht auch kein subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zu. Der darin verwendete Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ist anhand der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auszulegen. Zu der mit Art. 15 Buchstabe b) EU-Qualifikationsrichtlinie wörtlich übereinstimmenden Vorgängervorschrift des Art. 15 Buchstabe b) der Richtlinie 2004/83/EG – Qualifikationsrichtlinie 2004 – (ABl. L 304 S. 12), hat der EuGH entschieden, dass die Vorschrift im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK auszulegen ist, dem sie im Wesentlichen entspricht (EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – C-542/13 [M'Bodj] –, juris Rn. 38).
- 73
Die Rechtsprechung des EGMR sieht eine Behandlung als unmenschlich an, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht hat. Erniedrigend ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt und geeignet ist, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen. In beiden Fällen muss die Misshandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um unter Art. 3 EMRK zu fallen. Die Beurteilung dieses Mindestmaßes ist relativ und hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab, wie die Dauer der Behandlung und ihre physischen und psychischen Wirkungen und manchmal das Geschlecht, das Alter und der Gesundheitszustand des Opfers (EGMR, Urteil vom 22. März 2018 – 68125/14 [Wetjen u.a./ Deutschland] –, juris Rn. 73; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 [M.S.S./Belgien und Griechenland] –, NVwZ 2011, 413 [414], Rn. 219 f. m.w.N.; EGMR, Urteil vom 11. Juli 2006 – 54810/00 [Jalloh/Deutschland] –, NJW 2006, 3117 [3119], Rn. 68; siehe auch BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, juris Rn. 22 ff. m.w.N.).
- 74
Im Rahmen des subsidiären Schutzes gilt für die Beurteilung der Frage, ob ein ernsthafter Schaden droht, ebenfalls der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, welcher aus den Worten „... tatsächlich Gefahr liefe ..." des Art. 2f EU-Qualifikationsrichtlinie abzuleiten ist. Er orientiert sich an der Rechtsprechung des EGMR, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt (BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 13.10 –, juris Rn. 20).
- 75
Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der der Prognose zugrunde zu legen ist, gilt unabhängig davon, ob der Betroffene bereits vor seiner Ausreise einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlitten hat. Ein solcher Umstand stellt aber einen ernsthaften Hinweis darauf dar, dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies folgt aus der Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 EU-Qualifikationsrichtlinie.
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Ausgehend von diesen Maßstäben gelangt der Senat nicht zu der Überzeugung, dass der Kläger Bedrohungen der vorbeschriebenen Art mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hätte.
- 77
(1) Sein Vorbringen zu der Bedrohung durch die Taliban kann ihm schon nicht geglaubt werden, wie oben unter 1. bereits ausgeführt wurde.
- 78
(2) Die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt auch nicht unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der schlechten humanitären Situation in Afghanistan in Betracht. Die allgemeine Befürchtung, bei einer Rückkehr nach Afghanistan könnte der Kläger keine ausreichende Lebensgrundlage für sich vorfinden, weshalb eine Rückführung in sein Heimatland als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anzusehen wäre, bleibt bei der Frage der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus außer Betracht. Nach der Rechtsprechung des EGMR findet Art. 3 EMRK vorrangig Anwendung, um eine Ausweisung oder Abschiebung zu verhindern, wo die Gefahr einer Misshandlung durch gezieltes Handeln staatlicher Behörden im Aufnahmeland besteht oder durch organisierte nichtstaatliche Gruppen, wenn Staaten nicht in der Lage sind, den Betroffenen ausreichend zu schützen. Die Gefahr verbotener Behandlung im Aufnahmeland kann sich nur in besonderen Ausnahmefällen, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen eine Ausweisung sprechen, ausnahmsweise auch aus Umständen ergeben, für die die Behörden oder Gerichte des Landes weder direkt noch indirekt verantwortlich sind oder die für sich allein Art. 3 EMRK nicht verletzen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 – 26565/05 [N./ Vereinigtes Königreich] –, NVwZ 2008, 1334 [1335], Rn. 31 f.). Darüber hinaus muss die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Akteuren (vgl. Art. 6 EU-Qualifikationsrichtlinie) verursacht sein (EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 – C-542/13 [M'Bodj] –, juris Rn. 35). Insoweit verweist § 4 Abs. 3 AsylG auf § 3c AsylG. Erforderlich ist ein zielgerichtetes Handeln bzw. Unterlassen eines Akteurs, das die schlechte humanitäre Lage hervorruft oder erheblich verstärkt (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2019 – 1 B 2.19 –, juris Rn. 13).
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Die schlechte Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung und die schlechte wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans, die dort herrschenden Umweltbedingungen (insbesondere die schwierigen klimatischen Bedingungen wie die im Jahre 2018 herrschende Dürre oder die derzeitige Corona-Pandemie) sowie die unzureichende Sicherheitslage beruhen auf der allgemeinen instabilen Lage des seit Jahrzehnten von gewaltsamen Auseinandersetzungen geprägten Landes. Das Vertrauen von Investoren und Verbrauchern in Afghanistan ist niedrig. Ursache hierfür sind die schwierige Sicherheitslage sowie die vorherrschende Korruption und Unzuverlässigkeit des staatlichen Verwaltungsapparates (Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan vom 2. September 2019, S. 28; Urteil des Senats vom 22. Januar 2020 – 13 A 11356/19.OVG –, juris Rn. 62 m.w.N.). Es ist nicht ersichtlich, dass von in Betracht kommenden Akteuren ein wesentlicher Beitrag an der gegenwärtigen Situation erbracht wird. Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen werden die bestehenden allgemeinen Lebensumstände auch nicht gezielt herbeigeführt (vgl. im Ergebnis wie hier: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 –, juris Rn. 73).
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c) Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen ebenfalls nicht vor.
- 81
Nach dieser Vorschrift ist subsidiärer Schutz zuzuerkennen, wenn der Ausländer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden in Gestalt einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht.
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Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist (EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 – C-285/12 [Diakité] –, juris Rn. 35.). In Afghanistan liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor, auch wenn Truppen der Vereinigten Staaten von Amerika und anderer NATO-Staaten an dem Konflikt beteiligt sind. Denn diese Streitkräfte unterstützen die nationalen Sicherheitskräfte Afghanistans, die innere Sicherheit des Landes herzustellen und zu erhalten und stehen zu ihnen nicht in einem Konfliktverhältnis.
- 83
Das geografische Ausmaß willkürlicher Gewalt bei diesem Konflikt muss so groß sein, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region ungeachtet ihrer Identität allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region einer Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit ausgesetzt wäre (EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 – C-285/12 [Diakité] –, juris Rn. 30; EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – C-465/07 [Elgafaji] –, juris Rn. 35, 43).
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Da nach dem 26. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie 2004 als auch dem 35. Erwägungsgrund der EU-Qualifikationsrichtlinie Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, muss es sich um eine außergewöhnliche Situation mit Ausnahmecharakter handeln (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – C-465/07 [Elgafaji] –, juris Rn. 37, 38). Während sich die in Art. 15 Buchstaben a) und b) EU-Qualifikationsrichtlinie aufgeführten Gefahren auf Schäden ganz bestimmter Art beziehen, meint der in Art. 15 Buchstabe c) EU-Qualifikationsrichtlinie definierte Schaden, da er in einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit bestehen muss, eine Schadensgefahr allgemeinerer Art (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 – C-465/07 [Elgafaji] –, juris Rn. 32 f.). Diese Betrachtung führt zugleich dazu, dass die Anforderungen an einen Akteur i. S. von Art. 6 EU-Qualifikationsrichtlinie (entspricht § 3c AsylG) weniger streng sind als bei den anderen beiden Alternativen: Es genügt das Vorhandensein von Akteuren im Zielgebiet, von denen zielgerichtete Handlungen ausgehen, ohne dass feststehen muss, durch wen sich die Gefahr im Einzelfall verwirklichen könnte. Anders als bei Art. 15 Buchstaben a) und b) EU-Qualifikationsrichtlinie, der § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG entspricht, sind im Falle des Art. 15 Buchstabe c) EU-Qualifikationsrichtlinie, der § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG entspricht, insbesondere die Taliban- und Daesh/ ISKP-Kämpfer nichtstaatliche Akteure i. S. von § 3c Nr. 3 AsylG und die staatlichen Sicherheitsdienste Akteure i. S. von § 3c Nr. 1 AsylG.
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Bei den Parteien eines bewaffneten innerstaatlichen Konfliktes muss nicht derselbe Organisationsgrad bestehen wie ihn das humanitäre Völkerrecht, insbesondere nach den Genfer Konventionen, voraussetzt. Es genügt vielmehr, dass bei einer Gesamtwürdigung der Umstände die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 4.09 –, juris Rn. 23). Das ist bei den Taliban- und Daesh/ISKP-Kämpfern durch die andauernde Verübung von Sprengstoffanschlägen und bewaffneten Überfällen der Fall.
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Das Erfordernis einer Gefahr allgemeinerer Art schließt es nicht aus, dass in der Person des Schutzsuchenden gefahrerhöhende Umstände vorliegen, die aus der allgemein bestehenden Gefährdung hervortreten und vermuten lassen, dass der Schutzsuchende eher zum Opfer willkürlicher Gewalt wird als die übrige Bevölkerung (EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 – C-285/12 [Diakité] –, juris Rn. 31, und Urteil vom 17. Februar 2009 – C-465/07 [Elgafaji] –, juris Rn. 39, 43). Solche Umstände können sich aus der Zugehörigkeit zu den afghanischen Sicherheitsdiensten (Regierungsbediensteter, Polizei- oder Militärangehöriger) ergeben oder bei Personen vorliegen, die solche Einrichtungen regelmäßig durch Warenlieferungen und Leistungen unterstützen. Als gefahrerhöhendes Moment kann auch die Tätigkeit als Arzt oder Journalist anzusehen sein, da dieser Personenkreis sich von Berufs wegen besonders häufig im Bereich von Gefahrenquellen aufhalten muss. Gefahrerhöhend kann schließlich auch die Zugehörigkeit zu einer gefährdeten religiösen oder ethnischen Minderheit sein (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 13.10 –, juris Rn. 18).
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Derartige gefahrerhöhende Umstände sind beim Kläger nicht ersichtlich. In seinem Heimatland ist der Kläger bisher keiner Berufstätigkeit nachgegangen, welcher ein erhöhtes Risiko zuzuordnen wäre (Ärzte, Journalisten, Regierungsmitarbeiter etc.). Er ist auch nicht Angehöriger einer gefährdeten religiösen oder ethnischen Minderheit, wie oben bereits dargelegt. Soweit der Kläger der Minderheit der Schiiten angehört, führt dies nicht dazu, ihn als besonders vulnerabel anzusehen. So gehört Kabul, wie bereits ausgeführt, zum Siedlungsgebiet der Tadschiken und von Schiiten (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, a.a.O., S. 46ff., S. 275 ff, S. 283 ff.).
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Bei der Prüfung, ob das geografische Ausmaß willkürlicher Gewalt bei diesem Konflikt so groß ist, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region ungeachtet ihrer Identität allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region einer Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit ausgesetzt wäre, bedarf es neben einer quantitativen Betrachtung des Gefährdungsgrads, nämlich der Ermittlung der Verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl, auch einer qualitativen Gesamtbetrachtung (BVerwG, Urteile vom 17. November 2011 – 10 C 13.10 –, juris Rn. 23, und vom 13. Februar 2014 – 10 C 6.13 –, juris Rn. 24).
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Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Urteilen vom 17. November 2011 – 10 C 13.10 –, juris Rn. 22, und – 10 C 11.10 –, juris Rn. 20 – bezogen auf die Zahl ziviler Opfer willkürlicher Gewalt eines Jahres – ein Risiko von 1 : 800 (entspricht 0,125 %) bzw. 1 : 1.000 (entspricht 0,1 %) verletzt oder getötet zu werden, als weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt angesehen.
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In die qualitative Gesamtbetrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (BVerwG, Urteil vom 17. November 2011– 10 C 13.10 –, juris Rn. 23).
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Maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG ist die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren wird. Der Begriff des „tatsächlichen Zielortes der Rückkehr“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 17. Februar 2009 – C-465/07 [Elgafaji] –, juris Rn. 40, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, juris Rn. 13 f.) ist kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist.
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Da § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vor den Gefahren eines nicht notwendig landesweiten bewaffneten Konflikts im Heimatstaat schützt, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat. Auch eine nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z. B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage) ändert nichts daran, dass diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz behält. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aus. (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, juris Rn. 14).
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(1) Ausgehend von den Angaben des Klägers, seine Familie sei aus L… weggezogen und halte sich in der Hauptstadt Kabul auf, ist für die Beurteilung des Anspruchs auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG auf die Verhältnisse in Kabul abzustellen. Das dort vorherrschende Ausmaß an Gewalt genügt eindeutig nicht, um eine tatsächliche Gefahr des Erleidens eines ernsthaften Schadens anzunehmen. Im Hinblick auf die Stadt Kabul hat der Senat im Urteil vom 22. Januar 2020 – 13 A 11356/19.OVG – (juris Rn. 63 ff.) im Einzelnen dargelegt, dass für die Stadt Kabul weder die vom Bundesverwaltungsgericht (in den Urteilen vom 17. November 2011, a.a.O.) umschriebene quantitative Schwelle für eine nähere Überprüfung auch nur annähernd erreicht oder gar überschritten wäre, noch, dass eine Gesamtwürdigung der Verhältnisse die Feststellung erlaubt, dass das entsprechend hohe Schädigungsniveau dort vorhanden ist. Auf diese Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Auch für die Zeit nach Ergehen des vorgenannten Urteils vom 22. Januar 2020 (a.a.O.) bis zur mündlichen Verhandlung in dem vorliegenden Verfahren hat es grundlegende Änderungen oder eine beachtliche Verschlechterung der Verhältnisse in Afghanistan allgemein und insbesondere in Kabul nicht ergeben.
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Der BayVGH führt in seinem Urteil vom 1. Oktober 2020 – 13a B 20.31004 – (juris Rn. 26 ff.) zu den Verhältnissen in Kabul und Afghanistan im Allgemeinen für die Zeit bis zum 1. Oktober 2020 aus:
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„Unter Bezugnahme auf UNAMA-Angaben führt der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amts (Lagebericht Afghanistan v. 16.7.2020, S. 17 ff. – Lagebericht 2020) aus, dass 2019 die geringsten Opferzahlen seit 2013 zu verzeichnen seien. In ganz Afghanistan habe es 10.392 zivile Opfer (6.989 Verletzte und 3.403 Tote) gegeben, was einem Minus von 5 % im Vergleich zu 2018 entspreche. Einer erhöhten Gefährdung seien diejenigen ausgesetzt, die öffentlich gegen die Taliban Position bezögen, wie zum Beispiel Journalisten und Menschenrechtsverteidiger, oder die in ihrer Lebensweise erkennbar von ihrer islamistischen Ideologie abweichen, wie zum Beispiel Konvertiten, Angehörige sexueller Minderheiten oder berufstätige Frauen (siehe hierzu auch UNAMA, Afghanistan Midyear Report, Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 30 June 2020 v. 27.7.2020 – UNAMA Midyear Report 2020 – S. 10: religiöse Führer, Personal im Gesundheitswesen, zivile Aktivisten, Personal von NGO’s, Journalisten). Die Taliban und andere bewaffnete regierungsfeindliche Gruppen agierten seit dem Abzug des Großteils der internationalen Truppen zum Jahreswechsel 2014/15 mit größerer Bewegungsfreiheit. Sie versuchten, den Einfluss in ihren Kernräumen – paschtunisch geprägten ländlichen Gebieten, vornehmlich in den Provinzen Helmand, Kandahar, Uruzgan und zunehmend auch Farah im Westen und Süden sowie Kunduz, Balkh und Faryab im Norden – zu konsolidieren und auszuweiten. Auch wenn aktuelle belastbare Zahlen zur genauen Anzahl der Distrikte nicht vorlägen, sei davon auszugehen, dass die Taliban in zahlreichen Distrikten die alleinige Kontrolle oder trotz fortdauernder Präsenz von staatlichen Sicherheitskräften und Verwaltungsstrukturen zumindest zeitweilig Einfluss ausüben. Es gelinge ihnen immer wieder, teils auch für längere Zeiträume, wichtige Überlandstraßen zu blockieren. Allerdings habe auch die Fähigkeit der afghanischen Streitkräfte zur Durchführung eigenständiger offensiver Operationen zugenommen.
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Laut dem UNHCR habe sich die Sicherheitslage in Afghanistan in den letzten Monaten weiter verschlechtert; auch Kabul sei inzwischen hochgefährlich. Die Taliban hätten dramatisch wieder an Boden gewonnen, es gebe Terroranschläge und ständige Menschenrechtsverletzungen (siehe zum Ganzen: UNHCR v. 11.6.2019, UNHCR warnt vor umfassenden Abschiebungen nach Afghanistan). Auch laut einer aktuellen Einschätzung des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl – BFA – bleibe die Sicherheitslage in Afghanistan volatil (BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan v. 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 21.7.2020, S. 33 ff.). Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO, Afghanistan Security Situation, 1.6.2019, S. 21) weist in seinem aktuellen Bericht darauf hin, dass sich laut UNAMA im Jahr 2018 die Kämpfe besonders im Osten, Südosten und in einigen südlichen Bereichen Afghanistans intensiviert hätten. Die Taliban hätten die Kontrolle über einige dünn besiedelte Gebiete erlangt und ihre Positionen in Gebieten, in denen es seit Jahren keine Kampfhandlungen gegeben habe, ausgebaut. Human Rights Watch habe festgestellt, dass durch die willkürliche Anwendung von Gewalt seitens der Taliban hunderte von Zivilisten getötet und verletzt worden seien. Auch das Austrian Center for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD, Überblick über die Sicherheitslage v. 27.11.2019; Sicherheitslage und sozioökonomische Lage in Herat und Mazar-e-Scharif v. 26.11.2019) dokumentiert diverse Berichte über sicherheitsrelevante Vorfälle sowie staatliche und nicht-staatliche Akteure in den Jahren 2018/19.
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Trotz dieser besorgniserregenden Entwicklung ist die für eine Verletzung von Art. 3 EMRK erforderliche Gefahrendichte in Afghanistan jedoch grundsätzlich weiterhin nicht gegeben. Die im UNAMA-Jahresbericht 2019 vom 22. Februar 2020 (UNAMA, Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2019) ausgewiesenen zivilen Opferzahlen für das Jahr 2019 sind im Vergleich zum Vorjahr 2018 um 5 % zurückgegangen und befinden sich auf dem niedrigsten Stand seit 2013. Bei einer Gesamtzahl konfliktbedingter ziviler Opfer im Jahr 2019 von 10.392 (3.403 Todesopfer; 6.989 Verletzte) und einer zugunsten des Klägers konservativ geschätzten Einwohnerzahl Afghanistans von nur etwa 27 Mio. Menschen (Auswärtiges Amt, a.a.O., S. 20; die National Statistics and Information Authority Afghanistan – NSIA – geht für 2019/20 sogar von 32,2 Mio. Einwohnern Afghanistans aus) ergibt sich hieraus ein konfliktbedingtes Schädigungsrisiko von 1 : 2.598. Auch wenn man die Provinz Kabul zugrunde legt, für die UNAMA im Jahr 2019 die höchste absolute Zahl an zivilen Opfern registriert hat (1.563 zivile Opfer; UNAMA, S. 94), ergibt sich bei einer geschätzten Bevölkerungszahl der Provinz von 5.029.850 Menschen (BFA, S. 46) ein Schädigungsrisiko von 1 : 3.218. Beide Werte sind jedoch derart weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass auch bei wertender Gesamtbetrachtung nicht von einer in Afghanistan oder Teilen hiervon aufgrund der Sicherheitslage jeder Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit tatsächlich drohenden, Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgegangen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454 – juris Rn. 22 f. zu einem Schädigungsrisiko von 1:800). Ein sich in diesem Bereich bewegender Gefahrengrad vermag auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Dunkelziffer bzw. Untererfassung der zivilen Opfer noch nicht die Annahme einer Situation außergewöhnlicher allgemeiner Gewalt zu begründen (vgl. HessVGH, U.v. 27.9.2019 – 7 A 1923/14.A – juris Rn. 117 m.w.N.; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 – 9 LB 93/18 – juris Rn. 63). Aus dem UNAMA Midyear Report 2020 ergibt sich nichts anderes. Hiernach sind die zivilen Opferzahlen mit insgesamt 3.458 Getöteten und Verletzten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar um 13 % zurückgegangen und haben den niedrigsten Stand für das erste Halbjahr seit 2012 erreicht. Bei einer proportionalen Hochrechnung dieser Opferzahlen für 2020 insgesamt (6.916 zivile Opfer) und einer konservativ geschätzten Einwohnerzahl Afghanistans von nur etwa 27 Mio. Menschen ergibt sich hieraus ein konfliktbedingtes Schädigungsrisiko von 1 : 3.904.“
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Diese Ausführungen stimmen mit den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln überein. Auch die bis zur mündlichen Verhandlung noch hinzugetretenen Erkenntnismittel lassen nicht erkennen, dass für den Kläger, der keine gefahrerhöhenden Umstände in seiner Person aufweist, die ihn prognostisch in besonderem Maße zum Opfer willkürlicher Gewalt werden lässt, und zudem bei seiner Familie nach einer Rückkehr ein Obdach und Unterstützung finden kann, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden droht. Dies gilt auch für die fortdauernden Kämpfe im Oktober und November 2020 sowie für die Raketenangriffe auf Kabul vom 21. November 2020 (10 Tote und 51 Verletzte) und die Magnetbombe vom 22. November 2020 (4 Verletzte), für die jeweils keine Gruppierung die Verantwortung übernehmen wollte (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 26. November 2020 zu Afghanistan). Die individuelle Gefährdung für den Kläger dürfte im Hinblick auf die in seinem Falle anzunehmenden Besonderheiten sogar geringer sein als bei anderen Rückkehrern. So kann er bei seiner Familie oder zumindest seiner Großfamilie in Kabul eine dauerhafte Unterkunft und Hilfe erhalten, wobei ihm ein Wohnen bei seinen Eltern bzw. seiner Ehefrau zuzumuten ist. Er ist damit nicht wie andere Rückkehrer darauf angewiesen, in Teehäusern oder ähnlichen Unterkünften zu übernachten und allein für Unterhalt und Verpflegung zu sorgen.
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(2) Selbst, wenn – entgegen der Auffassung des Senats – hier noch für den Kläger auf die Provinz L… abzustellen wäre, stünde dem Kläger unabhängig davon, dass auch in L… die oben dargelegte Schwelle der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei weitem nicht erreicht wird (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, a.a.O., S. 155 f.), in Kabul eine inländische Schutzalternative nach § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG zur Verfügung. Wie oben bereits ausgeführt, hat der Kläger dargelegt, dass seine ganze Familie nach Kabul gezogen ist und dort auch Wohnraum gefunden hat. Auch Teile seiner Großfamilie leben dort, wie der Kläger im Hinblick auf die vorgelegten Überweisungen berichtet hat. Er wird dort aufgenommen und es ist im Hinblick auf die gegenüber anderen Rückkehrern nach Kabul erheblich bessere Startsituation ihm auch zumutbar, sich dort niederzulassen.
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Zur Zumutbarkeit der Wohnsitznahme in Kabul ist insoweit hinsichtlich seiner finanziellen Lage anzumerken, sofern der Kläger tatsächlich in dem im Schriftsatz vom 5. Oktober 2020 dargelegten Umfang Geldleistungen nach Kabul gesandt hat, der Vater zwischenzeitlich längst schuldenfrei sein dürfte, da schon die nachgewiesen in 2019 und 2020 übersandten Geldbeträge die genannte Fluchtsumme von 10.000,- US-$ bei weitem übersteigen. Zudem dürfte anzunehmen sein, dass der Kläger – da ihm die geltend gemachte Verfolgung nicht geglaubt werden kann (s.o. unter 1.) – auch mit erheblich längerer Planung und erheblich längerem Aufenthalt bei in Kabul ansässigen Verwandten ins Ausland hat reisen können und damit die Angabe, der Vater habe hierfür kurzfristig erhebliche Schulden aufnehmen müssen, zu relativieren sein dürfte. Danach dürfte der der Familie einen Grundstock an Vermögen der Familie zugesandt haben. Im Hinblick auf die frühere Tätigkeit des Vaters im Einzelhandel und das anzunehmende Alter der Brüder dürfte auch von dieser Seite ein Einkommen zu erwarten sein, wobei der Vater als guter Kaufmann sicherlich nicht auf eine Tätigkeit als Tagelöhner angewiesen sein dürfte. Zudem kann der Kläger bei dem derzeitigen Verdienst auch ein finanzielles Polster mit nach Afghanistan nehmen und so die Startchancen erheblich verbessen. Danach ist der Kläger voraussichtlich in erheblich geringerem Maße darauf angewiesen, zukünftig allein auf den Tagelöhner-Märkten ein Einkommen zu suchen. Damit wird er auch nicht in gleichem Umfang wie andere Rückkehrer den damit verbundenen Gefährdungen in der Öffentlichkeit ausgesetzt sein. Darüber hinaus kann er Rückkehr- und Reintegrationshilfen in Anspruch nehmen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan vom 16. Juli 2020, S. 24; Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, a.a.O., S. 291 ff., S. 353 ff.; vgl. auch https://www.returningfromgermany.de/ mit Hinweisen auch zu den Programmen und Informationen der IOM – Internationale Organisation für Migration, s.a. https://www.germany.iom.int/), um seine Startchancen zu verbessern.
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Nach alledem ist zu erwarten, dass der Kläger – zusammen mit seiner Familie – seine Existenz in Kabul sichern kann.
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e) Letztlich war das Verfahren auch nicht im Hinblick auf die Vorlagebeschlüsse des VGH Baden-Württemberg vom 29. November 2019 – A 11 S 2374/19 – und– A 11 S 2375/19 – (juris) auszusetzen, da die dort dem Europäischen Gerichtshof vorgelegten Fragen sich nach dem Inhalt und der Genese des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nur dann stellen, wenn bei einer wertenden Gesamtbetrachtung für den Ort der Rückkehr schon die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. § 3 EMRK vorliegen würden (zur inhaltlichen Deckung der Vorschriften im Hinblick auf § 3 EMRK vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2020 – 1 C 11/19 –, juris Rn. 13 f., und Beschluss vom 13. Februar 2019 – 1 B 2/19 –, juris Rn. 6 m.w.N.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 13. Oktober 2020 – 13 A 11249/19.OVG – und – 13 A 11269/19.OVG –, juris), und insbesondere eine inländische Schutzalternative im Einzelfall nicht zumutbar wäre (vgl. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG). Wie nachfolgend unter 3. ausgeführt wird, liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. § 3 EMRK nicht vor. Danach wäre auch bei wertender Gesamtbetrachtung, wie sie vom VGH Baden-Württemberg in den Beiden Beschlüssen vom 29. November 2019 (a.a.O.) präferiert wird, im Falle des Klägers nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG auszugehen.
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3. Die Voraussetzungen für die Feststellung von Abschiebungsverboten im Sinne von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – liegen nicht vor.
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a) Dem Kläger steht kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu.
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(1) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK – ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist anzunehmen, wenn erhebliche Gründe für die Annahme sprechen, dass der Betroffene im vorgesehenen Zielgebiet der Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit tatsächlich Gefahr läuft („real risk“), einer Behandlung ausgesetzt zu sein, die dem in Art. 3 EMRK normierten menschenrechtlichen Mindeststandard widerspricht (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2000 – 9 C 34.99 –, juris Rn. 11). Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
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Dabei erfasst der Begriff der unmenschlichen Behandlung die vorsätzliche und anhaltende Verursachung körperlicher Verletzungen oder physischen oder psychischen Leids. Eine erniedrigende Behandlung zielt in erster Linie auf die Demütigung einer Person. Auch eine prekäre Sicherheitslage oder schlechte humanitäre Verhältnisse können eine der Regelung des Art. 3 EMRK widersprechende „Behandlung" darstellen. Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn eine allgemeine Situation der Gewalt gegeben ist, die durch ein Vorgehen staatlicher Organe oder durch Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts verursacht werden und der Staat seiner Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bietet. Entsprechendes gilt, wenn durch ein solches Verhalten schwierige humanitäre Verhältnisse geschaffen werden (vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 27. September 2019 – 7 A 1637/14.A –, juris Rn. 77).
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Zu den grundlegenden speziellen Menschenrechtsgarantien, die im Einzelfall ein Abschiebungsverbot begründen können, gehören das Recht auf Leben (Art. 2 EMRK) und der Kernbereich des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK), der besonders bei drohender Todesstrafe betroffen ist. Auch der unveräußerliche Kern der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 9 EMRK), der für die personale Würde und Entfaltung eines jeden Menschen unverzichtbar ist, kann einer Abschiebung entgegenstehen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Juni 2019 – 13 A 3741/18.A –, juris Rn. 49 ff. m.w.N.).
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(2) Insbesondere führen die schlechten allgemeinen Lebensverhältnisse in Afghanistan nicht zu einem Abschiebungsverbot.
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In ganz außergewöhnlichen Fällen können schlechte allgemeine Lebensverhältnisse in einem Land oder in einem Landesteil dazu führen, dass eine vorgesehene Abschiebung mit § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK unvereinbar ist, selbst wenn es an einem – ansonsten auch in Rahmen des Art. 3 EMRK erforderlichen – maßgeblich verantwortlichen Akteur fehlt (BVerwG, Beschluss vom 23. August 2018 – 1 B 42.18 –, juris Rn. 9, und Urteil vom 13. Juni 2013 – 10 C 13.12 –, juris Rn. 25). Ein solch außergewöhnlicher Fall kann nur dann angenommen werden, wenn ein sehr hohes Schädigungsniveau für Leib oder Leben gegeben ist. Nur dann stehen humanitäre Gründe ausnahmsweise einer Abschiebung zwingend entgegen (EGMR, Urteile vom 28. Juni 2011 – 8319/07 [Sufi und Elmi / Vereinigtes Königreich] –, Rn. 278 und vom 13. Oktober 2011 – 10611/09 [Husseini / S.] –, Rn. 84, 94; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, juris Rn. 25; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 –, juris Rn. 181).
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Es ist zwar keine extreme Gefahr wie im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Voraussetzung. Die im Zielstaat drohenden Gefahren müssen aber eine besondere Intensität aufweisen. Dies erfordert, dass die Sicherheitslage im Zielstaat durch eine extreme allgemeine Gewalt geprägt ist, die durch die Vielzahl der Kampfhandlungen, Anschläge oder sonstigen Gewaltakte sowie durch deren schwerwiegende Folgen geschaffen wird. Sie kann auch dann gegeben sein, wenn im Zielstaat der Betroffene seinen existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden und keinen Zugang zu einer lebensnotwendigen medizinischen Behandlung erhalten kann (Bayerischer VGH, Urteil vom 8. November 2018 – 13a B 17.31918 –, juris Rn. 20). Die Gefahr muss nach Rückkehr auch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (BVerwG, Beschluss vom 17. April 2008 – 10 B 28.08 –, juris Rn. 6; Sächsisches OVG, Urteil vom 3. Juli 2018 – 1 A 215/18.A –, juris Rn. 28). Bei der Prüfung, ob solche außergewöhnlichen Umstände vorliegen, die weder in die unmittelbare Verantwortung des Zielstaats noch in die Verantwortung nichtstaatlicher Akteure fallen, ist grundsätzlich auf das gesamte Staatsgebiet abzustellen. Dabei ist zunächst in den Blick zu nehmen, ob eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung an dem Ort droht, an dem die beabsichtigte Abschiebung enden soll. Sofern der Kläger vor seiner Ausreise aus seinem Heimatland nicht an diesem Zielort gelebt hat, sind des Weiteren die landesweiten Verhältnisse und die Situation in der Herkunftsregion des Klägers, in die er voraussichtlich zurückkehren wird, maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 –, juris Rn. 26; Bayerischer VGH, Beschluss vom 5. Dezember 2018 – 5 ZB 18.33041 –, juris Rn. 19; Sächsisches OVG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – 5 A 51/16.A –, juris Rn. 44, 46, VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17-, juris Rn. 200, 204).
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Für die Prognose des dargestellten hohen Schädigungsniveaus für den jeweiligen Kläger ist zum einen erforderlich, dass sich im maßgeblichen Gebiet für eine Gruppe von Personen bereits eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende „Behandlung" durch die allgemeinen Lebensverhältnisse feststellen lässt. Zum anderen muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass der betroffene Kläger mit diesen Personen die Merkmale teilt, die für die Umstände maßgeblich sind, die zu einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung führen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 –, juris Rn. 199).
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Im Falle des Klägers gelten für die von ihm begehrte Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK die vorstehend genannten hohen Anforderungen. Denn die schwierigen allgemeinen Lebensverhältnisse in Afghanistan können – wie oben bereits ausgeführt – keinem bestimmten Akteur zugeordnet werden. Sie beruhen vielmehr auf einer Vielzahl von Faktoren. Hierzu zählt zum einen die instabile Sicherheitslage, die durch eine Vielzahl von Anschlägen geprägt ist. Zum anderen wirkt sich auf das tägliche Leben die schlechte allgemeine wirtschaftliche Lage aus. Daraus folgen eine schwierige Versorgungslage in Bezug auf Wohnraum, Lebensmittel, Trinkwasser, sanitäre Einrichtungen und medizinische Basisbehandlungen sowie begrenzte Möglichkeiten, durch Arbeit das eigene Auskommen zu sichern (EGMR, Urteil vom 29. Januar 2013 – 60367/10 [S.H.H. / Vereinigtes Königreich] –, Rn. 89; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 –, juris Rn. 174, 199).
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Maßgeblich für die Beurteilung sind in erster Linie die Verhältnisse in der Hauptstadt Kabul. Die Stadt Kabul ist der voraussichtliche Zielort einer Abschiebung und dort lebt auch seine Familie (Eltern, zwei Brüder, Ehefrau und – nach Angaben des Klägers – zwei Kinder). Allerdings sind auch die landesweiten Verhältnisse ergänzend in den Blick zu nehmen, soweit sie Auswirkungen auf die Lebensbedingungen in der Stadt Kabul haben.
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(3) Hiervon ausgehend hat der Grad willkürlicher Gewalt durch den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan kein so hohes Niveau erreicht, dass für jede dorthin zurückkehrende Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit insbesondere in Kabul eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit besteht. Von dieser Lage einer jedenfalls nicht landesweit bestehenden Bedrohung geht die obergerichtliche Rechtsprechung in Deutschland aus (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 29. Januar 2019 – 9 LB 93/18 –, juris Rn. 57 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 29. Oktober 2019 – A 11 S 1203/19 –, juris Rn. 33 ff., vom 12. Dezember 2018 – A 11 S 1923/17 –, juris Rn. 225 ff., und vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 –, juris Rn. 302 ff.; Bayerischer VGH, Urteil vom 8. November 2018 – 13a B 17.31960 –, juris Rn. 43 ff., Hessischer VGH, Urteile vom 23. August 2019 – 7 A 2750/15.A –, juris Rn. 50 ff., und 27. September 2019 – 7 A 1637/14.A – Rn. 65 ff., juris Rn. vom OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 18. Juni 2019 – 13 A 3741/18.A – und – 13 A 3930/18.A – juris, jeweils m.w.N.). Diese Einschätzung teilt auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (vgl. EGMR, Urteile vom 11. Juli 2017 – 46051/13 [S. M. A. ./. Niederlande] –, Rn. 53, – 41509/12 [Soleimankheel u.a. ./. Niederlande] –, Rn. 51, – 77691/11 [G. R. S. ./. Niederlande] –, Rn. 39, – Nr. 72586/11 [E. K. ./. Niederlande] –, Rn. 67, – 43538/11 und 63104/11 [E. P. und A. R. ./. Niederlande] –, Rn. 80, vom 16. Mai 2017 – 15993/09 [M. M. ./. Niederlande] –, Rn. 120, vom 5. Juli 2016 – 29094/09 [A. M. ./. Niederlande] –, Rn. 87, vom 12. Januar 2016 – 13442/08 [A. G. R. ./. Niederlande] –, Rn. 59, und vom 9. April 2013 – 70073/10 und 44539/11 [H. und B. ./. Vereinigtes Königreich] –, Rn. 92 f.). Diese Bewertung teilt der Senat auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen, auf die er die Beteiligten hingewiesen und die er zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Urteilsfindung gemacht hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird dabei zunächst auf das Urteil des Senats vom 22. Januar 2020 – 13 A 11356/19.OVG – (juris Rn. 63 ff.) verwiesen.
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Hinsichtlich der humanitären Verhältnisse in Afghanistan wird ebenfalls zunächst auf das Urteil des Senats vom 22. Januar 2020 (a.a.O.) verwiesen.
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(4) Eine grundlegende Änderung oder beachtliche Verschlechterung der Verhältnisse in Afghanistan allgemein und insbesondere in Kabul hat sich auch in der Zwischenzeit bis zur mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren nicht ergeben. Der Senat schließt sich auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse auch in Anbetracht des Vorbringens des Klägers den Ausführungen des BayVGH zur humanitären und wirtschaftlichen Lage in dessen Urteil vom 1. Oktober 2020 – 13a B 20.31004 –, (juris Rn. 32 ff.) an:
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„Auch aus der aktuellen humanitären bzw. wirtschaftlichen Lage in Afghanistan ergibt sich grundsätzlich kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Denn ein ganz außergewöhnlicher Fall, in dem (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen und daher die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind, ist weiter nicht gegeben.
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Dem aktuellen Lagebericht 2020 ist zu entnehmen, dass Afghanistan nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt sei. Auch die Weltbank prognostiziere einen weiteren Anstieg ihrer Rate von 55 % aus dem Jahr 2016, da das Wirtschaftswachstum durch die hohen Geburtenraten absorbiert werde. Zusätzlich belaste die Covid-19-Krise mit einhergehender wirtschaftlicher Rezession die privaten Haushalte stark. Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte gebe es vielerorts nur unzureichende Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport. Die Grundversorgung sei für große Teile der afghanischen Bevölkerung – insbesondere Rückkehrer – weiterhin eine tägliche Herausforderung. UNOCHA erwarte, dass 2020 bis zu 14 Millionen Menschen (2019: 6,3 Mio. Menschen) auf humanitäre Hilfe (u.a. Unterkunft, Nahrung, sauberes Trinkwasser und medizinische Versorgung) angewiesen sein würden. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen, verschärft durch die Dürre 2018, hätten dazu geführt, dass ca. zwei Mio. afghanische Kinder unter fünf Jahren als akut unterernährt gelten würden. Jedoch habe die afghanische Regierung 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Seit 2002 habe sich die medizinische Versorgung in Afghanistan stark verbessert, dennoch bleibe sie im regionalen Vergleich zurück. Die Zahlen der Rückkehrer aus dem Iran seien auf einem hohen Stand (2019: 485.000; 2018: 775.000), während ein deutliches Nachlassen an Rückkehrern aus Pakistan zu verzeichnen sei (2019: 19.900; 2018: 46.000). Für Rückkehrer leisteten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Das Fehlen sozialer oder familiärer Netzwerke könne Rückkehrern die Reintegration stark erschweren, da von diesen etwa der Zugang zum Arbeitsmarkt maßgeblich abhänge (siehe zum Ganzen: Lagebericht 2020, S. 22-25).
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Laut dem Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO, Country Guidance: Afghanistan, 1.6.2019, S. 132-135) vom 1. Juni 2019 habe die Dürre im Jahr 2018 mehr als zwei Drittel der afghanischen Bevölkerung betroffen; die Einkommen seien halbiert worden. Laut einem Hungersnotfrühwarnsystem sei die Versorgungslage in Kabul und Mazar-e-Sharif im Dezember 2018 angespannt gewesen. Herat sei in die Kategorie „Krise“ eingestuft worden. Der Hauptfaktor hinsichtlich des Zugangs zu Nahrungsmitteln sei die Fähigkeit einer Person, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten; dies könne bei Vertriebenen besonders schwierig sein. 72 % der afghanischen städtischen Bevölkerung lebe in Slums oder unzureichenden Unterkünften. Etwa 70 % der Bevölkerung Kabuls lebe in informellen Siedlungen. Die afghanischen Großstädte böten jedoch gerade für Alleinstehende die Option relativ billigen Wohnens in sog. „Teehäusern“. Unter Berufung auf eine Untersuchung der Zentralen Statistikbehörde Afghanistans (Afghanistan Living Conditions Survey – ALCS) wird ausgeführt, der Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Anlagen habe sich bedeutend verbessert. Jedoch bleibe der Zugang zu Trinkwasser für viele Afghanen ein Problem, die sanitären Anlagen seien weiterhin schlecht. Laut dem afghanischen Gesundheitsministerium hätten im April 2018 60 % der Bevölkerung Zugang zu medizinischer Versorgung gehabt. Nach ALCS habe 2016/17 die Arbeitslosenquote 23,9 % betragen, zu diesem Zeitpunkt hätten 54,5 % der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze gelebt. Für Rückkehrer sei das erweiterte familiäre Netzwerk überaus wichtig, um Zugang zu Arbeit und Unterkunft zu erhalten. Selbst mit einem solchen Netzwerk blieben jedoch unbegleitete Minderjährige, alleinstehende Frauen bzw. Haushalte mit Frauen als Haushaltsvorstand besonders vulnerabel. Viele Rückkehrer ohne familiäre Netzwerke würden sich in den Großstädten in der Annahme niederlassen, dass die Sicherheitslage und die Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu bestreiten, dort besser seien. Zum Teil würden nach Afghanistan abgeschobene Personen in der Anfangsphase auch Reintegrationshilfen erhalten. Angesichts der allgemeinen Lage sei es generell – vorbehaltlich individueller Umstände – zwar nicht unzumutbar, sich in den Großstädten Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif niederzulassen. In diesem Zusammenhang sei jedoch der Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk oder finanziellen Mitteln von besonderer Bedeutung.
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Ausweislich des Länderinformationsblatts Afghanistan des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 13. November 2019 (BFA, S. 328 ff.) sei Afghanistan nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt. Die Armutsrate habe sich auf 55 % (2016) verschlechtert. Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte gebe es vielerorts nur unzureichende Infrastruktur für Energie, Trinkwasser und Transport. Die afghanische Wirtschaft sei stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig und stütze sich hauptsächlich auf den informellen Sektor. Schätzungen zufolge seien 1,9 Mio. Afghanen arbeitslos, wobei Frauen und Jugendliche am meisten mit der Krise auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen hätten. Bei der Arbeitsplatzsuche spielten Fähigkeiten, die sich Rückkehrende im Ausland angeeignet haben, sowie persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Bei Arbeitslosigkeit werde lediglich beratende Unterstützung angeboten, zu der auch rückkehrende afghanische Staatsangehörige Zugang hätten. Rund 45 % oder 13 Mio. Menschen seien in Afghanistan von anhaltender oder vorübergehender Lebensmittelunsicherheit betroffen. Der Anteil an armen Menschen sei gestiegen. Das im Jahr 2016 ins Leben gerufene Citizens‘ Charter Afghanistan Projekt (CCAP) ziele darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu verbessern. Rückkehrer hätten zu Beginn meist positive Reintegrationserfahrungen, insbesondere durch die Wiedervereinigung mit der Familie, jedoch sei der Reintegrationsprozess oft durch einen schlechten psychosozialen Zustand charakterisiert. Neben der Familie kämen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basierten auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder beruflichen sowie politischen Netzwerken. Fehlten lokale Netzwerke oder sei der Zugang zu diesen erheblich eingeschränkt, könne dies die Reintegration stark erschweren. Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Rückkehrer erhielten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehrten, und internationalen Organisationen (z.B. IOM, UNHCR) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrende sähen bei der Reintegration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der „whole of community“ vor. Demnach sollten Unterstützungen nicht nur einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Regierung Afghanistans bemühe sich gemeinsam mit internationalen Unterstützern, Land an Rückkehrende zu vergeben. Mehrere Studien hätten jedoch Probleme bezüglich Korruption und fehlender Transparenz im Vergabeprozess gefunden. IOM biete im Bereich Rückkehr verschiedene Programme zur Unterstützung und Reintegration von Rückkehrern an.
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Nach den aktualisierten UNHCR-Richtlinien (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 30.8.2018, S. 36 f., 125 f.) sind die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau. Ende 2017 sei bezüglich 3,3 Mio. Afghanen ein akuter Bedarf an humanitärer Hilfe festgestellt worden; nunmehr kämen weitere 8,7 Mio. Afghanen hinzu, die langfristiger humanitärer Hilfe bedürften. Über 1,6 Mio. Kinder litten Berichten zufolge an akuter Mangelernährung, wobei die Kindersterblichkeitsrate mit 70 auf 1.000 Geburten zu den höchsten in der Welt zähle. Ferner habe sich der Anteil der Bevölkerung, die laut Berichten unterhalb der Armutsgrenze lebe, auf 55 % (2016/17) erhöht, von zuvor 33,7 % (2007/08) bzw. 38,3 % (2011/12). 1,9 Mio. Afghanen seien von ernsthafter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Geschätzte 45 % der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu Trinkwasser, 4,5 Mio. Menschen hätten keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung. In den nördlichen und westlichen Teilen Afghanistans herrsche die seit Jahrzehnten schlimmste Dürre, weshalb die Landwirtschaft als Folge des kumulativen Effekts jahrelanger geringer Niederschlagsmengen zusammenbreche. 54 % der Binnenvertriebenen (Internally Displaced Persons – IDPs) hielten sich in den Provinzhauptstädten Afghanistans auf, was den Druck auf die ohnehin überlasteten Dienstleistungen und Infrastruktur weiter erhöhe und die Konkurrenz um Ressourcen zwischen der Aufnahmegemeinschaft und den Neuankömmlingen verstärke; die bereits an ihre Grenze gelangten Aufnahmekapazitäten der Provinz- und Distriktszentren seien extrem belastet. Dies gelte gerade in der durch Rückkehrer und Flüchtlinge rapide wachsenden Hauptstadt Kabul (Anfang 2016: geschätzt 3 Mio. Einwohner). Flüchtlinge seien zu negativen Bewältigungsstrategien gezwungen wie etwa Kinderarbeit, früher Verheiratung sowie weniger und schlechtere Nahrung. Laut einer Erhebung aus 2016/17 lebten 72,4 % der städtischen Bevölkerung Afghanistans in Slums, informellen Siedlungen oder unzulänglichen Wohnverhältnissen. Im Januar 2017 sei berichtet worden, dass 55 % der Haushalte in den informellen Siedlungen Kabuls mit ungesicherter Nahrungsmittelversorgung konfrontiert gewesen seien.
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Auch laut einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH, Afghanistan: Gefährdungsprofile – Update, 12.9.2019, S. 20-23) werden Rückkehrer in der Regel de facto zu Binnenvertriebenen, da sie aufgrund der bewaffneten Konflikte und fehlender Netzwerke meist nicht in ihre afghanischen Herkunftsorte zurückkehren könnten. Rückkehrer wie Binnenvertriebene lebten meist in informellen Siedlungen und notdürftigen Unterkünften. Der Zugang zu Grunddienstleistungen sei für die gesamte afghanische Bevölkerung eingeschränkt, Rückkehrer und Binnenvertriebene seien jedoch noch stärker betroffen. So hätten rückkehrende Familien einen nur eingeschränkten Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen. Rückkehrer und Binnenvertriebene benötigen meist langfristige Unterstützung, um sich lokal integrieren zu können. Insbesondere alleinstehende Frauen, ältere Menschen, unbegleitete Minderjährige und andere verletzliche Personengruppen seien auf spezielle Unterstützung angewiesen. Der Mangel an Grunddienstleistungen wie Wasser, adäquate sanitäre Einrichtungen, Unterkunft und Lebensmittel beeinträchtige den Gesundheitszustand der Binnenvertriebenen und der Rückkehrer. Die Suche nach Unterkünften gehöre zu den absoluten Prioritäten sowohl der Binnenvertriebenen als auch der Rückkehrer. Durch die Dürre habe sich die Lage zusätzlich zugespitzt. Der Zugang zu Lebensmitteln und Wasser bilde in Kabul (geschätzte Einwohnerzahl: 3,5 – 5,5 Mio. Menschen) eine der größten Herausforderungen. Gemäß einer Studie von Oxfam seien die meisten Rückkehrer bezüglich Unterkunft und Unterstützung von ihren Verwandten abhängig. Die hohe Zahl an Rückkehrer und intern Vertriebenen verstärke die Nachfrage nach Dienstleistungen, sozialer Infrastruktur und beeinträchtige die Aufnahmefähigkeit des Landes.
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Auch die aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 gehen letztlich weiterhin (vgl. bereits UNHCR, Richtlinien v. 19.4.2016, S. 99) davon aus, dass alleinstehende leistungsfähige afghanische Männer sowie verheiratete Paare in erwerbsfähigem Alter als Rückkehrer grundsätzlich auch ohne ein Unterstützungsnetzwerk ihren zumutbaren Lebensunterhalt in Afghanistan sicherstellen könnten, soweit im Einzelfall keine besonderen Gefährdungsfaktoren gegeben seien. Diese Personen könnten unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung böten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stünden (siehe zum Ganzen: UNHCR, a.a.O., S. 125; vgl. bereits BayVGH, B.v. 20.2.2018 – 13a ZB 17.31970 – juris Rn. 9; vgl. auch OVG NW, U.v. 18.6.2019 – 13 A 3930/18 – juris Rn. 282 ff.; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 – 9 LB 93/18 – juris Rn. 113; VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 422 f.). Zum selben Ergebnis gelangt auch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen in seinem Bericht vom 1. Juni 2019 (EASO, a.a.O., S. 137).
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Soweit der UNHCR in seinen aktualisierten Richtlinien vom 30. August 2018 zu der Auffassung gelangt, dass eine inländische Fluchtalternative in Kabul mit Blick auf Grenzen der Aufnahmekapazität der Stadt und die humanitären Lebensbedingungen in den dortigen sog. informellen Siedlungen generell nicht zur Verfügung stehe (UNHCR, a.a.O., S. 129), so beschränkt sich diese Aussage bereits auf Kabul, ohne jedoch das Vorhandensein hinreichender Lebensbedingungen für Rückkehrer im restlichen Afghanistan – insbesondere den sonstigen Großstädten – in Frage zu stellen. Zudem gilt, dass der Ausschluss Kabuls im Kontext der Zumutbarkeit als inländische Fluchtalternative i.S.v. Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU erfolgt ist (vgl. UNHCR, S. 128: „Die Zumutbarkeit von Kabul als interner Schutzalternative“). Hiernach muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage jedoch so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält; dieser Zumutbarkeitsmaßstab bzw. dieses Zumutbarkeitsniveau geht über das Fehlen einer im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK maßgeblichen Sicherung des Existenzminimums hinaus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12 – NVwZ 2013, 1167 – juris Rn. 20; VGH BW, B.v. 8.8.2018 – A 11 S 1753/18 – juris Rn. 22). Ohnehin beruht die Bewertung des UNHCR auf von ihm selbst angelegten Maßstäben, die sich von den gesetzlichen Anforderungen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterscheiden können (BayVGH, B.v. 20.2.2018 – 13a ZB 17.31970 – juris Rn. 9; vgl. auch OVG NW, U.v. 18.6.2019 – 13 A 3930/18 – juris Rn. 188 ff.; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 – 9 LB 93/18 – juris Rn. 114 f.).
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Auch die Studie zum Verbleib und zu den Erfahrungen abgeschobener Afghanen von Stahlmann (Asylmagazin 8-9/2019, S. 276 ff.) führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Studie begegnet durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Repräsentativität, des methodischen Vorgehens sowie der Validität, Belastbarkeit und Objektivität der erhobenen Daten. Dies ergibt sich bereits aus dem Beitrag von Stahlmann selbst über die Studie im Asylmagazin, in dem derartige Probleme eingeräumt werden, ohne diese ausräumen zu können. Doch selbst wenn man die in der Studie beschriebenen Fallbeispiele zugrunde legen wollte, ließen diese schon aufgrund ihrer geringen Zahl nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit den Schluss zu, dass jeder Rückkehrer oder auch nur eine weit überwiegende Zahl der vielen Rückkehrer von schwerwiegenden Folgen betroffen wäre. Erst recht erlaubte dies nicht den weiteren Schluss auf die Folge, dass den Betreffenden damit stets auch der Zugang zu sozialen Netzwerken, zu Wohnung und Arbeit sowie jeder Art von Existenzsicherung verwehrt wäre (vgl. zu entsprechenden Angaben von Stahlmann über konkrete Fälle abgeschobener Afghanen als Sachverständige des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg: VGH BW, U.v. 26.6.2019 – A 11 S 2108/18 – juris Rn. 124 ff.; U.v. 12.12.2018 – A 11 S 1923/17 – juris Rn. 207 ff.; U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 19 ff., Rn. 408 ff.).
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Zusammenfassend lassen sich aus den aktuellen Erkenntnismitteln zur humanitären Lage in Afghanistan keine für die Beurteilung der Gefahrenlage relevanten Änderungen entnehmen. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die humanitäre Situation in Afghanistan weiterhin sehr besorgniserregend ist. Jedoch liegen keine Erkenntnisse vor, die hinreichend verlässlich den Schluss zuließen, dass jeder alleinstehende, arbeitsfähige männliche Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten hätte; die hohen Anforderungen aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind daher weiterhin nicht erfüllt. Zudem liegen Erkenntnisse dahingehend, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer in Afghanistan in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, trotz hoher Rückkehrzahlen nicht vor.“
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Zu den Auswirkungen der SARS-CoV-2- Pandemie führt der BayVGH in dem vorgenannten Urteil vom 1. Oktober 2020 – 13a B 20.31004 – (a.a.O. Rn. 43 ff.) aus:
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„ACCORD berichtet, dass in Afghanistan mit 37,6 Millionen Einwohnern 15.451 Personen positiv getestet worden seien (Afghanistan: Covid-19 v. 5.6.2020, S. 1). Davon seien 297 Personen verstorben, darunter 13 Mitarbeiter des Gesundheitswesens. Betroffen seien großteils Personen zwischen 40 und 69 Jahren. Zu der jeweiligen Aktualisierung wird auf die Website der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation – WHO) verwiesen. Kabul sei am stärksten betroffen, gefolgt von Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar. Lockdown-Maßnahmen seien getroffen worden, die landesweit zu einer Reihe von Protesten geführt hätten (S. 2 f.). Die Kapazitäten Afghanistans zur Bekämpfung des Coronavirus seien angesichts der schon zuvor nicht angemessenen Gesundheitsdienste eingeschränkt (S. 3 f.). Die Regierung sei auf die Unterstützung der Sicherheitskräfte zur Umsetzung der Lockdown-Maßnahmen und zum Transport grundlegender Güter angewiesen, jedoch könnten sie nicht eingesetzt werden, solange Angriffe von Aufständischen weiter andauern würden (S. 4). Die Bekämpfungsmaßnahmen hätten Auswirkungen auf die Versorgungslage, insbesondere hätten sie die Nahrungsmittelpreise in die Höhe getrieben und es gebe weniger Gelegenheitsarbeit (S. 4 f.). Die Pandemie entwickle sich von einem Gesundheitsnotfall zu einer Nahrungsmittel- und Lebensunterhaltskrise. Allerdings habe sich die Antwort der Taliban verändert und Mitarbeitern des Gesundheitswesens werde in Gebieten unter Taliban-Kontrolle sichere Durchfahrt zugesichert (S. 5 f.), die Taliban hätten selbst Maßnahmen ergriffen und kooperierten mit der afghanischen Regierung. Rückkehrer würden mit fehlenden Übernachtungsmöglichkeiten konfrontiert, Hotels und Teehäuser seien geschlossen (S. 7).
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Das BFA (Kurzinformation der Staatendokumentation, COVID-19 Afghanistan, Stand 21.7.2020) geht davon aus, dass aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters wahrscheinlich insgesamt zu wenige Fälle gemeldet würden (S. 1 f.). Verschärft werde die Situation durch die Zahl des erkrankten Gesundheitspersonals. Es bestehe nach wie vor ein dringender Bedarf an mehr Laborequipment sowie an der Stärkung der personellen Kapazitäten und der operativen Unterstützung. Zwar behinderten die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin die Bewegung der humanitären Helfer, doch habe sich die Situation deutlich verbessert (S. 2). Mit Unterstützung der Weltbank lege die Regierung Programme auf, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen (S. 3). Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte seien geschlossen. Aufgrund der unzureichenden Kapazität der öffentlichen Krankenhäuser sei auch privaten Krankenhäusern die Behandlung gestattet worden. Insbesondere Kabul sehe sich aufgrund von Regenmangels, einer boomenden Bevölkerung und verschwenderischen Wasserverbrauchs mit Wasserknappheit und Ernährungsunsicherheit konfrontiert. Humanitäre Helfer seien weiterhin besorgt über die Auswirkungen auf die am stärksten gefährdeten Menschen, die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen seien (S. 4).
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Stahlmann (Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an COVID- 19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener v. 27.3.2020) prognostizierte im März 2020, dass eine unkontrollierte Verbreitung des Virus nicht vermeidbar zu sein scheine. Es drohe eine humanitäre Not: mit medizinischer Versorgung könne nicht gerechnet werden und angesichts der bestehenden Lebensbedingungen hätten auch junge Erwachsene mit einem schweren Verlauf der Krankheit zu rechnen. Es komme zu einer Stigmatisierung von Rückkehrern, die primär für die Gefahr durch Corona verantwortlich gemacht würden (S. 2). Von den wenigen Versuchen, Angehörige unter Quarantäne zu stellen, werde berichtet, dass die Betroffenen auch deshalb versuchten, zu fliehen, weil sie nicht mit Essen versorgt würden. Die große Mehrheit der armen Bevölkerung habe schon aufgrund des Platzmangels keine Chance zur Selbstisolation (S. 3). Da die akute Nahrungsmittelversorgung nicht gewährleistet werden könne, ohne arbeiten zu gehen, könnten es sich die Betroffenen nicht leisten, zu Hause zu bleiben. Eine realistische Chance auf medizinische Versorgung bestehe nicht (S. 4). Zudem weise ein Gutteil der erwachsenen Bevölkerung, die schon im Normalfall aus finanziellen Gründen keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung habe, Vorerkrankungen auf (S. 6). Die Enge der Unterkünfte und der Mangel an sauberem Trinkwasser führten grundsätzlich dazu, dass sich Krankheiten schneller verbreiteten. Aufgrund der dramatisch schlechten Luftqualität in den Städten seien Atemwegserkrankungen schon generell sehr häufig. Diese Meinung werde vom Direktor des Antoni-Krankenhauses in Kabul nicht geteilt (S. 5).
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Diesen Berichten lässt sich nicht entnehmen, dass im Fall des Klägers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten wäre.
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Zwar mag es zutreffend sein, dass sich die Lage für Gelegenheitsarbeiter verschärft habe, jedoch enthalten die vorhandenen Erkenntnismittel hierzu keine belastbaren – über etwaige Einzelfälle hinausgehenden – Aussagen. Soweit insbesondere von Stahlmann diverse Befürchtungen geäußert werden, ist darauf hinzuweisen, dass diese Äußerungen auf dem (nicht mehr aktuellen) Blickwinkel im März 2020 und persönlichen Erfahrungen beruhen, ohne dass hierzu verlässliche Daten zugrunde gelegen wären bzw. zum damaligen Zeitpunkt schon hätten zugrunde liegen können. Dass die Einschätzung von Stahlmann, eine Reihe von Gründen sorge absehbar für eine unkontrollierte Verbreitung von SARS-CoV-2 in der afghanischen Bevölkerung (S. 1), sich nicht bewahrheitet hat, zeigt sich an den aktuellen Daten der WHO, auf die auch von ACCORD verwiesen wird: Danach sind bislang bei 39.268 bestätigten Fällen 1.458 Tote zu verzeichnen (https:// covid19.who.int/region/emro/country/af, Stand 30.9.2020), langsam ansteigend ab März 2020 mit einem Höhepunkt im Mai/Juni 2020 (im Vergleich Deutschland, stärker betroffen gekennzeichnet: 289.219 bestätigte Fälle, insbes. März/April 2020 mit 9.488 Toten – https://covid19.who.int/region/euro/country/de, Stand 30.9.2020). Größeres Gewicht ist diesen Daten auch noch deshalb beizumessen, weil sich nach der Beobachtung von Stahlmann das öffentliche Leben bis zu ihrer Abreise am 17. März 2020 trotz zunehmend dramatischer internationaler Nachrichten über die Tödlichkeit des Virus nicht spürbar verändert habe (S. 3). Zudem stellen die Einschätzungen von Stahlmann lediglich eine subjektive Prognose dar. Insbesondere weist sie in ihrer Stellungnahme schon selbst darauf hin, dass ihre Meinung vom Direktor des Antoni-Krankenhauses in Kabul nicht geteilt werde (S. 5). Unabhängig davon ist das weltweite Pandemiegeschehen gegenwärtig von großer Dynamik gekennzeichnet und deshalb nicht ersichtlich, dass über eine bloße Momentaufnahme hinaus eine verlässliche Einschätzung seiner mittelfristigen Auswirkungen auf die Lebensbedingungen in einzelnen Ländern überhaupt möglich wäre (vgl. BayVGH, B.v. 16.6.2020 – 9 ZB 20.31250 – juris Rn. 4 mit Verweis auf VGH BW, B.v. 8.5.2020 – A 4 S 1082/20 – juris Rn. 5; OVG NW, B.v. 21.9.2020 – 2 A 2255/20.A – juris Rn. 12). Aktuelle Entwicklungen, die einer Abschiebung entgegenstehen, wären im Übrigen im Rahmen der Abschiebung von der Ausländerbehörde zu berücksichtigen (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) bzw. wäre ihnen mit einem Folgeantrag zu begegnen. Eine Bewertung durch andere Oberverwaltungsgerichte, ob und inwieweit sich dieSARSCoV-2-Pandemie auf die humanitäre Situation auswirkt, steht bislang – soweit ersichtlich – noch aus. Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (B.v. 9.7.2020 – A 11 S 1196/20 – juris) hat zunächst lediglich die Berufung zur Klärung der Frage zugelassen, ob sich die tatsächlichen Verhältnisse in Kabul infolge der weltweiten Corona-Pandemie derart verschlechtert hätten, dass leistungsfähige erwachsene Männer nicht in der Lage seien, ihr Existenzminimum zu erwirtschaften.“
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Auch diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und legt seinen Feststellungen für die Zeit bis zur mündlichen Verhandlung ergänzend folgende Erkenntnisse zugrunde:
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Die UNOCHA (Strategic Situation Report: COVID-19 No. 85, 26. November 2020, S. 1) berichtet, dass 45.490 Personen in Afghanistan positiv auf COVID-19 getestet wurden und 1.725 Personen daran gestorben seien, bei insgesamt 143.465 getesteten Personen bei einer Bevölkerung von 36,7 Millionen. In Anbetracht unzureichender Testkapazitäten sei jedoch von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Das Gesundheitsministerium habe am 19. November 2020 bestätigt, dass Afghanistan in einer zweiten Welle der COVID-19-Pandemie sei, bei 1.357 neuen COVID-19 Fällen in der letzten Woche (UNOCHA, Strategic Situation Report: COVID-19 No. 85, 26. November 2020, S. 1). Jedoch ist nicht die Rede davon, dass – wie in der ersten Hälfte des Jahres – nun ebenfalls wieder ein landesweiter Lockdown durchgesetzt werden soll. Zwar werden Hochzeitshallen und andere öffentliche Orte ab Dezember 2020 geschlossen, durchgreifende weitere Einschränkungen sind nicht geplant, die Flughäfen und Grenzen sind offen (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 23. November 2020; UNOCHA, Afghanistan Strategic Situation Report: COVID-19 No. 84 vom 19. November 2020 und No. 85 vom 26. November 2020).
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Der sozio-ökonomische Einfluss der Pandemie habe zu einer Nahrungsmittel- und Lebensunterhaltskrise vergleichbar mit der Dürre des Jahres 2018 geführt (UNOCHA, Strategic Situation Report: COVID-19 No. 85, 26. November 2020, S. 2). Insbesondere die unterbrochenen Versorgungsketten hätten die Nahrungsmittelpreise in die Höhe getrieben. In der Zeit vom März bis 25. November 2020 seien die Preise für Weizenmehl um 11 %, der übrigen Grundnahrungsmittel Hülsenfrüche, Zucker, Koch-Öl und Reis um 21 %, 18 %, 35 % und 22 % gestiegen, bei gleichzeitig sinkenden finanziellen Möglichkeiten der Tagelöhner zum Kauf von Nahrungsmitteln, deren Einkommen um ca. 14 % abgenommen habe (OCHA, Strategic Situation Report: COVID-19 No. 85, 26. November 2020, S. 2). Die Situation habe sich so zugespitzt, dass die afghanische Regierung über die Bäckereien Brot an die Bevölkerung verteilen lasse. Das Auswärtige Amt geht davon aus, dass die mit der COVID-19-Krise einhergehende wirtschaftliche Rezension private Haushalte stark belaste (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan vom 16. Juli 2020, S. 22). Unabhängig von der Belastbarkeit dieser konkreten Zahlen lasse sich den Erkenntnismitteln entnehmen, dass sich die aufgrund der angespannten Arbeitsmarktsituation ohnehin schon große Konkurrenz um solche Gelegenheitsarbeiten durch die mit der COVID-19-Pandemie zusammenhängenden Umstände weiter erheblich verschärft habe. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) berichtet davon, dass seit dem 1. Januar 2020 695.677 afghanische Staatsangehörige aus dem von der Corona-Pandemie ebenfalls besonders betroffenen Iran nach Afghanistan zurückgekehrt seien (vgl. IOM, Return of undocumented Afghans, weekly situation report, 25-31 October 2020, S. 1, abrufbar unter: https://reliefweb.int/). Die hohe Zahl der Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan sowie Binnenvertriebener schlage sich ebenfalls in einem Anstieg der Lebenshaltungskosten und einem erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt nieder (Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan vom 16. Juli 2020, S. 4, 18; Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Gastbeitrag von Gabriele Rasuly-Paleczek, Afghanistan – Die aktuelle sozioökonomische Lage in Afghanistan, September 2020, S. 22 ff.). Die angelaufenen internationalen Hilfen auch im Bereich der Nahrungsmittelsicherung für die 14,7 Millionen von Nahrungsmittelunsicherheit bedrohten Afghanen seien verstärkt und weitere internationale Aufbauhilfe in Höhe von 3,3 Mrd. US-$ zugesagt worden (UNOCHA, Strategic Situation Report: COVID-19 No. 85 vom 26. November 2020, UNOCHA, Afghanistan: COVID-19 Multi-Sectoral Response, Operational Situation Report vom 12. November 2020 mit Darstellung der einzelnen sektoralen Hilfs- und Aufbaustrategien und -mitteln; vgl. ebenso UNOCHA, Afghanistan Strategic Situation Report: COVID-19 No. 84 vom 19. November 2020 und No. 85 vom 26. November 2020).
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(5) In Anwendung der oben dargestellten Grundsätze und im Hinblick auf die geschilderten Verhältnisse in Kabul und Afghanistan kann der Senat bei der hier gebotenen Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles nicht feststellen, dass für den Kläger wegen der humanitären Verhältnisse das für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erforderliche hohe Schädigungsniveau gegeben ist. Junge, männliche afghanische Staatsangehörige, die keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufweisen, sind bei einer Rückkehr in den Raum Kabul regelmäßig nicht von einem solchen hohen Schädigungsniveau bedroht (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 21. März 2012 – 8 A 11050/10.OVG – amtlicher Leitsatz, beck-online, BeckRS 2012, 49887, und vom 22. Januar 2020 – 13 A 11356/19.OVG – juris; vgl. auch Hessischer VGH, Urteil vom 23. August 2019 – 7 A 2750/10 – juris Rn 148, zu besonderen Umständen). Diese Einschätzung ist selbst in Anbetracht der – auch von den Beteiligten – dargestellten aktuellen Auswirkungen von COVID-19 bzw. der Corona-Pandemie seit März 2020 auf die humanitären Lebensbedingungen in Afghanistan und Kabul jedenfalls hinsichtlich der jungen Afghanen aufrechtzuerhalten, die ausreichend belastbar und durchsetzungsfähig sind und/oder über familiäre bzw. soziale Beziehungen verfügen (vgl. ebenso: OVG Bremen, Urteile vom 22. September 2020 – 1 LB 258/20 – und 24. November 2020 – 1 LB 351/20 –, jeweils juris).
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Auch bei einer sorgfältigen Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles und Beachtung aller nachteiligen Faktoren und der begünstigenden Umstände kann dem Kläger Abschiebungsschutz nicht zuerkannt werden. Der ca. 26 bis 27-jährige Kläger ist entgegen seinem Vorbringen im Schriftsatz vom 5. Oktober 2020 nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung durchaus bereits in Afghanistan erwerbstätig gewesen. Er hat im Geschäft seines Vaters mitgearbeitet und sich als Schäfer selbständig betätigt. In Deutschland hat er einen Deutschkurs belegt, versteht Deutsch durchaus gut und kann sich auch auf Deutsch ausdrücken, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat. Er hat darüber hinaus ein sechsmonatiges Praktikum bei der BASF absolviert und arbeitet schon seit längerem bei Amazon, was ihn auch dazu befähigt, erhebliche Geldbeträge nach Afghanistan zu transferieren bzw. anzusparen. Er spricht Dari und kann es auch lesen (vier Jahre Schulbildung). Darüber hinaus kann er Rückkehr- und Reintegrationshilfen in Anspruch nehmen, wie oben bereits ausgeführt.
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Wie von ihm selbst angegeben, leben seine Eltern, seine Brüder und seine Frau seit längerem in Kabul, wo auch noch weitere Verwandte aus seiner Großfamilie wohnen (ein Cousin wird ausdrücklich als Adressat der Geldüberweisungen benannt). Diese verfügen auch über eine Unterkunft, die vom Kläger – jedenfalls für eine längere Übergangszeit – mitgenutzt werden könnte, ebenso kann er von dem gemeinsamen Haushalt auch im Übrigen (auch finanziell) profitieren (Essen, Wäsche, etc.). Damit verringert sich die Unsicherheit in der ersten Phase der Rückkehr erheblich, zumal der Kläger – wie von der Beklagten zutreffend dargestellt – Rückkehrhilfen in Anspruch nehmen kann, die bei ihm nicht bereits durch den Aufenthalt in Teehäusern oder Hotels (bei Kosten von 30 bis 100 Afghani pro Nacht – vgl. EASO, Country of Origin Information, Afghanistan Networks, Januar 2018, S. 29) schnell aufgebraucht würden, sondern voll für den Lebensunterhalt und den Aufbau einer Existenz zur Verfügung stünden. Darüber hinaus können die in Afghanistan lebenden Familienmitglieder ihn in der Startphase jedenfalls mit Wohnraum und Nahrungsmitteln sowie deren Zubereitung unterstützen. Insoweit kann nicht, wie von der Prozessbevollmächtigten angedeutet, auf den Fall der zwangsweisen Abschiebung abgestellt werden, da vom Kläger zu erwarten ist, dass er sich rechtstreu im Hinblick auf eine bestandskräftig festgestellte gesetzliche Verpflichtung verhält und die damit verbundenen Vorteile für einen Neuanfang in Afghanistan auch in Anspruch nimmt.
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b) Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach dem Wortlaut sind dies ausschließlich existenzielle Gefahren, die dem Rechtsschutzsuchenden individuell drohen. Dabei ist auch die Zumutbarkeit eines mit der Rückkehr verbundenen Risikos und die Bedeutung des gefährdeten Rechtsguts maßgeblich (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 –, juris Rn. 447).
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Daneben können ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen auch die allgemein herrschenden Lebensbedingungen im Zielstaat ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen. Zwar sind allgemeine Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nur bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, wonach die oberste Landesbehörde unter anderem aus humanitären Gründen anordnen kann, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten für längstens 3 Monate ausgesetzt wird. Die Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründet in diesen Fällen grundsätzlich kein nationales Abschiebungsverbot. In verfassungskonformer Anwendung greift sie jedoch dann ein, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund der dort herrschenden allgemeinen Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. In diesen Fällen gebieten Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz, dem Betroffenen trotz Fehlens einer politischen Leitentscheidung Abschiebungsschutz zu gewähren.
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Wann dies der Fall ist, hängt wesentlich von den konkreten Umständen der allgemeinen Lage ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit strengeren Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen; erst dann erscheint die Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar. Dies ist dann gegeben, wenn der im Falle einer Abschiebung „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert" würde (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 – 10 C 13.12 –, juris Rn. 4). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 – 10 C 23.10 –, juris Rn. 22).
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Nach dem zuvor Ausgeführten stellt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG an die Gefahr einer aufgrund allgemeiner Umstände im Zielstaat drohenden Rechtsgutverletzung jedenfalls keine geringeren Anforderungen als § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Liegen – wie ausgeführt – die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht vor, scheidet eine nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante Extremgefahr ebenfalls aus.
- 143
In seiner Person liegende individuelle Gefahren in diesem Sinne hat der Kläger nicht vorgetragen und solche sind auch nicht ersichtlich. Auch begründet die Gefahr einer COVID-19 Erkrankung selbst – jedenfalls für Rückkehrer ohne Vorerkrankungen, welche nicht eine der Risikogruppen zuzuordnen sind – keine existentielle Gefahr. Dies folgt bereits daraus, dass die gesundheitlichen Folgen, die von einer COVID-19 Erkrankung ausgehen, für jüngere Menschen in der ganz überwiegenden Zahl nicht zu einer Lebensgefahr führen. So wurden etwa bei den 325.331 dem Robert-Koch-Institut bis zum 13. Oktober 2020 übermittelten Fällen lediglich 69 Todesfälle in der Altersgruppe 0 bis 39 Jahre verzeichnet, wobei die unter 20-jährigen Verstorbenen alle Vorerkrankungen hatten (vgl. etwa Robert-Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit vom 12. Oktober 2020, abrufbar unter rki.de; vgl. auch den Bericht des RKI: Krankheitsschwere der ersten COVID-19-Welle in Deutschland basierend auf den Meldungen gemäß Infektionsschutzgesetz, abgerufen am 23. November 2020 unter: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/JoHM_S11_2020_ Krankheitsschwere_COVID_19.pdf?__blob=publicationFile).
- 144
4. Die Abschiebungsandrohung im Bescheid der Beklagten beruht auf §§ 34 Abs. 1 Satz 1, 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
- 145
Gleiches gilt für die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots. Zwar beruht die angeordnete Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots noch auf § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG a.F., der lediglich eine behördliche Befristung des damals noch gesetzlich vorgesehenen Einreise- und Aufenthaltsverbots vorgesehen hat. Jedoch kann in einer behördlichen Befristungsentscheidung regelmäßig der von Art. 3 Nr. 6 Richtlinie 2008/115/EG bzw. von § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 AufenthG (in der seit dem 21. August 2019 geltenden Fassung) geforderte konstitutive Erlass eines befristeten Einreiseverbots gesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 2018 – 1 C 21.17 –, BVerwGE 162, 382, Rn. 25). Individuelle Gründe, welche die Befristung auf 30 Monate – und damit auf die Hälfte des in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG festgelegten Höchstmaßes – ermessensfehlerhaft erscheinen lassen, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
- 146
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO im Hinblick auf den streitig entschiedenen Teil der Klage und aus § 155 Abs. 2 VwGO hinsichtlich des zurückgenommenen Teils. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
- 147
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2 VwGO.
- 148
Die Revision war nicht zuzulassen, da die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegen.
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- 13 A 11249/19 1x (nicht zugeordnet)
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