Urteil vom Verwaltungsgericht Freiburg - 4 K 3025/15

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat und die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die von diesem in der Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2007 aufgewendeten Kosten für Leistungen der Jugendhilfe zugunsten von ... in Höhe von 18.156,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit und dem Kläger die von diesem in der Zeit vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2010 aufgewendeten Kosten für Leistungen der Jugendhilfe zugunsten von ... in Höhe von 39.958,80 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Fälligkeit zu erstatten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten Ersatz für Kosten für jugendhilferechtliche Leistungen in der Zeit vom 01.01.2004 (zunächst vom 01.02.2000) bis zum 31.12.2010 (zunächst bis zum 31.03.2017) zugunsten von ....
Die Beklagte gewährte ab 10.01.1997 Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege (§§ 27, 33, 39 SGB VIII) für den am ...1996 geborenen ..., dessen damals allein sorgeberechtigte Mutter zu diesem Zeitpunkt in Freiburg wohnhaft war. Mit Schreiben vom 03.08.1999 bat die Beklagte um Anerkennung ihrer örtlichen Zuständigkeit gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII und Übernahme des Hilfefalls und sicherte zugleich die Kostenerstattungsverpflichtung gemäß § 89a Abs. 1 SGB VIII zu. Hintergrund war, dass eine Rückführung von ... in den Haushalt nicht möglich und das Pflegeverhältnis bei der im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnhaften Großmutter (Frau ...) auf Dauer angelegt war.
Beginnend mit 01.02.2000 übernahm der Kläger mit Bescheid vom 20.12.1999 die Hilfegewährung in Form der Vollzeitpflege, ab ...2014 bis zum 13.03.2017 (erstmals mit Bescheid vom 16.07.2014) als Hilfe für junge Volljährige. Ergänzend gewährte er ab 23.05.2011 Hilfe in Form eines Erziehungsbeistandes/Betreuungshelfers nach § 30 SGB VIII (i.V.m. § 41 SGB VIII).
Der Kläger machte mit Schreiben vom 06.06.2001 und 25.02.2002 gegenüber der Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch für die gewährten Leistungen vom 01.02.2000 bis 30.06.2001 bzw. 01.07.2001 bis 31.12.2001 geltend.
In einem Schreiben vom 03.07.2002 erklärte der Kläger jedoch, er sei seit dem 09.02.2000 auch kostenrechtlich zuständig, da mit Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 09.02.2000 der Kindsmutter die Personen- und Vermögenssorge entzogen und die in seinem Zuständigkeitsbereich wohnhafte Pflegemutter zum Vormund bestellt worden sei; die von der Beklagten geleistete Kostenerstattung für die Zeit vom 09.02.2000 bis 31.12.2001 in Höhe von 12.292,20 Euro werde zurückgezahlt.
Mit Schreiben vom 09.05.2006 änderte der Kläger seine im Schreiben vom 03.07.2002 geäußerte Auffassung, meldete Kostenerstattungsansprüche nach § 89a Abs. 1 SGB VIII an und bat um Rückerstattung des Betrags in Höhe von 12.291,20 Euro gemäß § 112 SGB X. Die kostenrechtliche Zuständigkeit der Beklagten ergebe sich aus § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, da beide Elternteile ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gehabt hätten.
Mit Schreiben vom 02.06.2006, 28.08.2006, 25.10.2006 und 29.11.2006 bat der Kläger die Beklagte erneut um Anerkennung der Kostenerstattungspflicht gemäß § 89a Abs. 1 SGB VIII sowie Rückerstattung der 12.291,20 Euro.
Die Beklagte wies mit Schreiben vom 12.12.2006 den geltend gemachten Anspruch zurück. Sie führte aus: Die Kindsmutter sei bei ihrem Zuzug am 30.08.1996 und bei ihrem erneuten Zuzug am 12.02.2001 in ein Übergangswohnheim der Heilsarmee für wohnungslose Frauen gezogen; der Schutz der Einrichtungsorte nach § 89e SGB VIII gelte auch nach Verlassen der Einrichtung fort. Ungeachtet des Bestehens eines Kostenerstattungsanspruchs scheitere dieser überwiegend wegen § 111 SGB X.
Mit Schreiben vom 23.01.2007 machte der Kläger erneut gegenüber der Beklagten Kostenerstattungsansprüche ab 01.02.2000 bis einschließlich 31.12.2006 geltend. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.
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Am 04.01.2008 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er zunächst Erstattung der angefallenen Kosten für die Zeit vom 01.02.2000 bis 31.12.2007 sowie die Feststellung des Bestehens eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 89a SGB X begehrte. Er machte geltend: Die Leistungsgewährung seit 01.02.2000 beruhe auf § 86 Abs. 6 SGB VIII. Der Kostenerstattungsanspruch ergebe sich aus § 89a SGB VIII. Entscheidend sei, dass die damals allein sorgeberechtigte Kindsmutter zum Zeitpunkt des Leistungsbeginn am 10.01.1997 im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gewohnt habe; unerheblich sei, dass die Kindsmutter zuvor (und später) in einer geschützten Einrichtung im Sinne von § 89e SGB VIII im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gelebt habe. Aufgrund dieser Sachlage sowie dem Kostenanerkenntnis der Beklagten vom 03.08.1998 bestehe ein zeitlich ununterbrochener Erstattungsanspruch.
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Die Beteiligten beantragten mit Schriftsätzen vom 06.02.2009 jeweils das Ruhen des Verfahrens und nahmen dabei Bezug auf die Zulassung der Berufung durch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19.06.2008 (ursprüngliches Az. 12 S 2671/06, neues Az. 12 S 1608/08) in einem Verfahren, in dem es ebenfalls um die Frage der Fortgeltung des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nach Verlassen der geschützten Einrichtungsorte ging. Mit Beschluss vom 11.02.2009 ordnete das Gericht das Ruhen des Verfahrens an. Auf die Revision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.02.2011 (12 S 1608/08) entschied das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 13.12.2013 - 5 C 25.11 -, dass § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII den Einrichtungsorten Schutz vor unangemessenen Kostenbelastungen nur für den Zeitraum vermittelte, in der die nach dieser Vorschrift maßgebende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einer Einrichtung gehabt habe.
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Am 30.12.2015 hat der Kläger das Verfahren wieder angerufen. Er macht geltend: Im Anschluss an die bisherige Hilfe zur Erziehung werde seit ...2014 eine Hilfe für junge Volljährige (Vollzeitpflege) gewährt; auch insoweit bestehe der Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beklagten. Die eigene Rechtsauffassung sei durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt worden. Auch die Beklagte erhebe nun keine materiell-rechtlichen Einwände mehr, sondern berufe sich lediglich auf die Einrede der Verjährung. Es seien jedoch allenfalls die Kostenerstattungsansprüche für Leistungen der Jahre 2000 bis 2003 verjährt; die weiteren Ansprüche für Leistungen ab dem Jahr 2004 seien durch die Klage vom 19.12.2007 rechtzeitig verjährungshemmend geltend gemacht worden. Die Verjährungshemmung dauere bis in die Gegenwart an, da die Parteien gleichzeitig mit der Beantragung des Ruhens des Verfahrens konkludent eine Hemmungsvereinbarung getroffen hätten. Durch die eindeutige Bezugnahme auf das damals anhängige Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bzw. beim Bundesverwaltungsgericht sei allen Beteiligten klar gewesen, dass es sich nur um einen befristeten Verzicht auf die Weiterverfolgung des geltend gemachten Begehrens gehandelt habe, damit aber nicht die Verjährungshemmung beendet werden sollte.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage, soweit sie Kostenerstattungsansprüche bezüglich jugendhilferechtlicher Leistungen der Jahre 2000 bis 2003 umfasst, zurückgenommen, den Rechtsstreit für erledigt erklärt, soweit er Kostenerstattungsansprüche bezüglich Leistungen der Jahre 2011 bis 2017 betrifft, und im Übrigen beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger im Zeitraum vom 01.01.2004 bis 31.12.2007 entstandenen Kosten in Höhe von 36.072 Euro, die er für jugendhilferechtliche Leistungen zu Gunsten von ... aufgewendet hat, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 04.01.2008 zu zahlen,
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und die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger im Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2010 entstandenen Kosten in Höhe von 39.958,80 Euro, die er für jugendhilferechtliche Leistungen zu Gunsten von ... aufgewendet hat, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Fälligkeit der jeweiligen Erstattungsansprüche zu zahlen.
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Die Beklagte hat den Rechtsstreit für erledigt erklärt, soweit er Kostenerstattungsansprüche bezüglich Leistungen der Jahre 2011 bis 2017 betrifft, und im Übrigen beantragt,
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die Klage abzuweisen.
18 
Sie trägt vor: Den für den Zeitraum von 2004 bis 2006 geltend gemachten Ansprüchen werde die Einrede der Verjährung entgegengehalten, da die zwischen den Beteiligten im Jahr 2009 vereinbarte Hemmung der Verjährung mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts am 13.12.2012 im Musterverfahren (5 C 25.11) geendet habe, der Kläger das Verfahren aber erst am 30.12.2015 wieder angerufen habe. Die aus 2008 bis 2010 resultierenden Ansprüche seien ebenfalls verjährt, weil sie vor der Hemmungsvereinbarung nicht geltend gemacht worden, daher nicht Gegenstand der Hemmungsvereinbarung gewesen und vom Kläger erstmals am 30.12.2015 erhoben worden seien. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Beginn der Ausschlussfrist des § 111 SGB X (u.a. Urteil vom 27.04.2017 - 5 C 8.16 -) lasse keine andere Beurteilung zu, da die Anzeige des Anspruchs bereits am 09.05.2006 erfolgt sei. Andernfalls würden Ansprüche, die aus einer Leistung über 21 Jahre hinweg herrührten, danach noch insgesamt über weitere vier Jahre geltend gemacht werden können, womit die vierjährige Verjährungsfrist obsolet wäre. Im Übrigen liefe diese Ansicht der Absicht des Gesetzgebers, mit § 111 SGB X eine Beschleunigung der Kostenerstattungsverfahren zu erreichen, entgegen. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die Frist des § 111 SGB X erst mit dem Ende einer kontinuierlichen Leistung in Gang gesetzt sehe, sei dies dem Wortlaut der Vorschrift geschuldet, der aber im Widerspruch zur Absicht des Gesetzgebers stehe.
19 
Dem Gericht liegen Akten des Klägers (fünf Hefte) vor. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird hierauf sowie auf die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Das Verfahren war gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO (analog) einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Erstattungsansprüche betreffend jugendhilferechtliche Leistungen der Jahre 2011 bis 2017 übereinstimmend für erledigt erklärt haben und soweit der Kläger die Klage (für Erstattungsansprüche betreffend die Jahre 2000 bis 2003) zurückgenommen hat.
21 
Die noch aufrechterhaltene Klage ist als Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen. Die Umstellung von der Feststellungsklage auf die Leistungsklage ist ohne weiteres zulässig, vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.10.1987 - 4 B 211.87 -, VBlBW 1988, 253 = juris Rn. 9; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 91 Rn. 15).
22 
Die noch anhängige Leistungsklage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten für Jugendhilfeleistungen, die er in der Zeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2010 in Höhe von insgesamt 58.114,80 Euro erbracht hat. Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für Jugendhilfeleistungen, die er in der Zeit vom 01.01.2004 bis 31.12.2005 in Höhe von insgesamt 17.916,00 Euro erbracht hat; insoweit ist der Anspruch verjährt.
23 
1. Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Kostenerstattungsansprüche des Klägers ist § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift sind die Kosten, die ein örtlicher Träger auf Grund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII bestimmt in Fällen, in denen ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson lebt und sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten ist, dass der örtliche Träger zuständig ist oder wird, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
24 
Die beim Kläger angefallenen Kosten für jugendhilferechtliche Leistungen zugunsten von ... hat er - dies ist zwischen den Beteiligten (nunmehr) unstreitig - auf der Grundlage einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII aufgewendet. Die Beklagte war auch zuvor zuständig gewesen, da die zum Leistungsbeginn allein sorgeberechtigte Mutter damals im Zuständigkeitsbereich der Beklagten ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VIII). Die Beklagte hatte die eigene Zuständigkeit zwar zunächst bestritten und geltend gemacht, die Mutter habe bei ihrem Zuzug nach Freiburg am 30.08.1996 zunächst in einer geschützten Einrichtung im Sinne von § 89e SGB VIII gelebt und § 89e SGB VIII gelte auch nach dem Verlassen der geschützten Einrichtung fort. Hiervon ist sie aber nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2012 (- 5 C 25.11 -, BVerwGE 145, 257) zurecht abgerückt, da § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII den Einrichtungsorten Schutz vor unangemessenen Kostenbelastungen nur für den Zeitraum vermittelt, in der die nach dieser Vorschrift maßgebende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einer Einrichtung hatte.
25 
2. Dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers steht nicht § 111 SGB VIII entgegen. Diese Vorschrift gilt über die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff. SGB X hinaus für alle Erstattungsansprüche zwischen Sozialleistungsträgern, insbesondere auch für die (jugendhilferechtlichen) Erstattungsansprüche nach den §§ 89 ff. SGB VIII (vgl. Böttiger, in: Diering/Timme, Sozialgesetzbuch X, 4. Aufl. 2016, § 111 Rn. 3 m.w.N.; Roller, in: von Wulffen, SGB X, 7. Auf. 2010, § 111 Rn. 4 m.w.N.).
26 
Nach § 111 Satz 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Nach § 111 Satz 2 SGB X beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.
27 
Die Regelung zum Fristbeginn in § 111 Satz 2 SGB X geht im vorliegenden Fall jedoch ins Leere, weil eine sachliche Entscheidung des erstattungspflichtigen Beklagten gegenüber dem Hilfeempfänger - wie von der Neuregelung vorgesehen - nicht in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.08.2010 - 5 C 14.09 -, BVerwGE 137, 368 = juris Rn. 16; VG Freiburg, Urteil vom 18.11.2016 - 4 K 2981/15 -, juris Rn. 22 f. m.w.N.; Becker, in: Hauck/Noftz, SGB X, 12/13, § 111 Rn. 51; Böttiger, in: Diering/Timme, Sozialgesetzbuch X, 4. Aufl. 2016, § 111 Rn. 3; Mutschler, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 111 Rn. 32 ff.; Roller, in: von Wulffen, SGB X, 7. Auf. 2010, § 111 Rn. 7 f.). Der erstattungspflichtige Leistungsträger (hier die Beklagte) trifft im Hinblick auf die von 2004 bis 2010 erbrachten Leistungen gerade keine Entscheidung über ihre Leistungspflicht, sondern der leistungsberechtigte Leistungsträger (hier der Kläger) trifft eine Entscheidung allein im Verhältnis zum Hilfeempfänger (hier der Pflegemutter und Vormundin), und zwar dann, wenn er über deren Hilfeanspruch entscheidet. Der Neuregelung des § 111 Satz 2 SGB X liegt hingegen die Fallkonstellation zugrunde, dass verschiedene miteinander konkurrierende Leistungsträger zu unterschiedlichen Zeitpunkten gegenüber dem Leistungsberechtigten über ihre Leistungspflicht entscheiden und in der der vorrangig leistungspflichtige (zuständige) Träger eine Leistung, die der nachrangig leistungspflichtige (unzuständige) Träger zuvor gewährt hatte, zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend bewilligt hat (vgl. Entwurf der Bundesregierung des 4. Euro-Einführungsgesetzes, BT-Drs. 14/4375, 60).
28 
Bei wiederkehrenden Leistungen - wie hier - stellt sich die Frage, ob und ggf. wie hinsichtlich der Frage des Fristbeginns auf Teilleistungszeiträume abzustellen ist (vgl. etwa Bayer. VGH, Beschluss vom 07.01.2014 - 12 ZB 13.2512 -, juris; zum Streitstand Mutschler, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 111 Rn. 36 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in Abkehr von dem Fristbeginn nach Teilleistungszeiträumen in einer Reihe neuerer Entscheidungen (Urteile vom 19.08.2010 - 5 C 14.09 -, BVerwGE 137, 368, vom 17.12.2015 - 5 C 9.15 -, BVerwGE 154, 1, und vom 27.04.2017 - 5 C 8.16 -, JAmt 2017, 453) entschieden, dass bei jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsansprüchen die Leistung im Sinne von § 111 SGB X nach dem zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff des Kinder- und Jugendhilferechts zu bestimmen ist und die Frist für die Geltendmachung eines jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruchs für Maßnahmen und Hilfen, die jugendhilferechtlich als eine Leistung zu werten sind, mit dem Ablauf des letzten Tages beginnt, an dem die jeweilige (Gesamt-)Leistung im Sinne dieser Vorschrift erbracht wurde (vgl. auch Hess. VGH, Beschluss vom 25.11.2015 - 10 A 233/15.Z -, juris; Sächs. OVG, Urteil vom 28.08.2013 - 1 A 87/13 -, juris Rn. 29 f.). Nach Maßgabe des zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriffs bilden alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen eine einheitliche Leistung, zumal wenn sie im Einzelfall nahtlos aneinander anschließen, also ohne beachtliche (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) zeitliche Unterbrechung gewährt werden. Dies gilt auch dann, wenn bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die Hilfegewährung im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen oder innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu gewähren ist (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 19.08.2010 - 5 C 14.09 -, BVerwGE 137, 368 = juris Rn. 20, m.w.N.). Zur Begründung der ganzheitlichen Betrachtung auch im Rahmen des § 111 SGB X stellt das Bundesverwaltungsgericht insbesondere systematische Gesichtspunkte in den Vordergrund und versucht Bedenken, die mit der zeitnahen Anmeldung verfolgten Informations- und Warnfunktion des § 111 SGB X drohe ausgehöhlt zu werden (vgl. etwa Mutschler, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 111 Rn. 40) - worauf auch die Beklagte verweist -, aufzugreifen. Im Urteil vom 17.12.2015 (- 5 C 9.15 -, BVerwGE 154, 1 = juris Rn. 15 ff.) führt das Bundesverwaltungsgericht unter Bestätigung seiner Rechtsprechung aus:
29 
„Für sie sprechen insbesondere systematische Gesichtspunkte. Dem in § 111 Satz 1 SGB X verwendeten Begriff der Leistung kommt eine doppelte Funktion zu. Er dient zum einen dazu, den gegenständlichen Anwendungsbereich der Norm näher zu umschreiben, da sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf die Kosten einer "Leistung" beziehen muss. Zum anderen wird durch ihn der Beginn der Ausschlussfrist ("nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde") markiert. Den Grundsätzen der systematischen Gesetzesauslegung entsprechend wird der Begriff der Leistung in § 111 Satz 1 SGB X bezüglich beider Wirkungsrichtungen einheitlich verwendet. Denn ein Begriff ist innerhalb derselben Norm grundsätzlich nicht inhaltlich unterschiedlich zu deuten. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber einem Begriff innerhalb derselben Norm keine sich einander widersprechenden oder gegenseitig ausschließenden Bedeutungsinhalte beimisst. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise beim Vorliegen entsprechender gegenteiliger Anhaltspunkte gelten (vgl. Bleckmann, JuS 2002, 942 <944> m.w.N.), an denen es in Bezug auf § 111 Satz 1 SGB X fehlt.
30 
Nach Maßgabe des kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegenden Leistungsbegriffs des § 111 Satz 1 SGB X kann - wie aufgezeigt - unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten eine einzige Leistung auch aus verschiedenen (Einzel-)Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen. Liegen die Voraussetzungen einer solchen bedarfsorientierten Gesamtbetrachtung vor und ist deshalb mit Blick auf den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X von einer einzigen Leistung auszugehen, streitet aus systematischen Gründen im Interesse der Einheitlichkeit des Leistungsbegriffs ganz Überwiegendes dafür, auch für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X von diesem Verständnis auszugehen. Dies spricht deutlich dagegen, für den Fristlauf von einem zeitabschnittsweisen Leistungsbegriff auszugehen, also die (Gesamt-)Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X in Teilleistungen zu stückeln, die mit einer im Einzelfall erfolgten abschnittsweisen Abrechnung korrespondieren, und für den Fristbeginn infolgedessen den Ablauf des letzten Tages der jeweiligen Teilleistung als maßgeblich anzusehen. Geboten ist vielmehr, auch für den Beginn der Ausschlussfrist die erstattungspflichtige Leistung in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen und dementsprechend auf den letzten Tag ihrer Gewährung abzustellen. [...]
31 
Dem systematischen Argument kommt ein so hohes Gewicht zu, dass teleologische Erwägungen zurücktreten müssen, zumal der mit der zeitnahen Anmeldung des Erstattungsanspruchs verfolgte Schutz des erstattungspflichtigen Leistungsträgers durch das Abstellen auf das Ende der (Gesamt-)Leistung nicht ausgehöhlt wird. Die Ausschlussfrist soll - wie dargelegt - gewährleisten, dass mit der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nicht unbegrenzte Zeit gewartet wird. Vielmehr soll der erstattungspflichtige Leistungsträger möglichst bald nach der Leistungserbringung über die auf ihn zukommenden Erstattungsansprüche in Kenntnis gesetzt werden, so dass er sich darauf einstellen und gegebenenfalls Vorsorge treffen kann (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 26). Wird Hilfe nur über einen kurzen Zeitraum gewährt, ist die rechtzeitige Information des erstattungspflichtigen Leistungsträgers auch bei einer Geltendmachung des Erstattungsanspruchs innerhalb eines Jahres nach dem Ende der (Gesamt-)Leistung in der Regel gewährleistet. Erstreckt sich die Hilfegewährung über einen längeren, möglicherweise mehrere Jahre umfassenden Zeitraum, liegt es mit Blick auf die regelmäßig nicht unerheblichen Kosten schon im Eigeninteresse des erstattungsberechtigten Leistungsträgers, seinen Anspruch frühzeitig, gegebenenfalls schon während der laufenden Hilfegewährung anzumelden, so dass der erstattungspflichtige Leistungsträger regelmäßig auch in diesen Fällen hinreichend geschützt ist. Zudem führen etwa erhebliche Leistungsunterbrechungen (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) oder die (weitere) Gewährung von Hilfen im Falle eines sich qualitativ ändernden jugendhilferechtlichen Bedarfs dazu, dass eine neue Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne vorliegt und mit der Beendigung der vorherigen Leistungsgewährung die Frist des § 111 Satz 1 SGB X in Lauf gesetzt wird.“
32 
Auf Grundlage dieser Rechtsprechung sind die geltend gemachten Kostenerstattungsansprüche nicht nach § 111 Satz 1 SGB VIII ausgeschlossen. Der Kläger hat die streitigen Ansprüche betreffend Leistungen ab dem 01.01.2004 zwar erstmals mit Schreiben vom 09.05.2006 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die Ansprüche betreffend Leistungen in den Jahren 2007 bis 2010 hat er mit Erhebung der Feststellungsklage am 04.01.2008 angemeldet und mit Schreiben an die Beklagte vom 15.12.2015 beziffert. Ein fristgerechtes Geltendmachen des Kostenerstattungsanspruchs liegt für den gesamten Zeitraum 01.01.2004 bis 31.12.2010 aber vor, da die erbrachten jugendhilferechtlichen Leistungen als eine einheitliche (Gesamt-)Leistung zu werten sind und die einheitliche Leistungsgewährung erst am 13.03.2017 endete (zuletzt als Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII). Die seit der Übernahme der zunächst von der Beklagten erbrachten Hilfegewährung wurde aufgrund eines qualitativ unveränderten Hilfebedarfs fortlaufend und ununterbrochen insbesondere in Hilfe in Form der Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII (ggf. i.V.m. § 41 SGB VIII) gewährt. Das Vorliegen einer einheitlichen Leistung wurde auch von der Beklagten nicht in Frage gestellt.
33 
Der letzte Tag, an dem fortlaufende jugendhilferechtliche Leistungen erbracht wurden, war der 13.03.2017. Damit endete die Frist im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X mit Ablauf des 13. März 2018. Vor Ablauf dieser Frist hat der Kläger die Ansprüche angemeldet. Dabei kann hier dahinstehen, ob der Erstattungsanspruch vollumfänglich bereits mit Schreiben vom 09.05.2006 bzw. Klageschriftsatz vom 19.12.2007 geltend gemacht werden konnte, denn jedenfalls mit Schreiben an die Beklagte vom 15.12.2015 hat der Kläger die Ansprüche im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.08.2010 - 5 C 14.09 -, BVerwGE 137, 368 = juris Rn. 22, zu den Anforderungen an das Geltendmachen im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X; vgl. VG Freiburg, Urteil vom 18.11.2006 - 4 K 2981/15 -, juris Rn. 21, zum Geltendmachen künftiger Ansprüche).
34 
3. Soweit die Beklagte für Ansprüche betreffend den vom Kläger erbrachten jugendhilferechtlichen Leistungen in den Jahren 2004 bis 2006 sowie den Jahren 2008 bis 2010 die Einrede der Verjährung erhebt, dringt sie damit nur hinsichtlich der Ansprüche betreffend die in den Jahren 2004 und 2005 erbrachten Leistungen durch.
35 
Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X verjähren Erstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt. Zwar handelt es sich bei dem Erstattungsanspruch nach § 89a SGB VIII nicht um einen solchen des Abschnitts der §§ 102 ff. SGB X, doch ist § 113 SGB X gemäß § 37 Satz 1 SGB I auf diesen anwendbar.
36 
a) Nach der überwiegenden Meinung verjährt ein jugendhilferechtlicher Kostenerstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem er entstanden ist (Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 03/17, Vorbemerkungen §§ 89 bis 89h Rn. 9 m.w.N.). Dies findet sich zwar nicht unmittelbar in § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X wieder. Denn diese Vorschrift enthält für den Beginn der Verjährungsfrist eine Regelung, die - wie § 111 Satz 2 SGB X - keine Aussagekraft für Kostenerstattungsansprüche nach §§ 89 ff. SGB VIII hat. Dass der Beginn der vierjährigen Verjährungsfrist in diesen Fällen nicht gesetzlich geregelt ist, stellt nach allgemeiner Ansicht eine planwidrige Regelungslücke dar. Zur Schließung dieser Lücke wird teils die Regelung des § 113 Abs. 1 SGB X in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung, wonach ein Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjährte, in dem er entstanden war (so etwa OVG Saarl., Urteil vom 23.05.2012 - 3 A 410/11 -, juris), teils wird die Regelung in § 111 Satz 1 SGB XII, wonach die Vierjahresfrist nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erstattungspflicht entstanden ist (Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 03/17, Vorbemerkung §§ 89 bis 89h, Rn. 9; Bayer. VGH, Urteil vom 23.11.2009 - 12 BV 08.2146 -, juris Rn. 14 ff.; VG Bayreuth, Urteil vom 15.06.2016 - B 3 K 15.1001 -, juris Rn. 60 m.w.N.) und teils die Regelung in § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X, wonach Rückerstattungsansprüche in vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist (Becker, in: Hauck/Noftz, SGB X, 12/13, § 113 Rn. 24), herangezogen.
37 
Dabei ist auf Teilleistungszeiträume abzustellen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Beginn der Ausschlussfrist des § 111 SGB X bei jugendhilferechtlichen Erstattungsansprüchen lässt sich auf den Beginn der Verjährungsfrist des § 113 Abs. 1 SGB X nicht übertragen.
38 
Für einen Gleichlauf des Beginns der Ausschlussfrist des § 111 SGB X und der Verjährungsfrist des § 113 Abs. 1 SGB X spricht zwar die Gesetzeshistorie (vgl. Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 03/17, Vorbemerkung §§ 89 bis 89h, Rn. 9). Nach der Gesetzesbegründung sollte die Verjährungsfrist des § 113 Abs. 1 SGB X mit der Ausschlussfrist des § 111 SGB X, der durch das 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21.10.2000 (BGBl I S. 1983) hinsichtlich des Beginns der Ausschlussfrist neugefasst wurde, kompatibel gestaltet werden (BT-Drs. 14/4375, S. 60). Ein Auseinanderfallen des Fristbeginns kann zudem zu Friktionen bei einer mehrjährigen, einheitlichen Leistung führen. Denn in diesen Fällen kann es sein, dass einerseits die Ausschlussfrist noch nicht begonnen hat und die Ansprüche daher noch nicht im Sinne von § 111 SGB X geltend gemacht werden müssen, andererseits der anspruchsberechtigte Leistungsträger Handlungen, die die Verjährung hemmen (vgl. § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 BGB), vornehmen müsste, um eine Verjährung der Ansprüche zu verhindern.
39 
Entscheidend gegen eine Übertragung der Rechtsprechung zu § 111 SGB X auf § 113 Abs. 1 SGB X spricht jedoch Sinn und Zweck der (Verjährungs-) Vorschrift. Die Verjährung soll den durch Zeitablauf oft auftretenden Problemen entgegen wirken und dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit, indem sie Ansprüche einer beschleunigten Klärung zuführt (vgl. Becker, in: Hauck/Noftz, SGB X, 12/13, § 113 Rn. 1; Böttiger, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 113 Rn. 1). Würde die vierjährige Verjährungsfrist bei einer als einheitlicher Leistung zu wertenden fortlaufenden Hilfemaßnahme erst mit Ablauf des letzten Tages beginnen, an dem die jeweilige (Gesamt-)Leistung erbracht wurde bzw. entstanden ist, könnte die Bestimmung ihren Regelungszweck kaum mehr erfüllen. Im äußersten Fall könnte bei einer Gesamtleistung von Hilfe zur Erziehung und anschließender Hilfe für junge Volljährige ein Leistungszeitraum von 21 Jahren (vgl. § 41 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VIII) bzw. von 27 Jahren (vgl. § 41 Abs. 2 Halbsatz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 3, 4 SGB VIII) eintreten, so dass die Verjährungsfrist von vier Jahren erst nach Ablauf dieses Zeitraums begönne. Der Zweck der Verjährungsregelung würde damit faktisch ins Leere laufen. Auch gibt der Wortlaut von § 113 Abs. 1 SGB X anders als der von § 111 Satz 1 SGB X („Leistung erbracht wurde“) keinen Anhaltspunkt für eine einheitliche Behandlung des gesamten Leistungszeitraums. Dementsprechend lassen sich keine Anhaltspunkte für eine Übertragung der zu § 111 SGB X ergangenen Rechtsprechung auf § 113 Abs. 1 SGB X finden, weder in den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu § 111 SGB X noch sonst in Rechtsprechung oder Literatur, auch dort nicht, wo das Bundesverwaltungsgericht einen „längeren möglicherweise mehrere Jahre umfassenden Zeitraum“ berücksichtigt (Urteil vom 17.12.2015 - 5 C 9.15 - a.a.O.).
40 
b) Die Verjährung war zunächst durch Erhebung der Klage am 04.01.2008 gehemmt (§ 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
41 
Die Hemmung der Verjährung wurde nicht dadurch beendet, dass die Beteiligten nach Erlass des Ruhensbeschlusses durch das Gericht vom 11.02.2009 das Verfahren (zunächst) nicht weiter betrieben haben. Nach § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB endet die Hemmung zwar sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts (hier: 11.08.2009) oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle, wenn das Verfahren dadurch in Stillstand gerät, dass die Parteien es nicht betreiben. Die Beteiligten haben hier aber nicht nur prozessuale Anträge zum Ruhen des Verfahrens gestellt, sondern konkludent eine sogenannte (materielle) Hemmungsvereinbarung (sog. pactum de non petendo) geschlossen.
42 
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass durch ein vom Gericht angeordnetes, von beiden Beteiligten beantragtes Ruhen des Verfahrens nach § 251 ZPO ein den Beteiligten zuzurechnender Verfahrensstillstand im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB und damit ein Ende der Hemmung eintritt (vgl. BGH, Urteile vom 18.10.2000 - XII ZR 85/98 -, NJW 2001, 218, und vom 20.10.1987 - VI ZR 104/87 -, NJW-RR 1988, 279; siehe auch BAG, Urteil vom 22.04.2004 - 8 AZR 620/02 -, juris; LG Karlsruhe, Urteil vom 11.02.2009 - 1 S 91/07 -, juris; Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl. 2014, § 204 Rn. 48). Das soll auch dann gelten, wenn die Beteiligten lediglich aus prozesswirtschaftlichen Erwägungen den Ausgang eines Musterprozesses abwarteten, weil dadurch allein § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht unanwendbar werde (so - ausdrücklich in Bezug auf § 211 Abs. 2 BGB a. F., der Vorgängerregelung zu § 204 Abs. 2 BGB n. F. - BGH, Urteil vom 27.01.1999 - XII ZR 113-97 -, NJW 1999, 1101 m.w.N.; ebenso BAG, Urteil vom 22.04.2004 - 8 AZR 620/02 -, juris).
43 
Allerdings haben die Beteiligten hier durch die konkrete Art und Weise der Beantragung des Ruhens des Verfahrens zugleich eine sogenannte Hemmungsvereinbarung bzw. ein Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) im Sinne von § 205 BGB getroffen, das heißt eine Vereinbarung, mit der sie die Hemmungswirkung trotz des Verfahrensstillstands aufrecht erhalten wollten (vgl. hierzu J. Schmidt-Räntsch, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 204 Rn. 55 und § 205 Rn. 2 m.w.N.; Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl. 2014, § 205 Rn. 2; Peters/Jacoby, in: Staudinger, BGB, Stand: 2014, § 205 Rn. 14 ff.).
44 
Eine solche Vereinbarung über einen befristeten Verzicht auf die Geltendmachung einer Forderung kann auch konkludent und sogar stillschweigend getroffen werden, wenn der Wille der Beteiligten, dass der Schuldner vorübergehend zur Leistungsverweigerung berechtigt sein soll, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Auch muss kein bestimmter Endzeitpunkt vereinbart werden; dabei genügt es, dass die Partner auf ein zwar bestimmtes, aber zeitlich offenes Ereignis abstellen (BGH, Urteil vom 05.11.1992 - IX ZR 200/91 -, NJW 1993, 1320; J. Schmidt-Räntsch, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 205 Rn. 2 und 5, m.w.N.; Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl. 2014, § 205 Rn. 2; Peters/Jacoby, in: Staudinger, BGB, Stand: 2014, § 205 Rn. 16 ff.). Ein solches Stillhalteabkommen wird u. a. gerade auch dann angenommen, wenn die Beteiligten einem Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss eines Musterprozesses in anderer Sache zustimmen (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 05.11.1992, - IX ZR 200/91 -, NJW 1993, 1320, und vom 28.09.1978 - III ZR 203/74 -, juris; J. Schmidt-Räntsch, Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 205 Rn. 5 m.w.N.; Peters/Jacoby, in: Staudinger, BGB, Stand: 2014, § 205 Rn. 18 m.w.N.; vgl. auch LG Karlsruhe, Urteil vom 11.02.2009 - 1 S 91/07 -, juris).
45 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dies wird von der Beklagten nicht mehr in Frage gestellt. Die Beklagte selbst hat bereits in ihrer Klageerwiderung vom 11.03.2008 ausdrücklich auf das damals beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg anhängige Berufungszulassungsverfahren (12 S 2671/06), in dem es um die hier zunächst ebenfalls streitige Rechtsfrage der Fortgeltung des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nach Verlassen eines geschützten Einrichtungsortes ging, hingewiesen und das Ruhen des Verfahrens beantragt. Entsprechend des zunächst erteilten Hinweises des Gerichts, es sei demnächst mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg über den Antrag auf Zulassung der Berufung zu rechnen, haben die Beteiligten zunächst vom Ruhen des Verfahrens abgesehen. Nachdem das Gericht mit Verfügung vom 29.01.2009 darauf verwiesen hat, die Berufung sei mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19.06.2008 zugelassen worden und mit einer Entscheidung im Berufungsverfahren (neues Aktenzeichen 12 S 1608/08) sei in absehbarer Zeit nicht zu rechnen, haben die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 06.02.2009 jeweils unter Bezugnahme auf das anhängige Musterverfahren das Ruhen des Verfahrens beantragt. Der Kläger hat darin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass dieser Antrag nur im Hinblick auf das beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen 12 S 1608/08 (und nachfolgend beim Bundesverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 5 C 25.11) anhängige Verfahren gestellt werde. Indem die Beklagte auf Anfrage des Gerichts ebenfalls das Ruhen des Verfahrens beantragt hatte, hat sie zumindest konkludent einer Hemmungsvereinbarung zugestimmt. Durch die eindeutige Bezugnahme auf ein konkretes Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bzw. Bundesverwaltungsgericht ist allen Beteiligten auch klar gewesen, dass es sich nur um einen befristeten Verzicht auf eine Weiterverfolgung des klageweise geltend gemachten Leistungsbegehrens handelte.
46 
Die Verjährung war jedoch nicht bis zum Wiederanrufen des Verfahrens durch den Schriftsatz des Klägers vom 30.12.2015 (und damit erneutem Eintritt der Hemmung, vgl. § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB) gehemmt. Da die Hemmungsvereinbarung lediglich stillschweigend geschlossen wurde, fehlt es an dem der Auslegung zugänglichen Text. Entscheidend ist daher, wann die Hemmungsvereinbarung sinngemäß enden sollte oder mit anderen Worten, wann ein Nichtbetreiben des Prozesses im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB anzunehmen ist.
47 
Ein Nichtbetreiben des Prozesses im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB liegt nach allgemeiner Ansicht dann vor, wenn die Beteiligten Maßnahmen zu seiner Förderung ohne eine triftigen, für den anderen Teil jeweils erkennbaren Grund unterlassen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 16.03.2009 - II ZR 32/08 -, NJW 2009, 1598 m.w.N.). Es reicht aus, dass objektiv ein Verhalten gegeben ist, das die mit der Hemmung der Verjährung bewirkte Verlängerung der Verjährung nicht mehr hinreichend zu rechtfertigen vermag.
48 
Ein triftiger Grund lag hier zunächst - wie ausgeführt - im Abwarten des Musterverfahrens, dessen Rechtsfragen auf den vorliegenden Fall übertragbar sind, vor. Das Musterverfahren war durch rechtskräftiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2012 beendet, die relevante materiell-rechtliche Frage höchstrichterlich entschieden. Der Kläger hat das Verfahren allerdings erst am 30.12.2015, also etwa drei Jahre nach Abschluss des Musterverfahrens, wieder angerufen. Ein hinreichender Grund für die dadurch bedingte weitere Verlängerung der Verjährung ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. (Spätestens) Im Zeitpunkt des Vorliegens der Urteilsgründe und deren Veröffentlichung in den Fachzeitschriften (insbesondere in der Zeitschrift JAmt 5/2013, also im Mai 2013) musste den Beteiligten klar sein, dass der Zweck der Hemmungsvereinbarung erreicht war und ein sachlicher Grund für das Unterlassen prozessfördernder Maßnahmen nicht mehr vorlag. In diesem Zeitpunkt ist auch von einer Kenntnis oder zumindest einem Kennenmüssen des Ausgangs des Musterverfahrens durch die beteiligten Fachbehörden auszugehen. Damit war auch der legitimierende Grund für ein Nichtbetreiben im Sinne der Hemmungsvereinbarung entfallen und der Zweck des befristeten Verzichts auf die Geltendmachung einer Forderung entfallen. Ein Abstellen auf einen früheren Zeitpunkt (z.B. Entscheidungsdatum, Veröffentlichung auf der Homepage des Bundesverwaltungsgerichts) oder einen späteren Zeitpunkt hält die Kammer hingegen nicht für sachgerecht.
49 
In Anlehnung an § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB nimmt die Kammer weiter an, dass die Hemmung erst sechs Monate (hier November 2013) nach Kenntnis bzw. Kennenmüssen vom Abschluss des Musterverfahrens endete. Dafür spricht, dass die Beteiligten nach Abschluss des Musterprozesses erst noch eine Entscheidung über die Folgen für ihr Verfahren, insbesondere über ein Fortsetzen oder Beenden des anhängigen Verfahren, treffen müssen (vergleichbar mit einer „Entscheidungsfrist“ bzw. Überlegungsfrist, vgl. BGH, Urteil vom 23.04.1998 - III ZR 7-97 -, NJW 1998, 2274 <2277>).
50 
Demnach liegen zwischen dem Ende der Hemmung und dem Wiederanrufen des Verfahrens am 30.12.2015 (und damit erneuten Eintreten der Hemmung, vgl. § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB) etwa zwei Jahre und ein Monat. Da die Klage erst am 04.01.2008 erhoben wurde, bedeutet dies, dass die Erstattungsansprüche für die in den Jahren 2004 und 2005 erbrachten Leistungen im Zeitpunkt des Wiederanrufens bereits verjährt, die Ansprüche für die im Jahr 2006 erbrachten Leistungen des Jahres im Zeitpunkt des Wiederanrufens hingegen nicht verjährt waren.
51 
c) Die Verjährungseinrede wird nicht durch den Gegeneinwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB entkräftet. Offen bleiben kann, ob die Voraussetzungen für einen Arglisteinwand des Klägers gegenüber der Verjährungseinrede der Beklagten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Musterprozesses gegeben sind. Denn dies unterstellt, wäre die Grundlage des Arglisteinwands wohl jedenfalls fortgefallen, nachdem dem Kläger von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Musterprozess Kenntnis hatte bzw. hätte haben konnte (hier Mai 2013). Anschließend hätte der Kläger - nach einer angemessenen Überlegungsfrist (hier bis November 2013) - den Prozess gegen die Beklagte fortsetzen können und müssen. Der verstrichene Zeitraum von etwa drei Jahren zwischen Abschluss des Musterprozesses und Wiederanrufen ist zu lang (vgl. BGH, Urteil vom 23.04.1998 - III ZR 7-97 -, NJW 1998, 2274 <2277>).
52 
d) Soweit im Zeitpunkt des Wiederanrufens die Ansprüche noch bestanden, ist durch Wiederanrufen des Verfahrens mit Schriftsatz vom 30.12.2015 die Verjährung erneut gehemmt (§ 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB).
53 
Die Beklagte macht geltend, dass die Ansprüche für die in den Jahren 2008 bis 2010 erbrachten Leistungen erstmals im Jahr 2015 - genau: durch den Schriftsatz des Klägers vom 30.12.2015 -, also nach Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist gerichtlich geltend gemacht worden seien. Damit dringt sie allerdings nicht durch.
54 
Dem steht entgegen, dass der Kläger mit Klageschrift vom 19.12.2007 sowie mit Schriftsatz vom 30.01.2008 nicht nur eine Leistungsklage, gerichtet auf Zahlung eines Kostenerstattungsanspruchs für erbrachte Leistungen in der Zeit zunächst vom 01.02.2000 bis 31.12.2007, sondern zusätzlich eine Feststellungsklage erhoben hatte, mit der er das Bestehen eines Kostenerstattungsanspruchs des Klägers gegenüber der Beklagten nach § 89a SGB VIII aufgrund Leistungsgewährung nach § 86 Abs. 6 SGB VIII ab dem 01.02.2000 begehrte. Nach Erbringung der Leistungen hat er die Feststellungsklage zulässig auf eine Leistungsklage umgestellt, § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.10.1987 - 4 B 211.87 -, VBlBW 1988, 253 = juris Rn. 9; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 91 Rn. 15).
55 
Es trifft zwar zu, dass die Ansprüche für die in den Jahren 2008 bis 2010 vom Kläger erbrachten Leistungen erstmals mit Schriftsatz vom 30.12.2015 bzw. mit Schriftsatz vom 31.01.2017 in Form eines (bezifferten) Leistungsantrags geltend gemacht worden sind. Richtig ist auch, dass jedenfalls die Ansprüche betreffend die in den Jahren 2009 und 2010 erbrachten Leistungen im Zeitpunkt, in dem die Hemmungsvereinbarung getroffen wurde, noch nicht entstanden waren. Allerdings hatte der Kläger mit der am 04.01.2008 bei Gericht eingegangenen Klageschrift sowie Schriftsatz vom 30.01.2008 nicht nur einen Leistungsantrag, sondern zugleich eine Feststellungsklage, die ersichtlich gerade künftige Ansprüche umfassen sollte, erhoben. Hierfür bestand bei Klageerhebung wohl auch ein berechtigtes Interesse, da die Beklagte ihre Kostenerstattungspflicht dem Grunde nach bestritten hatte und in diesem Zeitpunkt schon erkennbar war, dass die jugendhilferechtlichen Leistung fortdauern werde. Letztlich löst eine Klage die Hemmung unabhängig davon aus, ob sie zulässig (und begründet) ist (Schmidt-Räntsch, in: Erman, BGB Kommentar, 15 Aufl. 2017, § 204 Rn. 3). Die Feststellungsklage hemmt die Verjährung (§ 113 Abs. 2 SGB VIII i.V.m. § 204 Nr. 1 BGB) wegen des ganzen Anspruchs (Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2018, § 256 Rn. 9 m.w.N.).
56 
4. Einen Anspruch auf Prozesszinsen hat der Kläger im tenorierten Umfang.
57 
Prozesszinsen sind auch für öffentlich-rechtliche Geldforderungen in sinngemäßer Anwendung von §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu entrichten, dies gilt auch in Erstattungsstreitigkeiten unter Jugendhilfeträgern (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.2001 - 5 C 34.00 -, BVerwGE 114, 61). Rechtshängig wurde die Klage gemäß § 91 VwGO mit Eingang bei Gericht am 04.01.2008. Der Zinsanspruch für Forderungen, die erst nach Klageerhebung entstanden sind (hier also für Ansprüche betreffend der in den Jahren 2008 bis 2010 erbrachten Leistungen), besteht jedoch nicht schon mit Rechtshängigkeit der Klage am 04.01.2008. Sie besteht auch nicht erst ab der Umstellung auf die Leistungsklage. Denn die Verzinsungspflicht besteht - anders als im Zivilprozess (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.1984 - IV b ZR 51/83 -, juris; Jauernig, BGB, § 291 Rn. 3) - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht nur dann, wenn der Kostenerstattungsberechtigte Leistungsträger eine Leistungsklage erhebt, sondern auch in den Fällen, in denen die Feststellungsklage als eine der Leistungsklage gleichwertige Rechtsschutzform anerkannt und die Geldschuld nur dem Grund nach, nicht aber in ihrer Höhe umstritten ist; ist dies der Fall, erfasst die Rechtshängigkeit nicht nur die dem Grunde nach festzustellenden streitige Geldschuld, sondern auch deren unstreitige Höhe (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.2001 - 5 C 34.00 -, BVerwGE 114, 61). Da der Kläger bereits mit Klageerhebung die Feststellungsklage erhoben hat, entsteht der Zinsanspruch für die erst nach Klageerhebung entstandenen Forderungen für die in den Jahren 2008 bis 2010 erbrachten Leistungen ab Entstehen bzw. Fälligkeit des Erstattungsanspruchs (vgl. Becker, in: Hauck/Noftz, SGB X, 11/17, Vorbemerkungen zu §§ 102-114, Rn. 78 m.w.N., zum Entstehen eines Kostenerstattungsanspruchs).
58 
Der Kläger hat nach Rücknahme der Klage für Ansprüche betreffend die Jahre 2000 bis 2003 die Kosten zu tragen (§ 155 Abs. 2 VwGO). Soweit die Beteiligten das Verfahren für Ansprüche betreffend die Jahre 2011 bis 2017 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Es entspricht vorliegend billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO.
59 
Wegen der noch ungeklärten Frage zum Beginn der Verjährungsfrist des § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X bei jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsansprüchen lässt die Kammer die Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.
60 
Soweit das Verfahren nach Klagerücknahme und übereinstimmender Erledigungserklärung eingestellt wurde, ist der dazu im Urteilstenor enthaltene Einstellungs- und Kostenbeschluss gemäß § 92 Abs. 3 Satz 2, § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar.
61 
Beschluss vom 13.02.2018
62 
Der Streitwert für das Verfahren wird nach § 52 Abs. 3, § 43 Abs. 1, § 62 Abs. 2 GKG auf 157.609,21 EUR festgesetzt.
63 
Dies entspricht der Gesamtheit der im gerichtlichen Verfahren streitigen Ansprüche des Klägers betreffend die in den Jahre 2000 bis 2017 erbrachten Leistungen. Unberücksichtigt bleiben Forderungen des Klägers in Höhe von 89.155,30 Euro, die die Beklagte zum 21.01.2016 beglichen hat, also noch bevor der Kläger insoweit einen bezifferten Leistungsantrag im Klageverfahren gestellt hat.

Gründe

 
20 
Das Verfahren war gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO (analog) einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Erstattungsansprüche betreffend jugendhilferechtliche Leistungen der Jahre 2011 bis 2017 übereinstimmend für erledigt erklärt haben und soweit der Kläger die Klage (für Erstattungsansprüche betreffend die Jahre 2000 bis 2003) zurückgenommen hat.
21 
Die noch aufrechterhaltene Klage ist als Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen. Die Umstellung von der Feststellungsklage auf die Leistungsklage ist ohne weiteres zulässig, vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.10.1987 - 4 B 211.87 -, VBlBW 1988, 253 = juris Rn. 9; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 91 Rn. 15).
22 
Die noch anhängige Leistungsklage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten für Jugendhilfeleistungen, die er in der Zeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2010 in Höhe von insgesamt 58.114,80 Euro erbracht hat. Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für Jugendhilfeleistungen, die er in der Zeit vom 01.01.2004 bis 31.12.2005 in Höhe von insgesamt 17.916,00 Euro erbracht hat; insoweit ist der Anspruch verjährt.
23 
1. Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Kostenerstattungsansprüche des Klägers ist § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift sind die Kosten, die ein örtlicher Träger auf Grund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII bestimmt in Fällen, in denen ein Kind oder ein Jugendlicher zwei Jahre bei einer Pflegeperson lebt und sein Verbleib bei dieser Pflegeperson auf Dauer zu erwarten ist, dass der örtliche Träger zuständig ist oder wird, in dessen Bereich die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
24 
Die beim Kläger angefallenen Kosten für jugendhilferechtliche Leistungen zugunsten von ... hat er - dies ist zwischen den Beteiligten (nunmehr) unstreitig - auf der Grundlage einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII aufgewendet. Die Beklagte war auch zuvor zuständig gewesen, da die zum Leistungsbeginn allein sorgeberechtigte Mutter damals im Zuständigkeitsbereich der Beklagten ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VIII). Die Beklagte hatte die eigene Zuständigkeit zwar zunächst bestritten und geltend gemacht, die Mutter habe bei ihrem Zuzug nach Freiburg am 30.08.1996 zunächst in einer geschützten Einrichtung im Sinne von § 89e SGB VIII gelebt und § 89e SGB VIII gelte auch nach dem Verlassen der geschützten Einrichtung fort. Hiervon ist sie aber nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2012 (- 5 C 25.11 -, BVerwGE 145, 257) zurecht abgerückt, da § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII den Einrichtungsorten Schutz vor unangemessenen Kostenbelastungen nur für den Zeitraum vermittelt, in der die nach dieser Vorschrift maßgebende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einer Einrichtung hatte.
25 
2. Dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers steht nicht § 111 SGB VIII entgegen. Diese Vorschrift gilt über die Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff. SGB X hinaus für alle Erstattungsansprüche zwischen Sozialleistungsträgern, insbesondere auch für die (jugendhilferechtlichen) Erstattungsansprüche nach den §§ 89 ff. SGB VIII (vgl. Böttiger, in: Diering/Timme, Sozialgesetzbuch X, 4. Aufl. 2016, § 111 Rn. 3 m.w.N.; Roller, in: von Wulffen, SGB X, 7. Auf. 2010, § 111 Rn. 4 m.w.N.).
26 
Nach § 111 Satz 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Nach § 111 Satz 2 SGB X beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.
27 
Die Regelung zum Fristbeginn in § 111 Satz 2 SGB X geht im vorliegenden Fall jedoch ins Leere, weil eine sachliche Entscheidung des erstattungspflichtigen Beklagten gegenüber dem Hilfeempfänger - wie von der Neuregelung vorgesehen - nicht in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.08.2010 - 5 C 14.09 -, BVerwGE 137, 368 = juris Rn. 16; VG Freiburg, Urteil vom 18.11.2016 - 4 K 2981/15 -, juris Rn. 22 f. m.w.N.; Becker, in: Hauck/Noftz, SGB X, 12/13, § 111 Rn. 51; Böttiger, in: Diering/Timme, Sozialgesetzbuch X, 4. Aufl. 2016, § 111 Rn. 3; Mutschler, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 111 Rn. 32 ff.; Roller, in: von Wulffen, SGB X, 7. Auf. 2010, § 111 Rn. 7 f.). Der erstattungspflichtige Leistungsträger (hier die Beklagte) trifft im Hinblick auf die von 2004 bis 2010 erbrachten Leistungen gerade keine Entscheidung über ihre Leistungspflicht, sondern der leistungsberechtigte Leistungsträger (hier der Kläger) trifft eine Entscheidung allein im Verhältnis zum Hilfeempfänger (hier der Pflegemutter und Vormundin), und zwar dann, wenn er über deren Hilfeanspruch entscheidet. Der Neuregelung des § 111 Satz 2 SGB X liegt hingegen die Fallkonstellation zugrunde, dass verschiedene miteinander konkurrierende Leistungsträger zu unterschiedlichen Zeitpunkten gegenüber dem Leistungsberechtigten über ihre Leistungspflicht entscheiden und in der der vorrangig leistungspflichtige (zuständige) Träger eine Leistung, die der nachrangig leistungspflichtige (unzuständige) Träger zuvor gewährt hatte, zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend bewilligt hat (vgl. Entwurf der Bundesregierung des 4. Euro-Einführungsgesetzes, BT-Drs. 14/4375, 60).
28 
Bei wiederkehrenden Leistungen - wie hier - stellt sich die Frage, ob und ggf. wie hinsichtlich der Frage des Fristbeginns auf Teilleistungszeiträume abzustellen ist (vgl. etwa Bayer. VGH, Beschluss vom 07.01.2014 - 12 ZB 13.2512 -, juris; zum Streitstand Mutschler, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 111 Rn. 36 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in Abkehr von dem Fristbeginn nach Teilleistungszeiträumen in einer Reihe neuerer Entscheidungen (Urteile vom 19.08.2010 - 5 C 14.09 -, BVerwGE 137, 368, vom 17.12.2015 - 5 C 9.15 -, BVerwGE 154, 1, und vom 27.04.2017 - 5 C 8.16 -, JAmt 2017, 453) entschieden, dass bei jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsansprüchen die Leistung im Sinne von § 111 SGB X nach dem zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff des Kinder- und Jugendhilferechts zu bestimmen ist und die Frist für die Geltendmachung eines jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruchs für Maßnahmen und Hilfen, die jugendhilferechtlich als eine Leistung zu werten sind, mit dem Ablauf des letzten Tages beginnt, an dem die jeweilige (Gesamt-)Leistung im Sinne dieser Vorschrift erbracht wurde (vgl. auch Hess. VGH, Beschluss vom 25.11.2015 - 10 A 233/15.Z -, juris; Sächs. OVG, Urteil vom 28.08.2013 - 1 A 87/13 -, juris Rn. 29 f.). Nach Maßgabe des zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriffs bilden alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen eine einheitliche Leistung, zumal wenn sie im Einzelfall nahtlos aneinander anschließen, also ohne beachtliche (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) zeitliche Unterbrechung gewährt werden. Dies gilt auch dann, wenn bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die Hilfegewährung im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen oder innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu gewähren ist (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 19.08.2010 - 5 C 14.09 -, BVerwGE 137, 368 = juris Rn. 20, m.w.N.). Zur Begründung der ganzheitlichen Betrachtung auch im Rahmen des § 111 SGB X stellt das Bundesverwaltungsgericht insbesondere systematische Gesichtspunkte in den Vordergrund und versucht Bedenken, die mit der zeitnahen Anmeldung verfolgten Informations- und Warnfunktion des § 111 SGB X drohe ausgehöhlt zu werden (vgl. etwa Mutschler, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 111 Rn. 40) - worauf auch die Beklagte verweist -, aufzugreifen. Im Urteil vom 17.12.2015 (- 5 C 9.15 -, BVerwGE 154, 1 = juris Rn. 15 ff.) führt das Bundesverwaltungsgericht unter Bestätigung seiner Rechtsprechung aus:
29 
„Für sie sprechen insbesondere systematische Gesichtspunkte. Dem in § 111 Satz 1 SGB X verwendeten Begriff der Leistung kommt eine doppelte Funktion zu. Er dient zum einen dazu, den gegenständlichen Anwendungsbereich der Norm näher zu umschreiben, da sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf die Kosten einer "Leistung" beziehen muss. Zum anderen wird durch ihn der Beginn der Ausschlussfrist ("nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde") markiert. Den Grundsätzen der systematischen Gesetzesauslegung entsprechend wird der Begriff der Leistung in § 111 Satz 1 SGB X bezüglich beider Wirkungsrichtungen einheitlich verwendet. Denn ein Begriff ist innerhalb derselben Norm grundsätzlich nicht inhaltlich unterschiedlich zu deuten. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber einem Begriff innerhalb derselben Norm keine sich einander widersprechenden oder gegenseitig ausschließenden Bedeutungsinhalte beimisst. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise beim Vorliegen entsprechender gegenteiliger Anhaltspunkte gelten (vgl. Bleckmann, JuS 2002, 942 <944> m.w.N.), an denen es in Bezug auf § 111 Satz 1 SGB X fehlt.
30 
Nach Maßgabe des kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegenden Leistungsbegriffs des § 111 Satz 1 SGB X kann - wie aufgezeigt - unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten eine einzige Leistung auch aus verschiedenen (Einzel-)Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen. Liegen die Voraussetzungen einer solchen bedarfsorientierten Gesamtbetrachtung vor und ist deshalb mit Blick auf den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X von einer einzigen Leistung auszugehen, streitet aus systematischen Gründen im Interesse der Einheitlichkeit des Leistungsbegriffs ganz Überwiegendes dafür, auch für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X von diesem Verständnis auszugehen. Dies spricht deutlich dagegen, für den Fristlauf von einem zeitabschnittsweisen Leistungsbegriff auszugehen, also die (Gesamt-)Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X in Teilleistungen zu stückeln, die mit einer im Einzelfall erfolgten abschnittsweisen Abrechnung korrespondieren, und für den Fristbeginn infolgedessen den Ablauf des letzten Tages der jeweiligen Teilleistung als maßgeblich anzusehen. Geboten ist vielmehr, auch für den Beginn der Ausschlussfrist die erstattungspflichtige Leistung in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen und dementsprechend auf den letzten Tag ihrer Gewährung abzustellen. [...]
31 
Dem systematischen Argument kommt ein so hohes Gewicht zu, dass teleologische Erwägungen zurücktreten müssen, zumal der mit der zeitnahen Anmeldung des Erstattungsanspruchs verfolgte Schutz des erstattungspflichtigen Leistungsträgers durch das Abstellen auf das Ende der (Gesamt-)Leistung nicht ausgehöhlt wird. Die Ausschlussfrist soll - wie dargelegt - gewährleisten, dass mit der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nicht unbegrenzte Zeit gewartet wird. Vielmehr soll der erstattungspflichtige Leistungsträger möglichst bald nach der Leistungserbringung über die auf ihn zukommenden Erstattungsansprüche in Kenntnis gesetzt werden, so dass er sich darauf einstellen und gegebenenfalls Vorsorge treffen kann (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 26). Wird Hilfe nur über einen kurzen Zeitraum gewährt, ist die rechtzeitige Information des erstattungspflichtigen Leistungsträgers auch bei einer Geltendmachung des Erstattungsanspruchs innerhalb eines Jahres nach dem Ende der (Gesamt-)Leistung in der Regel gewährleistet. Erstreckt sich die Hilfegewährung über einen längeren, möglicherweise mehrere Jahre umfassenden Zeitraum, liegt es mit Blick auf die regelmäßig nicht unerheblichen Kosten schon im Eigeninteresse des erstattungsberechtigten Leistungsträgers, seinen Anspruch frühzeitig, gegebenenfalls schon während der laufenden Hilfegewährung anzumelden, so dass der erstattungspflichtige Leistungsträger regelmäßig auch in diesen Fällen hinreichend geschützt ist. Zudem führen etwa erhebliche Leistungsunterbrechungen (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) oder die (weitere) Gewährung von Hilfen im Falle eines sich qualitativ ändernden jugendhilferechtlichen Bedarfs dazu, dass eine neue Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne vorliegt und mit der Beendigung der vorherigen Leistungsgewährung die Frist des § 111 Satz 1 SGB X in Lauf gesetzt wird.“
32 
Auf Grundlage dieser Rechtsprechung sind die geltend gemachten Kostenerstattungsansprüche nicht nach § 111 Satz 1 SGB VIII ausgeschlossen. Der Kläger hat die streitigen Ansprüche betreffend Leistungen ab dem 01.01.2004 zwar erstmals mit Schreiben vom 09.05.2006 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die Ansprüche betreffend Leistungen in den Jahren 2007 bis 2010 hat er mit Erhebung der Feststellungsklage am 04.01.2008 angemeldet und mit Schreiben an die Beklagte vom 15.12.2015 beziffert. Ein fristgerechtes Geltendmachen des Kostenerstattungsanspruchs liegt für den gesamten Zeitraum 01.01.2004 bis 31.12.2010 aber vor, da die erbrachten jugendhilferechtlichen Leistungen als eine einheitliche (Gesamt-)Leistung zu werten sind und die einheitliche Leistungsgewährung erst am 13.03.2017 endete (zuletzt als Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII). Die seit der Übernahme der zunächst von der Beklagten erbrachten Hilfegewährung wurde aufgrund eines qualitativ unveränderten Hilfebedarfs fortlaufend und ununterbrochen insbesondere in Hilfe in Form der Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII (ggf. i.V.m. § 41 SGB VIII) gewährt. Das Vorliegen einer einheitlichen Leistung wurde auch von der Beklagten nicht in Frage gestellt.
33 
Der letzte Tag, an dem fortlaufende jugendhilferechtliche Leistungen erbracht wurden, war der 13.03.2017. Damit endete die Frist im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X mit Ablauf des 13. März 2018. Vor Ablauf dieser Frist hat der Kläger die Ansprüche angemeldet. Dabei kann hier dahinstehen, ob der Erstattungsanspruch vollumfänglich bereits mit Schreiben vom 09.05.2006 bzw. Klageschriftsatz vom 19.12.2007 geltend gemacht werden konnte, denn jedenfalls mit Schreiben an die Beklagte vom 15.12.2015 hat der Kläger die Ansprüche im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.08.2010 - 5 C 14.09 -, BVerwGE 137, 368 = juris Rn. 22, zu den Anforderungen an das Geltendmachen im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X; vgl. VG Freiburg, Urteil vom 18.11.2006 - 4 K 2981/15 -, juris Rn. 21, zum Geltendmachen künftiger Ansprüche).
34 
3. Soweit die Beklagte für Ansprüche betreffend den vom Kläger erbrachten jugendhilferechtlichen Leistungen in den Jahren 2004 bis 2006 sowie den Jahren 2008 bis 2010 die Einrede der Verjährung erhebt, dringt sie damit nur hinsichtlich der Ansprüche betreffend die in den Jahren 2004 und 2005 erbrachten Leistungen durch.
35 
Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X verjähren Erstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt. Zwar handelt es sich bei dem Erstattungsanspruch nach § 89a SGB VIII nicht um einen solchen des Abschnitts der §§ 102 ff. SGB X, doch ist § 113 SGB X gemäß § 37 Satz 1 SGB I auf diesen anwendbar.
36 
a) Nach der überwiegenden Meinung verjährt ein jugendhilferechtlicher Kostenerstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem er entstanden ist (Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 03/17, Vorbemerkungen §§ 89 bis 89h Rn. 9 m.w.N.). Dies findet sich zwar nicht unmittelbar in § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X wieder. Denn diese Vorschrift enthält für den Beginn der Verjährungsfrist eine Regelung, die - wie § 111 Satz 2 SGB X - keine Aussagekraft für Kostenerstattungsansprüche nach §§ 89 ff. SGB VIII hat. Dass der Beginn der vierjährigen Verjährungsfrist in diesen Fällen nicht gesetzlich geregelt ist, stellt nach allgemeiner Ansicht eine planwidrige Regelungslücke dar. Zur Schließung dieser Lücke wird teils die Regelung des § 113 Abs. 1 SGB X in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung, wonach ein Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjährte, in dem er entstanden war (so etwa OVG Saarl., Urteil vom 23.05.2012 - 3 A 410/11 -, juris), teils wird die Regelung in § 111 Satz 1 SGB XII, wonach die Vierjahresfrist nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erstattungspflicht entstanden ist (Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 03/17, Vorbemerkung §§ 89 bis 89h, Rn. 9; Bayer. VGH, Urteil vom 23.11.2009 - 12 BV 08.2146 -, juris Rn. 14 ff.; VG Bayreuth, Urteil vom 15.06.2016 - B 3 K 15.1001 -, juris Rn. 60 m.w.N.) und teils die Regelung in § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X, wonach Rückerstattungsansprüche in vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist (Becker, in: Hauck/Noftz, SGB X, 12/13, § 113 Rn. 24), herangezogen.
37 
Dabei ist auf Teilleistungszeiträume abzustellen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Beginn der Ausschlussfrist des § 111 SGB X bei jugendhilferechtlichen Erstattungsansprüchen lässt sich auf den Beginn der Verjährungsfrist des § 113 Abs. 1 SGB X nicht übertragen.
38 
Für einen Gleichlauf des Beginns der Ausschlussfrist des § 111 SGB X und der Verjährungsfrist des § 113 Abs. 1 SGB X spricht zwar die Gesetzeshistorie (vgl. Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 03/17, Vorbemerkung §§ 89 bis 89h, Rn. 9). Nach der Gesetzesbegründung sollte die Verjährungsfrist des § 113 Abs. 1 SGB X mit der Ausschlussfrist des § 111 SGB X, der durch das 4. Euro-Einführungsgesetz vom 21.10.2000 (BGBl I S. 1983) hinsichtlich des Beginns der Ausschlussfrist neugefasst wurde, kompatibel gestaltet werden (BT-Drs. 14/4375, S. 60). Ein Auseinanderfallen des Fristbeginns kann zudem zu Friktionen bei einer mehrjährigen, einheitlichen Leistung führen. Denn in diesen Fällen kann es sein, dass einerseits die Ausschlussfrist noch nicht begonnen hat und die Ansprüche daher noch nicht im Sinne von § 111 SGB X geltend gemacht werden müssen, andererseits der anspruchsberechtigte Leistungsträger Handlungen, die die Verjährung hemmen (vgl. § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 BGB), vornehmen müsste, um eine Verjährung der Ansprüche zu verhindern.
39 
Entscheidend gegen eine Übertragung der Rechtsprechung zu § 111 SGB X auf § 113 Abs. 1 SGB X spricht jedoch Sinn und Zweck der (Verjährungs-) Vorschrift. Die Verjährung soll den durch Zeitablauf oft auftretenden Problemen entgegen wirken und dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit, indem sie Ansprüche einer beschleunigten Klärung zuführt (vgl. Becker, in: Hauck/Noftz, SGB X, 12/13, § 113 Rn. 1; Böttiger, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 113 Rn. 1). Würde die vierjährige Verjährungsfrist bei einer als einheitlicher Leistung zu wertenden fortlaufenden Hilfemaßnahme erst mit Ablauf des letzten Tages beginnen, an dem die jeweilige (Gesamt-)Leistung erbracht wurde bzw. entstanden ist, könnte die Bestimmung ihren Regelungszweck kaum mehr erfüllen. Im äußersten Fall könnte bei einer Gesamtleistung von Hilfe zur Erziehung und anschließender Hilfe für junge Volljährige ein Leistungszeitraum von 21 Jahren (vgl. § 41 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VIII) bzw. von 27 Jahren (vgl. § 41 Abs. 2 Halbsatz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 3, 4 SGB VIII) eintreten, so dass die Verjährungsfrist von vier Jahren erst nach Ablauf dieses Zeitraums begönne. Der Zweck der Verjährungsregelung würde damit faktisch ins Leere laufen. Auch gibt der Wortlaut von § 113 Abs. 1 SGB X anders als der von § 111 Satz 1 SGB X („Leistung erbracht wurde“) keinen Anhaltspunkt für eine einheitliche Behandlung des gesamten Leistungszeitraums. Dementsprechend lassen sich keine Anhaltspunkte für eine Übertragung der zu § 111 SGB X ergangenen Rechtsprechung auf § 113 Abs. 1 SGB X finden, weder in den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu § 111 SGB X noch sonst in Rechtsprechung oder Literatur, auch dort nicht, wo das Bundesverwaltungsgericht einen „längeren möglicherweise mehrere Jahre umfassenden Zeitraum“ berücksichtigt (Urteil vom 17.12.2015 - 5 C 9.15 - a.a.O.).
40 
b) Die Verjährung war zunächst durch Erhebung der Klage am 04.01.2008 gehemmt (§ 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
41 
Die Hemmung der Verjährung wurde nicht dadurch beendet, dass die Beteiligten nach Erlass des Ruhensbeschlusses durch das Gericht vom 11.02.2009 das Verfahren (zunächst) nicht weiter betrieben haben. Nach § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB endet die Hemmung zwar sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts (hier: 11.08.2009) oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle, wenn das Verfahren dadurch in Stillstand gerät, dass die Parteien es nicht betreiben. Die Beteiligten haben hier aber nicht nur prozessuale Anträge zum Ruhen des Verfahrens gestellt, sondern konkludent eine sogenannte (materielle) Hemmungsvereinbarung (sog. pactum de non petendo) geschlossen.
42 
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass durch ein vom Gericht angeordnetes, von beiden Beteiligten beantragtes Ruhen des Verfahrens nach § 251 ZPO ein den Beteiligten zuzurechnender Verfahrensstillstand im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB und damit ein Ende der Hemmung eintritt (vgl. BGH, Urteile vom 18.10.2000 - XII ZR 85/98 -, NJW 2001, 218, und vom 20.10.1987 - VI ZR 104/87 -, NJW-RR 1988, 279; siehe auch BAG, Urteil vom 22.04.2004 - 8 AZR 620/02 -, juris; LG Karlsruhe, Urteil vom 11.02.2009 - 1 S 91/07 -, juris; Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl. 2014, § 204 Rn. 48). Das soll auch dann gelten, wenn die Beteiligten lediglich aus prozesswirtschaftlichen Erwägungen den Ausgang eines Musterprozesses abwarteten, weil dadurch allein § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht unanwendbar werde (so - ausdrücklich in Bezug auf § 211 Abs. 2 BGB a. F., der Vorgängerregelung zu § 204 Abs. 2 BGB n. F. - BGH, Urteil vom 27.01.1999 - XII ZR 113-97 -, NJW 1999, 1101 m.w.N.; ebenso BAG, Urteil vom 22.04.2004 - 8 AZR 620/02 -, juris).
43 
Allerdings haben die Beteiligten hier durch die konkrete Art und Weise der Beantragung des Ruhens des Verfahrens zugleich eine sogenannte Hemmungsvereinbarung bzw. ein Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) im Sinne von § 205 BGB getroffen, das heißt eine Vereinbarung, mit der sie die Hemmungswirkung trotz des Verfahrensstillstands aufrecht erhalten wollten (vgl. hierzu J. Schmidt-Räntsch, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 204 Rn. 55 und § 205 Rn. 2 m.w.N.; Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl. 2014, § 205 Rn. 2; Peters/Jacoby, in: Staudinger, BGB, Stand: 2014, § 205 Rn. 14 ff.).
44 
Eine solche Vereinbarung über einen befristeten Verzicht auf die Geltendmachung einer Forderung kann auch konkludent und sogar stillschweigend getroffen werden, wenn der Wille der Beteiligten, dass der Schuldner vorübergehend zur Leistungsverweigerung berechtigt sein soll, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Auch muss kein bestimmter Endzeitpunkt vereinbart werden; dabei genügt es, dass die Partner auf ein zwar bestimmtes, aber zeitlich offenes Ereignis abstellen (BGH, Urteil vom 05.11.1992 - IX ZR 200/91 -, NJW 1993, 1320; J. Schmidt-Räntsch, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 205 Rn. 2 und 5, m.w.N.; Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl. 2014, § 205 Rn. 2; Peters/Jacoby, in: Staudinger, BGB, Stand: 2014, § 205 Rn. 16 ff.). Ein solches Stillhalteabkommen wird u. a. gerade auch dann angenommen, wenn die Beteiligten einem Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss eines Musterprozesses in anderer Sache zustimmen (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 05.11.1992, - IX ZR 200/91 -, NJW 1993, 1320, und vom 28.09.1978 - III ZR 203/74 -, juris; J. Schmidt-Räntsch, Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 205 Rn. 5 m.w.N.; Peters/Jacoby, in: Staudinger, BGB, Stand: 2014, § 205 Rn. 18 m.w.N.; vgl. auch LG Karlsruhe, Urteil vom 11.02.2009 - 1 S 91/07 -, juris).
45 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dies wird von der Beklagten nicht mehr in Frage gestellt. Die Beklagte selbst hat bereits in ihrer Klageerwiderung vom 11.03.2008 ausdrücklich auf das damals beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg anhängige Berufungszulassungsverfahren (12 S 2671/06), in dem es um die hier zunächst ebenfalls streitige Rechtsfrage der Fortgeltung des § 89e Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nach Verlassen eines geschützten Einrichtungsortes ging, hingewiesen und das Ruhen des Verfahrens beantragt. Entsprechend des zunächst erteilten Hinweises des Gerichts, es sei demnächst mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg über den Antrag auf Zulassung der Berufung zu rechnen, haben die Beteiligten zunächst vom Ruhen des Verfahrens abgesehen. Nachdem das Gericht mit Verfügung vom 29.01.2009 darauf verwiesen hat, die Berufung sei mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19.06.2008 zugelassen worden und mit einer Entscheidung im Berufungsverfahren (neues Aktenzeichen 12 S 1608/08) sei in absehbarer Zeit nicht zu rechnen, haben die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 06.02.2009 jeweils unter Bezugnahme auf das anhängige Musterverfahren das Ruhen des Verfahrens beantragt. Der Kläger hat darin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass dieser Antrag nur im Hinblick auf das beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg unter dem Aktenzeichen 12 S 1608/08 (und nachfolgend beim Bundesverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 5 C 25.11) anhängige Verfahren gestellt werde. Indem die Beklagte auf Anfrage des Gerichts ebenfalls das Ruhen des Verfahrens beantragt hatte, hat sie zumindest konkludent einer Hemmungsvereinbarung zugestimmt. Durch die eindeutige Bezugnahme auf ein konkretes Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bzw. Bundesverwaltungsgericht ist allen Beteiligten auch klar gewesen, dass es sich nur um einen befristeten Verzicht auf eine Weiterverfolgung des klageweise geltend gemachten Leistungsbegehrens handelte.
46 
Die Verjährung war jedoch nicht bis zum Wiederanrufen des Verfahrens durch den Schriftsatz des Klägers vom 30.12.2015 (und damit erneutem Eintritt der Hemmung, vgl. § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB) gehemmt. Da die Hemmungsvereinbarung lediglich stillschweigend geschlossen wurde, fehlt es an dem der Auslegung zugänglichen Text. Entscheidend ist daher, wann die Hemmungsvereinbarung sinngemäß enden sollte oder mit anderen Worten, wann ein Nichtbetreiben des Prozesses im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB anzunehmen ist.
47 
Ein Nichtbetreiben des Prozesses im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB liegt nach allgemeiner Ansicht dann vor, wenn die Beteiligten Maßnahmen zu seiner Förderung ohne eine triftigen, für den anderen Teil jeweils erkennbaren Grund unterlassen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 16.03.2009 - II ZR 32/08 -, NJW 2009, 1598 m.w.N.). Es reicht aus, dass objektiv ein Verhalten gegeben ist, das die mit der Hemmung der Verjährung bewirkte Verlängerung der Verjährung nicht mehr hinreichend zu rechtfertigen vermag.
48 
Ein triftiger Grund lag hier zunächst - wie ausgeführt - im Abwarten des Musterverfahrens, dessen Rechtsfragen auf den vorliegenden Fall übertragbar sind, vor. Das Musterverfahren war durch rechtskräftiges Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2012 beendet, die relevante materiell-rechtliche Frage höchstrichterlich entschieden. Der Kläger hat das Verfahren allerdings erst am 30.12.2015, also etwa drei Jahre nach Abschluss des Musterverfahrens, wieder angerufen. Ein hinreichender Grund für die dadurch bedingte weitere Verlängerung der Verjährung ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. (Spätestens) Im Zeitpunkt des Vorliegens der Urteilsgründe und deren Veröffentlichung in den Fachzeitschriften (insbesondere in der Zeitschrift JAmt 5/2013, also im Mai 2013) musste den Beteiligten klar sein, dass der Zweck der Hemmungsvereinbarung erreicht war und ein sachlicher Grund für das Unterlassen prozessfördernder Maßnahmen nicht mehr vorlag. In diesem Zeitpunkt ist auch von einer Kenntnis oder zumindest einem Kennenmüssen des Ausgangs des Musterverfahrens durch die beteiligten Fachbehörden auszugehen. Damit war auch der legitimierende Grund für ein Nichtbetreiben im Sinne der Hemmungsvereinbarung entfallen und der Zweck des befristeten Verzichts auf die Geltendmachung einer Forderung entfallen. Ein Abstellen auf einen früheren Zeitpunkt (z.B. Entscheidungsdatum, Veröffentlichung auf der Homepage des Bundesverwaltungsgerichts) oder einen späteren Zeitpunkt hält die Kammer hingegen nicht für sachgerecht.
49 
In Anlehnung an § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB nimmt die Kammer weiter an, dass die Hemmung erst sechs Monate (hier November 2013) nach Kenntnis bzw. Kennenmüssen vom Abschluss des Musterverfahrens endete. Dafür spricht, dass die Beteiligten nach Abschluss des Musterprozesses erst noch eine Entscheidung über die Folgen für ihr Verfahren, insbesondere über ein Fortsetzen oder Beenden des anhängigen Verfahren, treffen müssen (vergleichbar mit einer „Entscheidungsfrist“ bzw. Überlegungsfrist, vgl. BGH, Urteil vom 23.04.1998 - III ZR 7-97 -, NJW 1998, 2274 <2277>).
50 
Demnach liegen zwischen dem Ende der Hemmung und dem Wiederanrufen des Verfahrens am 30.12.2015 (und damit erneuten Eintreten der Hemmung, vgl. § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB) etwa zwei Jahre und ein Monat. Da die Klage erst am 04.01.2008 erhoben wurde, bedeutet dies, dass die Erstattungsansprüche für die in den Jahren 2004 und 2005 erbrachten Leistungen im Zeitpunkt des Wiederanrufens bereits verjährt, die Ansprüche für die im Jahr 2006 erbrachten Leistungen des Jahres im Zeitpunkt des Wiederanrufens hingegen nicht verjährt waren.
51 
c) Die Verjährungseinrede wird nicht durch den Gegeneinwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB entkräftet. Offen bleiben kann, ob die Voraussetzungen für einen Arglisteinwand des Klägers gegenüber der Verjährungseinrede der Beklagten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Musterprozesses gegeben sind. Denn dies unterstellt, wäre die Grundlage des Arglisteinwands wohl jedenfalls fortgefallen, nachdem dem Kläger von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Musterprozess Kenntnis hatte bzw. hätte haben konnte (hier Mai 2013). Anschließend hätte der Kläger - nach einer angemessenen Überlegungsfrist (hier bis November 2013) - den Prozess gegen die Beklagte fortsetzen können und müssen. Der verstrichene Zeitraum von etwa drei Jahren zwischen Abschluss des Musterprozesses und Wiederanrufen ist zu lang (vgl. BGH, Urteil vom 23.04.1998 - III ZR 7-97 -, NJW 1998, 2274 <2277>).
52 
d) Soweit im Zeitpunkt des Wiederanrufens die Ansprüche noch bestanden, ist durch Wiederanrufen des Verfahrens mit Schriftsatz vom 30.12.2015 die Verjährung erneut gehemmt (§ 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB).
53 
Die Beklagte macht geltend, dass die Ansprüche für die in den Jahren 2008 bis 2010 erbrachten Leistungen erstmals im Jahr 2015 - genau: durch den Schriftsatz des Klägers vom 30.12.2015 -, also nach Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist gerichtlich geltend gemacht worden seien. Damit dringt sie allerdings nicht durch.
54 
Dem steht entgegen, dass der Kläger mit Klageschrift vom 19.12.2007 sowie mit Schriftsatz vom 30.01.2008 nicht nur eine Leistungsklage, gerichtet auf Zahlung eines Kostenerstattungsanspruchs für erbrachte Leistungen in der Zeit zunächst vom 01.02.2000 bis 31.12.2007, sondern zusätzlich eine Feststellungsklage erhoben hatte, mit der er das Bestehen eines Kostenerstattungsanspruchs des Klägers gegenüber der Beklagten nach § 89a SGB VIII aufgrund Leistungsgewährung nach § 86 Abs. 6 SGB VIII ab dem 01.02.2000 begehrte. Nach Erbringung der Leistungen hat er die Feststellungsklage zulässig auf eine Leistungsklage umgestellt, § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.10.1987 - 4 B 211.87 -, VBlBW 1988, 253 = juris Rn. 9; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 91 Rn. 15).
55 
Es trifft zwar zu, dass die Ansprüche für die in den Jahren 2008 bis 2010 vom Kläger erbrachten Leistungen erstmals mit Schriftsatz vom 30.12.2015 bzw. mit Schriftsatz vom 31.01.2017 in Form eines (bezifferten) Leistungsantrags geltend gemacht worden sind. Richtig ist auch, dass jedenfalls die Ansprüche betreffend die in den Jahren 2009 und 2010 erbrachten Leistungen im Zeitpunkt, in dem die Hemmungsvereinbarung getroffen wurde, noch nicht entstanden waren. Allerdings hatte der Kläger mit der am 04.01.2008 bei Gericht eingegangenen Klageschrift sowie Schriftsatz vom 30.01.2008 nicht nur einen Leistungsantrag, sondern zugleich eine Feststellungsklage, die ersichtlich gerade künftige Ansprüche umfassen sollte, erhoben. Hierfür bestand bei Klageerhebung wohl auch ein berechtigtes Interesse, da die Beklagte ihre Kostenerstattungspflicht dem Grunde nach bestritten hatte und in diesem Zeitpunkt schon erkennbar war, dass die jugendhilferechtlichen Leistung fortdauern werde. Letztlich löst eine Klage die Hemmung unabhängig davon aus, ob sie zulässig (und begründet) ist (Schmidt-Räntsch, in: Erman, BGB Kommentar, 15 Aufl. 2017, § 204 Rn. 3). Die Feststellungsklage hemmt die Verjährung (§ 113 Abs. 2 SGB VIII i.V.m. § 204 Nr. 1 BGB) wegen des ganzen Anspruchs (Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2018, § 256 Rn. 9 m.w.N.).
56 
4. Einen Anspruch auf Prozesszinsen hat der Kläger im tenorierten Umfang.
57 
Prozesszinsen sind auch für öffentlich-rechtliche Geldforderungen in sinngemäßer Anwendung von §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu entrichten, dies gilt auch in Erstattungsstreitigkeiten unter Jugendhilfeträgern (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.2001 - 5 C 34.00 -, BVerwGE 114, 61). Rechtshängig wurde die Klage gemäß § 91 VwGO mit Eingang bei Gericht am 04.01.2008. Der Zinsanspruch für Forderungen, die erst nach Klageerhebung entstanden sind (hier also für Ansprüche betreffend der in den Jahren 2008 bis 2010 erbrachten Leistungen), besteht jedoch nicht schon mit Rechtshängigkeit der Klage am 04.01.2008. Sie besteht auch nicht erst ab der Umstellung auf die Leistungsklage. Denn die Verzinsungspflicht besteht - anders als im Zivilprozess (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.1984 - IV b ZR 51/83 -, juris; Jauernig, BGB, § 291 Rn. 3) - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht nur dann, wenn der Kostenerstattungsberechtigte Leistungsträger eine Leistungsklage erhebt, sondern auch in den Fällen, in denen die Feststellungsklage als eine der Leistungsklage gleichwertige Rechtsschutzform anerkannt und die Geldschuld nur dem Grund nach, nicht aber in ihrer Höhe umstritten ist; ist dies der Fall, erfasst die Rechtshängigkeit nicht nur die dem Grunde nach festzustellenden streitige Geldschuld, sondern auch deren unstreitige Höhe (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.2001 - 5 C 34.00 -, BVerwGE 114, 61). Da der Kläger bereits mit Klageerhebung die Feststellungsklage erhoben hat, entsteht der Zinsanspruch für die erst nach Klageerhebung entstandenen Forderungen für die in den Jahren 2008 bis 2010 erbrachten Leistungen ab Entstehen bzw. Fälligkeit des Erstattungsanspruchs (vgl. Becker, in: Hauck/Noftz, SGB X, 11/17, Vorbemerkungen zu §§ 102-114, Rn. 78 m.w.N., zum Entstehen eines Kostenerstattungsanspruchs).
58 
Der Kläger hat nach Rücknahme der Klage für Ansprüche betreffend die Jahre 2000 bis 2003 die Kosten zu tragen (§ 155 Abs. 2 VwGO). Soweit die Beteiligten das Verfahren für Ansprüche betreffend die Jahre 2011 bis 2017 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Es entspricht vorliegend billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO.
59 
Wegen der noch ungeklärten Frage zum Beginn der Verjährungsfrist des § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X bei jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsansprüchen lässt die Kammer die Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.
60 
Soweit das Verfahren nach Klagerücknahme und übereinstimmender Erledigungserklärung eingestellt wurde, ist der dazu im Urteilstenor enthaltene Einstellungs- und Kostenbeschluss gemäß § 92 Abs. 3 Satz 2, § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar.
61 
Beschluss vom 13.02.2018
62 
Der Streitwert für das Verfahren wird nach § 52 Abs. 3, § 43 Abs. 1, § 62 Abs. 2 GKG auf 157.609,21 EUR festgesetzt.
63 
Dies entspricht der Gesamtheit der im gerichtlichen Verfahren streitigen Ansprüche des Klägers betreffend die in den Jahre 2000 bis 2017 erbrachten Leistungen. Unberücksichtigt bleiben Forderungen des Klägers in Höhe von 89.155,30 Euro, die die Beklagte zum 21.01.2016 beglichen hat, also noch bevor der Kläger insoweit einen bezifferten Leistungsantrag im Klageverfahren gestellt hat.

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