Urteil vom Verwaltungsgericht Freiburg - 1 K 5443/18

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme ihrer Habilitation.
Die Klägerin reichte bei der Beklagten am 30.10.2005 die Habilitationsschrift „Ergebnisse eines ambulanten Interventionsprogramms (FITOC) zur Therapie des Adipositas im Kindes- und Jugendalter“ ein. Die Tochter der Klägerin reichte am 25.10.2005 ihre Dissertation „FITOC (Freiburg intervention Trail for Obese Children), Langzeitergebnisse“ an der Sporthochschule K. ein. Am 27.07.2006 habilitierte die Beklagte die Klägerin und verlieh ihr für das Fach Sportmedizin die Lehrbefugnis (Venia Legendi).
Der Beauftragte für die Selbstkontrolle in der Wissenschaft der Beklagten wurde durch Schreiben vom 18.04.2013 darauf hingewiesen, dass die Habilitationsschrift der Klägerin umfangreiche Übereinstimmungen mit der Dissertation der Tochter der Klägerin aufweise. Die Redlichkeitskommission der Beklagten beschloss am 23.07.2013 die Bildung eines Unterausschusses. Dieser verglich die beiden Arbeiten und holte eine Stellungnahme des Vertreters der betroffenen medizinischen Fakultät ein.
Die Klägerin wandte sich unter dem 27.08.2013 schriftlich an den damaligen Dekan der medizinischen Fakultät, Prof. Dr. B., und machte geltend, sie habe während ihres Habilitationsverfahrens keine Kenntnis und Information darüber gehabt, dass Arbeitsergebnisse aus einer Arbeitsgruppe nicht einerseits als Dissertationen einer Fakultät und andererseits als Bestandteil einer Habilitation an einer anderen Fakultät verwendet werden dürften. Die Tochter der Klägerin habe das Dissertationsvorhaben eigenständig durchgeführt, ausgewertet und als Dissertation verfasst. Die Verwendung von Daten aus dem Dissertationsprojekt ihrer Tochter sei ohne Vorsatz und Täuschungsabsicht erfolgt. Es liege vielmehr ein Verbotsirrtum vor. Das Schreiben lag auch dem Unterausschuss der Redlichkeitskommission vor. Der Unterausschuss fertigte einen Bericht über das Ergebnis der Untersuchung und legte ihn der Redlichkeitskommission vor. Auf der Grundlage dieses Berichts vom 19.09.2013 hörte die Redlichkeitskommission die Klägerin an. Zu einem der Klägerin übersandten Fragenkatalog nahm diese unter dem 11.11.2013 Stellung. Die Klägerin machte insbesondere geltend, dass die Langzeitdaten des FITOC-Programms von ihrer Tochter erhoben, ausgewertet und verschriftet worden seien. Die Textidentitäten in der Habilitationsschrift und der Dissertation seien durch Übernahmen identischer Textbausteine aus der Dissertation zu erklären. Diese Übernahmen hätten gekennzeichnet werden müssen. Dies sei aber aufgrund der engen Zusammenarbeit und darüber hinaus aufgrund der familiären Beziehung zwischen der Klägerin und ihrer Tochter unterblieben. Sie habe die identischen Bausteine nicht in Täuschungsabsicht verwendet. Sie sei einem Verbotsirrtum unterlegen gewesen. Im Übrigen weise die Habilitationsschrift auch ohne die Bestandteile aus der Dissertation der Tochter einen großen eigenständigen Wert auf.
Die Redlichkeitskommission stellte in ihrem Sachstandsbericht vom 11.03.2014 fest, dass der Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens begründet sei. Sie übermittelte ihren Sachstandsbericht an den Rektor der Beklagten. Der Habilitationsausschuss der Beklagten wurde in der Sitzung vom 24.04.2014 vom Prodekan für akademische Angelegenheiten über den Sachverhalt und das Verfahren vor der Redlichkeitskommission informiert. Der Habilitationsausschuss beschloss daraufhin, ein Verfahren vor dem Habilitationsausschuss zu eröffnen. Der Habilitationsausschuss bildete zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts und zur Vorbereitung seiner Entscheidung wiederum einen Unterausschuss.
Dieser Unterausschuss stellte im Laufe des weiteren Verfahrens Übereinstimmungen der Habilitationsschrift der Klägerin mit einer weiteren Dissertation, nämlich der des Dr. T. K., fest. Diese Dissertation mit dem Titel „Sportmotorische Fähigkeiten adipöser Kinder: Vergleich mit einem Referenzkollektiv und Erfolge des Therapieprogramms (FITOC)“ war ebenfalls von der Klägerin betreut und vom Doktoranden Herrn K. am 25.04.2005 eingereicht worden. Der Unterausschuss forderte die Klägerin mit Schreiben vom 29.07.2014 auf, zu den weiter festgestellten Übereinstimmungen mit der Dissertation von Dr. T. K. Stellung zu nehmen. Die Klägerin führte in ihrer Stellungnahme vom 08.08.2014 aus, die Textübereinstimmungen seien innerhalb der Arbeitsgruppe diskutiert und als Textbausteine für mögliche Publikationen besprochen und überarbeitet worden. Die Komplexität der Adipositas sei für alle Doktoranden allgemeinverständlich klar und somit auch ähnlich formuliert gewesen.
Unter dem 13.10.2014 wurde die Klägerin nochmals zum Sachverhalt und den erhobenen Vorwürfen angehört. Die Klägerin nahm mit Schreiben vom 22.10.2014 Stellung und nahm auf ihre Ausführungen aus dem Schreiben vom 11.11.2013 Bezug. Sie betonte nochmals, dass ein Verbotsirrtum vorliege. Der Unterausschuss verabschiedete am 20.11.2014 einen Abschlussbericht und stellte fest, dass sich wörtliche Übereinstimmungen in den Einleitungen und in den Material- und Methodenteilen jeweils mit beiden Dissertationsschriften fänden. Der Bericht führte weiter aus, nahezu das gesamte Kapitel über die Langzeituntersuchungen aus der Dissertationsschrift der Tochter der Klägerin sei mit dem Text, der Tabellendarstellung und den Abbildungen der Habilitationsschrift identisch. In der Diskussion der Habilitationsschrift stimmten vier Seiten mit der Dissertation der Tochter der Klägerin überein. Die Textübereinstimmungen in der Einleitung und in den Ausführungen zu Untersuchungsgut und Methodik ließen sich noch mit den Besonderheiten bei Promotionen und Habilitationen in der klinischen Medizin erklären. Dies sei für die Übereinstimmungen im Ergebnis- und Diskussionsteil indes nicht der Fall. Der Umfang der festgestellten Übereinstimmungen sei erheblich. Die Klägerin habe die Übernahme der Textteile und Daten aus den Dissertationen ihrer Tochter und des Dr. T. K. eingeräumt und bestätigt, dass ihre Tochter die Langzeitdaten des FITOC-Programms erhoben, ausgewertet und verschriftet habe. Ein Verbotsirrtum sei daher nicht gegeben. Der Einwand der Klägerin, ihre Habilitationsschrift weise auch ohne die Langzeitergebnisse der Tochter noch einen eigenständigen wissenschaftlichen Wert auf, sei unbeachtlich. Der Unterausschuss komme daher zu dem Ergebnis, dass die Habilitation mit unlauteren Mitteln i.S.d. § 16 Abs. 1 der Habilitationsordnung der Beklagten für die Medizinische Fakultät vom 11.10.1988 in der Fassung vom 28.02.2014 (HabilO 2014) erlangt worden sei und empfahl, die Habilitation zurückzunehmen.
Auf der Grundlage des Abschlussberichtes des Unterausschusses, der mündlichen Erläuterung durch den Prodekan für akademische Angelegenheiten sowie der Stellungnahme der Klägerin beschloss der Habilitationsausschuss der Beklagten in seiner Sitzung vom 11.12.2014, die Habilitation zurückzunehmen.
Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 23.01.2015 die der Klägerin durch die Medizinische Fakultät der Beklagten verliehene Habilitation mit Wirkung für die Zukunft zurück (Ziffer 1) und verfügte die Rückgabe der Habilitationsurkunde binnen eines Monats nach Bestandskraft der Entscheidung (Ziffer 2).
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Zur Begründung nahm sie auf den durch den Unterausschuss des Habilitationsausschusses ermittelten Sachverhalt Bezug und führte aus, die Rücknahme der Habilitation folge aus § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2014. Der Habilitationsausschuss sei für die Rücknahmeentscheidung zuständig. Die Klägerin sei auch ordnungsgemäß angehört worden. Sie habe ihre Habilitation mit unlauteren Mitteln erlangt. Hierzu zählten insbesondere Verstöße gegen die wissenschaftliche Redlichkeit. Eine Kernpflicht wissenschaftlicher Redlichkeit sei das wissenschaftliche Zitiergebot. Daher genüge nur eine unter Offenlegung aller verwendeten Quellen und Hilfsmittel erbrachte wissenschaftliche Leistung den Anforderungen an eine eigenständige Habilitation. Die unlauteren Mittel seien darin zu sehen, dass die Klägerin eine Habilitationsschrift eingereicht habe, die zu erheblichen Teilen mit der Dissertation der Tochter, die ebenfalls von der Klägerin betreut worden sei, übereinstimme. Ferner gebe es weitere Übereinstimmungen der Habilitationsschrift mit der Dissertation des Dr. T. K.:
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- Sieben Seiten der 20-seitigen Einleitung der Habilitationsschrift fänden sich in den Einleitungen der beiden Dissertationen, sechseinhalb Seiten in der Einleitung der Dissertation des Dr. T. K. und eine halbe Seite in der Einleitung der Tochter der Klägerin.
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- Von dem 19 Seiten umfassenden Methodenteil der Habilitationsschrift stimmten zwei Seiten mit der Methodenbeschreibung des Dr. T. K. und vier Seiten mit dem Kapitel Material und Methoden der Tochter der Klägerin überein.
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- Der Ergebnisteil der Habilitationsschrift umfasse 27 Seiten. Elf Seiten davon stimmten mit dem Ergebnisteil der Tochter der Klägerin überein. Nicht nur der Text sei identisch, sondern auch die Tabellen und die Abbildungen.
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- In der Diskussion der Habilitationsschrift fänden sich vier Seiten, die mit der Dissertation der Tochter der Klägerin übereinstimmten.
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Übereinstimmungen in Abbildungen oder Tabellen seien möglicherweise auf identische Untersuchungsmethoden und die identischen Patienten zurückzuführen. Die textlichen Übereinstimmungen seien jedoch nicht akzeptabel. Die Klägerin habe bestätigt, dass sie mit dem betroffenen Doktoranden in einer Arbeitsgruppe zusammengearbeitet habe und Daten, Ergebnisse und Texte ihrer Tochter und des Dr. T. K. übernommen habe. Die Tochter habe die Langzeitdaten erhoben, ausgewertet und verschriftet. Dies sei nicht offengelegt worden. Ferner habe die Klägerin nicht offengelegt, dass die Autorin der Dissertationsschrift ihre Tochter sei. Die den jeweiligen Dissertationen entstammenden Bestandteile seien nicht als solche gekennzeichnet, die Dissertationen seien auch nicht als Quelle genannt worden, was im Übrigen auch bereits vor der formalen Veröffentlichung möglich gewesen wäre.
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Die Klägerin habe die Habilitation auch mithilfe der unlauteren Mittel erlangt. Die unlauteren Mittel seien kausal für die Anerkennung der Habilitationsleistung gewesen. Eine Ursächlichkeit sei dann gegeben, wenn die Arbeit so, wie sie vom Bewerber vorgelegt werde, bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht als habilitationswürdige Leistung angenommen worden wäre. Hätten die Gutachter der Habilitationskommission die Übereinstimmung gekannt, wäre die Habilitationsschrift aufgrund der enthaltenen und nicht gekennzeichneten Fremdbestandteile weder durch die Kommission noch durch die im Umlaufverfahren mit der Habilitationsschrift befassten Professoren als schriftliche Habilitationsleistung anerkannt worden. Auf die hypothetische Frage, ob die Habilitationsschrift auch ohne die Fremdbestandteile eine habilitationswürdige Leistung darstelle, komme es nicht an. Die Klägerin habe zudem mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Sie habe die Übereinstimmungen zwischen den Dissertationen und ihrer Habilitationsschrift gekannt. Nach den Stellungnahmen der Klägerin sei dieser auch bewusst gewesen, dass ein Nachweis für die Textstellen und die sonstigen Übereinstimmungen erforderlich gewesen wäre. Sie habe eingeräumt, die Kenntlichmachung sei aufgrund der engen Zusammenarbeit und der familiären Beziehung lediglich versäumt worden. Die Klägerin habe es daher billigend in Kauf genommen, dass die Habilitationskommission und die Professorenschaft über die Urheberschaft an wesentlichen Teilen der Habilitation getäuscht worden seien. Ein Verbotsirrtum könne nicht zu Gunsten der Klägerin angenommen werden. Es liege schon kein Irrtum über die Rechtswidrigkeit des eigenen Tuns vor. Jedenfalls sei ein solcher Irrtum vermeidbar gewesen. Bereits der Habilitationsordnung sei eindeutig zu entnehmen, dass es sich bei der Habilitationsschrift um eine eigenständige wissenschaftliche Leistung des Habilitanden handeln müsse. Der Klägerin sei aufgrund ihrer eigenen Promotion sowie aufgrund ihrer Tätigkeit als Betreuerin von Doktoranden bekannt gewesen, dass im Rahmen einer Promotion eine selbstständige Dissertation zu verfassen sei, was sich wiederum eindeutig aus den einschlägigen Promotionsordnungen ergebe. Umso mehr müsse dies für eine Habilitationsschrift gelten. Der Klägerin sei bewusst gewesen, dass sie Inhalte Dritter übernommen habe und als solche hätte kennzeichnen müssen. Es habe sich der Klägerin aufgrund des erheblichen Umfangs der übernommenen Inhalte aufdrängen müssen, dass dies mit den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Habilitation nicht in Einklang zu bringen sei. Sie hätte daher die Rechtswidrigkeit ihres Tuns erkennen und ihr Verhalten ohne weiteres an den maßgeblichen rechtlichen Vorgaben ausrichten können.
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Lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 HabilO 2014 vor, sei als Rechtsfolge zwingend die Rücknahme der Habilitation vorgesehen. Ein Ermessen sei nicht eingeräumt. Der Habilitationsausschuss sei sich der schwerwiegenden Folgen einer Rücknahme der Habilitation für die Klägerin bewusst. Er sei gleichwohl zu dem Ergebnis gelangt, dass die Interessen der Medizinischen Fakultät und der Beklagten an der Sanktionierung eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens und an der Vermeidung eines Ansehensverlustes in der Öffentlichkeit diese Folgen überwögen. Hierbei sei auch die Dauer des Zeitraums zwischen Erteilung und Rücknahme der Habilitation berücksichtigt worden. Ein milderes Mittel sei auch angesichts der klaren Vorgaben der Habilitationsordnung nicht gesehen worden. Da die Habilitationsordnung keine Aussage zu der Frage treffe, auf welchen Zeitpunkt bezogen die Habilitation zurückzunehmen sei, werde sie mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen.
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Die Anordnung der Rückgabe der Habilitationsurkunde beruhe auf § 52 Satz 1 VwVfG. Der Habilitationsausschuss habe in Ausübung seines ihm insoweit zustehenden Ermessens und aufgrund der Gefahr einer Täuschung über die wirkliche Rechtslage entschieden, dass die Habilitationsurkunde zurückzugeben sei.
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Die Klägerin legte mit Schreiben vom 23.02.2015 Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 23.01.2015 ein. Sie machte geltend, § 16 Abs. 1 HabilO 2014 sei keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der Habilitation. Es fehle bereits die nach dem Vorbehalt des Gesetzes erforderliche landesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer solchen Rücknahmevorschrift. Die Vorschrift sehe zudem kein Ermessen vor. Sie sei daher rechts- und verfassungswidrig.
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Der Bescheid der Beklagten sei zudem formell und materiell rechtswidrig. Die formelle Rechtswidrigkeit ergebe sich aus der Beteiligung des Prof. Dr. S. an der Entscheidungsfindung. Dieser habe sich selbst dem Vorwurf der Unredlichkeit seiner wissenschaftlichen Arbeit und einem entsprechenden Verfahren ausgesetzt gesehen, weshalb die begründete Besorgnis bestanden habe, dass er sich bei der Überprüfung der Arbeit einer Kollegin der eigenen Fakultät nicht mit der gebotenen Objektivität einbringen werde. Ferner sei der Untersuchungsgrundsatz deshalb verletzt worden, weil die Tochter der Klägerin und Dr. T. K. nicht angehört worden seien.
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In materiell-rechtlicher Hinsicht sei zu beanstanden, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 HabilO nicht erfüllt seien. Die Klägerin habe keine unlauteren Mittel verwendet. Zum Zeitpunkt der Einreichung der Habilitationsschrift im Jahr 2005 habe es noch keine schriftlichen Regelungen oder Vorgaben über die Annahme von wissenschaftlichem Fehlverhalten gegeben. Erst seit der Fassung vom 28.02.2014 sehe die Habilitationsordnung die Ausweisung von Arbeitsgruppen vor.
22 
Hinsichtlich der Rechtsfolge sei zu bemängeln, dass die zwingend erforderliche Ermessensausübung durch den Habilitationsausschuss unterblieben sei.
23 
Der Habilitationsausschuss der Beklagten beriet am 12.11.2015 über die Abhilfe des Widerspruchs und entschied nach rechtlicher Beratung, die Rücknahme der Habilitation ergänzend auf § 48 LVwVfG zu stützen. Hinsichtlich des auszuübenden Ermessens war der Ausschuss der Auffassung, dass die Interessen der medizinischen Fakultät bzw. der Beklagten an der Rücknahme der Habilitation die Interessen der Klägerin überwögen. Im Übrigen entschied der Habilitationsausschuss der Beklagten, dass die rechtlichen Einwendungen der Klägerin nicht zuträfen.
24 
Der Habilitationsausschuss war nach der Beschlussfassung über die Nichtabhilfe der Auffassung, dass aufgrund der Befangenheit eines Mitglieds ein Fall der Beschlussunfähigkeit vorgelegen habe. Daraufhin verfuhr der Ausschuss entsprechend § 6 Abs. 4 der Verfahrensordnung der Beklagten (Amtliche Bekanntmachungen der Beklagten, Jg. 46. Nr. 11, Satz 86-93, vom 5. März 2015). In der Folge entschied die Dekanin als Vorsitzende des Habilitationsausschusses an dessen Stelle, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werden könne.
25 
Der Habilitationsausschuss legte in Folge der Nichtabhilfeentscheidung der Vorsitzenden den Widerspruch der Prorektorin der Beklagten für Studium und Lehre vor.
26 
Mit Widerspruchsbescheid der Prorektorin für Studium und Lehre vom 16.08.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Habilitationsausschuss die Rücknahme der Habilitation hilfsweise auf § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG gestützt habe. Gleichwohl sei § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 eine taugliche Ermächtigungsgrundlage.
27 
Es sei nicht zu beanstanden, dass § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO kein Entschließungsermessen vorsehe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 21.03.2012 - 6 C 19/11 -, juris Rn. 27) sei dies bei prüfungsrechtlichen Sanktionsnormen der Prüfungsbehörde nicht erforderlich.
28 
Die Entscheidung sei formell und materiell rechtmäßig. Hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit seien keine stichhaltigen Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich, die die Besorgnis der Befangenheit von Prof. Dr. S. begründeten. Bereits deshalb sei dessen Mitwirkung im Verfahren über die Rücknahme der Habilitation der Klägerin nicht zu beanstanden. Auch greife der Einwand der mangelnden Sachaufklärung nicht durch. Anhaltspunkte dafür, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt aufgrund des Verzichts der Anhörung der Tochter der Klägerin und des Dr. T. K. nicht entsprechend § 24 LVwVfG ermittelt worden wäre, seien nicht ersichtlich.
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Die Rücknahme sei auch materiell rechtmäßig. Hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 wiederholte die Beklagte im Wesentlichen die Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid und wies ergänzend darauf hin, dass im Rahmen des Widerspruchsverfahrens noch weitergehende Übereinstimmungen der Habilitationsschrift mit den Dissertationen der Tochter der Klägerin und des Dr. T. K. zu Tage getreten seien.
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Die Beklagte habe das ihr nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Der Schutz der Redlichkeit des Wissenschaftsbetriebs und seines Prüfungswesens rechtfertige es, das Interesse der Medizinischen Fakultät der Beklagten und der Beklagten selbst an der Rücknahme der Habilitation aufgrund des Umfangs der festgestellten Übereinstimmungen höher zu bewerten als die mit einer Rücknahme verbundenen erheblichen persönlichen und beruflichen Nachteile für die Klägerin. Diese Entscheidung stehe auch nicht außer Verhältnis zum Gewicht des Rechtsverstoßes. Bei der Ausübung des Rücknahmeermessens sei hinsichtlich des Schutzes des Vertrauens in den Bestand der Habilitation und des öffentlichen Interesses an der Rücknahme auch die in § 48 Abs. 2 LVwVfG getroffene Wertung über die Schutzwürdigkeit des Vertrauens zu berücksichtigen, auch wenn sich diese Regelung nach ihrem Wortlaut nur auf die dort genannten Geld- und Sachleistungsverwaltungsakte beziehe.
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Die Klägerin hat am 14.09.2018 Klage erhoben. Hinsichtlich des Ablaufs des Widerspruchsverfahrens bestreitet die Klägerin, dass der Habilitationsausschuss der medizinischen Fakultät der Beklagten in seiner Sitzung am 12.11.2015 über die Abhilfe des Widerspruchs der Klägerin beraten habe, dass eine ausführliche Diskussion darüber stattgefunden habe und dass der Habilitationsausschuss entschieden habe, die Rücknahme der Habilitation ergänzend auf § 48 LVwVfG zu stützen. Insbesondere sei das hierbei auszuübende Ermessen nicht ausgeübt worden. Aus den Akten der Beklagten ergebe sich das Gegenteil. Die Beschlussvorlage für die Sitzung vom 12.11.2015 datiere vom 03.11.2015. Zur Ermessensausübung sei dort bereits ausgeführt:
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„Im Rahmen der Ermessensausübung ist der Habilitationsausschuss trotz der schwerwiegenden Folgen einer Rücknahme der Habilitation für [die Klägerin] zu der Auffassung gelangt, dass die Interessen der medizinischen Fakultät bzw. der Universität an der Sanktionierung eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens und an der Vermeidung eines Ansehensverlustes in der Öffentlichkeit insbesondere angesichts des Umfangs der festgestellten Übereinstimmungen überwiegen. Der Habilitationsausschuss hat dabei die Dauer des Zeitraums zwischen Erteilung und Rücknahme der Habilitation ebenso berücksichtigt wie die beruflichen und persönlichen Folgen für [die Klägerin]. Ein milderes Mittel wurde nicht gesehen.“
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Ferner sei eine ordnungsgemäße Einladung an alle damals dem Ausschuss angehörenden Mitglieder nicht dokumentiert. Eine solche Einladung werde bestritten.
34 
Aus dem Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Habilitationsausschusses vom 12.11.2015 und dem Beschlussprotokoll gehe hervor, dass die Sitzung am 12.11.2015 von 18:30 Uhr bis 19:10 Uhr gedauert habe, obgleich ausweislich der geschwärzten Tagesordnungspunkte zehn weitere Tagesordnungspunkte Gegenstand der Sitzung gewesen sein sollten.
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Ausweislich des Beschlussprotokolls sei zudem der Rechtsberater der Beklagten zu Beginn der Sitzung vom 12.11.2015 einstimmig mit 27 Ja-Stimmen als Gast zugelassen worden. Auch sei die Tagesordnung einstimmig mit 27 Ja-Stimmen beschlossen worden. Die Beschlussfassung über den Tagesordnungspunkt „Widerspruchsverfahren [der Klägerin] - Abhilfeentscheidung“ sei hingegen ausweislich der Seite 7 des Beschlussprotokolls mit „einstimmig 25 Ja, 0 Nein, 0 Enthaltungen“ erfolgt. Nach Seite 1 des Beschlussprotokolls habe allerdings lediglich Prof. K., dessen Befangenheit in dem Verfahren vom Habilitationsausschuss bereits am 11.12.2014 beschlossen worden sei, den Raum verlassen. Eine einstimmige Beschlussfassung hätte dann jedoch mit 26 Stimmen erfolgen müssen.
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Die Abteilung für Rechtsangelegenheiten mit Bezug zu Studium und Lehre der Beklagten habe mit Schreiben vom 14.07.2016 bemängelt, dass aus den Auszügen der Protokolle nicht hervorgehe, wer an den Sitzungen teilgenommen habe.
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Eine Teilnehmerliste liege dem Beschlussprotokoll der Sitzung vom 12.11.2015 nicht bei. Es sei daher weder nachvollziehbar, wer an der Sitzung teilgenommen habe, noch, ob der Ausschuss überhaupt tatsächlich getagt habe. Dies werde bestritten.
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Nach dem Beschlussprotokoll der Beklagten habe man nach der Abstimmung festgestellt, dass angeblich zu wenige Mitglieder anwesend gewesen seien, um die erforderliche Beschlussfähigkeit herzustellen. Die Dekanin als Vorsitzende des Habilitationsausschusses habe sodann die Beschlussentscheidung alleine getroffen. Die Voraussetzungen für eine Beschlussunfähigkeit des Habilitationsausschusses und eine Beschlussfassung durch dessen Vorsitzende seien nicht gegeben gewesen.
39 
Der Bescheid sei zudem auch deshalb formell rechtswidrig, weil mit Herrn Prof. Dr. S. am Unterausschuss der Untersuchungskommission ein nicht ständiges Mitglied aus der betroffenen medizinischen Fakultät mitgewirkt habe, das nach § 21 Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 20 Abs. 4, 88 LVwVfG wegen der Besorgnis der Befangenheit hätte ausgeschlossen werden müssen. Gegen Herrn Prof. Dr. S. sei parallel ein gleichgelagertes Verfahren wegen des Vorwurfs der Unredlichkeit seiner wissenschaftlichen Arbeit durchgeführt worden. Die Redlichkeitskommission habe erst im Dezember 2014 über die Plagiatsvorwürfe entschieden. Daher sei Prof. Dr. S. zum Zeitpunkt seiner Mitwirkung an den Beschlüssen des Unterausschusses vom 03.09.2013 und der Vorlage des Abschlussberichts vom 20.11.2014 befangen gewesen, weil ein Grund vorgelegen habe, der geeignet sei, Misstrauen gegen die unparteiliche Amtsausübung zu rechtfertigen. Aufgrund des laufenden Verfahrens habe die begründete Besorgnis bestanden, dass Herr Prof. Dr. S. bei der Überprüfung der Arbeit der Klägerin aus der eigenen Fakultät nicht mit der gebotenen Objektivität handeln werde.
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Ferner habe die Beklagte ihre Pflicht zur Amtsaufklärung verletzt, weil sie die Tochter der Klägerin und den weiteren Doktoranden, die Mitglieder des Forschungsteams gewesen seien, im Rahmen des Verfahrens über die Rücknahme der Habilitation nicht angehört habe.
41 
Die herangezogene Ermächtigungsgrundlage des § 16 Abs. 1 HabilO 2017 verstoße gegen höherrangiges Recht in Gestalt von § 48 LVwVfG und die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne und sei daher vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG und des Art. 5 Abs. 3 GG unwirksam. Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes sei ausschließlich unter den in § 48 LVwVfG näher bestimmten Voraussetzungen möglich. Insbesondere müsse es sich dabei um eine Ermessensentscheidung handeln, um den Vertrauensschutz angemessen berücksichtigen und Einzelfallgerechtigkeit herstellen zu können. Etwas anderes könne nur ein formelles Spezialgesetz vorsehen. Eine gebundene Rücknahmeentscheidung sei ausgeschlossen, wenn diese durch eine untergesetzliche Rechtsvorschrift vorgesehen sei, für die es keine gesetzliche Ermächtigung gebe. Das damals geltende Universitätsgesetz (UG), auf das die Habilitationsordnung der Beklagten gestützt worden sei (§ 55 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 2 UG), sehe keine Ermächtigung vor, von den Grundsätzen des § 48 LVwVfG abzuweichen. Ein Vergleich mit den Regelungen über die Rücknahme von Hochschulgraden bestätige, dass eine Habilitation nur im Wege der Ermessensentscheidung zurückgenommen werden könne. Eine Rücknahme der Habilitation sei mit der Rücknahme eines Hochschulgrades, wie etwa dem Doktorgrad, vergleichbar. Beide stellten einen Nachweis der Befähigung zu selbstständigem wissenschaftlichen Arbeiten dar. Hinsichtlich der Rücknahme von Hochschulgraden sehe § 55c UG bzw. § 36 Abs. 7 LHG vor, dass dieser „unbeschadet der §§ 48 und 49 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes entzogen werden [kann], wenn sich der Inhaber durch sein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat.“ Aus dieser Regelung werde deutlich, dass für den Erwerb eines Hochschulgrades mit unlauteren Mitteln allein eine Rücknahme nach den §§ 48, 49 LVwVfG in Betracht komme, weil es sich dabei gerade nicht um ein späteres Verhalten handele, das zur Unwürdigkeit der Führung des Grades führe.
42 
Auch aus der Grundrechtsrelevanz der Rücknahme einer Habilitation im Hinblick auf die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG (Wahl- und Ausübungsfreiheit) und die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folge mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes und die Wesentlichkeitstheorie, dass der parlamentarische Gesetzgeber die Voraussetzungen einer Rücknahme einer Habilitation als Eingriff in die Berufsfreiheit und die Wissenschaftsfreiheit selbst zu treffen habe. Im Hinblick darauf, dass die Wissenschaftsfreiheit ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht sei und Eingriffe nur aufgrund verfassungsimmanenter Schranken im Einzelfall gerechtfertigt werden könnten, müsse die Rücknahme einer Habilitation als Ermessensentscheidung ausgestaltet sein. Andernfalls sei es nicht möglich, die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und eine Entscheidung zu treffen, die verhältnismäßig im engeren Sinne sei. Diesen Anforderungen entspreche § 16 HabilO nicht. Erstens fehle es an einer parlamentsgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, weil die § 55 Abs. 2 Satz 3 i.V.m § 51 Abs. 1 Satz 2 UG die Beklagte nicht zum Erlass einer solchen Norm ermächtigten. Möglich sei allein die Rücknahme aufgrund eines späteren „Sich-als-unwürdig-Erweisens“. Fälle des Täuschens und der schweren inhaltlichen Mängel fielen ausschließlich unter die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Zweitens verstoße § 16 Abs. 1 HabilO gegen die höherrangigen §§ 48, 49 LVwVfG, weil ein Ermessen nicht vorgesehen sei.
43 
In materiell-rechtlicher Hinsicht habe die Klägerin keine unlauteren Mittel i.S.d. § 16 Abs. 1 HabilO 2017 verwendet. Der Begriff der unlauteren Mittel sei ein unbestimmter Rechtsbegriff. § 16 Abs. 1 HabilO 2017 stelle insbesondere auf Verstöße gegen die wissenschaftliche Redlichkeit ab. Die wissenschaftliche Redlichkeit werde durch § 56a UG konkretisiert, wonach die allgemein anerkannten Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis einzuhalten seien. Ein Verstoß hiergegen liege insbesondere vor, wenn in einem wissenschaftserheblichen Zusammenhang vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht, geistiges Eigentum anderer verletzt oder die Forschungstätigkeit Dritter erheblich beeinträchtigt würden. Der Habilitationsausschuss verkenne, dass die Zusammenarbeit innerhalb der Arbeitsgruppe zwischen der Klägerin, ihrer Tochter und dem weiteren Doktoranden sehr eng gewesen sei. Es sei aus einem Pool von Textbausteinen geschöpft worden. Die Klägerin sei nicht die einzige gewesen, die diese Textbausteine verwendet habe. Sie habe zu den Forschungsergebnissen ebenso beigetragen wie die anderen Mitglieder der Arbeitsgruppe. Die Beiträge und Ergebnisse sein wechselseitig weiterverwendet worden. Dies sei in der medizinischen wissenschaftlichen Praxis absolut üblich. Alle drei Arbeiten hätten sich eigenständigen Fragestellungen zugewandt. Hierzu hätten Sie die Ergebnisse der gemeinsamen Forschung eigenständig aus dem jeweils originellen Blickwinkel der jeweiligen Fragestellung interpretiert. Die übereinstimmenden Textpassagen seien der arbeitsteiligen Arbeitsweise innerhalb der Arbeitsgruppe geschuldet. Sie stellten jedoch das jeweils eigenständige wissenschaftliche Ergebnis der ansonsten originellen Arbeit nicht infrage. Dies gelte vor allem deshalb, weil die feststellbaren Textidentitäten die zentralen Inhalte der wissenschaftlichen Arbeit der Klägerin nicht berührten. Zudem habe die Klägerin die betroffenen Textstellen zwar nicht im Sinne einer Zitierung offengelegt. Die Klägerin habe jedoch in anderen Zusammenhängen mehrfach die Zusammenarbeit mit Ihrer Tochter offengelegt, so etwa bei einer Tagung im September 2006 in Sydney, Australien und bei einer Präsentation in Köln. Auch bei einem Antrag auf Gewährung einer Sachbeihilfe durch die DFG vom 15.08.2005 habe die Klägerin unter anderem den Namen ihrer Tochter aufgelistet.
44 
Jedenfalls habe die Klägerin ihre Habilitation nicht im Sinne einer Kausalität durch die unlauteren Mittel erlangt. Der nötige Nachweis eines Kausalzusammenhangs sei nicht erbracht. Der angefochtene Bescheid unterstelle pauschal, die Gutachter der Habilitationsschrift hätten diese bei Kenntnis der Übereinstimmungen nicht als schriftliche Habilitationsleistung anerkannt. Hierdurch sei der Nachweis des erforderlichen Kausalzusammenhangs nicht erbracht. Es handele sich lediglich um eine Hypothese.
45 
Die Klägerin habe auch nicht vorsätzlich gehandelt. Sie habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, unlautere Mittel zu verwenden. Sie sei vielmehr davon ausgegangen, dass sie die allgemein in der Arbeitsgruppe zugänglichen Materialien für ihre Arbeit verwenden dürfe und gemeinsam in der Gruppe erarbeitete Ergebnisse übernehmen könne. Dies habe der Arbeitspraxis der Klägerin entsprochen und sei auch Praxis in anderen Arbeitsgruppen gewesen. Beim Einreichen der Arbeit habe es der Klägerin subjektiv ersichtlich am Vorsatz gefehlt. Sie habe nicht die Vorstellung gehabt, sich wissenschaftlich unkorrekt zu verhalten. Daher scheide auch fahrlässiges Verhalten aus. Zum Zeitpunkt der Einreichung der Habilitationsschrift habe es noch keine schriftlichen Regelungen über die Annahme von wissenschaftlichem Fehlverhalten gegeben. Erst seit der Fassung vom 28.02.2014 sehe die Habilitationsordnung der Beklagten vor, dass Arbeitsgruppen ausgewiesen werden müssten.
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Hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass die bei der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes zwingende Ermessensausübung nicht erfolgt sei. Der Habilitationsausschuss sei vielmehr der Auffassung gewesen, dass im Falle der Verwendung von unlauteren Mitteln zur Erlangung der Habilitation eine Rücknahme zwingend sei. Die zwingend erforderliche Abwägung im Rahmen einer Ermessensentscheidung sei unterblieben. Der Habilitationsausschuss habe seinerzeit am 11.12.2014 angenommen, dass ihm kein Ermessen zukomme. Es handele sich daher um einen Ermessensausfall.
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Auch die hilfsweise auf § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG gestützte Rücknahmeentscheidung sei formell und materiell rechtswidrig. Insofern werde auf die Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der Tagung des Habilitationsausschusses vom 12.11.2015 hingewiesen. Zudem hätten auch die Voraussetzungen für eine Beschlussfassung allein durch die damalige Dekanin nicht vorgelegen.
48 
Ferner werde es für ausgeschlossen gehalten, dass sich der Habilitationsausschuss in seiner nur etwa 40-minütigen Beratung über zwölf Tagesordnungspunkte eingehend mit der Ermessensausübung befasst habe, die Habilitation der Klägerin zurückzunehmen. Zudem finde sich in den Akten bereits eine Beschlussvorlage vom 03.11.2015, die die letztlich formelhafte und inhaltsleere Begründung der Ermessensausübung bereits vor der Beschlussfassung durch den Habilitationsausschuss am 12.11.2015 enthalten habe. Diese decke sich zudem mit den formelhaften Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit im Ausgangsbescheid vom 23.01.2015. Soweit die Beschlussfassung zudem durch die Dekanin vorgenommen worden sei, sei weder dokumentiert noch sonst erkennbar, dass die Dekanin Ermessenserwägungen angestellt habe. Diese habe sich vielmehr an die vorausgegangene Beschlussfassung des Ausschusses gebunden gefühlt.
49 
Die Klägerin beantragt,
50 
den Bescheid der Beklagten vom 23.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2018 aufzuheben.
51 
Die Beklagte beantragt,
52 
die Klage abzuweisen.
53 
Zu den tatsächlichen Abläufen führt die Beklagte aus, dass bereits aus der Beschlussvorlage für die Sitzung vom 12.11.2015 hervorgehe, dass sowohl im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses als auch in der Sitzung des Habilitationsausschusses vom 11.12.2014 verschiedene Gesichtspunkte diskutiert worden seien und diese als Grundlage für die Entscheidung hätten dienen sollen. Die Einladung für die Sitzung vom 12.11.2015 sei damals an alle dem Habilitationsausschuss angehörenden Mitglieder frist- und formgemäß erfolgt. Die Dauer der Sitzung vom 12.11.2015 - etwa 40 Minuten - habe sich daraus ergeben, dass die entsprechenden Punkte vorbereitet gewesen seien und die Unterlagen den Teilnehmern vorgelegen hätten. Insbesondere das wissenschaftliche Fehlverhalten der Klägerin sei bereits in mehreren Sitzungen ausführlich erörtert worden. Der Habilitationsausschuss sei auch zunächst beschlussfähig gewesen. Der Nichtabhilfebeschluss sei jedenfalls ordnungsgemäß unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben der Verfahrensordnung der Beklagten gefasst worden.
54 
Die Beklagte führt weiter aus, dass Gegenstand des Klageverfahrens der Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids sei. Die Widerspruchsbehörde nehme im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eine umfassende Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheids vor. Es stehe der Widerspruchsbehörde auch zu, die Entscheidung der Ausgangsbehörde gegebenenfalls auch mit abweichenden Erwägungen zu bestätigen. Die Widerspruchsbehörde sei aufgrund ihrer umfassenden Kontroll- und Entscheidungsbefugnis nicht gehindert, ihr Ermessen an die Stelle des Ermessens der Ausgangsbehörde zu setzen.
55 
Das Verwaltungsverfahren sei auch sonst formell rechtmäßig. Hinsichtlich des Prof. Dr. S. habe zum Zeitpunkt der Mitwirkung im Habilitationsausschuss keine Besorgnis der Befangenheit vorgelegen. Der alleinige Umstand, dass sich dieses Ausschussmitglied damals in einer ähnlichen Lage wie die Klägerin befunden habe, begründe keine Besorgnis der Befangenheit. Das Verfahren des betroffenen Mitglieds habe in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Verfahren der Klägerin gestanden und sei noch nicht einmal an derselben Universität geführt worden.
56 
Ein Verfahrensfehler sei auch nicht darin zu sehen, dass die Tochter der Klägerin und der weitere Doktorand nicht angehört worden seien. Die Klägerin selbst habe in ihren Stellungnahmen vom 27.08.2013 und vom 22.10.2014 angegeben, dass die Textübereinstimmungen auf Textbausteine der Arbeitsgruppen zurückzuführen gewesen seien und dass die Langzeitergebnisse von ihrer Tochter erhoben worden seien. Die Versäumnisse der Kennzeichnung von Ergebnissen Dritter und die fehlende Offenlegung der Existenz einer Arbeitsgruppe seien von der Klägerin explizit zugestanden worden. Deshalb sei das Verfahren gegen die Tochter der Klägerin durch die Sporthochschule K. auch eingestellt worden. Aus diesen Gründen sei eine Anhörung der Doktoranden nicht erforderlich gewesen. Der Sachverhalt sei ausreichend ermittelt gewesen.
57 
§ 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 stelle eine wirksame Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der Habilitation dar. Die Habilitationsordnung sei mit Zustimmung des zuständigen Landesministeriums für Wissenschaft und Kunst auf der Grundlage von § 55 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 2 UG in der Fassung vom 04.06.1982 erlassen worden. Die Habilitationsordnung enthalte folgerichtig Vorschriften über den Widerruf einer Habilitation. Dies habe auch der Landesgesetzgeber in den §§ 32 Abs. 4 Nr. 3, 39 Abs. 5 Satz 1 LHG zum Ausdruck gebracht. Danach hätten die Hochschulprüfungsordnungen insbesondere die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften zu regeln. Dies beinhalte auch die Befugnis der Beklagten, Konsequenzen bei wissenschaftlich unredlichem Verhalten zu treffen. Für die Beklagte sei maßgeblich gewesen, dass Verstöße gegen grundlegende wissenschaftliche Prinzipien bei der Habilitation nur durch den ausgesprochenen Titelentzug geahndet werden könnten. Die Habilitation verleihe den höchsten wissenschaftlichen akademischen Grad. Ihr Träger repräsentiere in besonderem Maße das Wissenschaftssystem. Grundlegende Verstöße gegen Vorgaben der wissenschaftlichen Redlichkeit könnten daher nicht geduldet werden, weshalb ein Verstoß durch eine gebundene Entscheidung zu ahnden sei.
58 
§ 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 stehe auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang. Prüfungsrechtliche Sanktionsnormen müssten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 21.03.2012 - 6 C 19/11 -, juris Rn. 27) kein Entschließungsermessen einräumen. Daher sei die Entscheidung der Beklagten, eine gebundene Entscheidung im Falle der Täuschung über die Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Leistung vorzusehen, nicht zu beanstanden. Die Habilitation diene nach § 39 Abs. 1 Satz 2 LHG dem Nachweis der besonderen Befähigung, ein wissenschaftliches Gebiet in Forschung und Lehre selbstständig zu vertreten. Der Satzungsgeber habe die grundrechtliche Relevanz der Rücknahme der Habilitation im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG erkannt und berücksichtigt. Die Beklagte habe jedoch einen Gestaltungsspielraum, wie die Voraussetzungen für die Rücknahme einer Habilitation rechtlich ausgestaltet werden könnten. Der Rücknahme von Berufszulassungen seien gebundene Entscheidungen nicht fremd, so sei etwa auf § 12 Abs. 1 BeamtStG, § 3 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 LogopG oder § 6 Abs. 1 BApO zu verweisen.
59 
Der Habilitationsausschuss habe jedenfalls im Widerspruchsverfahren die Nichtabhilfe des Widerspruchs auch auf § 48 Absatz 1 Satz 1 LVwVfG gestützt.
60 
Die Klägerin habe sich auch unlauterer Mittel bedient. Plagiate seien schwerwiegende Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis, weil über die erforderliche Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Leistung getäuscht werde. Die umfangreichen und zahlreichen Übereinstimmungen von Tabellen, Ergebnissen und Textstellen seien unstreitig. Sie seien weder als solche gekennzeichnet worden noch sei darauf hingewiesen worden, dass die Habilitation im Rahmen einer Arbeitsgruppe entstanden sei. Die Übereinstimmungen mit der Dissertation der Tochter der Klägerin betrügen 34 %. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Freiburg gelte, dass die wörtliche und sinngemäße Übernahme von zusammenhängenden Textpassagen aus fremden Werken ohne ausreichendes Zitat gegen grundlegende Maßstäbe des wissenschaftlichen Arbeitens verstoße und eine Täuschung über die Selbständigkeit der erbrachten wissenschaftlichen Leistung beinhalte. Dies gelte insbesondere, wenn die Übernahme fremden Gedankengutes nicht nur vereinzelt, sondern systematisch und planmäßig erfolge, etwa wenn sich solche Plagiate an mehreren Stellen der Arbeit fänden und Passagen von verschiedenen Fremdautoren beträfen. Angesichts des Umfangs der Übereinstimmungen handele es sich auch nicht nur um zufällige Übereinstimmungen.
61 
Es sei unzutreffend, wenn die Klägerin der Auffassung sei, im Jahr 2005 habe die Habilitationsordnung noch nicht vorgesehen, die Beteiligung von Arbeitsgruppen offenzulegen. In der Habilitationsordnung aus dem Jahre 1988 habe § 5 Abs. 2 Nr. 9 bestimmt:
62 
„Dem Gesuch sind beizufügen eine Erklärung darüber, ob die schriftliche Habilitationsleistung allein oder unter Beteiligung einer Arbeitsgruppe angefertigt worden ist, im Letzteren Fall eine Übersicht über die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe; die individuelle Leistung des Bewerbers muss deutlich abgrenzbar und bewertbar sein.“
63 
Diese Regelung sei auch in den Habilitationsordnungen der Jahre 1991,1997, 2003, 2006 und 2014 identisch enthalten. Das Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit erfordere es, geistiges Eigentum Dritter erkennbar zu machen, indem sämtliche wörtlich oder sinngemäß übernommenen Gedanken aus Quellen und Literatur als solche kenntlich gemacht werden müssten.
64 
Unbeachtlich sei, ob der Kernbereich der Habilitation selbständig erstellt und eine wissenschaftliche Leistung sei. Derartige hypothetische Erwägungen im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion fänden nicht statt. Es sei für die Ursächlichkeit der begangenen Täuschung nicht von Bedeutung, ob für eine andere Arbeit, als die tatsächlich vorgelegte, der akademische Grad verliehen worden wäre. Die von der Klägerin angeführten Hinweise auf die Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe bei Präsentationen in Sydney oder Köln sowie bei einem Antrag an die DFG genügten den rechtlichen Vorgaben für eine Offenlegung nicht.
65 
Die zahlreichen Verstöße gegen die Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens seien nicht durch die Zusammenarbeit innerhalb der Arbeitsgruppe und das gegenseitige Einverständnis zur Nutzung aller Ergebnisse und Textbausteine zu rechtfertigen. Der Habilitationsausschuss sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Vielzahl der Übernahmen und der Umgang mit den übernommenen fremden Textteilen ohne Kennzeichnung und Quellenangaben darauf schließen ließen, dass die fremden Passagen planmäßig als eigene wissenschaftliche Arbeit ausgewiesen worden seien. Die Klägerin habe vorsätzlich gehandelt. Die Habilitationsordnung beinhalte klare Vorgaben zur Offenlegung von Arbeitsgruppen. Die Klägerin habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass die Gutachter und die Prüfungskommission durch die Nichtkennzeichnung fremder Inhalte und die unterlassene Offenlegung der Arbeitsgruppe dem Irrtum über die Urheberschaft unterlegen seien. Würden substantielle Teile der Arbeit ohne hinreichende Kennzeichnung übernommen werden, könne vom objektiv feststellbaren Sachverhalt des Plagiats auf den Täuschungsvorsatz geschlossen werden. Bei Habilitationsarbeiten lasse die ungekennzeichnete Übernahme fremder Gedanken dann, wenn es in erheblichem Maße geschehe, den Schluss auf den Täuschungsvorsatz zu. Demnach habe die Klägerin vorsätzlich gehandelt.
66 
Hilfsweise habe der Habilitationsausschuss die Rücknahme auch auf § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG gestützt und in seiner Sitzung vom 12.11.2015 im Rahmen der Abhilfeentscheidung das ihm nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG zukommende Ermessen hilfsweise ausgeübt. Alle widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen seien umfangreich gewürdigt und gegeneinander abgewogen worden. Es sei nicht verkannt worden, dass die Rücknahme der Habilitation für die Klägerin zu schwerwiegenden beruflichen und persönlichen Nachteilen führen könne. Die unvermeidliche Einbuße an beruflichem und sozialem Ansehen, die mit der akademischen Degradierung verbunden sei, sei bedacht und abgewogen worden. Ein milderes Mittel sei im Hinblick auf die Interessen der medizinischen Fakultät und der Beklagten selbst nicht erkennbar gewesen. Die wissenschaftliche Redlichkeit als öffentliches Interesse sei ein zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses überragend wichtiges und verfassungsrechtlich in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankertes Gemeinschaftsgut. Die Rücknahme der Habilitation habe zudem keine Auswirkungen auf den Doktorgrad. Die Klägerin könne darüber hinaus ihren Beruf als Ärztin ohne Einschränkungen weiter ausüben.
67 
Auf den Hinweis des Berichterstatters vom 17.09.2019 hinsichtlich der Anzahl der Teilnehmer an der Sitzung des Habilitationsausschusses vom 12.11.2015 und der etwaigen Gründe für eine Beschlussunfähigkeit hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 20.09.2019 ergänzend ausgeführt, es komme hierauf aus ihrer Sicht nicht an. Eine dem Widerspruchsbescheid der Prorektorin vorausgehende Nichtabhilfeentscheidung sei rechtlich nicht erforderlich gewesen, weil es sich bei der Beklagten um eine Selbstverwaltungskörperschaft handele. Widerspruchs- und Ausgangsbehörde seien identisch. Die Beschlussunfähigkeit habe sich im Übrigen daraus ergeben, dass nach dem befangenen Prof. Dr. K. ein weiteres Mitglied des Fakultätsrats, Prof. Dr. H., den Raum während der Erörterung und vor der Beschlussfassung verlassen habe. Dies ergebe sich auch aus der vorgelegten Teilnahmeliste.
68 
Der Kammer liegen die Akten der Beklagten - einschließlich der Habilitationsschrift der Klägerin sowie der Dissertationsschriften der Tochter der Klägerin und des Dr. T. K - vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des wechselseitigen Vorbringens wird auf diese Akten, auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die übrige Gerichtsakte sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 25.09.2019 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
69 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Dekanin der medizinischen Fakultät der Beklagten vom 23.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Prorektorin für Studium und Lehre der Beklagten vom 16.08.2018 ist sowohl hinsichtlich der Rücknahme der Habilitation (A.) als auch der Aufforderung zur Rückgabe der Habilitationsurkunde (B.) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A.
70 
Gegenstand der Klage ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Widerspruchsbehörde ist nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LHG die Beklagte als Selbstverwaltungskörperschaft (§ 8 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 LHG).
I.
71 
Der Bescheid der Dekanin der medizinischen Fakultät der Beklagten vom 23.01.2015 ist formell rechtmäßig. Im Einzelnen:
1.
72 
Für die Beklagte haben im Ausgangs- wie auch im Widerspruchsverfahren die zuständigen Organe gehandelt (a). Ferner war Prof. Dr. S. zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Habilitationsausschusses im Ausgangsverfahren am 11.12.2014 nicht wegen der Besorgnis der Befangenheit von der Teilnahme und Mitwirkung an der Beratung und Abstimmung ausgeschlossen (b).
73 
a) Die Zuständigkeit für die Rücknahme der Habilitation liegt bei der Hochschule, die den Grad verliehen hat (§ 36 Abs. 7 Satz 2 LHG in der für den Ausgangsbescheid maßgeblichen Fassung vom 01.04.2014, gültig bis 29.03.2018, LHG a.F.).
74 
Ungeachtet der Frage, ob § 16 Abs. 1 Satz 1 der Habilitationsordnung der Beklagten für die Medizinische Fakultät vom 11. Oktober 1988 (W. u K. 1988, Nr. 12, Satz 347, vom 09. Dezember 1988) in der Fassung der Fünften Änderungssatzung vom 28.02.2014 (Amtliche Bekanntmachungen Jg. 45, Nr. 4, Satz 10 - HabilO 2014) eine wirksame Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der Habilitation der Klägerin ist, ist für die Ausgangsentscheidung der Habilitationsausschuss das zuständige Organ. Dies folgt letztlich auch aus den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen und mit Blick auf § 2 Abs. 1 HabilO 2014. Hiernach werden die Entscheidungen im Habilitationsverfahren vom Habilitationsausschuss getroffen, soweit durch die Habilitationsordnung nichts anderes bestimmt ist. Sachlich zuständig für die Rücknahmeentscheidung ist diejenige Behörde, die zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt geltenden Sach- und Rechtslage für die Ausgangsentscheidung zuständig wäre (VGH BW, Urteil vom 25.08.2008 - 13 S 201/08 -, VBlBW 2009, 150). Dies gilt entsprechend für die interne Zuständigkeit innerhalb eines Verwaltungsträgers. In Ausführung des Beschlusses vom 11.12.2014 hat die Dekanin als die Vorsitzende des Habilitationsausschusses (§ 2 Abs. 2 HabilO 2014) den Bescheid vom 23.01.2015 erlassen.
75 
Für den Erlass des Widerspruchsbescheids in Verfahren über die Rücknahme von akademischen Graden enthält die Habilitationsordnung keine Regelung. Insoweit verbleibt es bei den gesetzlichen Vorgaben aus § 8 Abs. 2 Satz 3 LHG in der Fassung vom 01.04.2014, nach denen die Entscheidung über Widersprüche in Prüfungsangelegenheiten dem für die Lehre zuständigen Mitglied des Rektorats obliegt. Dass diese Zuständigkeit für Hochschulprüfungen grundsätzlich auch Promotionen erfasst und damit auch deren Entziehung als „actus contrarius“, ist in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg geklärt (vgl. zuletzt Urteil vom 14.09.2011 - 9 S 2667/10 -, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 04.03.2013 - 7 K 3335/11 -, juris Rn. 64). Das Entsprechende gilt daher auch für Habilitationen und Widersprüche gegen deren Rücknahme.
76 
b) Der Bescheid vom 23.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2018 ist nicht deshalb formell rechtswidrig, weil Prof. Dr. S. an der maßgeblichen Sitzung des Habilitationsausschusses vom 11.12.2014 teilgenommen und mitgewirkt hat und auch Mitglied des vorbereitenden Unterausschusses gewesen ist. Die Klägerin macht geltend, der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 11.12.2014 und während der Tätigkeit des Unterausschusses gegen Prof. Dr. S. ebenfalls ein Verfahren wegen des Verdachts der wissenschaftlichen Unredlichkeit von einer anderen Universität geführt worden sei, begründe die Besorgnis der Befangenheit. Dies ist jedoch nicht der Fall:
77 
aa) Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, so hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten, § 21 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG. Für Mitglieder eines Ausschusses (§ 88 LVwVfG) gilt § 20 Abs. 4 LVwVfG entsprechend. Danach ist es dem Vorsitzenden des Ausschusses mitzuteilen, wenn sich ein Mitglied für ausgeschlossen hält oder Zweifel bestehen, ob die Voraussetzungen des § 21 LVwVfG gegeben sind. Der Ausschuss entscheidet über den Ausschluss. Der Betroffene darf an dieser Entscheidung nicht mitwirken. Das ausgeschlossene Mitglied darf bei der weiteren Beratung und Beschlussfassung nicht zugegen sein.
78 
Befangenheit liegt bereits vor, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung eines Amtsträgers zu rechtfertigen. Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen aus der Sicht eines Beteiligten des Verfahrens nach den Gesamtumständen des Einzelfalls die Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 21 Rn. 13). Tatsächliche Befangenheit ist nicht erforderlich. Es genügt der „böse Schein“. Maßgeblich ist die Perspektive des Beteiligten. Nicht ausreichend sind lediglich subjektive Befürchtungen der Beteiligten. Erforderlich ist ein vernünftiger Grund für die Besorgnis, der auf einer rationalen Tatsachengrundlage beruht. Entscheidend ist, ob ein vernünftiger Beteiligter unter den gegebenen Umständen die Besorgnis hegen kann, der Amtswalter, in dessen Person die Tatsachen vorliegen, werde das Verfahren nicht unparteiisch, sachlich und mit der gebotenen Distanz betreiben, sondern sich von Vorurteilen oder unsachlichen Erwägungen leiten lassen (zum Ganzen Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 21 Rn. 16 m.w.N.).
79 
Als Fallgruppen, in denen die berechtigte Besorgnis der Befangenheit in Betracht kommt, zählen persönliche, insbesondere verwandtschaftliche Beziehungen mit einem Verfahrensbeteiligten, wirtschaftliche Beziehungen mit einem Beteiligten oder ein wirtschaftliches Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens, unsachliches Verhalten (z.B. verletzende Äußerungen im Verfahren) oder einseitige (Vor-)Festlegungen sowie - im Einzelfall - wissenschaftliche Veröffentlichungen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG , 18. Auflage 2017, § 21 Rn. 17).
80 
bb) Es kann dahinstehen, ob es sich auch bei einem Unterausschuss um einen Ausschuss i.S.d. § 88 LVwVfG handelt (vgl. dazu VGH BW, Urteil vom 18.11.1980 - IX 1302/78 -, juris, 3. LS), denn gegen Prof. Dr. S. bestand bei der Beschlussfassung im Ausgangsverfahren nach diesen Maßstäben keine berechtigte Besorgnis der Befangenheit.
81 
Der Umstand, dass Prof. Dr. S. zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 11.12.2014 seinerseits (als Betroffener) Beteiligter eines Verwaltungsverfahrens zur Untersuchung der Voraussetzungen der Rücknahme eines akademischen Grads wegen des Verdachts des Plagiats gewesen war, stellt nach Auffassung der Kammer keine objektive Tatsachengrundlage dar, die bei einem vernünftigen Beteiligten unter den gegebenen Umständen die Besorgnis der Befangenheit begründen kann. Es fehlt jeder persönliche Bezug zur Klägerin. Das Verfahren bezüglich des Plagiatsverdachts gegen Prof. Dr. S. wurde nicht von der Beklagten, sondern von der Medizinischen Hochschule H. geführt. Die Habilitation des Prof. Dr. S. steht auch in keinem Zusammenhang mit der Arbeitsgruppe, aus der die Habilitation der Klägerin hervorgegangen war. Eine Vorfestlegung oder unsachliche Äußerungen des Prof. Dr. S. im Verwaltungsverfahren sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Allein der Umstand, dass sich Prof. Dr. S. zeitgleich mit dem Rücknahmeverfahren gegen die Klägerin einer Untersuchung seiner Habilitationsschrift unterziehen musste, lässt - ohne weitere Anhaltspunkte - nicht die begründete Besorgnis zu, er werde sich bei der Entscheidung über die Rücknahme der Habilitation der Klägerin aus unsachlichen Gründen besonders streng oder besonders milde verhalten. Insbesondere sind - entgegen der Auffassung der Klägerin - keine nachvollziehbaren Interessen des Prof. Dr. S. ersichtlich, sich im Verfahren der Beklagten über die Rücknahme der Habilitation der Klägerin z.B. besonders nachsichtig zu verhalten, weil das Verfahren gegen Prof. Dr. S. eben gerade nicht von der Beklagten geführt worden war. Bei der von der Klägerin geltend gemachten Besorgnis handelt es sich demnach lediglich um subjektive Befürchtungen, die einer Tatsachengrundlage entbehren.
2.
82 
Die nach Lage der Akten und dem Vortrag der Beklagten unter Berücksichtigung des Bestreitens der Klägerin denkbaren formellen (Verfahrens-)Fehler bei der Beschlussfassung des Habilitationsausschusses am 12.11.2015 über die Nichtabhilfe des Widerspruchs berühren nach § 10 Abs. 5 Satz 3 und 2 LHG die Rechtswirksamkeit des Beschlusses nicht. Die Klägerin kann allein wegen der etwa gegebenen formellen Mängel keine Aufhebung des von der Prorektorin für Studium und Lehre erlassenen Widerspruchsbescheids vom 16.08.2018 beanspruchen.
83 
a) Das für die Beschlussfassung des Habilitationsausschusses maßgebliche Verfahren bestimmt sich nach §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 bis 3 HabilO 2014 sowie § 6 Abs. 4 der Verfahrensordnung der Beklagten vom 15.02.2015, Amtliche Bekanntmachungen Jg. 46 Nr. 11, Satz 86-93 (VerfO 2015). Wie bereits dargelegt, entscheidet innerhalb des Organisationsbereichs der Beklagten der Habilitationsausschuss über die Rücknahme der Habilitation, §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 HabilO 2014. Dies gilt auch für die Frage der Abhilfe eines Widerspruchs gegen die Rücknahme einer Habilitation.
84 
Der Habilitationsausschuss besteht nach § 2 Abs. 2 HabilO 2014 aus den Professoren, die hauptberuflich an der Fakultät tätig sind, sowie aus den Privat- und Hochschuldozenten des Fakultätsrats. Den Vorsitz führt der Dekan, § 2 Abs. 4 HabilO 2014. Der Habilitationsausschuss ist nach § 2 Abs. 3 HabilO 2014 beschlussfähig, „wenn mindestens die Hälfte der Professoren, Hochschul- und Privatdozenten anwesend ist, die dem Fakultätsrat angehören.“ Ausweislich des Wortlauts in Abgrenzung zum Wortlaut des § 2 Abs. 2 HabilO 2014 ist nicht maßgeblich, ob die Hälfte aller Mitglieder nach § 2 Abs. 2 HabilO 2014 anwesend sind, sondern ob die Hälfte der Mitglieder nach § 2 Abs. 2 HabilO anwesend sind, die zugleich dem Fakultätsrat angehören. Dies ergibt sich daraus, dass der Zusatz „die dem Fakultätsrat angehören“, am Ende des Satzes nach der Formulierung „anwesend sind“ steht und nicht - wie bei § 2 Abs. 2 HabilO 2014 - nach der Aufzählung der einzelnen Mitgliedsgruppen. Ferner stellt § 2 Abs. 3 HabilO 2014 - anders als § 2 Abs. 2 HabilO 2014 - nicht darauf ab, ob es sich um hauptberufliche Professoren handelt. Das Adjektiv „hauptberuflich“ findet sich vielmehr überhaupt nicht im Wortlaut des § 2 Abs. 3 HabilO 2014 wieder. Eine vom Wortlaut her nicht gedeckte Auslegung, dass die Beschlussfähigkeit voraussetzt, dass die Hälfte aller Mitglieder nach § 2 Abs. 2 HabilO 2014 anwesend ist, wäre bei 104 Mitgliedern zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Abhilfe zudem in höchstem Maße unpraktikabel.
85 
§ 6 Abs. 4 VerfO 2015 regelt den Sonderfall der Beschlussunfähigkeit eines Gremiums wegen Befangenheit von Mitgliedern. „Wird ein Gremium wegen Befangenheit von Mitgliedern beschlussunfähig, so tritt an deren [sic!] Stelle der oder die Vorsitzende“, § 6 Abs. 4 Satz 1 VerfO 2015. Hinsichtlich des weiteren Verfahrens bestimmt § 6 Abs. 4 Satz 2 VerfO 2015, dass der oder die Vorsitzende „vor seiner oder ihrer Entscheidung die nicht befangenen Mitglieder zu hören“ hat. Nach Auffassung der Kammer trifft der oder die Vorsitzende im Falle der Beschlussunfähigkeit wegen Befangenheit von Mitgliedern die Entscheidung allein für das Gremium. Zwar könnte der Wortlaut des § 6 Abs. 4 Satz 1 VerfO 2015 darauf hindeuten, dass der oder die Vorsitzende allein an die Stelle des oder der befangenen Mitglieder tritt („...Befangenheit von Mitgliedern, ... an deren Stelle...“). Hiergegen spricht jedoch § 6 Abs. 4 Satz 2 VerfO, der vor der Entscheidung des oder der Vorsitzenden eine Anhörung der „nicht befangenen Mitglieder“ vorschreibt. Diese Anhörung der nicht befangenen Mitglieder des Gremiums ergäbe ersichtlich keinen Sinn, wenn der oder die Vorsitzende allein an die Stelle der befangenen Mitglieder treten und deren Stimmrechte ausüben würde. Ferner wäre im Falle einer strengen, an den Wortlaut des § 6 Abs. 4 Satz 1 VerfO 2015 anknüpfenden Auslegung unklar, ob die Stimme des oder der Vorsitzenden allein an die Stelle des oder der befangenen Mitglieder tritt, deren ausgeschlossene Mitwirkung unmittelbar ursächlich für die Beschlussunfähigkeit sind. Denkbar wäre nämlich auch, dass die Entscheidung des oder der Vorsitzenden dann an die Stelle aller Stimmen der befangenen Mitglieder tritt, ohne dass es darauf ankäme, ob die Befangenheit des einzelnen Mitglieds gerade ursächlich für die Beschlussunfähigkeit gewesen ist. Dies spricht, wie eingangs dargelegt, dafür, dass im Falle der befangenheitsbedingten Beschlussunfähigkeit des Habilitationsausschusses der oder die Vorsitzende für den Habilitationsausschuss nach Anhörung der nicht befangenen Mitglieder entscheidet. Der Wortlaut der Norm bildet insoweit keine absolute Grenze der Auslegung, sondern entfaltet lediglich eine - durch andere Auslegungsmethoden widerlegbare - Indizwirkung (BVerfG, Beschluss vom 06.06.2018 - 1 BvL 7/14 u.a. -, NZA 2018, 774, 780; Höpfner, RdA, 2018, 321, 324 f.). Bei dem Wort „deren“ handelt es sich nach Auffassung der Kammer, die sich mit der Auffassung der Beklagten deckt, um ein Redaktionsversehen des Normgebers.
86 
In Abgrenzung zu § 6 Abs. 3 VerfO 2015 setzt § 6 Abs. 4 Satz 1 VerfO 2015 für den Übergang der Entscheidungsbefugnis auf den oder die Vorsitzende voraus, dass die Beschlussunfähigkeit unmittelbar ursächlich auf der Befangenheit eines Mitglieds beruht. Dies legt zunächst einmal der Wortlaut der Vorschrift nahe. Diese Auslegung wird durch die Systematik des § 6 VerfO 2015 bestätigt. Denn § 6 Abs. 3 Satz 2 und Satz 1 VerfO 2015 regeln den Fall der sonstigen Beschlussunfähigkeit. Wenn Beschlussunfähigkeit aus anderen als Befangenheitsgründen im Sinne der §§ 20 und 21 LVwVfG eintritt, so kann der oder die Vorsitzende unverzüglich eine weitere Sitzung einberufen, in der das Gremium ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder beschließt. Daraus folgt, dass von diesem Regelfall, der den Gremienmitgliedern eine pluralistische Abstimmung ermöglichen soll, nur in dem besonderen Fall der Beschlussunfähigkeit wegen Befangenheit während einer Sitzung zu Lasten der mehrheitlichen Beschlussfassung abgewichen werden soll. Maßgeblich ist daher, ob die Schwelle hin zur Beschlussunfähigkeit gerade aufgrund der Befangenheit eines Mitglieds überschritten wird.
87 
b) Ausweislich des Beschlussprotokolls der Sitzung Nr. 12/2015 des Habilitationsausschusses der Medizinischen Fakultät der Beklagten vom 12.11.2015, Satz 1, 7 (Akten der Beklagten, Verfahrensakte, Band 2, AS 10, 16), beschlossen zunächst 27 anwesende Mitglieder einstimmig die Tagesordnung der Sitzung und die Zulassung des Rechtsberaters der Beklagten zur Sitzung als Gast. Studiendekan als Prodekan Lehre Prof. Dr. K. verließ zum Tagesordnungspunkt 2 (Abhilfeentscheidung im Widerspruchsverfahren der Klägerin) wegen Befangenheit den Raum. Sodann beschlossen 25 Mitglieder ohne Enthaltungen und Gegenstimmen, dem Widerspruch der Klägerin nicht abzuhelfen. Nach der Abstimmung stellte die Vorsitzende Dekanin fest, der Habilitationsausschuss sei beschlussunfähig gewesen, da „ein Mitglied des Habilitationsausschusses wegen Befangenheit den Raum zu Beginn der Verhandlung über den TOP verlassen hat und der Habilitationsausschuss hierwegen nicht die erforderliche Beschlussfähigkeit“ aufgewiesen habe (Akten der Beklagten, Verfahrensakte, Band 2, AS 16, letzter Absatz).
88 
Bei dem vom Prodekan für Akademische Angelegenheiten, Prof. Dr. S., unterzeichneten Beschlussprotokoll handelt es sich nach § 98 VwGO i.V.m. § 415 Abs. 1 ZPO um eine öffentliche Urkunde über Erklärungen. Sie ist vom Prodekan für Akademische Angelegenheiten für die beklagte Universität als öffentliche Behörde in der nach § 10 Abs. 1 VerfO 2015 vorgeschriebenen Form aufgenommen worden. Soweit § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VerfO 2015 vorschreibt, dass die Niederschrift die Zahl der anwesenden und die Namen der abwesenden Mitglieder der jeweiligen Mitgliedergruppe enthalten muss, wird diesem Erfordernis letztlich die von der Beklagten mit der Klageerwiderung vom 24.05.2019 vorgelegte Teilnehmerliste (Anlage B1, AS 249-279 der Gerichtsakten) gerecht. Das Beschlussprotokoll begründet daher den vollen Beweis des darin beurkundeten Vorganges. Es gilt damit - unabhängig von der Überzeugungsbildung der Kammer - als bewiesen, dass die Erklärung samt dem niedergelegten Inhalt und den Begleitumständen zutreffend und vollständig so, wie beurkundet und nicht anders, abgegeben wurde (Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, 16. Auflage 2019, § 415 Rn. 10).
89 
Aus diesem Grund ist es unerheblich, dass die Klägerin mit Nichtwissen bestreitet, dass die Sitzung des Habilitationsausschusses vom 12.11.2015 stattgefunden hat. Der Beweisanregung der Beklagten, den Rechtsberater Rechtsanwalt Dr. M. als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass der Habilitationsausschuss am 12.11.2015 getagt hat, ist die Kammer daher nicht nachgegangen.
90 
c) Nach der Teilnehmerliste (Anlage B1, AS 249-279 der Gerichtsakten) gehörten am 12.11.2015 21 Professoren, Privat- und Hochschuldozenten kraft Amtes oder als gewählte Mitglieder dem Fakultätsrat an. Nach der Teilnehmerliste nahmen am 12.11.2015 zunächst 31 Mitglieder des Habilitationsausschusses an der Sitzung teil. Darunter waren 12 Mitglieder des Fakultätsrats kraft Amtes bzw. Wahl und 19 stimmberechtigte sonstige Mitglieder. Nachdem Prof. Dr. K., der kraft Amtes Mitglied im Fakultätsrat war, wegen Befangenheit den Raum verlassen hatte, waren folglich zu Beginn des die Klägerin betreffenden Tagesordnungspunktes noch 11 Mitglieder des Fakultätsrats kraft Amtes bzw. Wahl anwesend. Hiernach wäre der Habilitationsausschuss noch beschlussfähig gewesen, weil mehr als die Hälfte der Mitglieder, die dem Fakultätsrat angehören, anwesend waren.
91 
aa) Unterstellt man diesen tatsächlichen Ablauf der Ausschusssitzung, hätte die Dekanin nach der Beschlussfassung durch den beschlussfähigen Habilitationsausschuss zu Unrecht dessen Beschlussunfähigkeit angenommen. Der vom Habilitationsausschuss gefasste Beschluss wäre wirksam und die inhaltsgleiche nachträgliche Entscheidung der Dekanin wäre mangels Entscheidungsbefugnis nach § 6 Abs. 4 VerfO 2015 unwirksam. Der von der Prorektorin für Studium und Lehre erlassene Widerspruchsbescheid vom 16.08.2018 hätte dann den wirksamen Gremienbeschluss der 25 abstimmenden Mitglieder des Habilitationsausschusses vollzogen. Denn die Entscheidung der Vorsitzenden des Ausschusses hätte gegenüber dem vorangegangenen Beschluss der Gremienmitglieder keine kassatorische Wirkung entfaltet, sondern - in dieser Variante erfolglos - eine erstmalig wirksame Entscheidung des Ausschusses herbeiführen sollen.
92 
bb) Ginge man mit der Dekanin davon aus, der Habilitationsausschuss sei wegen der Befangenheit des Fakultätsratsmitglieds Prof. Dr. K. nach § 2 Abs. 3 HabilO 2014 beschlussunfähig geworden - was für die Kammer nach der Teilnehmerliste indes nicht nachvollziehbar ist -, wäre diese tatsächlich nach § 6 Abs. 4 VerfO in der von der Kammer vorgenommenen Auslegung befugt gewesen, anstelle der Gremienmitglieder nach deren erfolgter Anhörung eine Entscheidung für den Habilitationsausschuss zu treffen. In diesem Fall hätte der von der Prorektorin für Studium und Lehre erlassene Widerspruchsbescheid vom 16.08.2018 dann die wirksame Entscheidung der Vorsitzenden des Habilitationsausschusses vollzogen.
93 
cc) Soweit die Beklagte zuletzt mit Schriftsatz vom 20.09.2019 auf den Hinweis des Berichterstatters hin und in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Beschlussunfähigkeit sei deshalb eingetreten, weil nach Prof. Dr. K. während der Beratung und vor der Beschlussfassung des Habilitationsausschusses über die Abhilfe des Widerspruchs das gewählte Fakultätsratsmitglied Prof. Dr. H. (Gruppe wissenschaftlicher Dienst) den Raum verlassen habe, findet dieser Vorgang im Beschlussprotokoll, das eine öffentliche Urkunde über Erklärungen nach § 415 Abs. 1 ZPO darstellt, keinen Niederschlag. Er steht auch im Widerspruch zur protokollierten Feststellung der Dekanin, die Beschlussunfähigkeit sei wegen der Befangenheit eines Mitglieds des Fakultätsrats eingetreten. Die von der Beklagten für ihren Vortrag bemühte Teilnahmeliste (Anlage B1, AS 255 der Gerichtsakten) ist schließlich ebenfalls wenig aussagekräftig. Dort ist für Prof. Dr. H. unter der Spalte Rückmeldung „Zusage“ und unter der Spalte Teilnahme „TOP 1 - TOP 2 18.45“ vermerkt. Aus der Teilnahmeliste geht also nicht hervor, dass Prof. Dr. H. vor der Abstimmung zum den Widerspruch der Klägerin betreffenden „TOP 2“ den Raum verlassen und in der Folge nicht an der Abstimmung teilgenommen hat. Denn der Abstimmungszeitpunkt ist nicht in der Niederschrift vermerkt. Vielmehr deutet dieser Vermerk darauf hin, dass Prof. Dr. H. bei den „TOP 1“ und „TOP 2“, einschließlich der jeweiligen Abstimmungen, noch anwesend war.
94 
Aus Sicht der Kammer wäre es - unterstellt man den letzten Vortrag der Beklagten als wahr - bemerkenswert, dass ein erschienenes Fakultätsratsmitglied des Habilitationsausschusses während eines Tagesordnungspunktes vor dessen Abstimmung ohne nachvollziehbare Gründe den Raum verlässt, dies nicht protokolliert wird und im Wissen um diesen Vorgang eine Beschlussfassung erfolgt, ohne sich vorher nochmals der Beschlussfähigkeit des Gremiums zu vergewissern.
95 
Bei diesem Ablauf der Ausschusssitzung wäre § 6 Abs. 4 Satz 1 VerfO nach Auffassung der Kammer nicht einschlägig. Denn die Beschlussunfähigkeit wäre in diesem Fall unmittelbar ursächlich auf das Verlassen des Raums durch den nicht befangenen Prof. Dr. H. zurückzuführen. Durch die Befangenheit des Prof. Dr. K. wäre demnach - entgegen der Annahme der Dekanin - gerade keine Beschlussunfähigkeit eingetreten. Die Dekanin hätte in diesem Fall nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VerfO 2015 unmittelbar eine weitere Sitzung einberufen können, in der der Habilitationsausschuss ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder beschlossen hätte. Bei dieser Sachverhaltskonstellation wären der Beschluss des Gremiums nach § 2 Abs. 3 HabilO 2014 mangels Beschlussfähigkeit und die Entscheidung der Dekanin mangels der Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 1 VerfO 2015 jeweils formell fehlerhaft.
96 
dd) Sollte sich der Ablauf der Sitzung so zugetragen haben, wie dies die Beklagte zuletzt behauptet hat, würde dieser Fehler jedoch entsprechend § 10 Abs. 5 Satz 3 und 2 LHG die Rechtswirksamkeit des Beschlusses des Gremiums nicht beeinträchtigen.
97 
Dieser formelle Fehler würde zunächst nach § 44 Abs. 3 Nr. 3 LVwVfG nicht zur Nichtigkeit des Widerspruchsbescheids der Prorektorin für Studium und Lehre vom 16.08.2018 führen. Denn ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war. Die Bestimmung betrifft die Rechtswirkung eines Verwaltungsaktes in einem Fall der notwendigen Ausschussmitwirkung. Dies dürfte hier der Fall sein. Für die Nichtabhilfeentscheidung ist nach außen - wie dargelegt - das für die Lehre zuständige Mitglied des Rektorats (Prorektor) zuständig, § 8 Abs. 2 Satz 3 LHG. Der Habilitationsausschuss - ein Ausschuss nach § 88 LVwVfG - ist nach §§ 16 Abs. 1, 2 Abs. 1 HabilO 2014 indes zwingend durch Rechtsvorschrift zur internen Entscheidung über die Rücknahme durch Beschlussfassung berufen. Wegen des Beschlusses des beschlussunfähigen Habilitationsausschusses und der nicht von § 6 Abs. 4 Satz 1 HabilO 2014 gedeckten Entscheidung der Vorsitzenden würde ein Fall der fehlenden Beschlussfassung vorliegen (zur Anwendung des § 44 Abs. 3 Nr. 3 LVwVfG bei einer nicht ordnungsgemäßen Besetzung des Ausschusses vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.1984 - 2 C 29/83 -, NJW 1985, 1093; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 44 Rn. 186).
98 
Der formelle Fehler der Beschlussfassung des beschlussunfähigen Habilitationsausschusses würde jedoch nach Auffassung der Kammer die Rechtswirksamkeit des Gremienbeschlusses nicht berühren. Die stellvertretende Entscheidung der Dekanin wäre daher auch in der von der Beklagten behaupteten Sachverhaltsvariante rechtlich unerheblich. Denn § 10 Abs. 5 LHG trifft für die fehlerhafte Besetzung eines Gremiums eine spezialgesetzliche, verfassungskonforme (vgl. hierzu VGH BW, Beschluss vom 03.02.2014 - 9 S 885/13 -, juris Rn. 32 f.) Fehlerfolge. Die Norm bestimmt:
99 
„Ist die Wahl eines Gremiums oder einzelner Mitglieder eines Gremiums rechtskräftig für ungültig erklärt worden, so führt dieses Gremium in der bisherigen Zusammensetzung die Geschäfte bis zum Zusammentreten des auf Grund einer Wiederholungs- oder Neuwahl neugebildeten Gremiums weiter. Die Rechtswirksamkeit der Tätigkeit dieser Mitglieder wird durch die Ungültigkeit der Wahl nicht berührt. Satz 2 gilt bei einer fehlerhaften Besetzung von Gremien entsprechend.“
100 
Die Vorschrift bezieht sich ganz allgemein auf „Gremien“ sowie einzelne Mitglieder eines Gremiums und ist unabhängig davon zu beachten, ob das jeweilige Gremium aus Vertretern der an einer Universität vorhandenen Mitgliedergruppen zusammengesetzt ist oder ob es allein aus gewählten Amtsträgern besteht (VGH BW, Beschluss vom 30.07.2018 - 9 S 764/18 -, juris Rn. 33). Demnach sind jedenfalls sämtliche mit Entscheidungsbefugnissen versehene Personenmehrheiten als Gremium anzusehen (VGH BW, Beschluss vom 30.07.2018 - 9 S 764/18 -, juris Rn. 35). Dies ist gilt auch für den Habilitationsausschuss mit Blick auf seine Befugnisse nach §§ 2, 16 HabilO 2014.
101 
Nach Auffassung der Kammer findet § 10 Abs. 5 Satz 3 und 2 LHG auch auf den Fall - jedenfalls entsprechende - Anwendung, dass ein Gremium einen aufgrund seiner Beschlussunfähigkeit fehlerhaften Beschluss gefasst hat. Die im Falle einer erfolgten Beschlussfassung zunächst unentdeckt gebliebene und erst nachträglich festgestellte Beschlussunfähigkeit ist wie eine fehlerhafte Besetzung im Sinne des § 10 Abs. 5 Satz 3 LHG zu behandeln.
102 
Bei § 10 Abs. 5 Satz 2 und 3 LHG handelt es sich um eine spezialgesetzliche Unbeachtlichkeitsklausel, die im Interesse der Rechtssicherheit und zur Sicherstellung der Handlungs- und Funktionsfähigkeit universitärer Gremien und Organe bestimmten Verfahrensfehlern, insbesondere Besetzungsmängeln, eine rechtliche Relevanz für die Rechtswirksamkeit von Beschlüssen und für die Aufhebbarkeit gegebenenfalls darauf gestützter Verwaltungsakte abspricht (VGH BW, Beschluss vom 03.02.2014 - 9 S 885/13 -, juris Rn. 33; Sandberger, LHG Baden-Württemberg, 2. Auflage 2015, § 10 Rn. 4). Eine fehlerhafte Besetzung liegt nicht nur vor, wenn sie auf einem Verfahrensfehler beruht. Eine fehlerhafte Besetzung stellt vielmehr einen Verfahrensfehler dar, der nach dieser Vorschrift unbeachtlich ist (VGH BW, Beschluss vom 30.07.2018 - 9 S 764/18 -, juris Rn. 37).
103 
Die Kammer versteht § 10 Abs. 5 Satz 3 LHG nicht so, dass hierdurch ausschließlich die Rechtsfolge des § 10 Abs. 5 Satz 2 LHG über die in Satz 1 benannten Wahlmitglieder hinaus auf die Mitglieder kraft Amtes im Falle der fehlerhaften Amtsbesetzung ausgedehnt werden soll (so wohl Herberger, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Auflage 2009, Rn. 241). Eine solche einengende Auslegung ist dem Wortlaut nach nicht geboten. Denn § 10 Abs. 5 Satz 3 LHG ordnet die entsprechende Geltung der Rechtsfolge des Satz 2 für den Fall der fehlerhaften Besetzung von Gremien an, ohne - auch - auf Satz 1 Bezug zu nehmen. Ein Fall der fehlerhaften Besetzung kann demnach zwar auch dann vorliegen, wenn ein Mitglied kraft Amtes fehlerhaft in sein Amt erhoben worden ist. Dies ist indes nicht der einzige Anwendungsbereich des § 10 Abs. 5 Satz 3 LHG. Nach der Gesetzesbegründung des 2. Hochschuländerungsgesetzes, auf dem § 10 Abs. 5 Satz 3 LHG beruht, wird in Satz 3 „klargestellt, dass die Rechtswirksamkeit der Tätigkeit von Mitgliedern auch dann unberührt bleibt, wenn das Gremium aus anderen Rechtsgründen fehlerhaft besetzt sein sollte“ (LT-Drs. 13/3640, Satz 182). Lediglich beispielhaft führt die Gesetzesbegründung weiter aus, dass dies „insbesondere für die Amtsmitglieder eines Gremiums selbst, aber auch für vom Gremium gewählte Funktionsträger, z.B. für den Studiendekan und die Studienkommissionen sowie die Mitglieder von Prüfungsausschüssen usw.“ gelte (LT-Drs. 13/3640, Satz 182).
104 
Für diese Auslegung spricht auch, dass es einen Wertungswiderspruch darstellen würde, wenn einerseits die Rechtswirksamkeit der Handlungen eines gesamten Gremiums, dessen Wahl ungültig ist, hiervon unberührt bleiben soll, während andererseits der Beschluss eines wirksam gewählten Gremiums wegen der fehlerhaften Besetzung aufgrund der unentdeckt gebliebenen Beschlussunfähigkeit unwirksam wäre.
105 
Schließlich entspricht die von der Kammer vorgenommen Auslegung auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zur Bedeutung von Verfahrensfehlern im Innenbereich eines Verwaltungsträgers. Danach ist anerkannt, dass - auch mit Blick auf die Aufgabenvielfalt des Verfahrensrechts - der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen Verfahrensfehler und subjektiver Rechtsverletzung nur dann besteht, wenn im Gefüge der Verfahrenshandlungen gerade die einschlägige Verfahrensbestimmung eine Schutzaufgabe für die materiell-rechtliche Position des Rechtsschutzsuchenden hat. Dies gilt für Adressatenklagen und Drittklagen gleichermaßen (VGH BW, Beschluss vom 03.02.2014 - 9 S 885/13 -, juris Rn. 34).
106 
Für die Beschlussfähigkeit nach § 2 Abs. 3 HabilO 2014 ist daher festzustellen, dass diese Verfahrensregelung den Ablauf im Binnenbereich der beklagten Universität betrifft, der im Vorfeld der abschließenden Verwaltungsentscheidung liegt. Hieran sind ausschließlich Organe bzw. Organteile der Beklagten beteiligt. Daraus folgt, dass § 2 Abs. 3 HabilO und § 6 Abs. 3 VerfO 2015 allenfalls den Schutz organschaftlicher Rechte bezwecken und nicht dem vorgezogenen Rechtsschutz des Bürgers im Verwaltungsverfahren dienen (vgl. Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL, Stand: Februar 2019, § 42 Abs. 2 Rn. 94). Demgemäß würde ihre Verletzung nicht zu einem Aufhebungsanspruch der Klägerin gegenüber dem daraus folgenden außenwirksamen Widerspruchsbescheid der Prorektorin vom 16.08.2018 führen (vgl. allgemein zum verneinten Aufhebungsanspruch bei der Verletzung von ausschließlich den Innenbereich betreffenden Verfahrensvorschriften VGH BW, Beschluss vom 03.02.2014 - 9 S 885/13 -, juris Rn. 34).
107 
Durch das dargelegte weite Verständnis des § 10 Abs. 5 Satz 3 und Satz 2 LHG würden auch die Verfahrensregelungen des § 2 Abs. 3 HabilO 2014 und des § 6 Abs. 3 und 4 VerfO 2015 nicht gegenstandslos werden. Erstens betreffen sie zunächst die Fälle, in denen die Beschlussunfähigkeit vor Beschlussfassung erkannt wird und geben hierfür das weitere Prozedere vor. Und zweitens kann die Verletzung dieser Verfahrensvorschriften unter den allgemeinen Voraussetzungen eines Inter- oder Intraorganstreits (vgl. hierzu Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL, Stand: Februar 2019, § 42 Abs. 2 Rn. 91 ff.) geltend gemacht und gegebenenfalls durchgesetzt werden.
108 
ee) Die Kammer brauchte von Amts wegen den genauen Ablauf der Sitzung und der Abstimmung des Habilitationsausschusses vom 12.11.2015 nicht weiter im Wege der Beweiserhebung aufzuklären, da in allen drei denkbaren Sachverhaltskonstellationen der Gremienbeschluss des Habilitationsausschusses bzw. die Entscheidung der Vorsitzenden Dekanin für den Habilitationsausschuss rechtswirksam wären und die Klägerin die Aufhebung des Widerspruchsbescheids der Prorektorin für Studium und Lehre wegen etwaiger formeller Fehler nicht beanspruchen könnte.
3.
109 
Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte habe ihre Pflicht zur Amtsermittlung verletzt, weil sie weder die Tochter der Klägerin noch den Doktoranden angehört hätte, aus deren Dissertationen die textlichen Übernahmen stammen und deren erhobene und ausgewertete Daten die Klägerin verwendet und übernommen habe, begründet dies ebenfalls keinen Verfahrensfehler.
110 
a) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 LVwVfG ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Nach § 24 Abs. 2 LVwVfG hat die Behörde alle für den Einzelfall bedeutsamen einschließlich der für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Maßgeblich ist dabei die Rechtsauffassung der Behörde.
111 
b) Die Beteiligten wirken gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 LVwVfG bei der Ermittlung des Sachverhalts mit und sollen ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Die Behörde darf daher grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Beteiligter die für ihn günstigen Umstände selbst vorträgt. Die Aufklärungspflicht der Behörde endet dort, wo das Vorbringen eines Beteiligten keinen Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung bietet (Nds.OVG, Beschluss vom 10.05.2013 - 10 ME 21/13 -, juris Rn. 80). Je nach den Umständen des konkreten Falles kann schon der Vortrag eines Beteiligten für die Feststellung des Sachverhalts und die Beweiswürdigung genügen. Im Einzelfall darf die Behörde auch auf einen vom Beteiligten vorgetragenen schlüssigen Sachverhalt abstellen (vgl. zum Ganzen Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 24 Rn. 34).
112 
c) Die Klägerin hat in ihren schriftlichen Stellungnahmen im Rahmen der Anhörung angegeben, in der Arbeitsgruppe seien Textbausteine, die für die Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse der Forschungsgruppe erstellt worden seien, aus einem gemeinsamen Pool verwendet worden. Sie habe ferner Untersuchungsdaten verwendet, die ihre Tochter erhoben, ausgewertet und verschriftlicht habe. Eine Kennzeichnung dieser Übernahme sei dann wegen der engen Zusammenarbeit in der Forschungsgruppe und der engen persönlichen Beziehung mit der Tochter versehentlich unterblieben. Die Beklagte erhielt die Mitteilung der Sporthochschule K., dass das Verfahren gegen die Tochter wegen des Verdachts eines Plagiats eingestellt worden sei, weil ein Fehlverhalten nicht vorgelegen habe, denn die Klägerin habe eingeräumt, Textteile und Daten der Tochter übernommen zu haben.
113 
Ausgehend von diesen Einlassungen und mit Blick auf den eingangs aufgezeigten Maßstab kann die Kammer eine Pflicht der Beklagten zur weiteren Amtsermittlung nicht erkennen. Der Vortrag der Klägerin im Verwaltungsverfahren war schlüssig, frei von Widersprüchen und lebensnah. Sie hat die inhaltsgleichen Angaben im Verwaltungsverfahren der Sporthochschule K. in Bezug auf ihre Tochter gemacht. Aufgrund dieser Angaben wurde das Verfahren gegen ihre Tochter eingestellt. Die Klägerin hat selbst nicht geltend gemacht, dass der von der Beklagten zugrunde gelegte Lebenssachverhalt unzutreffend sei. Sie hat insbesondere nicht vorgetragen, dass ihre Tochter von ihr abgeschrieben und ihre Daten verwendet habe. Allein die in der mündlichen Verhandlung aufgezeigte hypothetische Möglichkeit, dass die Klägerin im Verfahren der Tochter und in dem sie selbst betreffenden Verwaltungsverfahren falsche Angaben gemacht haben könnte, um die Tochter zu schützen, begründet keine Pflicht der Beklagten, dieser denktheoretisch möglichen Alternative nachzugehen.
114 
Die Beklagte ist bei ihrer Entscheidung von dem Sachverhalt ausgegangen, den die Klägerin selbst im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren angegeben hat. Maßgeblich war für die Beklagte die fehlende Kennzeichnung der identischen Textbausteine als Zitate oder als Ergebnis einer gemeinsamen Arbeit in einer Forschungsgruppe unter Mitwirkung anderer Wissenschaftler.
115 
Die von der Klägerin begehrte Anhörung der Tochter und des weiteren Doktoranden hätte sich im Übrigen nach deren Kenntnissen allein auf die von der Beklagten - zugunsten - der Klägerin unterstellte Arbeitsweise in der Arbeitsgruppe beziehen können. Ob andere Mitglieder der Forschungsgruppe bei der Verfassung ihrer wissenschaftlichen Arbeiten ähnlich wie die Klägerin verfahren sind oder dieses Vorgehen bei der Zusammenarbeit in wissenschaftlichen Arbeitsgruppen in der medizinischen Forschung üblich ist, ist für die Anwendung der maßgeblichen Normen unerheblich.
II.
116 
Die Rücknahme der Habilitation durch Bescheid vom 23.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2018 findet ihre taugliche Ermächtigungsgrundlage jedenfalls in § 48 LVwVfG.
1.
117 
Die Kammer kann letztlich offen lassen, ob § 16 Abs. 1 Satz 1 der Habilitationsordnung der Beklagten für die Medizinische Fakultät vom 11. Oktober 1988 (W. u K. 1988, Nr. 12, Satz 347, vom 09. Dezember 1988) in der Fassung der Sechsten Änderungssatzung vom 27.07.2017 (Amtliche Bekanntmachungen Jg. 48, Nr. 44, Satz 176-177 - HabilO 2017) rechtswirksam und gegebenenfalls nach § 1 Abs. 1 LVwVfG vorrangig vor § 48 LVwVfG anzuwenden ist. Denn selbst wenn beides der Fall sein sollte, findet die Rücknahme in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2018 ihre Ermächtigungsgrundlage jedenfalls auch in § 48 LVwVfG. Soweit die Beklagte erstmals im Widerspruchsverfahren Ermessen ausgeübt hat (vgl. hierzu ausführlich unten, A.III.2.b), tritt dieses nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO an die Stelle des als gebundene Entscheidung ergangenen Verwaltungsakts im Ausgangsverfahren (BVerwG, Urteil vom 15.06.2016 - 8 C 5/15 -, NVwZ 2017, 326, 327 f.; Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL, Stand: Februar 2019, § 113 Rn. 9).
118 
a) Die Kammer hat Zweifel, ob § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 nach § 1 Abs. 1 LVwVfG gegenüber dem § 48 LVwVfG ein Anwendungsvorrang einzuräumen ist. Danach gilt das Landesverwaltungsverfahrensgesetz für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit nicht landesrechtliche Vorschriften inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Fraglich ist, ob Satzungen landesrechtlich eingerichteter Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, bei denen nicht das Land Baden-Württemberg selbst handelt, sondern von ihm geschaffene rechtlich selbständige juristische Personen, zu den Rechtsvorschriften gehören, die dem Landesverwaltungsverfahrensgesetz vorgehen. Zweifel hieran könnten bestehen, weil diese satzungsrechtlichen Vorschriften unmittelbar nur ihnen, nicht aber dem Rechtsträger Land Baden-Württemberg zuzurechnen sein könnten (vgl. zu § 1 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 1 Rn. 211; a.A. für die vorrangige Anwendung einer Promotionsordnung vor dem NRWVwVfG OVG NRW, Urteil vom 10.12.2015 - 19 A 254/13 -, DVBl. 2016, 926 sowie Urteil vom 10.02.2016 - 19 A 991/12 -, juris Rn. 49; wegen Irrevisibilität offengelassen von BVerwG, Urteil vom 21.06.2017 - 6 C 3/16 -, NVwZ 2017, 1786). Gegen einen Anwendungsvorrang nach § 1 Abs. 1 LVwVfG könnte auch sprechen, dass Satzungen, die keine formellen Gesetze sind, formelles Gesetzesrecht nicht verdrängen können (zu § 1 Abs. 2 VwVfG Schönenbroicher, in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 1 Rn. 84; Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 44. Ed., Stand 01.07.2019, § 1 Rn. 57). Indes spricht § 1 Abs. 1 LVwVfG von „landesrechtlichen Vorschriften“, während § 1 Abs. 2 Satz 1 VwVfG von „Rechtsvorschriften des Bundes“ spricht, weshalb es für einen Anwendungsvorrang ausreichen könnte, wenn die betreffende satzungsrechtliche Norm ihre hinreichende Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Landesgesetz findet (so wohl OVG NRW, Urteil vom 10.12.2015 - 19 A 254/13 -, DVBl. 2016, 926; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 48 Rn. 48).
119 
b) Die Kammer hat ferner erhebliche Zweifel, ob § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 überhaupt auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Landesgesetz beruht und in seiner konkreten Ausgestaltung mit Blick auf die von einer Rücknahme der Habilitation betroffenen Grundrechte der Berufs- (Art. 12 Abs. 1 GG) und Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) verfassungsgemäß ist.
120 
aa) Die Habilitationsordnung der Beklagten findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 55 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Universitäten im Lande Baden-Württemberg in der Fassung vom 04.06.1982 (GBl. 1982 Nr. 13, Satz 177 ff.; UG). Hiernach erlassen die Universitäten Habilitationsordnungen (§ 55 Abs. 2 Satz 3 UG) in Gestalt von Satzungen, die der Zustimmung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst bedürfen (§ 51 Abs. 1 Satz 2 UG). Die Beklagte ist der Auffassung, § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017, der bereits in der Fassung vom 11.10.1988 enthalten war, finde seine gesetzliche Grundlage in § 51 Abs. 2 Nr. 9 UG. Hiernach enthalten Hochschulprüfungsordnungen, zu denen nach § 55 Abs. 2 Satz 3 UG auch die Habilitationsordnung zählt, Vorschriften über „den Ablauf des Prüfungsverfahrens sowie die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“.
121 
In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, die Entziehung eines akademischen Grades wegen Täuschung sei von der Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Vorschriften über die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften gedeckt (so OVG NRW, Urteil vom 10.12.2015 - 19 A 254/13 -, DVBl. 2016, 926 zu § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW; offen gelassen von BVerwG, Urteil vom 21.06.2017 - 6 C 3/16 -, NVwZ 2017, 1786, das das irrevisible Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen als mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar erachtet). Dies erscheint der Kammer für § 51 Abs. 2 Nr. 9 UG als zweifelhaft. Der systematische Zusammenhang der Nr. 9 mit den Nr. 1 bis 8 und 10 bis 12, die allesamt mit Blick auf das Prüfungsverfahren das Ziel, den Zweck, die Zuständigkeiten, die Fristen, die Bewertung, die Wiederholbarkeit und den zu verleihenden Grad der Prüfung betreffen, deutet darauf hin, dass § 51 Abs. 2 Nr. 9 UG die Folgen von Verstößen im laufenden Prüfungsverfahren betreffen könnte. Dafür spricht insbesondere, dass in der selben Ziffer der „Ablauf des Prüfungsverfahrens“ genannt wird. Die Rücknahme eines Hochschulgrades nach bestandskräftigem Abschluss des Prüfungsverfahrens wegen der erst später festgestellten Rechtswidrigkeit der Verleihung aufgrund von Verstößen gegen die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens als Teil der Prüfungsvorschriften dürfte hiervon nicht mehr umfasst sein. Hierauf deutet zudem die Struktur des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes hin. Dort finden sich die Regelungen über die Aufhebungen von Verwaltungsakten im Teil III. (Verwaltungsakt), Abschnitt 2. (Bestandskraft des Verwaltungsaktes) und nicht im Teil II. (Allgemeine Vorschriften über das Verwaltungsverfahren).
122 
Soweit die Klägerin auf § 55c des Gesetzes über die Universitäten im Lande Baden-Württemberg in der Fassung vom 10.01.1995 (UG 1995) abstellt, der die Entziehung der akademischen Grade wegen späterer Unwürdigkeit „unbeschadet der §§ 48 und 49 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes“ regelt, ist dies indes nur von geringer Überzeugungskraft, weil sich diese Bestimmung zum Zeitpunkt des erstmaligen Erlasses der Habilitationsordnung am 11.10.1988 noch nicht im Gesetz fand. Entsprechendes gilt für den Hinweis auf § 36 Abs. 7 LHG 2018.
123 
bb) Ungeachtet der Frage der hinreichenden landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die satzungsrechtliche Bestimmung des § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 begegnet diese Norm ihrem Inhalt nach sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenseite erheblichen Bedenken.
124 
Die Habilitation ist als begünstigender Verwaltungsakt zugleich Voraussetzung für die Verleihung einer bestimmten akademischen Lehrbefugnis und zur Berufung zum ordentlichen oder außerplanmäßigen Professor an einer deutschen Universität (§ 65 Abs. 1 Nr. 4 a) UG; § 47 Abs. 2 und 1 LHG 2018). Die Rücknahme einer bestandskräftig verliehenen Habilitation greift damit in die Berufswahl-, die Berufsausübungs- (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) ein. Aufgrund der vorbehaltlos gewährleisteten Berufswahl- und Wissenschaftsfreiheit und mit Blick auf den einfachen Gesetzesvorbehalt bezüglich der Berufsausübungsfreiheit hat der parlamentarische Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Denn dies sind vor allem jene Entscheidungen, die wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte sind (vgl. statt vieler BVerfG, Beschluss vom 06.06.1989 - 1 BvR 727/84 -, BVerfGE 80, 124, Rn. 21 m.w.N.; Sachs, GG, 8. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 117). Ob der von der Beklagten angeführte § 51 Abs. 2 Nr. 9 UG diesen Anforderungen entspricht, ist fraglich.
125 
Ferner enthält § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 auf der Tatbestandsseite mit dem Begriff der „unlauteren Mittel“ einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung und Auslegung angesichts des impliziten moralischen Unwerturteils wenig greifbar sein dürfte. An dieses in hohem Maße unbestimmte Tatbestandsmerkmal knüpft nach dem Willen der Beklagten eine gebundene Entscheidung über die Rücknahme der Habilitation an. Die von der Klägerin angeführten Zweifel, ob die so ausgestaltete Bestimmung auf der Rechtsfolgenseite ein Abwägungsprogramm zur Verfügung stellt, das ausreichenden Raum zur Berücksichtigung der grundrechtlich, insbesondere durch Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Freiheitsrechte und der Besonderheiten des Einzelfalls wie etwa des Zeitablaufs, des Vertrauensschutzes und möglicher existenzbedrohender Folgen der Rücknahme der Habilitation bietet und insoweit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, sind beachtlich (OVG NRW, Urteil vom 10.02.2016 - 19 A 991/12 -, juris Rn. 51; vgl. ferner BVerwG, Beschlüsse vom 25.08.1992 - 6 B 31.91 -, juris Rn. 14, und vom 20.10.2006 - 6 B 67.06 -, juris Rn. 6).
2.
126 
Die Kammer braucht diese von den Beteiligten aufgeworfenen und in der mündlichen Verhandlung eingehend erörterten Fragen nicht abschließend zu klären. Denn die Beklagte hat jedenfalls im Widerspruchsbescheid die Rücknahme - auch - auf § 48 LVwVfG gestützt.
127 
Dieser ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. Die Bestimmung des § 36 Abs. 7 Satz 1 LHG 2018 kommt als Rechtsgrundlage für eine Rücknahme einer wegen eines Plagiats rechtswidrigen Verleihung einer Habilitation nicht in Betracht. § 36 Abs. 7 Satz 1 LHG 2018 bestimmt:
128 
„Der von einer baden-württembergischen Hochschule verliehene Hochschulgrad kann unbeschadet der §§ 48 und 49 LVwVfG entzogen werden, wenn die Inhaberin oder der Inhaber durch ihr oder sein späteres Verhalten gravierend gegen die allgemein anerkannten Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis und Redlichkeit verstoßen hat.“
129 
Ausweislich des Wortlauts ist die Norm ausschließlich auf Fälle des späteren, also nachträglichen Fehlverhaltens anwendbar. Fälle des anfänglichen wissenschaftlichen Fehlverhaltens werden hiervon nicht erfasst und fallen daher in den Anwendungsbereich des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG (so auch VG Karlsruhe, Urteil vom 04.03.2013 - 7 K 3335/11 -, juris Rn. 73 und VG Freiburg, Urteil vom 18.07.2018 - 1 K 2682/16 - zu § 35 Abs. 7 LHG in der Fassung vom 10.07.2012).
130 
Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, dass die Entziehung eines akademischen Grades einer Ermessensentscheidung der Verwaltung nach § 48 (L)VwVfG überlassen werden darf (vgl. näher BVerwG, Beschluss vom 20.10.2006, - 6 B 67.06 -, juris Rn. 4 f.; VGH BW, Beschluss vom 13.10.2008 - 9 S 494/08 -, juris Rn. 3 und Urteil vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 -, juris Rn. 22; vgl. auch VG Freiburg, Urteil vom 23.05.2012 - 1 K 58/12 -, juris Rn. 29).
III.
131 
Die Rücknahme der Habilitation durch Bescheid vom 23.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2018 findet ihre Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG.
1.
132 
Die Rücknahmeverfügung vom 23.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2018 ist materiell rechtmäßig. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen vor (a). Die erforderliche Ermessensausübung der Beklagten ist aus Rechtsgründen (§ 114 Satz 1 VwGO) nicht zu beanstanden (b). Die Rücknahmefrist steht der Rücknahme nicht entgegen (c).
133 
Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG liegen vor. Die Habilitation der Klägerin - ein begünstigender Verwaltungsakt - war rechtswidrig. Die von der Klägerin eingereichte Habilitation erbrachte nicht den Nachweis einer besonderen Befähigung für Forschung und Lehre im Bereich der Medizin oder Zahnmedizin (§ 39 Abs. 1 Satz 2 LHG, § 1 HabilO 2017), weil die Arbeit den allgemeinen Anforderungen des wissenschaftlichen Arbeitens sowie den besonderen Anforderungen der Habilitationsordnung in formeller wie auch in inhaltlicher Hinsicht nicht entsprach. Damit lagen die rechtlichen Voraussetzungen für die Habilitation nicht vor.
134 
Der Vollständigkeit wegen weist die Kammer darauf hin, dass mit der vorsätzlichen Übernahme fremder Textstellen, Tabellen, Darstellungen und Daten sowie mit der vorsätzlich unterlassenen Offenlegung der Zusammenarbeit in der Forschungsgruppe FITOC (vgl. hierzu ausführlich sogleich) auch die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 erfüllt wären, so dass die Rücknahme auch rechtmäßig wäre, wenn man § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 als wirksame Ermächtigungsgrundlage auffassen und einen Anwendungsvorrang dieser satzungsrechtlichen Vorschrift nach § 1 Abs. 1 LVwVfG annehmen wollte. Eine Ermessensausübung wäre nach dieser Vorschrift nicht notwendig gewesen.
135 
a) Die Klägerin räumt ein, dass die detaillierten Feststellungen der Beklagten zutreffen, die diese im Ausgangsbescheid vom 23.01.2015 getroffen hat. Hiernach stellen sich die festgestellten Text- und Darstellungsidentitäten wie folgt dar (vgl. farbliche Markierungen im Verfahrensband 1.2 der Beklagten „Annotierte Arbeiten“, Abschlussbericht des Unterausschusses vom 20.11.2014, Verfahrensakten der Beklagten, Band 2, AS 195):
136 
- Sieben Seiten der 20-seitigen Einleitung der Habilitationsschrift finden sich in den Einleitungen der beiden Dissertationen (sechseinhalb Seiten in der Einleitung der Dissertation des Dr. T. K. und eine halbe Seite in der Einleitung der Tochter der Klägerin);
137 
- von dem 19 Seiten umfassenden Methodenteil der Habilitationsschrift stimmen zwei Seiten mit der Methodenbeschreibung des Dr. T. K. und vier Seiten mit dem Kapitel „Material und Methoden“ der Tochter der Klägerin überein;
138 
- der Ergebnisteil der Habilitationsschrift umfasst 27 Seiten. Elf Seiten davon stimmen in Text, Tabellendarstellungen und Abbildungen mit dem Ergebnisteil der Tochter der Klägerin überein;
139 
- in der Diskussion der Habilitationsschrift finden sich vier Seiten, die mit der Dissertation der Tochter der Klägerin übereinstimmen.
140 
Mithin finden sich auf 99 Textseiten (ohne Vorwort, Inhaltsverzeichnis und Literaturverzeichnis) mindestens auf 28 Seiten (etwa 28 %) nicht als Zitate oder sonst kenntlich gemachte Textstellen, Abbildungen und Tabellen, deren Urheberin die Klägerin nicht oder - nach ihren Angaben - jedenfalls nicht allein war. Im Literaturverzeichnis führt die Klägerin unter anderem unter den Ziffern 167, 178, 179, 180, 182 Publikationen auf, an denen auch die Tochter der Klägerin oder Dr. T. K. beteiligt waren oder die im Zusammenhang mit der Arbeitsgruppe „Freiburg Intervention Trial for Obese Children (FITOC)“ stehen. Die selbständigen Dissertationen der Tochter der Klägerin (FITOC (Freiburg Intervention Trial for Obese Children) - Langzeitergebnisse, 2005) und des Dr. T. K. (Sportmotorische Fähigkeiten adipöser Kinder: Vergleich mit einem Referenzkollektiv und Erfolge des Therapieprogramms FITOC) werden nicht aufgeführt. Allein die Ziffer 167 enthält einen Verweis auf eine Veröffentlichung in einem Fachblatt („Aktuel Ernaehr Med 2003(28):300-7“), an der Dr. T. K. beteiligt war und die den identischen Titel der Dissertationsschrift des Dr. T. K. trägt.
141 
Am 10.01.2006 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten im Rahmen des Habilitationsverfahrens erklärt (Verfahrensakte 1.1 der Beklagten, AS 123):
142 
„Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit alleine angefertigt habe.“
143 
In der Arbeit finden sich keine Angaben darüber, dass und inwieweit die in der Arbeit präsentierten und interpretierten Daten von der Klägerin selbst oder von Dritten, insbesondere anderen Mitgliedern der Arbeitsgruppe FITOC erhoben, ausgewertet und verschriftlicht worden sind. So stellt die Klägerin zwar z.B. auf S. 21 unter 2.1.1 das Konzept des FITOC dar. Auf S. 35 werden dann im Rahmen der Auswertung der Langzeitdaten (2.4.) etwa Untersuchungsstichproben erörtert, ohne offen zu legen, dass diese Daten - nach den eigenen Angaben der Klägerin - von der Tochter der Klägerin erhoben, ausgewertet und verschriftlich worden waren.
144 
Ausgehend von diesen - im Übrigen unstreitigen - Feststellungen geht die Beklagte zutreffend davon aus, dass die Klägerin vorsätzlich eine eigene Autorenschaft hinsichtlich der aus fremden Texten übernommenen Passagen, Tabellen und Abbildungen vorgegeben und die Datenerhebung und -verschriftlichung durch Dritte verschwiegen und damit gegen die Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen hat. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin bleiben ohne Erfolg.
145 
aa) Die Klägerin hat falsche Angaben über die Eigenständigkeit ihrer wissenschaftlichen Leistung gemacht.
146 
(1) Nach der für den Zeitpunkt der Einreichung der Habilitationsschrift maßgeblichen Fassung des § 39 Abs. 1 Satz 2 LHG vom 01.01.2005 dient die Habilitation dem Nachweis der besonderen Befähigung, ein wissenschaftliches Gebiet in Forschung und Lehre selbständig zu vertreten (vgl. auch § 1 der Habilitationsordnung der Beklagten für die Medizinische Fakultät in der Fassung vom 21.08.2003, Amtliche Bekanntmachungen Jg. 32, Nr. 39, Satz 269, HabilO 2003). Die Habilitation muss als höchster akademischer Grad - ebenso wie schon die Dissertation - erst recht in Form und Inhalt wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und einen Beitrag zum Fortschritt der Wissenschaft liefern (vgl. zur Dissertation § 7 Abs. 1 Promotionsordnung der Universität Freiburg für die Medizinische Fakultät vom 14. Juni 1984 (W. u. K. 1984, Nr. 8, Satz 374, vom 20. August 1984) in der Fassung der Fünften Änderungssatzung vom 30. November 2011 (Amtliche Bekanntmachungen Jg. 42, Nr. 107, Satz 972–974).
147 
§ 6 Abs. 2 Nr. 10 HabilO 2003 sieht vor, dass dem Habilitationsgesuch eine Erklärung darüber beizufügen ist, ob die schriftliche Habilitationsleistung allein oder unter Beteiligung einer Arbeitsgruppe angefertigt worden ist, im letzteren Fall eine Übersicht über die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe. Ferner sieht die Regelung vor, dass im Falle einer Beteiligung an einer Arbeitsgruppe die individuelle Leistung des Bewerbers deutlich abgrenzbar und bewertbar sein muss, § 6 Abs. 2 Nr. 10 HabilO 2003 a.E. Hieraus geht hervor, dass die Beklagte es in Anerkennung der medizinisch-klinischen Forschungsgepflogenheiten nicht ausschließt, Habilitationsschriften anzunehmen, die einer Arbeitsgruppe entspringen. In diesem Fall ist der Habilitand jedoch in besonderem Maße gehalten, die Zusammenarbeit und sowohl die Fremd- als auch die Eigenleistung offenzulegen, um die individuelle Leistung und deren Habilitationswürdigkeit zutreffend erfassen und bewerten zu können. Dieser Pflicht zur Offenlage ist die Klägerin auch in keiner Weise durch die geltend gemachten Erwähnungen der Zusammenarbeit bei einer Tagung im September 2006 in Sydney, Australien, bei einer Präsentation in Köln sowie bei einem Antrag auf Gewährung einer Sachbeihilfe durch die DFG vom 15.08.2005 nachgekommen. Es versteht sich von selbst, dass die Offenlegung im Rahmen des Habilitationsverfahrens gegenüber der Beklagten hätte erfolgen müssen.
148 
Der wissenschaftliche Gehalt (Mehrwert) der Habilitation steht im hiesigen Verfahren nicht in Streit. Die Habilitation entspricht jedoch nach ihrem Inhalt und ihrer Form objektiv weder den allgemeinen wissenschaftlichen Ansprüchen noch den dargestellten besonderen Anforderungen der Habilitationsordnung der Beklagten.
149 
Zu den Grundanforderungen des selbständigen wissenschaftlichen Arbeitens gehört, dass alle verwendeten Quellen und Hilfsmittel der Arbeit offengelegt werden müssen (vgl. nur VGH BW, Urteil vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 -, juris und Beschluss vom 13.10.2008 - 9 S 494/08 -, NVwZ-RR 2009, 285, m.w.N.). Die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von zusammenhängenden Textpassagen aus fremden Werken ohne (ausreichendes) Zitat verstößt gegen grundlegende Maßstäbe des wissenschaftlichen Arbeitens. Die wörtliche Wiederholung fremder Textstellen lässt den Schluss zu, dass diese Passagen unmittelbar abgeschrieben oder gar kopiert wurden. Auch soweit übernommene Textpassagen in der Syntax lediglich umgruppiert worden sind, liegt ein Verstoß gegen die Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens vor. Denn insoweit ist die Gedankenführung nicht eigenständig entwickelt und es wird darüber getäuscht, dass die wissenschaftliche Leistung tatsächlich von einem Anderen und nicht vom Autor selbst stammt (VGH BW, Beschluss vom 13.10.2008 - 9 S 494/08 -, NVwZ-RR 2009, 285 und Beschluss vom 09.02.2015 - 9 S 327/14 -, juris Rn. 7).
150 
Fehlende Quellenangaben auf mindestens 28 Seiten von insgesamt 99 inhaltlich relevanten Seiten (die restlichen Seiten entfallen auf die Gliederung und das Literaturverzeichnis) einer Habilitation (etwa 28 %) lassen die eigenständige wissenschaftliche Leistung entfallen (zu quantitativen Aspekten des Plagiats VGH BW, Urteil vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 -, juris Rn. 24). Der Unterausschuss hat hierzu in seinem Abschlussbericht vom 20.11.2014 (Verfahrensakten der Beklagten, Band 2, AS 191) ausgeführt:
151 
„Rund 40 % der Übereinstimmungen finden sich im Ergebnisteil. Praktisch das gesamte Kapitel über die Langzeituntersuchungen findet sich in der Habilitationsschrift text-, tabellen- und abbildungsidentisch mit den entsprechenden Textabschnitten der Promotionsschrift, die allerdings im Vergleich zum in Rede stehenden Kapitel der Habilitationsschrift sogar deutlich umfangreicher ist. Auch im Diskussionsteil der Habilitationsschrift finden sich wenigstens drei textidentische Seiten aus der Dissertation von [...].
152 
Während die Übereinstimmungen in der Einleitung, im Material- und im Methodenteil wegen der in diesen Abschnitten meist standardisierten Darstellungs- und Formulierungsweise weit weniger schwer wiegen, sind aber Übereinstimmungen in den niedergelegten Ergebnissen und der anschließenden Diskussion besonders schwerwiegend, da es sich bei diesen Abschnitten um den Teil der Qualifikationsschriften handelt, der die maßgebliche wissenschaftliche Eigenleistung darstellt.
[...]
153 
Die festgestellten Übereinstimmungen sind, insbesondere aufgrund der Übereinstimmungen im Ergebnisteil und in der Diskussion, als erheblich einzustufen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Textteile in zwei Dissertationen wiederfinden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Übernahmen bewusst und systematisch erfolgt sind.
[...]
154 
„Eine Offenlegung der erfolgten Zusammenarbeit ist nicht, auch nicht im Rahmen von Danksagungen, erfolgt. Dies wieg umso schwerer, da es sich um Mutter und Tochter handelt und auch dieser Umstand in keiner Weise offengelegt wird.“
155 
Es ist unerheblich, ob die betroffenen Abschnitte (u.a. im Methodenteil, Ergebnisteil und Diskussionsteil) lediglich beschreibenden Charakter haben oder zum wissenschaftlichen Kernbereich der Arbeit gehören. Gegenstand der wissenschaftlichen Ansprüche ist die Habilitation als Ganzes in Form und Inhalt. Die Aufspaltung in einen bloß beschreibenden unwissenschaftlichen und einen eigenständigen wissenschaftlichen Teil, die jeweils unterschiedlichen Form- und Inhaltsansprüchen unterliegen, ist lebensfremd und wird den wissenschaftlichen Anforderungen der Verleihung der Habilitation in keiner Weise gerecht (zur Dissertationsschrift und Promotion VG Freiburg, Urteil vom 18.07.2018 - 1 K 2682/16 -). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat zum Gegenstand der Bewertung, ob die von einem Kandidaten eingereichte Arbeit - dort einer Dissertation - wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, ausgeführt:
156 
„Die Dissertation ist ein Form- und Sinnganzes, das der zuständigen Fakultät zur Bewertung vorliegt. Sie soll beweisen, dass der Bewerber selbständig wissenschaftlich arbeiten kann [...]. Diesen Beweis kann sie nur als eigenständige – inhaltliche und formale – Gesamtleistung erbringen. Die Arbeit wird so, wie sie vom Bewerber vorgelegt worden ist, entweder angenommen oder abgelehnt oder mit bestimmten Änderungen angenommen“ (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.04.2000 – 9 S 2435/99 –, Rn. 25, juris; Urteil vom 18.11.1980 – IX 1302/78 –, ESVGH 31, 54).
157 
Das Entsprechende gilt erst recht für die Habilitation als dem höchsten akademischen Grad. Die Gewinnung gedanklicher Schlussfolgerungen auf der Grundlage von Auffassungen anderer Wissenschaftler, die Strukturierung und Gewichtung dieser Schlussfolgerungen und ebenso ihre sprachliche Umsetzung in einen wissenschaftlichen Text stellen - auch in der Medizin - eigenständige wissenschaftliche Leistungen der von der Klägerin nicht ausgewiesenen Mitarbeiter der Arbeitsgruppe dar. Es ist Ausdruck wissenschaftlicher Redlichkeit und Gründlichkeit, deren geistige Urheberschaft auch kenntlich zu machen. Dies fordert auch § 6 Abs. 2 Nr. 10 HabilO 2003, der entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur formelle Anforderungen an die einzureichende Habilitation stellt, sondern auch inhaltliche Maßgaben bestimmt. Anderenfalls kann für die Gutachter der Eindruck entstehen, es sei die Habilitandin gewesen, die den Text konzipiert und formuliert habe. Dieser Eindruck muss sich dann auch in der Verleihung der Habilitation überhaupt, aber auch in der Bewertung der Arbeit gegenüber anderen, zu derartigen Darstellungen nicht fähigen Kandidaten niederschlagen (zur Dissertation VG Münster, Urteil vom 20.02.2009 - 10 K 1212/07 -, juris Rn. 24).
158 
(2) Die unterbliebene Offenlegung der Arbeitsgruppe und die fehlende Kenntlichmachung fremder Textpassagen, Tabellen und Darstellungen sind vorsätzlich erfolgt.
159 
Die Übernahme fremden Gedankengutes von zwei Autoren auf mindestens 28 von 99 inhaltlich relevanten Seiten lässt auf ein systematisches und planmäßiges Vorgehen schließen. Der große Umfang der Übernahme fremder Texte, Tabellen und Abbildungen ohne Kennzeichnung als Zitate und der gänzlich fehlende Hinweis auf die Zusammenarbeit in einer Arbeitsgruppe lassen keinen Zweifel zu, dass die Klägerin vorsätzlich gehandelt hat (hierzu VG Freiburg, Urteil vom 23.05.2012 - 1 K 58/12 -, juris Rn. 42; vgl. auch Suerbaum, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 48 Rn. 255). Der Nachweis des vorsätzlichen Handelns ist für die Annahme der Rechtswidrigkeit der Erteilung des akademischen Grades zwar nicht zwingend erforderlich, jedenfalls aber ausreichend (Suerbaum, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 48 Rn. 255).
160 
Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, sie habe diese wissenschaftlichen Regeln nicht gekannt. Soweit die Klägerin geltend macht (Schreiben vom 27.08.2013, Verfahrensakte der Beklagten, Band 2, AS 373), sie habe nicht gewusst, dass Arbeitsergebnisse aus einer gemeinsamen Arbeitsgruppe (FITOC) nicht einerseits als Dissertation an einer Fakultät und andererseits als Bestandteil eine Habilitation an einer anderen Fakultät hätten eingereicht werden dürfen, lässt dies ihren Vorsatz nicht entfallen. Erstens ist es lebensfremd, dass eine promovierte Habilitandin, die selbst Dissertationen betreut, sich nicht über die Voraussetzungen der Habilitation informiert. Zweitens wäre es - wie dargelegt und von der Klägerin selbst ausgeführt - nach § 6 Abs. 2 Nr. 10 HabilO 2003 möglich gewesen, eine sog. kumulative Habilitationsschrift unter Offenlegung der Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe FITOC einzureichen. Dies hat die Klägerin aber gerade - ausweislich ihrer Erklärung vom 10.01.2006 - unterlassen. Soweit die Klägerin vortragen lässt, die Bestimmung über die Ausweisung der Arbeitsgruppe habe zum Zeitpunkt ihres Antrags auf Habilitation noch nicht gegolten, ist dies unzutreffend. Auf einen Verbotsirrtum im Hinblick auf diese Pflicht zur Ausweisung der Arbeitsgruppe bei Einreichung der Habilitationsschrift kann sie sich nicht berufen. Denn von einer Habilitandin kann erwartet werden, dass sie sich - ungeachtet dessen, ob sie von ihrem Betreuer darauf hingewiesen wird oder nicht - selbst über die rechtlichen Voraussetzungen der Habilitation und die Anforderungen an die abzugebenden Erklärungen aus den ihr über die Beklagte ohne weiteres zugänglichen Informationsquellen informiert.
161 
Schließlich lässt auch der Vortrag, der Gebrauch der innerhalb der Dissertation der Tochter im Rahmen des FITOC generierten Daten als Teil der Habilitationsschrift sei angesichts der engen Zusammenarbeit und der bereits oben dargestellten Unkenntnis erfolgt, den Vorsatz nicht entfallen. Die Klägerin wusste, dass es sich nicht um ausschließlich originär eigene Textpassagen und Daten handelte, und es wäre ihr ohne weiteres möglich gewesen, die (Mit-)Autoren und (Mit-)Urheber kenntlich zu machen.
162 
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob die Habilitation für die eingereichte Habilitationsschrift ohne die beanstandeten Stellen oder bei jeweils wörtlicher Zitierung noch verliehen worden wäre. Derartige hypothetische Erwägungen im Sinne einer Art geltungserhaltenden Reduktion finden nicht statt. Es ist für die Ursächlichkeit der von der Klägerin begangenen Verstöße gegen die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens nicht von Bedeutung, ob ihr für eine andere Arbeit, als sie sie tatsächlich vorgelegt hat, die Habilitation verliehen worden wäre. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW, Urteil vom 18.11.1980 – IX 1302/78 –, ESVGH 31, 54; vgl. auch Urteil vom 19.04.2000 – 9 S 2435/99 –, Rn. 25, juris) führt zur Frage der hypothetischen Beurteilung einer plagiierten Dissertation aus:
163 
„Eine hypothetische Beurteilung einer in dieser Form und mit diesem Inhalt nicht vorgelegten Arbeit ist nicht möglich; denn sie würde eine gedankliche Änderung des Bewertungsgegenstandes voraussetzen, die auf den Beurteiler und nicht auf den Urheber des Bewertungsgegenstandes zurückgeht. Das gilt selbst für die Beantwortung der [...] Frage, was geschehen wäre, „wenn der Kläger die Arbeit [...] ordnungsgemäß zitiert hätte“. Denn es lässt sich nicht unterstellen, dass der Kläger eine in dieser Form gedachte Arbeit überhaupt noch mit dem gleichen Text vorgelegt hätte oder hätte vorlegen können.“
164 
Dies gilt entsprechend für eine Habilitationsschrift. Dem Ausschluss einer hypothetischen Beurteilung liegt der Gedanke zugrunde, dass sich das Gericht weder an die Stelle der Habilitandin setzen und entscheiden kann, welche Arbeit diese erstellt und abgegeben hätte, wenn sie nicht plagiiert hätte. Noch ist es dem Gericht - tatsächlich wie rechtlich - möglich, sich an die Stelle der Gutachter zu setzen und eine hypothetische Beurteilung der hypothetisch durch die Habilitandin eingereichten Arbeit vorzunehmen.
165 
b) Die von der Beklagten verfügte Rücknahme der Habilitation ist auch im Übrigen rechtmäßig. Die Beklagte hat jedenfalls im Widerspruchsverfahren nicht verkannt, dass die Entscheidung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in ihrem Ermessen steht. Die erstmals im Widerspruchsverfahren angestellten Ermessenserwägungen sind mit Blick auf den nach § 114 Satz 1 VwGO begrenzten gerichtlichen Prüfungsumfang nicht zu beanstanden. Insbesondere ergeben sich weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung Anhaltspunkte für einen Ermessensausfall oder einen Ermessensfehlgebrauch in Gestalt der Ermessensdisproportionalität.
166 
aa) Die erstmals im Widerspruchsverfahren angestellten und im Widerspruchsbescheid ausgeführten Ermessenserwägungen sind im gerichtlichen Verfahren vollinhaltlich zu berücksichtigen.
167 
Das in §§ 68 ff. VwGO geregelte Widerspruchsverfahren ist kein gesondertes Verwaltungsverfahren, sondern bildet mit dem Ausgangsverfahren eine Einheit, das erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.08.2011 - 9 C 2.11 -, BVerwGE 140, 245). Diese Einheit setzt sich ausweislich des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO im gerichtlichen Verfahren fort. Der Widerspruchsbehörde kommt im Überprüfungsverfahren eine umfassende Kontrollbefugnis zu. Sie hat grundsätzlich die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Ausgangsbehörde. Sie ist zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheids einschließlich seiner Begründung und Ermessenserwägungen befugt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.02.1999 - 2 C 28.98 -, BVerwGE 108, 274). Der Widerspruchsbescheid gibt dem Ausgangsbescheid seine endgültige und für den Verwaltungsprozess maßgebliche Gestalt. Dementsprechend ist der gerichtlichen Prüfung der ursprüngliche Verwaltungsakt mit dem Inhalt und der Begründung zugrunde zu legen, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (BVerwG, Urteil vom 25.03.1981 - 8 C 69.80 -, BVerwGE 62, 80). Trifft die Widerspruchsbehörde eine eigene Ermessensentscheidung, so tritt diese an die Stelle derjenigen der Ausgangsbehörde und führt - auch bei erstmaligen - Fehlern zugleich zur Aufhebung des Ermessensverwaltungsakts (vgl. zum Ganzen VG Sigmaringen, Urteil vom 28.03.2017 - 3 K 4514/15 -, juris Rn. 33).
168 
bb) Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Beklagte im Widerspruchsverfahren - jedenfalls hilfsweise - Ermessen ausgeübt hat. Zunächst steht kraft des Beschlussprotokolls vom 12.11.2015 als öffentliche Urkunde - wie bereits ausgeführt - nach § 415 Abs. 1 ZPO fest, dass der Habilitationsausschuss am 12.11.2015 getagt hat.
169 
Soweit die Klägerin geltend macht, ausweislich der Beschlussvorlage vom 03.11.2015 (Akten der Beklagten, Verfahrensakte, Band 2, AS 27 ff.) und der dort gewählten Vergangenheitsform sei das Ergebnis der Beschlussfassung des Habilitationsausschusses bereits vorher festgelegt gewesen, folgt die Kammer dem nicht. Es ist nicht ungewöhnlich und rechtlich nicht zu beanstanden, dass insbesondere bei der Beschlussfassung durch Gremien diese in Gestalt von Beschlussvorlagen vorbereitet wird. Diese Beschlussvorlagen enthalten in der Regel aufgrund der vorbereitenden Ausführungen - etwa der Verwaltung - Beschlussvorschläge. Diese Arbeitsweise deutet indes entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darauf hin, dass der Habilitationsausschuss - sei es durch den Gremienbeschluss, sei es durch die Entscheidung der Vorsitzenden - kein eigenes Ermessen ausgeübt hat, selbst wenn seine Entscheidung - wie hier - dem Beschlussvorschlag entspricht. Allein die verhältnismäßig kurze Dauer der Beratung des maßgeblichen Tagesordnungspunkts - wohl weniger als 40 Minuten - lässt nicht auf einen Ermessensausfall schließen. Denn das Verfahren dauerte zu diesem Zeitpunkt seit dem Beschluss der Redlichkeitskommission vom 23.07.2013, einen Unterausschuss zu bilden, bereits über zwei Jahre. Die Mitglieder hatten bereits am 11.12.2014 entschieden, die Rücknahme der Habilitation zu veranlassen und waren daher umfassend über das Verfahren und die betroffenen Rechte und Interessen informiert. Ferner hätte es den abstimmenden Mitgliedern bzw. der Vorsitzenden jederzeit freigestanden, gegen den Beschlussvorschlag zu stimmen und im Ergebnis eine andere Entscheidung aufgrund anderer Ermessenserwägungen zu treffen. Zudem beinhaltet auch die Begründung des Bescheids der Prorektorin für Studium und Lehre vom 16.08.2018 Ermessenserwägungen.
170 
cc) Die erheblichen Nachteile, die die Rücknahme für die Klägerin in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht nach sich zieht, wurden vom Habilitationsausschuss angemessen berücksichtigt. Die Habilitation ist zwar Voraussetzung für die Ausübung der akademischen Lehrbefugnis, der die Klägerin nach eigenen Angaben in einem Umfang von zwei Semesterwochenstunden nachkommt. Die Klägerin ist indes keine ordentliche Professorin der Beklagten, sondern außerplanmäßige Professorin ohne eigenen Lehrstuhl. Wirtschaftlich ist sie nicht auf die Professur angewiesen. Der Doktorgrad, der bei Ärzten in der beruflichen Praxis eine erhebliche Rolle spielt und gesellschaftlich als Nachweis fachlicher Qualifikation angesehen wird, bleibt der Klägerin unbenommen. Die Rücknahme der Habilitation lässt zudem die Approbation unberührt. Die Klägerin hat weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren, einschließlich der mündlichen Verhandlung, darüber hinaus gehende Rechte und Interessen vorgebracht, die von der Rücknahme der Habilitation betroffen sind. Die privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Interessen der Klägerin hat die Beklagte dadurch angemessen berücksichtigt, dass sie die Rücknahme erst für die Zukunft und nicht auch für die Vergangenheit hin angeordnet hat.
171 
Es ist im Rahmen der gerichtlichen Ermessenskontrolle nach § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die öffentlichen Interessen an der Rücknahme der Habilitation für die Zukunft im Ergebnis höher bewertet als die beruflichen und privaten Nachteile für die Klägerin. Der Habilitationsausschuss hat das Ansehen der Medizinischen Fakultät sowie das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wissenschaft und den berechtigten Erwerb eines wissenschaftlichen Grades als öffentliche Interessen den privaten Interessen der Klägerin gegenübergestellt. Die Beklagte kann sich insoweit - wie auch die Klägerin - auf die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG berufen, die auch das Habilitationswesen einschließlich der Rücknahme der Habilitation umfasst (zur Promotion BVerwG, Urteil vom 21.06.2017 - 6 C 4/16 -, BVerwGE 159, 171-187, Rn. 18).
172 
Dass die Gutachter die erheblichen Plagiate nicht schon bei der Annahme und bei der Bewertung der Habilitationsschrift entdeckt haben, begründet für die Klägerin keinen Vertrauensschutz (VG Freiburg, Urteil vom 23.05.2012 - 1 K 58/12 -, juris Rn. 51unter Berufung auf BayVGH, Urteil vom 04.04.2006 - 7 BV 05.388 -, juris). Denn sie hat bei der Anfertigung der Habilitation selbst gewusst, dass sie Textstellen anderer Autoren und der Arbeitsgruppe verwendet, ohne diese kenntlich zu machen. Ferner hat sie es bewusst unterlassen, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 10 HabilO 2003 erforderliche Anzeige wahrheitsgemäß vorzunehmen. Sie kann sich daher nach dem Rechtsgedanken des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG nicht auf ihr Vertrauen in den Bestand der Habilitation berufen.
173 
c) Die Rücknahmemöglichkeit war auch nicht verfristet. Gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG ist die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nur innerhalb eines Jahres seit der Kenntniserlangung der Behörde von den die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen zulässig. Es kann offen bleiben, ob diese Jahresfrist gemäß § 48 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG wegen arglistiger Täuschung keine Anwendung findet. Denn es handelt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG um eine Entscheidungs-, nicht um eine Bearbeitungsfrist; sie beginnt daher erst zu laufen, wenn die Behörde über sämtliche entscheidungsrelevante Tatsachen informiert ist, hier also frühestens mit der Vorlage des Abschlussberichts des Unterausschusses vom 20.11.2014. Es ist dabei unerheblich, dass die Beklagte die Vorschrift des § 48 LVwVfG erst mit Beschluss des Habilitationsausschusses vom 12.11.2015 herangezogen und die Prorektorin für Studium und Lehre die - auch auf § 48 LVwVfG gestützte Rücknahmeentscheidung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erst am 16.08.2018 getroffen hat. Maßgeblich ist nämlich der Ausgangsverwaltungsakt in der Gestalt, wie er sie in der Widerspruchsentscheidung gefunden hat. Der Ausgangsbescheid, der bereits der Sache nach eine Rücknahme der Habilitation beinhaltete, wurde am 23.01.2015 getroffen, so dass die Rücknahmefrist jedenfalls gewahrt ist.
B.
174 
Die Anordnung der Rückgabe der Habilitationsurkunde folgt aus § 52 LVwVfG und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist geeignet und erforderlich, um zu verhindern, dass durch die Verwendung der - öffentlichen - Urkunde im Rechtsverkehr der Eindruck erweckt wird, der Klägerin sei nach wie vor von der Beklagten die Habilitation verliehen worden.
C.
175 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
176 
Die Berufung ist nach §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Frage der Reichweite der Heilungsvorschrift des § 10 Abs. 5 Satz 3 LHG ist obergerichtlich bislang nicht abschließend geklärt.

Gründe

 
69 
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Dekanin der medizinischen Fakultät der Beklagten vom 23.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Prorektorin für Studium und Lehre der Beklagten vom 16.08.2018 ist sowohl hinsichtlich der Rücknahme der Habilitation (A.) als auch der Aufforderung zur Rückgabe der Habilitationsurkunde (B.) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A.
70 
Gegenstand der Klage ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Widerspruchsbehörde ist nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LHG die Beklagte als Selbstverwaltungskörperschaft (§ 8 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 LHG).
I.
71 
Der Bescheid der Dekanin der medizinischen Fakultät der Beklagten vom 23.01.2015 ist formell rechtmäßig. Im Einzelnen:
1.
72 
Für die Beklagte haben im Ausgangs- wie auch im Widerspruchsverfahren die zuständigen Organe gehandelt (a). Ferner war Prof. Dr. S. zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Habilitationsausschusses im Ausgangsverfahren am 11.12.2014 nicht wegen der Besorgnis der Befangenheit von der Teilnahme und Mitwirkung an der Beratung und Abstimmung ausgeschlossen (b).
73 
a) Die Zuständigkeit für die Rücknahme der Habilitation liegt bei der Hochschule, die den Grad verliehen hat (§ 36 Abs. 7 Satz 2 LHG in der für den Ausgangsbescheid maßgeblichen Fassung vom 01.04.2014, gültig bis 29.03.2018, LHG a.F.).
74 
Ungeachtet der Frage, ob § 16 Abs. 1 Satz 1 der Habilitationsordnung der Beklagten für die Medizinische Fakultät vom 11. Oktober 1988 (W. u K. 1988, Nr. 12, Satz 347, vom 09. Dezember 1988) in der Fassung der Fünften Änderungssatzung vom 28.02.2014 (Amtliche Bekanntmachungen Jg. 45, Nr. 4, Satz 10 - HabilO 2014) eine wirksame Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der Habilitation der Klägerin ist, ist für die Ausgangsentscheidung der Habilitationsausschuss das zuständige Organ. Dies folgt letztlich auch aus den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen und mit Blick auf § 2 Abs. 1 HabilO 2014. Hiernach werden die Entscheidungen im Habilitationsverfahren vom Habilitationsausschuss getroffen, soweit durch die Habilitationsordnung nichts anderes bestimmt ist. Sachlich zuständig für die Rücknahmeentscheidung ist diejenige Behörde, die zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt geltenden Sach- und Rechtslage für die Ausgangsentscheidung zuständig wäre (VGH BW, Urteil vom 25.08.2008 - 13 S 201/08 -, VBlBW 2009, 150). Dies gilt entsprechend für die interne Zuständigkeit innerhalb eines Verwaltungsträgers. In Ausführung des Beschlusses vom 11.12.2014 hat die Dekanin als die Vorsitzende des Habilitationsausschusses (§ 2 Abs. 2 HabilO 2014) den Bescheid vom 23.01.2015 erlassen.
75 
Für den Erlass des Widerspruchsbescheids in Verfahren über die Rücknahme von akademischen Graden enthält die Habilitationsordnung keine Regelung. Insoweit verbleibt es bei den gesetzlichen Vorgaben aus § 8 Abs. 2 Satz 3 LHG in der Fassung vom 01.04.2014, nach denen die Entscheidung über Widersprüche in Prüfungsangelegenheiten dem für die Lehre zuständigen Mitglied des Rektorats obliegt. Dass diese Zuständigkeit für Hochschulprüfungen grundsätzlich auch Promotionen erfasst und damit auch deren Entziehung als „actus contrarius“, ist in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg geklärt (vgl. zuletzt Urteil vom 14.09.2011 - 9 S 2667/10 -, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 04.03.2013 - 7 K 3335/11 -, juris Rn. 64). Das Entsprechende gilt daher auch für Habilitationen und Widersprüche gegen deren Rücknahme.
76 
b) Der Bescheid vom 23.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2018 ist nicht deshalb formell rechtswidrig, weil Prof. Dr. S. an der maßgeblichen Sitzung des Habilitationsausschusses vom 11.12.2014 teilgenommen und mitgewirkt hat und auch Mitglied des vorbereitenden Unterausschusses gewesen ist. Die Klägerin macht geltend, der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 11.12.2014 und während der Tätigkeit des Unterausschusses gegen Prof. Dr. S. ebenfalls ein Verfahren wegen des Verdachts der wissenschaftlichen Unredlichkeit von einer anderen Universität geführt worden sei, begründe die Besorgnis der Befangenheit. Dies ist jedoch nicht der Fall:
77 
aa) Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, so hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten, § 21 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG. Für Mitglieder eines Ausschusses (§ 88 LVwVfG) gilt § 20 Abs. 4 LVwVfG entsprechend. Danach ist es dem Vorsitzenden des Ausschusses mitzuteilen, wenn sich ein Mitglied für ausgeschlossen hält oder Zweifel bestehen, ob die Voraussetzungen des § 21 LVwVfG gegeben sind. Der Ausschuss entscheidet über den Ausschluss. Der Betroffene darf an dieser Entscheidung nicht mitwirken. Das ausgeschlossene Mitglied darf bei der weiteren Beratung und Beschlussfassung nicht zugegen sein.
78 
Befangenheit liegt bereits vor, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung eines Amtsträgers zu rechtfertigen. Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen aus der Sicht eines Beteiligten des Verfahrens nach den Gesamtumständen des Einzelfalls die Besorgnis nicht auszuschließen ist, ein bestimmter Amtsträger werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 21 Rn. 13). Tatsächliche Befangenheit ist nicht erforderlich. Es genügt der „böse Schein“. Maßgeblich ist die Perspektive des Beteiligten. Nicht ausreichend sind lediglich subjektive Befürchtungen der Beteiligten. Erforderlich ist ein vernünftiger Grund für die Besorgnis, der auf einer rationalen Tatsachengrundlage beruht. Entscheidend ist, ob ein vernünftiger Beteiligter unter den gegebenen Umständen die Besorgnis hegen kann, der Amtswalter, in dessen Person die Tatsachen vorliegen, werde das Verfahren nicht unparteiisch, sachlich und mit der gebotenen Distanz betreiben, sondern sich von Vorurteilen oder unsachlichen Erwägungen leiten lassen (zum Ganzen Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 21 Rn. 16 m.w.N.).
79 
Als Fallgruppen, in denen die berechtigte Besorgnis der Befangenheit in Betracht kommt, zählen persönliche, insbesondere verwandtschaftliche Beziehungen mit einem Verfahrensbeteiligten, wirtschaftliche Beziehungen mit einem Beteiligten oder ein wirtschaftliches Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens, unsachliches Verhalten (z.B. verletzende Äußerungen im Verfahren) oder einseitige (Vor-)Festlegungen sowie - im Einzelfall - wissenschaftliche Veröffentlichungen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG , 18. Auflage 2017, § 21 Rn. 17).
80 
bb) Es kann dahinstehen, ob es sich auch bei einem Unterausschuss um einen Ausschuss i.S.d. § 88 LVwVfG handelt (vgl. dazu VGH BW, Urteil vom 18.11.1980 - IX 1302/78 -, juris, 3. LS), denn gegen Prof. Dr. S. bestand bei der Beschlussfassung im Ausgangsverfahren nach diesen Maßstäben keine berechtigte Besorgnis der Befangenheit.
81 
Der Umstand, dass Prof. Dr. S. zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 11.12.2014 seinerseits (als Betroffener) Beteiligter eines Verwaltungsverfahrens zur Untersuchung der Voraussetzungen der Rücknahme eines akademischen Grads wegen des Verdachts des Plagiats gewesen war, stellt nach Auffassung der Kammer keine objektive Tatsachengrundlage dar, die bei einem vernünftigen Beteiligten unter den gegebenen Umständen die Besorgnis der Befangenheit begründen kann. Es fehlt jeder persönliche Bezug zur Klägerin. Das Verfahren bezüglich des Plagiatsverdachts gegen Prof. Dr. S. wurde nicht von der Beklagten, sondern von der Medizinischen Hochschule H. geführt. Die Habilitation des Prof. Dr. S. steht auch in keinem Zusammenhang mit der Arbeitsgruppe, aus der die Habilitation der Klägerin hervorgegangen war. Eine Vorfestlegung oder unsachliche Äußerungen des Prof. Dr. S. im Verwaltungsverfahren sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Allein der Umstand, dass sich Prof. Dr. S. zeitgleich mit dem Rücknahmeverfahren gegen die Klägerin einer Untersuchung seiner Habilitationsschrift unterziehen musste, lässt - ohne weitere Anhaltspunkte - nicht die begründete Besorgnis zu, er werde sich bei der Entscheidung über die Rücknahme der Habilitation der Klägerin aus unsachlichen Gründen besonders streng oder besonders milde verhalten. Insbesondere sind - entgegen der Auffassung der Klägerin - keine nachvollziehbaren Interessen des Prof. Dr. S. ersichtlich, sich im Verfahren der Beklagten über die Rücknahme der Habilitation der Klägerin z.B. besonders nachsichtig zu verhalten, weil das Verfahren gegen Prof. Dr. S. eben gerade nicht von der Beklagten geführt worden war. Bei der von der Klägerin geltend gemachten Besorgnis handelt es sich demnach lediglich um subjektive Befürchtungen, die einer Tatsachengrundlage entbehren.
2.
82 
Die nach Lage der Akten und dem Vortrag der Beklagten unter Berücksichtigung des Bestreitens der Klägerin denkbaren formellen (Verfahrens-)Fehler bei der Beschlussfassung des Habilitationsausschusses am 12.11.2015 über die Nichtabhilfe des Widerspruchs berühren nach § 10 Abs. 5 Satz 3 und 2 LHG die Rechtswirksamkeit des Beschlusses nicht. Die Klägerin kann allein wegen der etwa gegebenen formellen Mängel keine Aufhebung des von der Prorektorin für Studium und Lehre erlassenen Widerspruchsbescheids vom 16.08.2018 beanspruchen.
83 
a) Das für die Beschlussfassung des Habilitationsausschusses maßgebliche Verfahren bestimmt sich nach §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 bis 3 HabilO 2014 sowie § 6 Abs. 4 der Verfahrensordnung der Beklagten vom 15.02.2015, Amtliche Bekanntmachungen Jg. 46 Nr. 11, Satz 86-93 (VerfO 2015). Wie bereits dargelegt, entscheidet innerhalb des Organisationsbereichs der Beklagten der Habilitationsausschuss über die Rücknahme der Habilitation, §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 HabilO 2014. Dies gilt auch für die Frage der Abhilfe eines Widerspruchs gegen die Rücknahme einer Habilitation.
84 
Der Habilitationsausschuss besteht nach § 2 Abs. 2 HabilO 2014 aus den Professoren, die hauptberuflich an der Fakultät tätig sind, sowie aus den Privat- und Hochschuldozenten des Fakultätsrats. Den Vorsitz führt der Dekan, § 2 Abs. 4 HabilO 2014. Der Habilitationsausschuss ist nach § 2 Abs. 3 HabilO 2014 beschlussfähig, „wenn mindestens die Hälfte der Professoren, Hochschul- und Privatdozenten anwesend ist, die dem Fakultätsrat angehören.“ Ausweislich des Wortlauts in Abgrenzung zum Wortlaut des § 2 Abs. 2 HabilO 2014 ist nicht maßgeblich, ob die Hälfte aller Mitglieder nach § 2 Abs. 2 HabilO 2014 anwesend sind, sondern ob die Hälfte der Mitglieder nach § 2 Abs. 2 HabilO anwesend sind, die zugleich dem Fakultätsrat angehören. Dies ergibt sich daraus, dass der Zusatz „die dem Fakultätsrat angehören“, am Ende des Satzes nach der Formulierung „anwesend sind“ steht und nicht - wie bei § 2 Abs. 2 HabilO 2014 - nach der Aufzählung der einzelnen Mitgliedsgruppen. Ferner stellt § 2 Abs. 3 HabilO 2014 - anders als § 2 Abs. 2 HabilO 2014 - nicht darauf ab, ob es sich um hauptberufliche Professoren handelt. Das Adjektiv „hauptberuflich“ findet sich vielmehr überhaupt nicht im Wortlaut des § 2 Abs. 3 HabilO 2014 wieder. Eine vom Wortlaut her nicht gedeckte Auslegung, dass die Beschlussfähigkeit voraussetzt, dass die Hälfte aller Mitglieder nach § 2 Abs. 2 HabilO 2014 anwesend ist, wäre bei 104 Mitgliedern zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Abhilfe zudem in höchstem Maße unpraktikabel.
85 
§ 6 Abs. 4 VerfO 2015 regelt den Sonderfall der Beschlussunfähigkeit eines Gremiums wegen Befangenheit von Mitgliedern. „Wird ein Gremium wegen Befangenheit von Mitgliedern beschlussunfähig, so tritt an deren [sic!] Stelle der oder die Vorsitzende“, § 6 Abs. 4 Satz 1 VerfO 2015. Hinsichtlich des weiteren Verfahrens bestimmt § 6 Abs. 4 Satz 2 VerfO 2015, dass der oder die Vorsitzende „vor seiner oder ihrer Entscheidung die nicht befangenen Mitglieder zu hören“ hat. Nach Auffassung der Kammer trifft der oder die Vorsitzende im Falle der Beschlussunfähigkeit wegen Befangenheit von Mitgliedern die Entscheidung allein für das Gremium. Zwar könnte der Wortlaut des § 6 Abs. 4 Satz 1 VerfO 2015 darauf hindeuten, dass der oder die Vorsitzende allein an die Stelle des oder der befangenen Mitglieder tritt („...Befangenheit von Mitgliedern, ... an deren Stelle...“). Hiergegen spricht jedoch § 6 Abs. 4 Satz 2 VerfO, der vor der Entscheidung des oder der Vorsitzenden eine Anhörung der „nicht befangenen Mitglieder“ vorschreibt. Diese Anhörung der nicht befangenen Mitglieder des Gremiums ergäbe ersichtlich keinen Sinn, wenn der oder die Vorsitzende allein an die Stelle der befangenen Mitglieder treten und deren Stimmrechte ausüben würde. Ferner wäre im Falle einer strengen, an den Wortlaut des § 6 Abs. 4 Satz 1 VerfO 2015 anknüpfenden Auslegung unklar, ob die Stimme des oder der Vorsitzenden allein an die Stelle des oder der befangenen Mitglieder tritt, deren ausgeschlossene Mitwirkung unmittelbar ursächlich für die Beschlussunfähigkeit sind. Denkbar wäre nämlich auch, dass die Entscheidung des oder der Vorsitzenden dann an die Stelle aller Stimmen der befangenen Mitglieder tritt, ohne dass es darauf ankäme, ob die Befangenheit des einzelnen Mitglieds gerade ursächlich für die Beschlussunfähigkeit gewesen ist. Dies spricht, wie eingangs dargelegt, dafür, dass im Falle der befangenheitsbedingten Beschlussunfähigkeit des Habilitationsausschusses der oder die Vorsitzende für den Habilitationsausschuss nach Anhörung der nicht befangenen Mitglieder entscheidet. Der Wortlaut der Norm bildet insoweit keine absolute Grenze der Auslegung, sondern entfaltet lediglich eine - durch andere Auslegungsmethoden widerlegbare - Indizwirkung (BVerfG, Beschluss vom 06.06.2018 - 1 BvL 7/14 u.a. -, NZA 2018, 774, 780; Höpfner, RdA, 2018, 321, 324 f.). Bei dem Wort „deren“ handelt es sich nach Auffassung der Kammer, die sich mit der Auffassung der Beklagten deckt, um ein Redaktionsversehen des Normgebers.
86 
In Abgrenzung zu § 6 Abs. 3 VerfO 2015 setzt § 6 Abs. 4 Satz 1 VerfO 2015 für den Übergang der Entscheidungsbefugnis auf den oder die Vorsitzende voraus, dass die Beschlussunfähigkeit unmittelbar ursächlich auf der Befangenheit eines Mitglieds beruht. Dies legt zunächst einmal der Wortlaut der Vorschrift nahe. Diese Auslegung wird durch die Systematik des § 6 VerfO 2015 bestätigt. Denn § 6 Abs. 3 Satz 2 und Satz 1 VerfO 2015 regeln den Fall der sonstigen Beschlussunfähigkeit. Wenn Beschlussunfähigkeit aus anderen als Befangenheitsgründen im Sinne der §§ 20 und 21 LVwVfG eintritt, so kann der oder die Vorsitzende unverzüglich eine weitere Sitzung einberufen, in der das Gremium ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder beschließt. Daraus folgt, dass von diesem Regelfall, der den Gremienmitgliedern eine pluralistische Abstimmung ermöglichen soll, nur in dem besonderen Fall der Beschlussunfähigkeit wegen Befangenheit während einer Sitzung zu Lasten der mehrheitlichen Beschlussfassung abgewichen werden soll. Maßgeblich ist daher, ob die Schwelle hin zur Beschlussunfähigkeit gerade aufgrund der Befangenheit eines Mitglieds überschritten wird.
87 
b) Ausweislich des Beschlussprotokolls der Sitzung Nr. 12/2015 des Habilitationsausschusses der Medizinischen Fakultät der Beklagten vom 12.11.2015, Satz 1, 7 (Akten der Beklagten, Verfahrensakte, Band 2, AS 10, 16), beschlossen zunächst 27 anwesende Mitglieder einstimmig die Tagesordnung der Sitzung und die Zulassung des Rechtsberaters der Beklagten zur Sitzung als Gast. Studiendekan als Prodekan Lehre Prof. Dr. K. verließ zum Tagesordnungspunkt 2 (Abhilfeentscheidung im Widerspruchsverfahren der Klägerin) wegen Befangenheit den Raum. Sodann beschlossen 25 Mitglieder ohne Enthaltungen und Gegenstimmen, dem Widerspruch der Klägerin nicht abzuhelfen. Nach der Abstimmung stellte die Vorsitzende Dekanin fest, der Habilitationsausschuss sei beschlussunfähig gewesen, da „ein Mitglied des Habilitationsausschusses wegen Befangenheit den Raum zu Beginn der Verhandlung über den TOP verlassen hat und der Habilitationsausschuss hierwegen nicht die erforderliche Beschlussfähigkeit“ aufgewiesen habe (Akten der Beklagten, Verfahrensakte, Band 2, AS 16, letzter Absatz).
88 
Bei dem vom Prodekan für Akademische Angelegenheiten, Prof. Dr. S., unterzeichneten Beschlussprotokoll handelt es sich nach § 98 VwGO i.V.m. § 415 Abs. 1 ZPO um eine öffentliche Urkunde über Erklärungen. Sie ist vom Prodekan für Akademische Angelegenheiten für die beklagte Universität als öffentliche Behörde in der nach § 10 Abs. 1 VerfO 2015 vorgeschriebenen Form aufgenommen worden. Soweit § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VerfO 2015 vorschreibt, dass die Niederschrift die Zahl der anwesenden und die Namen der abwesenden Mitglieder der jeweiligen Mitgliedergruppe enthalten muss, wird diesem Erfordernis letztlich die von der Beklagten mit der Klageerwiderung vom 24.05.2019 vorgelegte Teilnehmerliste (Anlage B1, AS 249-279 der Gerichtsakten) gerecht. Das Beschlussprotokoll begründet daher den vollen Beweis des darin beurkundeten Vorganges. Es gilt damit - unabhängig von der Überzeugungsbildung der Kammer - als bewiesen, dass die Erklärung samt dem niedergelegten Inhalt und den Begleitumständen zutreffend und vollständig so, wie beurkundet und nicht anders, abgegeben wurde (Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, 16. Auflage 2019, § 415 Rn. 10).
89 
Aus diesem Grund ist es unerheblich, dass die Klägerin mit Nichtwissen bestreitet, dass die Sitzung des Habilitationsausschusses vom 12.11.2015 stattgefunden hat. Der Beweisanregung der Beklagten, den Rechtsberater Rechtsanwalt Dr. M. als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass der Habilitationsausschuss am 12.11.2015 getagt hat, ist die Kammer daher nicht nachgegangen.
90 
c) Nach der Teilnehmerliste (Anlage B1, AS 249-279 der Gerichtsakten) gehörten am 12.11.2015 21 Professoren, Privat- und Hochschuldozenten kraft Amtes oder als gewählte Mitglieder dem Fakultätsrat an. Nach der Teilnehmerliste nahmen am 12.11.2015 zunächst 31 Mitglieder des Habilitationsausschusses an der Sitzung teil. Darunter waren 12 Mitglieder des Fakultätsrats kraft Amtes bzw. Wahl und 19 stimmberechtigte sonstige Mitglieder. Nachdem Prof. Dr. K., der kraft Amtes Mitglied im Fakultätsrat war, wegen Befangenheit den Raum verlassen hatte, waren folglich zu Beginn des die Klägerin betreffenden Tagesordnungspunktes noch 11 Mitglieder des Fakultätsrats kraft Amtes bzw. Wahl anwesend. Hiernach wäre der Habilitationsausschuss noch beschlussfähig gewesen, weil mehr als die Hälfte der Mitglieder, die dem Fakultätsrat angehören, anwesend waren.
91 
aa) Unterstellt man diesen tatsächlichen Ablauf der Ausschusssitzung, hätte die Dekanin nach der Beschlussfassung durch den beschlussfähigen Habilitationsausschuss zu Unrecht dessen Beschlussunfähigkeit angenommen. Der vom Habilitationsausschuss gefasste Beschluss wäre wirksam und die inhaltsgleiche nachträgliche Entscheidung der Dekanin wäre mangels Entscheidungsbefugnis nach § 6 Abs. 4 VerfO 2015 unwirksam. Der von der Prorektorin für Studium und Lehre erlassene Widerspruchsbescheid vom 16.08.2018 hätte dann den wirksamen Gremienbeschluss der 25 abstimmenden Mitglieder des Habilitationsausschusses vollzogen. Denn die Entscheidung der Vorsitzenden des Ausschusses hätte gegenüber dem vorangegangenen Beschluss der Gremienmitglieder keine kassatorische Wirkung entfaltet, sondern - in dieser Variante erfolglos - eine erstmalig wirksame Entscheidung des Ausschusses herbeiführen sollen.
92 
bb) Ginge man mit der Dekanin davon aus, der Habilitationsausschuss sei wegen der Befangenheit des Fakultätsratsmitglieds Prof. Dr. K. nach § 2 Abs. 3 HabilO 2014 beschlussunfähig geworden - was für die Kammer nach der Teilnehmerliste indes nicht nachvollziehbar ist -, wäre diese tatsächlich nach § 6 Abs. 4 VerfO in der von der Kammer vorgenommenen Auslegung befugt gewesen, anstelle der Gremienmitglieder nach deren erfolgter Anhörung eine Entscheidung für den Habilitationsausschuss zu treffen. In diesem Fall hätte der von der Prorektorin für Studium und Lehre erlassene Widerspruchsbescheid vom 16.08.2018 dann die wirksame Entscheidung der Vorsitzenden des Habilitationsausschusses vollzogen.
93 
cc) Soweit die Beklagte zuletzt mit Schriftsatz vom 20.09.2019 auf den Hinweis des Berichterstatters hin und in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Beschlussunfähigkeit sei deshalb eingetreten, weil nach Prof. Dr. K. während der Beratung und vor der Beschlussfassung des Habilitationsausschusses über die Abhilfe des Widerspruchs das gewählte Fakultätsratsmitglied Prof. Dr. H. (Gruppe wissenschaftlicher Dienst) den Raum verlassen habe, findet dieser Vorgang im Beschlussprotokoll, das eine öffentliche Urkunde über Erklärungen nach § 415 Abs. 1 ZPO darstellt, keinen Niederschlag. Er steht auch im Widerspruch zur protokollierten Feststellung der Dekanin, die Beschlussunfähigkeit sei wegen der Befangenheit eines Mitglieds des Fakultätsrats eingetreten. Die von der Beklagten für ihren Vortrag bemühte Teilnahmeliste (Anlage B1, AS 255 der Gerichtsakten) ist schließlich ebenfalls wenig aussagekräftig. Dort ist für Prof. Dr. H. unter der Spalte Rückmeldung „Zusage“ und unter der Spalte Teilnahme „TOP 1 - TOP 2 18.45“ vermerkt. Aus der Teilnahmeliste geht also nicht hervor, dass Prof. Dr. H. vor der Abstimmung zum den Widerspruch der Klägerin betreffenden „TOP 2“ den Raum verlassen und in der Folge nicht an der Abstimmung teilgenommen hat. Denn der Abstimmungszeitpunkt ist nicht in der Niederschrift vermerkt. Vielmehr deutet dieser Vermerk darauf hin, dass Prof. Dr. H. bei den „TOP 1“ und „TOP 2“, einschließlich der jeweiligen Abstimmungen, noch anwesend war.
94 
Aus Sicht der Kammer wäre es - unterstellt man den letzten Vortrag der Beklagten als wahr - bemerkenswert, dass ein erschienenes Fakultätsratsmitglied des Habilitationsausschusses während eines Tagesordnungspunktes vor dessen Abstimmung ohne nachvollziehbare Gründe den Raum verlässt, dies nicht protokolliert wird und im Wissen um diesen Vorgang eine Beschlussfassung erfolgt, ohne sich vorher nochmals der Beschlussfähigkeit des Gremiums zu vergewissern.
95 
Bei diesem Ablauf der Ausschusssitzung wäre § 6 Abs. 4 Satz 1 VerfO nach Auffassung der Kammer nicht einschlägig. Denn die Beschlussunfähigkeit wäre in diesem Fall unmittelbar ursächlich auf das Verlassen des Raums durch den nicht befangenen Prof. Dr. H. zurückzuführen. Durch die Befangenheit des Prof. Dr. K. wäre demnach - entgegen der Annahme der Dekanin - gerade keine Beschlussunfähigkeit eingetreten. Die Dekanin hätte in diesem Fall nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VerfO 2015 unmittelbar eine weitere Sitzung einberufen können, in der der Habilitationsausschuss ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Mitglieder beschlossen hätte. Bei dieser Sachverhaltskonstellation wären der Beschluss des Gremiums nach § 2 Abs. 3 HabilO 2014 mangels Beschlussfähigkeit und die Entscheidung der Dekanin mangels der Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 1 VerfO 2015 jeweils formell fehlerhaft.
96 
dd) Sollte sich der Ablauf der Sitzung so zugetragen haben, wie dies die Beklagte zuletzt behauptet hat, würde dieser Fehler jedoch entsprechend § 10 Abs. 5 Satz 3 und 2 LHG die Rechtswirksamkeit des Beschlusses des Gremiums nicht beeinträchtigen.
97 
Dieser formelle Fehler würde zunächst nach § 44 Abs. 3 Nr. 3 LVwVfG nicht zur Nichtigkeit des Widerspruchsbescheids der Prorektorin für Studium und Lehre vom 16.08.2018 führen. Denn ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war. Die Bestimmung betrifft die Rechtswirkung eines Verwaltungsaktes in einem Fall der notwendigen Ausschussmitwirkung. Dies dürfte hier der Fall sein. Für die Nichtabhilfeentscheidung ist nach außen - wie dargelegt - das für die Lehre zuständige Mitglied des Rektorats (Prorektor) zuständig, § 8 Abs. 2 Satz 3 LHG. Der Habilitationsausschuss - ein Ausschuss nach § 88 LVwVfG - ist nach §§ 16 Abs. 1, 2 Abs. 1 HabilO 2014 indes zwingend durch Rechtsvorschrift zur internen Entscheidung über die Rücknahme durch Beschlussfassung berufen. Wegen des Beschlusses des beschlussunfähigen Habilitationsausschusses und der nicht von § 6 Abs. 4 Satz 1 HabilO 2014 gedeckten Entscheidung der Vorsitzenden würde ein Fall der fehlenden Beschlussfassung vorliegen (zur Anwendung des § 44 Abs. 3 Nr. 3 LVwVfG bei einer nicht ordnungsgemäßen Besetzung des Ausschusses vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.1984 - 2 C 29/83 -, NJW 1985, 1093; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 44 Rn. 186).
98 
Der formelle Fehler der Beschlussfassung des beschlussunfähigen Habilitationsausschusses würde jedoch nach Auffassung der Kammer die Rechtswirksamkeit des Gremienbeschlusses nicht berühren. Die stellvertretende Entscheidung der Dekanin wäre daher auch in der von der Beklagten behaupteten Sachverhaltsvariante rechtlich unerheblich. Denn § 10 Abs. 5 LHG trifft für die fehlerhafte Besetzung eines Gremiums eine spezialgesetzliche, verfassungskonforme (vgl. hierzu VGH BW, Beschluss vom 03.02.2014 - 9 S 885/13 -, juris Rn. 32 f.) Fehlerfolge. Die Norm bestimmt:
99 
„Ist die Wahl eines Gremiums oder einzelner Mitglieder eines Gremiums rechtskräftig für ungültig erklärt worden, so führt dieses Gremium in der bisherigen Zusammensetzung die Geschäfte bis zum Zusammentreten des auf Grund einer Wiederholungs- oder Neuwahl neugebildeten Gremiums weiter. Die Rechtswirksamkeit der Tätigkeit dieser Mitglieder wird durch die Ungültigkeit der Wahl nicht berührt. Satz 2 gilt bei einer fehlerhaften Besetzung von Gremien entsprechend.“
100 
Die Vorschrift bezieht sich ganz allgemein auf „Gremien“ sowie einzelne Mitglieder eines Gremiums und ist unabhängig davon zu beachten, ob das jeweilige Gremium aus Vertretern der an einer Universität vorhandenen Mitgliedergruppen zusammengesetzt ist oder ob es allein aus gewählten Amtsträgern besteht (VGH BW, Beschluss vom 30.07.2018 - 9 S 764/18 -, juris Rn. 33). Demnach sind jedenfalls sämtliche mit Entscheidungsbefugnissen versehene Personenmehrheiten als Gremium anzusehen (VGH BW, Beschluss vom 30.07.2018 - 9 S 764/18 -, juris Rn. 35). Dies ist gilt auch für den Habilitationsausschuss mit Blick auf seine Befugnisse nach §§ 2, 16 HabilO 2014.
101 
Nach Auffassung der Kammer findet § 10 Abs. 5 Satz 3 und 2 LHG auch auf den Fall - jedenfalls entsprechende - Anwendung, dass ein Gremium einen aufgrund seiner Beschlussunfähigkeit fehlerhaften Beschluss gefasst hat. Die im Falle einer erfolgten Beschlussfassung zunächst unentdeckt gebliebene und erst nachträglich festgestellte Beschlussunfähigkeit ist wie eine fehlerhafte Besetzung im Sinne des § 10 Abs. 5 Satz 3 LHG zu behandeln.
102 
Bei § 10 Abs. 5 Satz 2 und 3 LHG handelt es sich um eine spezialgesetzliche Unbeachtlichkeitsklausel, die im Interesse der Rechtssicherheit und zur Sicherstellung der Handlungs- und Funktionsfähigkeit universitärer Gremien und Organe bestimmten Verfahrensfehlern, insbesondere Besetzungsmängeln, eine rechtliche Relevanz für die Rechtswirksamkeit von Beschlüssen und für die Aufhebbarkeit gegebenenfalls darauf gestützter Verwaltungsakte abspricht (VGH BW, Beschluss vom 03.02.2014 - 9 S 885/13 -, juris Rn. 33; Sandberger, LHG Baden-Württemberg, 2. Auflage 2015, § 10 Rn. 4). Eine fehlerhafte Besetzung liegt nicht nur vor, wenn sie auf einem Verfahrensfehler beruht. Eine fehlerhafte Besetzung stellt vielmehr einen Verfahrensfehler dar, der nach dieser Vorschrift unbeachtlich ist (VGH BW, Beschluss vom 30.07.2018 - 9 S 764/18 -, juris Rn. 37).
103 
Die Kammer versteht § 10 Abs. 5 Satz 3 LHG nicht so, dass hierdurch ausschließlich die Rechtsfolge des § 10 Abs. 5 Satz 2 LHG über die in Satz 1 benannten Wahlmitglieder hinaus auf die Mitglieder kraft Amtes im Falle der fehlerhaften Amtsbesetzung ausgedehnt werden soll (so wohl Herberger, in: Haug, Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg, 2. Auflage 2009, Rn. 241). Eine solche einengende Auslegung ist dem Wortlaut nach nicht geboten. Denn § 10 Abs. 5 Satz 3 LHG ordnet die entsprechende Geltung der Rechtsfolge des Satz 2 für den Fall der fehlerhaften Besetzung von Gremien an, ohne - auch - auf Satz 1 Bezug zu nehmen. Ein Fall der fehlerhaften Besetzung kann demnach zwar auch dann vorliegen, wenn ein Mitglied kraft Amtes fehlerhaft in sein Amt erhoben worden ist. Dies ist indes nicht der einzige Anwendungsbereich des § 10 Abs. 5 Satz 3 LHG. Nach der Gesetzesbegründung des 2. Hochschuländerungsgesetzes, auf dem § 10 Abs. 5 Satz 3 LHG beruht, wird in Satz 3 „klargestellt, dass die Rechtswirksamkeit der Tätigkeit von Mitgliedern auch dann unberührt bleibt, wenn das Gremium aus anderen Rechtsgründen fehlerhaft besetzt sein sollte“ (LT-Drs. 13/3640, Satz 182). Lediglich beispielhaft führt die Gesetzesbegründung weiter aus, dass dies „insbesondere für die Amtsmitglieder eines Gremiums selbst, aber auch für vom Gremium gewählte Funktionsträger, z.B. für den Studiendekan und die Studienkommissionen sowie die Mitglieder von Prüfungsausschüssen usw.“ gelte (LT-Drs. 13/3640, Satz 182).
104 
Für diese Auslegung spricht auch, dass es einen Wertungswiderspruch darstellen würde, wenn einerseits die Rechtswirksamkeit der Handlungen eines gesamten Gremiums, dessen Wahl ungültig ist, hiervon unberührt bleiben soll, während andererseits der Beschluss eines wirksam gewählten Gremiums wegen der fehlerhaften Besetzung aufgrund der unentdeckt gebliebenen Beschlussunfähigkeit unwirksam wäre.
105 
Schließlich entspricht die von der Kammer vorgenommen Auslegung auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zur Bedeutung von Verfahrensfehlern im Innenbereich eines Verwaltungsträgers. Danach ist anerkannt, dass - auch mit Blick auf die Aufgabenvielfalt des Verfahrensrechts - der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen Verfahrensfehler und subjektiver Rechtsverletzung nur dann besteht, wenn im Gefüge der Verfahrenshandlungen gerade die einschlägige Verfahrensbestimmung eine Schutzaufgabe für die materiell-rechtliche Position des Rechtsschutzsuchenden hat. Dies gilt für Adressatenklagen und Drittklagen gleichermaßen (VGH BW, Beschluss vom 03.02.2014 - 9 S 885/13 -, juris Rn. 34).
106 
Für die Beschlussfähigkeit nach § 2 Abs. 3 HabilO 2014 ist daher festzustellen, dass diese Verfahrensregelung den Ablauf im Binnenbereich der beklagten Universität betrifft, der im Vorfeld der abschließenden Verwaltungsentscheidung liegt. Hieran sind ausschließlich Organe bzw. Organteile der Beklagten beteiligt. Daraus folgt, dass § 2 Abs. 3 HabilO und § 6 Abs. 3 VerfO 2015 allenfalls den Schutz organschaftlicher Rechte bezwecken und nicht dem vorgezogenen Rechtsschutz des Bürgers im Verwaltungsverfahren dienen (vgl. Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL, Stand: Februar 2019, § 42 Abs. 2 Rn. 94). Demgemäß würde ihre Verletzung nicht zu einem Aufhebungsanspruch der Klägerin gegenüber dem daraus folgenden außenwirksamen Widerspruchsbescheid der Prorektorin vom 16.08.2018 führen (vgl. allgemein zum verneinten Aufhebungsanspruch bei der Verletzung von ausschließlich den Innenbereich betreffenden Verfahrensvorschriften VGH BW, Beschluss vom 03.02.2014 - 9 S 885/13 -, juris Rn. 34).
107 
Durch das dargelegte weite Verständnis des § 10 Abs. 5 Satz 3 und Satz 2 LHG würden auch die Verfahrensregelungen des § 2 Abs. 3 HabilO 2014 und des § 6 Abs. 3 und 4 VerfO 2015 nicht gegenstandslos werden. Erstens betreffen sie zunächst die Fälle, in denen die Beschlussunfähigkeit vor Beschlussfassung erkannt wird und geben hierfür das weitere Prozedere vor. Und zweitens kann die Verletzung dieser Verfahrensvorschriften unter den allgemeinen Voraussetzungen eines Inter- oder Intraorganstreits (vgl. hierzu Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL, Stand: Februar 2019, § 42 Abs. 2 Rn. 91 ff.) geltend gemacht und gegebenenfalls durchgesetzt werden.
108 
ee) Die Kammer brauchte von Amts wegen den genauen Ablauf der Sitzung und der Abstimmung des Habilitationsausschusses vom 12.11.2015 nicht weiter im Wege der Beweiserhebung aufzuklären, da in allen drei denkbaren Sachverhaltskonstellationen der Gremienbeschluss des Habilitationsausschusses bzw. die Entscheidung der Vorsitzenden Dekanin für den Habilitationsausschuss rechtswirksam wären und die Klägerin die Aufhebung des Widerspruchsbescheids der Prorektorin für Studium und Lehre wegen etwaiger formeller Fehler nicht beanspruchen könnte.
3.
109 
Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte habe ihre Pflicht zur Amtsermittlung verletzt, weil sie weder die Tochter der Klägerin noch den Doktoranden angehört hätte, aus deren Dissertationen die textlichen Übernahmen stammen und deren erhobene und ausgewertete Daten die Klägerin verwendet und übernommen habe, begründet dies ebenfalls keinen Verfahrensfehler.
110 
a) Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 LVwVfG ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Nach § 24 Abs. 2 LVwVfG hat die Behörde alle für den Einzelfall bedeutsamen einschließlich der für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Maßgeblich ist dabei die Rechtsauffassung der Behörde.
111 
b) Die Beteiligten wirken gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 LVwVfG bei der Ermittlung des Sachverhalts mit und sollen ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Die Behörde darf daher grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Beteiligter die für ihn günstigen Umstände selbst vorträgt. Die Aufklärungspflicht der Behörde endet dort, wo das Vorbringen eines Beteiligten keinen Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung bietet (Nds.OVG, Beschluss vom 10.05.2013 - 10 ME 21/13 -, juris Rn. 80). Je nach den Umständen des konkreten Falles kann schon der Vortrag eines Beteiligten für die Feststellung des Sachverhalts und die Beweiswürdigung genügen. Im Einzelfall darf die Behörde auch auf einen vom Beteiligten vorgetragenen schlüssigen Sachverhalt abstellen (vgl. zum Ganzen Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 24 Rn. 34).
112 
c) Die Klägerin hat in ihren schriftlichen Stellungnahmen im Rahmen der Anhörung angegeben, in der Arbeitsgruppe seien Textbausteine, die für die Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse der Forschungsgruppe erstellt worden seien, aus einem gemeinsamen Pool verwendet worden. Sie habe ferner Untersuchungsdaten verwendet, die ihre Tochter erhoben, ausgewertet und verschriftlicht habe. Eine Kennzeichnung dieser Übernahme sei dann wegen der engen Zusammenarbeit in der Forschungsgruppe und der engen persönlichen Beziehung mit der Tochter versehentlich unterblieben. Die Beklagte erhielt die Mitteilung der Sporthochschule K., dass das Verfahren gegen die Tochter wegen des Verdachts eines Plagiats eingestellt worden sei, weil ein Fehlverhalten nicht vorgelegen habe, denn die Klägerin habe eingeräumt, Textteile und Daten der Tochter übernommen zu haben.
113 
Ausgehend von diesen Einlassungen und mit Blick auf den eingangs aufgezeigten Maßstab kann die Kammer eine Pflicht der Beklagten zur weiteren Amtsermittlung nicht erkennen. Der Vortrag der Klägerin im Verwaltungsverfahren war schlüssig, frei von Widersprüchen und lebensnah. Sie hat die inhaltsgleichen Angaben im Verwaltungsverfahren der Sporthochschule K. in Bezug auf ihre Tochter gemacht. Aufgrund dieser Angaben wurde das Verfahren gegen ihre Tochter eingestellt. Die Klägerin hat selbst nicht geltend gemacht, dass der von der Beklagten zugrunde gelegte Lebenssachverhalt unzutreffend sei. Sie hat insbesondere nicht vorgetragen, dass ihre Tochter von ihr abgeschrieben und ihre Daten verwendet habe. Allein die in der mündlichen Verhandlung aufgezeigte hypothetische Möglichkeit, dass die Klägerin im Verfahren der Tochter und in dem sie selbst betreffenden Verwaltungsverfahren falsche Angaben gemacht haben könnte, um die Tochter zu schützen, begründet keine Pflicht der Beklagten, dieser denktheoretisch möglichen Alternative nachzugehen.
114 
Die Beklagte ist bei ihrer Entscheidung von dem Sachverhalt ausgegangen, den die Klägerin selbst im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren angegeben hat. Maßgeblich war für die Beklagte die fehlende Kennzeichnung der identischen Textbausteine als Zitate oder als Ergebnis einer gemeinsamen Arbeit in einer Forschungsgruppe unter Mitwirkung anderer Wissenschaftler.
115 
Die von der Klägerin begehrte Anhörung der Tochter und des weiteren Doktoranden hätte sich im Übrigen nach deren Kenntnissen allein auf die von der Beklagten - zugunsten - der Klägerin unterstellte Arbeitsweise in der Arbeitsgruppe beziehen können. Ob andere Mitglieder der Forschungsgruppe bei der Verfassung ihrer wissenschaftlichen Arbeiten ähnlich wie die Klägerin verfahren sind oder dieses Vorgehen bei der Zusammenarbeit in wissenschaftlichen Arbeitsgruppen in der medizinischen Forschung üblich ist, ist für die Anwendung der maßgeblichen Normen unerheblich.
II.
116 
Die Rücknahme der Habilitation durch Bescheid vom 23.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2018 findet ihre taugliche Ermächtigungsgrundlage jedenfalls in § 48 LVwVfG.
1.
117 
Die Kammer kann letztlich offen lassen, ob § 16 Abs. 1 Satz 1 der Habilitationsordnung der Beklagten für die Medizinische Fakultät vom 11. Oktober 1988 (W. u K. 1988, Nr. 12, Satz 347, vom 09. Dezember 1988) in der Fassung der Sechsten Änderungssatzung vom 27.07.2017 (Amtliche Bekanntmachungen Jg. 48, Nr. 44, Satz 176-177 - HabilO 2017) rechtswirksam und gegebenenfalls nach § 1 Abs. 1 LVwVfG vorrangig vor § 48 LVwVfG anzuwenden ist. Denn selbst wenn beides der Fall sein sollte, findet die Rücknahme in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2018 ihre Ermächtigungsgrundlage jedenfalls auch in § 48 LVwVfG. Soweit die Beklagte erstmals im Widerspruchsverfahren Ermessen ausgeübt hat (vgl. hierzu ausführlich unten, A.III.2.b), tritt dieses nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO an die Stelle des als gebundene Entscheidung ergangenen Verwaltungsakts im Ausgangsverfahren (BVerwG, Urteil vom 15.06.2016 - 8 C 5/15 -, NVwZ 2017, 326, 327 f.; Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. EL, Stand: Februar 2019, § 113 Rn. 9).
118 
a) Die Kammer hat Zweifel, ob § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 nach § 1 Abs. 1 LVwVfG gegenüber dem § 48 LVwVfG ein Anwendungsvorrang einzuräumen ist. Danach gilt das Landesverwaltungsverfahrensgesetz für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit nicht landesrechtliche Vorschriften inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Fraglich ist, ob Satzungen landesrechtlich eingerichteter Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, bei denen nicht das Land Baden-Württemberg selbst handelt, sondern von ihm geschaffene rechtlich selbständige juristische Personen, zu den Rechtsvorschriften gehören, die dem Landesverwaltungsverfahrensgesetz vorgehen. Zweifel hieran könnten bestehen, weil diese satzungsrechtlichen Vorschriften unmittelbar nur ihnen, nicht aber dem Rechtsträger Land Baden-Württemberg zuzurechnen sein könnten (vgl. zu § 1 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 1 Rn. 211; a.A. für die vorrangige Anwendung einer Promotionsordnung vor dem NRWVwVfG OVG NRW, Urteil vom 10.12.2015 - 19 A 254/13 -, DVBl. 2016, 926 sowie Urteil vom 10.02.2016 - 19 A 991/12 -, juris Rn. 49; wegen Irrevisibilität offengelassen von BVerwG, Urteil vom 21.06.2017 - 6 C 3/16 -, NVwZ 2017, 1786). Gegen einen Anwendungsvorrang nach § 1 Abs. 1 LVwVfG könnte auch sprechen, dass Satzungen, die keine formellen Gesetze sind, formelles Gesetzesrecht nicht verdrängen können (zu § 1 Abs. 2 VwVfG Schönenbroicher, in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 1 Rn. 84; Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 44. Ed., Stand 01.07.2019, § 1 Rn. 57). Indes spricht § 1 Abs. 1 LVwVfG von „landesrechtlichen Vorschriften“, während § 1 Abs. 2 Satz 1 VwVfG von „Rechtsvorschriften des Bundes“ spricht, weshalb es für einen Anwendungsvorrang ausreichen könnte, wenn die betreffende satzungsrechtliche Norm ihre hinreichende Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Landesgesetz findet (so wohl OVG NRW, Urteil vom 10.12.2015 - 19 A 254/13 -, DVBl. 2016, 926; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 48 Rn. 48).
119 
b) Die Kammer hat ferner erhebliche Zweifel, ob § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 überhaupt auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Landesgesetz beruht und in seiner konkreten Ausgestaltung mit Blick auf die von einer Rücknahme der Habilitation betroffenen Grundrechte der Berufs- (Art. 12 Abs. 1 GG) und Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) verfassungsgemäß ist.
120 
aa) Die Habilitationsordnung der Beklagten findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 55 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Universitäten im Lande Baden-Württemberg in der Fassung vom 04.06.1982 (GBl. 1982 Nr. 13, Satz 177 ff.; UG). Hiernach erlassen die Universitäten Habilitationsordnungen (§ 55 Abs. 2 Satz 3 UG) in Gestalt von Satzungen, die der Zustimmung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst bedürfen (§ 51 Abs. 1 Satz 2 UG). Die Beklagte ist der Auffassung, § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017, der bereits in der Fassung vom 11.10.1988 enthalten war, finde seine gesetzliche Grundlage in § 51 Abs. 2 Nr. 9 UG. Hiernach enthalten Hochschulprüfungsordnungen, zu denen nach § 55 Abs. 2 Satz 3 UG auch die Habilitationsordnung zählt, Vorschriften über „den Ablauf des Prüfungsverfahrens sowie die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften“.
121 
In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, die Entziehung eines akademischen Grades wegen Täuschung sei von der Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Vorschriften über die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsvorschriften gedeckt (so OVG NRW, Urteil vom 10.12.2015 - 19 A 254/13 -, DVBl. 2016, 926 zu § 64 Abs. 2 Nr. 9 HG NRW; offen gelassen von BVerwG, Urteil vom 21.06.2017 - 6 C 3/16 -, NVwZ 2017, 1786, das das irrevisible Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen als mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar erachtet). Dies erscheint der Kammer für § 51 Abs. 2 Nr. 9 UG als zweifelhaft. Der systematische Zusammenhang der Nr. 9 mit den Nr. 1 bis 8 und 10 bis 12, die allesamt mit Blick auf das Prüfungsverfahren das Ziel, den Zweck, die Zuständigkeiten, die Fristen, die Bewertung, die Wiederholbarkeit und den zu verleihenden Grad der Prüfung betreffen, deutet darauf hin, dass § 51 Abs. 2 Nr. 9 UG die Folgen von Verstößen im laufenden Prüfungsverfahren betreffen könnte. Dafür spricht insbesondere, dass in der selben Ziffer der „Ablauf des Prüfungsverfahrens“ genannt wird. Die Rücknahme eines Hochschulgrades nach bestandskräftigem Abschluss des Prüfungsverfahrens wegen der erst später festgestellten Rechtswidrigkeit der Verleihung aufgrund von Verstößen gegen die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens als Teil der Prüfungsvorschriften dürfte hiervon nicht mehr umfasst sein. Hierauf deutet zudem die Struktur des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes hin. Dort finden sich die Regelungen über die Aufhebungen von Verwaltungsakten im Teil III. (Verwaltungsakt), Abschnitt 2. (Bestandskraft des Verwaltungsaktes) und nicht im Teil II. (Allgemeine Vorschriften über das Verwaltungsverfahren).
122 
Soweit die Klägerin auf § 55c des Gesetzes über die Universitäten im Lande Baden-Württemberg in der Fassung vom 10.01.1995 (UG 1995) abstellt, der die Entziehung der akademischen Grade wegen späterer Unwürdigkeit „unbeschadet der §§ 48 und 49 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes“ regelt, ist dies indes nur von geringer Überzeugungskraft, weil sich diese Bestimmung zum Zeitpunkt des erstmaligen Erlasses der Habilitationsordnung am 11.10.1988 noch nicht im Gesetz fand. Entsprechendes gilt für den Hinweis auf § 36 Abs. 7 LHG 2018.
123 
bb) Ungeachtet der Frage der hinreichenden landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die satzungsrechtliche Bestimmung des § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 begegnet diese Norm ihrem Inhalt nach sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenseite erheblichen Bedenken.
124 
Die Habilitation ist als begünstigender Verwaltungsakt zugleich Voraussetzung für die Verleihung einer bestimmten akademischen Lehrbefugnis und zur Berufung zum ordentlichen oder außerplanmäßigen Professor an einer deutschen Universität (§ 65 Abs. 1 Nr. 4 a) UG; § 47 Abs. 2 und 1 LHG 2018). Die Rücknahme einer bestandskräftig verliehenen Habilitation greift damit in die Berufswahl-, die Berufsausübungs- (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) ein. Aufgrund der vorbehaltlos gewährleisteten Berufswahl- und Wissenschaftsfreiheit und mit Blick auf den einfachen Gesetzesvorbehalt bezüglich der Berufsausübungsfreiheit hat der parlamentarische Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Denn dies sind vor allem jene Entscheidungen, die wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte sind (vgl. statt vieler BVerfG, Beschluss vom 06.06.1989 - 1 BvR 727/84 -, BVerfGE 80, 124, Rn. 21 m.w.N.; Sachs, GG, 8. Auflage 2018, Art. 20 Rn. 117). Ob der von der Beklagten angeführte § 51 Abs. 2 Nr. 9 UG diesen Anforderungen entspricht, ist fraglich.
125 
Ferner enthält § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 auf der Tatbestandsseite mit dem Begriff der „unlauteren Mittel“ einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung und Auslegung angesichts des impliziten moralischen Unwerturteils wenig greifbar sein dürfte. An dieses in hohem Maße unbestimmte Tatbestandsmerkmal knüpft nach dem Willen der Beklagten eine gebundene Entscheidung über die Rücknahme der Habilitation an. Die von der Klägerin angeführten Zweifel, ob die so ausgestaltete Bestimmung auf der Rechtsfolgenseite ein Abwägungsprogramm zur Verfügung stellt, das ausreichenden Raum zur Berücksichtigung der grundrechtlich, insbesondere durch Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Freiheitsrechte und der Besonderheiten des Einzelfalls wie etwa des Zeitablaufs, des Vertrauensschutzes und möglicher existenzbedrohender Folgen der Rücknahme der Habilitation bietet und insoweit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, sind beachtlich (OVG NRW, Urteil vom 10.02.2016 - 19 A 991/12 -, juris Rn. 51; vgl. ferner BVerwG, Beschlüsse vom 25.08.1992 - 6 B 31.91 -, juris Rn. 14, und vom 20.10.2006 - 6 B 67.06 -, juris Rn. 6).
2.
126 
Die Kammer braucht diese von den Beteiligten aufgeworfenen und in der mündlichen Verhandlung eingehend erörterten Fragen nicht abschließend zu klären. Denn die Beklagte hat jedenfalls im Widerspruchsbescheid die Rücknahme - auch - auf § 48 LVwVfG gestützt.
127 
Dieser ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. Die Bestimmung des § 36 Abs. 7 Satz 1 LHG 2018 kommt als Rechtsgrundlage für eine Rücknahme einer wegen eines Plagiats rechtswidrigen Verleihung einer Habilitation nicht in Betracht. § 36 Abs. 7 Satz 1 LHG 2018 bestimmt:
128 
„Der von einer baden-württembergischen Hochschule verliehene Hochschulgrad kann unbeschadet der §§ 48 und 49 LVwVfG entzogen werden, wenn die Inhaberin oder der Inhaber durch ihr oder sein späteres Verhalten gravierend gegen die allgemein anerkannten Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis und Redlichkeit verstoßen hat.“
129 
Ausweislich des Wortlauts ist die Norm ausschließlich auf Fälle des späteren, also nachträglichen Fehlverhaltens anwendbar. Fälle des anfänglichen wissenschaftlichen Fehlverhaltens werden hiervon nicht erfasst und fallen daher in den Anwendungsbereich des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG (so auch VG Karlsruhe, Urteil vom 04.03.2013 - 7 K 3335/11 -, juris Rn. 73 und VG Freiburg, Urteil vom 18.07.2018 - 1 K 2682/16 - zu § 35 Abs. 7 LHG in der Fassung vom 10.07.2012).
130 
Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, dass die Entziehung eines akademischen Grades einer Ermessensentscheidung der Verwaltung nach § 48 (L)VwVfG überlassen werden darf (vgl. näher BVerwG, Beschluss vom 20.10.2006, - 6 B 67.06 -, juris Rn. 4 f.; VGH BW, Beschluss vom 13.10.2008 - 9 S 494/08 -, juris Rn. 3 und Urteil vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 -, juris Rn. 22; vgl. auch VG Freiburg, Urteil vom 23.05.2012 - 1 K 58/12 -, juris Rn. 29).
III.
131 
Die Rücknahme der Habilitation durch Bescheid vom 23.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2018 findet ihre Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG.
1.
132 
Die Rücknahmeverfügung vom 23.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2018 ist materiell rechtmäßig. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen vor (a). Die erforderliche Ermessensausübung der Beklagten ist aus Rechtsgründen (§ 114 Satz 1 VwGO) nicht zu beanstanden (b). Die Rücknahmefrist steht der Rücknahme nicht entgegen (c).
133 
Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG liegen vor. Die Habilitation der Klägerin - ein begünstigender Verwaltungsakt - war rechtswidrig. Die von der Klägerin eingereichte Habilitation erbrachte nicht den Nachweis einer besonderen Befähigung für Forschung und Lehre im Bereich der Medizin oder Zahnmedizin (§ 39 Abs. 1 Satz 2 LHG, § 1 HabilO 2017), weil die Arbeit den allgemeinen Anforderungen des wissenschaftlichen Arbeitens sowie den besonderen Anforderungen der Habilitationsordnung in formeller wie auch in inhaltlicher Hinsicht nicht entsprach. Damit lagen die rechtlichen Voraussetzungen für die Habilitation nicht vor.
134 
Der Vollständigkeit wegen weist die Kammer darauf hin, dass mit der vorsätzlichen Übernahme fremder Textstellen, Tabellen, Darstellungen und Daten sowie mit der vorsätzlich unterlassenen Offenlegung der Zusammenarbeit in der Forschungsgruppe FITOC (vgl. hierzu ausführlich sogleich) auch die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 erfüllt wären, so dass die Rücknahme auch rechtmäßig wäre, wenn man § 16 Abs. 1 Satz 1 HabilO 2017 als wirksame Ermächtigungsgrundlage auffassen und einen Anwendungsvorrang dieser satzungsrechtlichen Vorschrift nach § 1 Abs. 1 LVwVfG annehmen wollte. Eine Ermessensausübung wäre nach dieser Vorschrift nicht notwendig gewesen.
135 
a) Die Klägerin räumt ein, dass die detaillierten Feststellungen der Beklagten zutreffen, die diese im Ausgangsbescheid vom 23.01.2015 getroffen hat. Hiernach stellen sich die festgestellten Text- und Darstellungsidentitäten wie folgt dar (vgl. farbliche Markierungen im Verfahrensband 1.2 der Beklagten „Annotierte Arbeiten“, Abschlussbericht des Unterausschusses vom 20.11.2014, Verfahrensakten der Beklagten, Band 2, AS 195):
136 
- Sieben Seiten der 20-seitigen Einleitung der Habilitationsschrift finden sich in den Einleitungen der beiden Dissertationen (sechseinhalb Seiten in der Einleitung der Dissertation des Dr. T. K. und eine halbe Seite in der Einleitung der Tochter der Klägerin);
137 
- von dem 19 Seiten umfassenden Methodenteil der Habilitationsschrift stimmen zwei Seiten mit der Methodenbeschreibung des Dr. T. K. und vier Seiten mit dem Kapitel „Material und Methoden“ der Tochter der Klägerin überein;
138 
- der Ergebnisteil der Habilitationsschrift umfasst 27 Seiten. Elf Seiten davon stimmen in Text, Tabellendarstellungen und Abbildungen mit dem Ergebnisteil der Tochter der Klägerin überein;
139 
- in der Diskussion der Habilitationsschrift finden sich vier Seiten, die mit der Dissertation der Tochter der Klägerin übereinstimmen.
140 
Mithin finden sich auf 99 Textseiten (ohne Vorwort, Inhaltsverzeichnis und Literaturverzeichnis) mindestens auf 28 Seiten (etwa 28 %) nicht als Zitate oder sonst kenntlich gemachte Textstellen, Abbildungen und Tabellen, deren Urheberin die Klägerin nicht oder - nach ihren Angaben - jedenfalls nicht allein war. Im Literaturverzeichnis führt die Klägerin unter anderem unter den Ziffern 167, 178, 179, 180, 182 Publikationen auf, an denen auch die Tochter der Klägerin oder Dr. T. K. beteiligt waren oder die im Zusammenhang mit der Arbeitsgruppe „Freiburg Intervention Trial for Obese Children (FITOC)“ stehen. Die selbständigen Dissertationen der Tochter der Klägerin (FITOC (Freiburg Intervention Trial for Obese Children) - Langzeitergebnisse, 2005) und des Dr. T. K. (Sportmotorische Fähigkeiten adipöser Kinder: Vergleich mit einem Referenzkollektiv und Erfolge des Therapieprogramms FITOC) werden nicht aufgeführt. Allein die Ziffer 167 enthält einen Verweis auf eine Veröffentlichung in einem Fachblatt („Aktuel Ernaehr Med 2003(28):300-7“), an der Dr. T. K. beteiligt war und die den identischen Titel der Dissertationsschrift des Dr. T. K. trägt.
141 
Am 10.01.2006 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten im Rahmen des Habilitationsverfahrens erklärt (Verfahrensakte 1.1 der Beklagten, AS 123):
142 
„Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit alleine angefertigt habe.“
143 
In der Arbeit finden sich keine Angaben darüber, dass und inwieweit die in der Arbeit präsentierten und interpretierten Daten von der Klägerin selbst oder von Dritten, insbesondere anderen Mitgliedern der Arbeitsgruppe FITOC erhoben, ausgewertet und verschriftlicht worden sind. So stellt die Klägerin zwar z.B. auf S. 21 unter 2.1.1 das Konzept des FITOC dar. Auf S. 35 werden dann im Rahmen der Auswertung der Langzeitdaten (2.4.) etwa Untersuchungsstichproben erörtert, ohne offen zu legen, dass diese Daten - nach den eigenen Angaben der Klägerin - von der Tochter der Klägerin erhoben, ausgewertet und verschriftlich worden waren.
144 
Ausgehend von diesen - im Übrigen unstreitigen - Feststellungen geht die Beklagte zutreffend davon aus, dass die Klägerin vorsätzlich eine eigene Autorenschaft hinsichtlich der aus fremden Texten übernommenen Passagen, Tabellen und Abbildungen vorgegeben und die Datenerhebung und -verschriftlichung durch Dritte verschwiegen und damit gegen die Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen hat. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin bleiben ohne Erfolg.
145 
aa) Die Klägerin hat falsche Angaben über die Eigenständigkeit ihrer wissenschaftlichen Leistung gemacht.
146 
(1) Nach der für den Zeitpunkt der Einreichung der Habilitationsschrift maßgeblichen Fassung des § 39 Abs. 1 Satz 2 LHG vom 01.01.2005 dient die Habilitation dem Nachweis der besonderen Befähigung, ein wissenschaftliches Gebiet in Forschung und Lehre selbständig zu vertreten (vgl. auch § 1 der Habilitationsordnung der Beklagten für die Medizinische Fakultät in der Fassung vom 21.08.2003, Amtliche Bekanntmachungen Jg. 32, Nr. 39, Satz 269, HabilO 2003). Die Habilitation muss als höchster akademischer Grad - ebenso wie schon die Dissertation - erst recht in Form und Inhalt wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und einen Beitrag zum Fortschritt der Wissenschaft liefern (vgl. zur Dissertation § 7 Abs. 1 Promotionsordnung der Universität Freiburg für die Medizinische Fakultät vom 14. Juni 1984 (W. u. K. 1984, Nr. 8, Satz 374, vom 20. August 1984) in der Fassung der Fünften Änderungssatzung vom 30. November 2011 (Amtliche Bekanntmachungen Jg. 42, Nr. 107, Satz 972–974).
147 
§ 6 Abs. 2 Nr. 10 HabilO 2003 sieht vor, dass dem Habilitationsgesuch eine Erklärung darüber beizufügen ist, ob die schriftliche Habilitationsleistung allein oder unter Beteiligung einer Arbeitsgruppe angefertigt worden ist, im letzteren Fall eine Übersicht über die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe. Ferner sieht die Regelung vor, dass im Falle einer Beteiligung an einer Arbeitsgruppe die individuelle Leistung des Bewerbers deutlich abgrenzbar und bewertbar sein muss, § 6 Abs. 2 Nr. 10 HabilO 2003 a.E. Hieraus geht hervor, dass die Beklagte es in Anerkennung der medizinisch-klinischen Forschungsgepflogenheiten nicht ausschließt, Habilitationsschriften anzunehmen, die einer Arbeitsgruppe entspringen. In diesem Fall ist der Habilitand jedoch in besonderem Maße gehalten, die Zusammenarbeit und sowohl die Fremd- als auch die Eigenleistung offenzulegen, um die individuelle Leistung und deren Habilitationswürdigkeit zutreffend erfassen und bewerten zu können. Dieser Pflicht zur Offenlage ist die Klägerin auch in keiner Weise durch die geltend gemachten Erwähnungen der Zusammenarbeit bei einer Tagung im September 2006 in Sydney, Australien, bei einer Präsentation in Köln sowie bei einem Antrag auf Gewährung einer Sachbeihilfe durch die DFG vom 15.08.2005 nachgekommen. Es versteht sich von selbst, dass die Offenlegung im Rahmen des Habilitationsverfahrens gegenüber der Beklagten hätte erfolgen müssen.
148 
Der wissenschaftliche Gehalt (Mehrwert) der Habilitation steht im hiesigen Verfahren nicht in Streit. Die Habilitation entspricht jedoch nach ihrem Inhalt und ihrer Form objektiv weder den allgemeinen wissenschaftlichen Ansprüchen noch den dargestellten besonderen Anforderungen der Habilitationsordnung der Beklagten.
149 
Zu den Grundanforderungen des selbständigen wissenschaftlichen Arbeitens gehört, dass alle verwendeten Quellen und Hilfsmittel der Arbeit offengelegt werden müssen (vgl. nur VGH BW, Urteil vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 -, juris und Beschluss vom 13.10.2008 - 9 S 494/08 -, NVwZ-RR 2009, 285, m.w.N.). Die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von zusammenhängenden Textpassagen aus fremden Werken ohne (ausreichendes) Zitat verstößt gegen grundlegende Maßstäbe des wissenschaftlichen Arbeitens. Die wörtliche Wiederholung fremder Textstellen lässt den Schluss zu, dass diese Passagen unmittelbar abgeschrieben oder gar kopiert wurden. Auch soweit übernommene Textpassagen in der Syntax lediglich umgruppiert worden sind, liegt ein Verstoß gegen die Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens vor. Denn insoweit ist die Gedankenführung nicht eigenständig entwickelt und es wird darüber getäuscht, dass die wissenschaftliche Leistung tatsächlich von einem Anderen und nicht vom Autor selbst stammt (VGH BW, Beschluss vom 13.10.2008 - 9 S 494/08 -, NVwZ-RR 2009, 285 und Beschluss vom 09.02.2015 - 9 S 327/14 -, juris Rn. 7).
150 
Fehlende Quellenangaben auf mindestens 28 Seiten von insgesamt 99 inhaltlich relevanten Seiten (die restlichen Seiten entfallen auf die Gliederung und das Literaturverzeichnis) einer Habilitation (etwa 28 %) lassen die eigenständige wissenschaftliche Leistung entfallen (zu quantitativen Aspekten des Plagiats VGH BW, Urteil vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 -, juris Rn. 24). Der Unterausschuss hat hierzu in seinem Abschlussbericht vom 20.11.2014 (Verfahrensakten der Beklagten, Band 2, AS 191) ausgeführt:
151 
„Rund 40 % der Übereinstimmungen finden sich im Ergebnisteil. Praktisch das gesamte Kapitel über die Langzeituntersuchungen findet sich in der Habilitationsschrift text-, tabellen- und abbildungsidentisch mit den entsprechenden Textabschnitten der Promotionsschrift, die allerdings im Vergleich zum in Rede stehenden Kapitel der Habilitationsschrift sogar deutlich umfangreicher ist. Auch im Diskussionsteil der Habilitationsschrift finden sich wenigstens drei textidentische Seiten aus der Dissertation von [...].
152 
Während die Übereinstimmungen in der Einleitung, im Material- und im Methodenteil wegen der in diesen Abschnitten meist standardisierten Darstellungs- und Formulierungsweise weit weniger schwer wiegen, sind aber Übereinstimmungen in den niedergelegten Ergebnissen und der anschließenden Diskussion besonders schwerwiegend, da es sich bei diesen Abschnitten um den Teil der Qualifikationsschriften handelt, der die maßgebliche wissenschaftliche Eigenleistung darstellt.
[...]
153 
Die festgestellten Übereinstimmungen sind, insbesondere aufgrund der Übereinstimmungen im Ergebnisteil und in der Diskussion, als erheblich einzustufen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Textteile in zwei Dissertationen wiederfinden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Übernahmen bewusst und systematisch erfolgt sind.
[...]
154 
„Eine Offenlegung der erfolgten Zusammenarbeit ist nicht, auch nicht im Rahmen von Danksagungen, erfolgt. Dies wieg umso schwerer, da es sich um Mutter und Tochter handelt und auch dieser Umstand in keiner Weise offengelegt wird.“
155 
Es ist unerheblich, ob die betroffenen Abschnitte (u.a. im Methodenteil, Ergebnisteil und Diskussionsteil) lediglich beschreibenden Charakter haben oder zum wissenschaftlichen Kernbereich der Arbeit gehören. Gegenstand der wissenschaftlichen Ansprüche ist die Habilitation als Ganzes in Form und Inhalt. Die Aufspaltung in einen bloß beschreibenden unwissenschaftlichen und einen eigenständigen wissenschaftlichen Teil, die jeweils unterschiedlichen Form- und Inhaltsansprüchen unterliegen, ist lebensfremd und wird den wissenschaftlichen Anforderungen der Verleihung der Habilitation in keiner Weise gerecht (zur Dissertationsschrift und Promotion VG Freiburg, Urteil vom 18.07.2018 - 1 K 2682/16 -). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat zum Gegenstand der Bewertung, ob die von einem Kandidaten eingereichte Arbeit - dort einer Dissertation - wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, ausgeführt:
156 
„Die Dissertation ist ein Form- und Sinnganzes, das der zuständigen Fakultät zur Bewertung vorliegt. Sie soll beweisen, dass der Bewerber selbständig wissenschaftlich arbeiten kann [...]. Diesen Beweis kann sie nur als eigenständige – inhaltliche und formale – Gesamtleistung erbringen. Die Arbeit wird so, wie sie vom Bewerber vorgelegt worden ist, entweder angenommen oder abgelehnt oder mit bestimmten Änderungen angenommen“ (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.04.2000 – 9 S 2435/99 –, Rn. 25, juris; Urteil vom 18.11.1980 – IX 1302/78 –, ESVGH 31, 54).
157 
Das Entsprechende gilt erst recht für die Habilitation als dem höchsten akademischen Grad. Die Gewinnung gedanklicher Schlussfolgerungen auf der Grundlage von Auffassungen anderer Wissenschaftler, die Strukturierung und Gewichtung dieser Schlussfolgerungen und ebenso ihre sprachliche Umsetzung in einen wissenschaftlichen Text stellen - auch in der Medizin - eigenständige wissenschaftliche Leistungen der von der Klägerin nicht ausgewiesenen Mitarbeiter der Arbeitsgruppe dar. Es ist Ausdruck wissenschaftlicher Redlichkeit und Gründlichkeit, deren geistige Urheberschaft auch kenntlich zu machen. Dies fordert auch § 6 Abs. 2 Nr. 10 HabilO 2003, der entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur formelle Anforderungen an die einzureichende Habilitation stellt, sondern auch inhaltliche Maßgaben bestimmt. Anderenfalls kann für die Gutachter der Eindruck entstehen, es sei die Habilitandin gewesen, die den Text konzipiert und formuliert habe. Dieser Eindruck muss sich dann auch in der Verleihung der Habilitation überhaupt, aber auch in der Bewertung der Arbeit gegenüber anderen, zu derartigen Darstellungen nicht fähigen Kandidaten niederschlagen (zur Dissertation VG Münster, Urteil vom 20.02.2009 - 10 K 1212/07 -, juris Rn. 24).
158 
(2) Die unterbliebene Offenlegung der Arbeitsgruppe und die fehlende Kenntlichmachung fremder Textpassagen, Tabellen und Darstellungen sind vorsätzlich erfolgt.
159 
Die Übernahme fremden Gedankengutes von zwei Autoren auf mindestens 28 von 99 inhaltlich relevanten Seiten lässt auf ein systematisches und planmäßiges Vorgehen schließen. Der große Umfang der Übernahme fremder Texte, Tabellen und Abbildungen ohne Kennzeichnung als Zitate und der gänzlich fehlende Hinweis auf die Zusammenarbeit in einer Arbeitsgruppe lassen keinen Zweifel zu, dass die Klägerin vorsätzlich gehandelt hat (hierzu VG Freiburg, Urteil vom 23.05.2012 - 1 K 58/12 -, juris Rn. 42; vgl. auch Suerbaum, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 48 Rn. 255). Der Nachweis des vorsätzlichen Handelns ist für die Annahme der Rechtswidrigkeit der Erteilung des akademischen Grades zwar nicht zwingend erforderlich, jedenfalls aber ausreichend (Suerbaum, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 48 Rn. 255).
160 
Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, sie habe diese wissenschaftlichen Regeln nicht gekannt. Soweit die Klägerin geltend macht (Schreiben vom 27.08.2013, Verfahrensakte der Beklagten, Band 2, AS 373), sie habe nicht gewusst, dass Arbeitsergebnisse aus einer gemeinsamen Arbeitsgruppe (FITOC) nicht einerseits als Dissertation an einer Fakultät und andererseits als Bestandteil eine Habilitation an einer anderen Fakultät hätten eingereicht werden dürfen, lässt dies ihren Vorsatz nicht entfallen. Erstens ist es lebensfremd, dass eine promovierte Habilitandin, die selbst Dissertationen betreut, sich nicht über die Voraussetzungen der Habilitation informiert. Zweitens wäre es - wie dargelegt und von der Klägerin selbst ausgeführt - nach § 6 Abs. 2 Nr. 10 HabilO 2003 möglich gewesen, eine sog. kumulative Habilitationsschrift unter Offenlegung der Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe FITOC einzureichen. Dies hat die Klägerin aber gerade - ausweislich ihrer Erklärung vom 10.01.2006 - unterlassen. Soweit die Klägerin vortragen lässt, die Bestimmung über die Ausweisung der Arbeitsgruppe habe zum Zeitpunkt ihres Antrags auf Habilitation noch nicht gegolten, ist dies unzutreffend. Auf einen Verbotsirrtum im Hinblick auf diese Pflicht zur Ausweisung der Arbeitsgruppe bei Einreichung der Habilitationsschrift kann sie sich nicht berufen. Denn von einer Habilitandin kann erwartet werden, dass sie sich - ungeachtet dessen, ob sie von ihrem Betreuer darauf hingewiesen wird oder nicht - selbst über die rechtlichen Voraussetzungen der Habilitation und die Anforderungen an die abzugebenden Erklärungen aus den ihr über die Beklagte ohne weiteres zugänglichen Informationsquellen informiert.
161 
Schließlich lässt auch der Vortrag, der Gebrauch der innerhalb der Dissertation der Tochter im Rahmen des FITOC generierten Daten als Teil der Habilitationsschrift sei angesichts der engen Zusammenarbeit und der bereits oben dargestellten Unkenntnis erfolgt, den Vorsatz nicht entfallen. Die Klägerin wusste, dass es sich nicht um ausschließlich originär eigene Textpassagen und Daten handelte, und es wäre ihr ohne weiteres möglich gewesen, die (Mit-)Autoren und (Mit-)Urheber kenntlich zu machen.
162 
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es nicht darauf an, ob die Habilitation für die eingereichte Habilitationsschrift ohne die beanstandeten Stellen oder bei jeweils wörtlicher Zitierung noch verliehen worden wäre. Derartige hypothetische Erwägungen im Sinne einer Art geltungserhaltenden Reduktion finden nicht statt. Es ist für die Ursächlichkeit der von der Klägerin begangenen Verstöße gegen die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens nicht von Bedeutung, ob ihr für eine andere Arbeit, als sie sie tatsächlich vorgelegt hat, die Habilitation verliehen worden wäre. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW, Urteil vom 18.11.1980 – IX 1302/78 –, ESVGH 31, 54; vgl. auch Urteil vom 19.04.2000 – 9 S 2435/99 –, Rn. 25, juris) führt zur Frage der hypothetischen Beurteilung einer plagiierten Dissertation aus:
163 
„Eine hypothetische Beurteilung einer in dieser Form und mit diesem Inhalt nicht vorgelegten Arbeit ist nicht möglich; denn sie würde eine gedankliche Änderung des Bewertungsgegenstandes voraussetzen, die auf den Beurteiler und nicht auf den Urheber des Bewertungsgegenstandes zurückgeht. Das gilt selbst für die Beantwortung der [...] Frage, was geschehen wäre, „wenn der Kläger die Arbeit [...] ordnungsgemäß zitiert hätte“. Denn es lässt sich nicht unterstellen, dass der Kläger eine in dieser Form gedachte Arbeit überhaupt noch mit dem gleichen Text vorgelegt hätte oder hätte vorlegen können.“
164 
Dies gilt entsprechend für eine Habilitationsschrift. Dem Ausschluss einer hypothetischen Beurteilung liegt der Gedanke zugrunde, dass sich das Gericht weder an die Stelle der Habilitandin setzen und entscheiden kann, welche Arbeit diese erstellt und abgegeben hätte, wenn sie nicht plagiiert hätte. Noch ist es dem Gericht - tatsächlich wie rechtlich - möglich, sich an die Stelle der Gutachter zu setzen und eine hypothetische Beurteilung der hypothetisch durch die Habilitandin eingereichten Arbeit vorzunehmen.
165 
b) Die von der Beklagten verfügte Rücknahme der Habilitation ist auch im Übrigen rechtmäßig. Die Beklagte hat jedenfalls im Widerspruchsverfahren nicht verkannt, dass die Entscheidung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in ihrem Ermessen steht. Die erstmals im Widerspruchsverfahren angestellten Ermessenserwägungen sind mit Blick auf den nach § 114 Satz 1 VwGO begrenzten gerichtlichen Prüfungsumfang nicht zu beanstanden. Insbesondere ergeben sich weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung Anhaltspunkte für einen Ermessensausfall oder einen Ermessensfehlgebrauch in Gestalt der Ermessensdisproportionalität.
166 
aa) Die erstmals im Widerspruchsverfahren angestellten und im Widerspruchsbescheid ausgeführten Ermessenserwägungen sind im gerichtlichen Verfahren vollinhaltlich zu berücksichtigen.
167 
Das in §§ 68 ff. VwGO geregelte Widerspruchsverfahren ist kein gesondertes Verwaltungsverfahren, sondern bildet mit dem Ausgangsverfahren eine Einheit, das erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.08.2011 - 9 C 2.11 -, BVerwGE 140, 245). Diese Einheit setzt sich ausweislich des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO im gerichtlichen Verfahren fort. Der Widerspruchsbehörde kommt im Überprüfungsverfahren eine umfassende Kontrollbefugnis zu. Sie hat grundsätzlich die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Ausgangsbehörde. Sie ist zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheids einschließlich seiner Begründung und Ermessenserwägungen befugt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.02.1999 - 2 C 28.98 -, BVerwGE 108, 274). Der Widerspruchsbescheid gibt dem Ausgangsbescheid seine endgültige und für den Verwaltungsprozess maßgebliche Gestalt. Dementsprechend ist der gerichtlichen Prüfung der ursprüngliche Verwaltungsakt mit dem Inhalt und der Begründung zugrunde zu legen, die er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (BVerwG, Urteil vom 25.03.1981 - 8 C 69.80 -, BVerwGE 62, 80). Trifft die Widerspruchsbehörde eine eigene Ermessensentscheidung, so tritt diese an die Stelle derjenigen der Ausgangsbehörde und führt - auch bei erstmaligen - Fehlern zugleich zur Aufhebung des Ermessensverwaltungsakts (vgl. zum Ganzen VG Sigmaringen, Urteil vom 28.03.2017 - 3 K 4514/15 -, juris Rn. 33).
168 
bb) Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Beklagte im Widerspruchsverfahren - jedenfalls hilfsweise - Ermessen ausgeübt hat. Zunächst steht kraft des Beschlussprotokolls vom 12.11.2015 als öffentliche Urkunde - wie bereits ausgeführt - nach § 415 Abs. 1 ZPO fest, dass der Habilitationsausschuss am 12.11.2015 getagt hat.
169 
Soweit die Klägerin geltend macht, ausweislich der Beschlussvorlage vom 03.11.2015 (Akten der Beklagten, Verfahrensakte, Band 2, AS 27 ff.) und der dort gewählten Vergangenheitsform sei das Ergebnis der Beschlussfassung des Habilitationsausschusses bereits vorher festgelegt gewesen, folgt die Kammer dem nicht. Es ist nicht ungewöhnlich und rechtlich nicht zu beanstanden, dass insbesondere bei der Beschlussfassung durch Gremien diese in Gestalt von Beschlussvorlagen vorbereitet wird. Diese Beschlussvorlagen enthalten in der Regel aufgrund der vorbereitenden Ausführungen - etwa der Verwaltung - Beschlussvorschläge. Diese Arbeitsweise deutet indes entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darauf hin, dass der Habilitationsausschuss - sei es durch den Gremienbeschluss, sei es durch die Entscheidung der Vorsitzenden - kein eigenes Ermessen ausgeübt hat, selbst wenn seine Entscheidung - wie hier - dem Beschlussvorschlag entspricht. Allein die verhältnismäßig kurze Dauer der Beratung des maßgeblichen Tagesordnungspunkts - wohl weniger als 40 Minuten - lässt nicht auf einen Ermessensausfall schließen. Denn das Verfahren dauerte zu diesem Zeitpunkt seit dem Beschluss der Redlichkeitskommission vom 23.07.2013, einen Unterausschuss zu bilden, bereits über zwei Jahre. Die Mitglieder hatten bereits am 11.12.2014 entschieden, die Rücknahme der Habilitation zu veranlassen und waren daher umfassend über das Verfahren und die betroffenen Rechte und Interessen informiert. Ferner hätte es den abstimmenden Mitgliedern bzw. der Vorsitzenden jederzeit freigestanden, gegen den Beschlussvorschlag zu stimmen und im Ergebnis eine andere Entscheidung aufgrund anderer Ermessenserwägungen zu treffen. Zudem beinhaltet auch die Begründung des Bescheids der Prorektorin für Studium und Lehre vom 16.08.2018 Ermessenserwägungen.
170 
cc) Die erheblichen Nachteile, die die Rücknahme für die Klägerin in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht nach sich zieht, wurden vom Habilitationsausschuss angemessen berücksichtigt. Die Habilitation ist zwar Voraussetzung für die Ausübung der akademischen Lehrbefugnis, der die Klägerin nach eigenen Angaben in einem Umfang von zwei Semesterwochenstunden nachkommt. Die Klägerin ist indes keine ordentliche Professorin der Beklagten, sondern außerplanmäßige Professorin ohne eigenen Lehrstuhl. Wirtschaftlich ist sie nicht auf die Professur angewiesen. Der Doktorgrad, der bei Ärzten in der beruflichen Praxis eine erhebliche Rolle spielt und gesellschaftlich als Nachweis fachlicher Qualifikation angesehen wird, bleibt der Klägerin unbenommen. Die Rücknahme der Habilitation lässt zudem die Approbation unberührt. Die Klägerin hat weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren, einschließlich der mündlichen Verhandlung, darüber hinaus gehende Rechte und Interessen vorgebracht, die von der Rücknahme der Habilitation betroffen sind. Die privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Interessen der Klägerin hat die Beklagte dadurch angemessen berücksichtigt, dass sie die Rücknahme erst für die Zukunft und nicht auch für die Vergangenheit hin angeordnet hat.
171 
Es ist im Rahmen der gerichtlichen Ermessenskontrolle nach § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die öffentlichen Interessen an der Rücknahme der Habilitation für die Zukunft im Ergebnis höher bewertet als die beruflichen und privaten Nachteile für die Klägerin. Der Habilitationsausschuss hat das Ansehen der Medizinischen Fakultät sowie das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wissenschaft und den berechtigten Erwerb eines wissenschaftlichen Grades als öffentliche Interessen den privaten Interessen der Klägerin gegenübergestellt. Die Beklagte kann sich insoweit - wie auch die Klägerin - auf die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG berufen, die auch das Habilitationswesen einschließlich der Rücknahme der Habilitation umfasst (zur Promotion BVerwG, Urteil vom 21.06.2017 - 6 C 4/16 -, BVerwGE 159, 171-187, Rn. 18).
172 
Dass die Gutachter die erheblichen Plagiate nicht schon bei der Annahme und bei der Bewertung der Habilitationsschrift entdeckt haben, begründet für die Klägerin keinen Vertrauensschutz (VG Freiburg, Urteil vom 23.05.2012 - 1 K 58/12 -, juris Rn. 51unter Berufung auf BayVGH, Urteil vom 04.04.2006 - 7 BV 05.388 -, juris). Denn sie hat bei der Anfertigung der Habilitation selbst gewusst, dass sie Textstellen anderer Autoren und der Arbeitsgruppe verwendet, ohne diese kenntlich zu machen. Ferner hat sie es bewusst unterlassen, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 10 HabilO 2003 erforderliche Anzeige wahrheitsgemäß vorzunehmen. Sie kann sich daher nach dem Rechtsgedanken des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG nicht auf ihr Vertrauen in den Bestand der Habilitation berufen.
173 
c) Die Rücknahmemöglichkeit war auch nicht verfristet. Gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG ist die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nur innerhalb eines Jahres seit der Kenntniserlangung der Behörde von den die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen zulässig. Es kann offen bleiben, ob diese Jahresfrist gemäß § 48 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG in Verbindung mit § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG wegen arglistiger Täuschung keine Anwendung findet. Denn es handelt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG um eine Entscheidungs-, nicht um eine Bearbeitungsfrist; sie beginnt daher erst zu laufen, wenn die Behörde über sämtliche entscheidungsrelevante Tatsachen informiert ist, hier also frühestens mit der Vorlage des Abschlussberichts des Unterausschusses vom 20.11.2014. Es ist dabei unerheblich, dass die Beklagte die Vorschrift des § 48 LVwVfG erst mit Beschluss des Habilitationsausschusses vom 12.11.2015 herangezogen und die Prorektorin für Studium und Lehre die - auch auf § 48 LVwVfG gestützte Rücknahmeentscheidung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erst am 16.08.2018 getroffen hat. Maßgeblich ist nämlich der Ausgangsverwaltungsakt in der Gestalt, wie er sie in der Widerspruchsentscheidung gefunden hat. Der Ausgangsbescheid, der bereits der Sache nach eine Rücknahme der Habilitation beinhaltete, wurde am 23.01.2015 getroffen, so dass die Rücknahmefrist jedenfalls gewahrt ist.
B.
174 
Die Anordnung der Rückgabe der Habilitationsurkunde folgt aus § 52 LVwVfG und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist geeignet und erforderlich, um zu verhindern, dass durch die Verwendung der - öffentlichen - Urkunde im Rechtsverkehr der Eindruck erweckt wird, der Klägerin sei nach wie vor von der Beklagten die Habilitation verliehen worden.
C.
175 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
176 
Die Berufung ist nach §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Frage der Reichweite der Heilungsvorschrift des § 10 Abs. 5 Satz 3 LHG ist obergerichtlich bislang nicht abschließend geklärt.

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