Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (2. Kammer) - 2 A 696/19 HGW
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls der Beklagte nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Wohngeld.
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Mit Wohngeldbescheid vom 28.2.2018 (Aktenzeichen ##) bewilligte der Beklagte der Klägerin Wohngeld vom 1.1.2018 bis 31.12.2018 für die Wohnung L. Landstraße 1B in A-Stadt in Höhe von 244 € pro Monat. Den hiergegen unter dem 28.3.2018 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.7.2018 zurück. Die dagegen unter dem Aktenzeichen 2 A 1250/18 HGW erhobene Klage der Klägerin vom 16.8.2018 ist noch anhängig. Ausweislich des Mietvertrages vom 24.11.2017 zahlte die Klägerin eine monatliche Miete von 424 € sowie eine Vorauszahlung in Höhe von 65 € für Heizung, Warmwasser, Wasserversorgung, Entwässerung und Müllabfuhr.
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Die Klägerin beantragte am 30.10.2018 die Weitergewährung von Wohngeld für die Zeit ab dem 1.1.2019. In dem Antrag gab die Klägerin an, Miete in Höhe von 464 € zu zahlen, eine Rente in Höhe von 601,46 € brutto zu beziehen und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, nicht aber Beiträge zur Rentenversicherung/Altersvorsorge abzuführen. Dem Antrag hatte die Klägerin einen Bescheid der Deutsche Rentenversicherung Nord beigefügt, aus dem sich ergibt, dass die Klägerin von ihrer Rente in Höhe von brutto 601,46 € Beiträge zur Kranken und Pflegeversicherung zahlt. Mit Schreiben und beigefügtem Antragsformular vom 8.11.2018 beantragte die Klägerin eine Neuberechnung ihres Wohngeldbescheides vom 28.2.2018 (Aktenzeichen 31748/6) aufgrund der Betriebskostenabrechnung ihres Vermieters. Sie reichte hierzu eine Kostenabrechnung ihres Vermieters für die Wohnung ein, die einen Betrag von 105,41 € monatlich für die Nebenkosten ausweist und in der die Klägerin aufgefordert wird, für die Monate Januar bis November 2018 die Differenz zwischen der jeweils gezahlten Vorauszahlung in Höhe von 65 € und der tatsächlichen Kosten in Höhe von 105,41 €, insgesamt 444,51 €, nachzuzahlen und künftig eine Vorauszahlung von 105 € zu leisten.
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Mit Bescheid vom 28.12.2018 (Aktenzeichen ##) lehnte der Beklagte den Antrag auf Erhöhung des Wohngeldes ab dem 1.12.2018 ab, da die Zahl der Haushaltsmitglieder sich nicht erhöht bzw. sich das Haushaltseinkommen nicht um mehr als 15 % verringert bzw. sich die Miete nicht mehr als 15 Prozent erhöht habe. Mit weiterem Bescheid vom 28.12.2018 (Aktenzeichen ##) bewilligte der Beklagte der Klägerin vom 1.1.2019 bis 31.12.2019 für dieselbe Wohnung Wohngeld in Höhe von 248 €.
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Gegen beide Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 25.1.2019 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, bei der Berechnung mit dem Wohngeldrechner im Internet sei ein monatlicher Betrag von 305 € berechnet worden.
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Mit Schreiben vom 6.3.2019 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass der Bewilligungsbescheid vom 28.12.2018 gemäß § 28 Abs. 3 Wohngeldgesetz (WoGG) ab dem 1.2.2019 unwirksam geworden sei, da sie oder ein zum Haushalt rechnendes Familienmitglied ab dem 3.1.2019 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 12. Buch Sozialgesetzbuch erhalte und sich somit die maßgeblichen Verhältnisse für die Wohngeldermittlung geändert hätten. Die Einstellung der laufenden Zahlung des Wohngeldes sei zum April 2019 erfolgt. In der Zeit vom 1.2. bis 31.3.2019 habe der Klägerin kein Wohngeld zugestanden, sodass es zu einer Überzahlung in Höhe von 496 € gekommen sei. Der zu zahlende Rückforderungsbetrag werde vom Sozialamt des Landkreises in voller Höhe erstattet. Am 8.3.2019 legte die Klägerin Widerspruch gegen das Schreiben vom 6.3.2019 ein und wies darauf hin, nicht ab dem 3.1.2019 Hilfe zum Lebensunterhalt zu erhalten.
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Mit Schreiben vom 24.3.2019 untersagte die Klägerin dem Landkreis Vorpommern-A-Stadt, auf oder von ihrem Girokonto ohne ihre schriftliche Zustimmung Geld zu überweisen. Zur Begründung gab sie an, vom Beklagten erfahren zu haben, dass ihr Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 3.1.2019 beschieden worden sein solle und sie ab dem 3.1.2019 Geld erhalten habe, ohne dass sie eine schriftliche Eingangsbestätigung oder einen schriftlichen Bewilligungsbescheid oder Zahlungen zu ihrem Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten habe.
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Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 25.4.2019 mit, dass die Einlegung eines Widerspruchs gegen das Schreiben vom 6.3.2019 über die Mitteilung der Unwirksamkeit des aktuellen Wohngeldbescheides aus gesetzlichen Gründen nicht möglich sei. Bei dem Schreiben handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Bei § 28 Abs. 3 WoGG handele es sich vielmehr um eine gesetzlich auflösende Bedingung, sodass eine Aufhebung des Bescheides nicht erforderlich sei. Da keine behördliche Entscheidung getroffen werde, sei die Unterrichtung somit kein Verwaltungsakt. Die Unwirksamkeit für die Zeit ab dem 1.2.2019 sei unabhängig vom Zeitpunkt der Zustellung des Bewilligungsbescheides und Auszahlung der Sozialleistungen durch das Sozialamt des Landkreises Vorpommern-A-Stadt eingetreten.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 30.4.2019 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die Bescheide vom 28.12.2018 zurück. Er führte zur Begründung aus, dass die Voraussetzungen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WoGG nicht erfüllt seien, da sich die ab dem 1.12.2018 zu zahlende Warmmiete nicht um mehr als 15 % erhöht habe. Die von der Klägerin erstellte Wohngeldberechnung beruhe auf einer falschen Berechnungsgrundlage. Die vom Beklagten durchgeführte Berechnung beruhe auf der von der Klägerin im Rahmen ihres Antrags eingereichten Unterlagen. Bei ihrer Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens habe die Klägerin die Höhe ihrer Nettorente zugrunde gelegt, obwohl die Wohngeldberechnung gemäß §§ 14 und 15 WoGG auf den Bruttoeinkünften beruhe. In der Berechnung habe sie angegeben, dass sie von ihrer Erwerbsminderungsrente Pflichtbeiträge für die Rentenversicherung gemäß § 16 Nr. 3 WoGG leiste, im Antragsformular vom 8.11.2018 aber angegeben, dass keine Pflichtbeiträge für die Rentenversicherung gemäß § 16 Nr. 3 WoGG abgeführt würden. Dazu habe sie im Rahmen ihres Widerspruchs auch keine entsprechenden Unterlagen/Nachweise eingereicht. Infolgedessen sei die von der Klägerin in der Berechnung angegebene Bruttorente zu Unrecht gemäß § 16 Nr. 3 WoGG um 10 % gemindert worden, sodass die Höhe ihres Jahreseinkommens in der von der Klägerin beigefügten Berechnung nicht korrekt sei.
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Unter dem 6.5.2019 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie zu ihrem Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 3.1.2019 weder einen schriftlichen Bewilligungsbescheid erhalten, noch Leistungen empfangen habe. Ihr sei vom Vermieter unter dem 1.5.2019 die fristlose Kündigung wegen Minderzahlung, Mietrückstand und ausstehender Zahlungen der Betriebskostenabrechnung vorangekündigt worden.
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Am 5.5.2019 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, der Beklagte habe widerrechtlich die Pflichtbeiträge für die Rentenversicherung gemäß § 16 Nr. 3 WoGG weggelassen. Dem Beklagten hätten hierzu Unterlagen zur Verfügung gestanden. Im Wohngeldantrag vom 30.10.2018 sei als Anlage die Rentenanpassung vom 1.7.2018, welche die Pflichtbeiträge für die Rentenversicherung ausgewiesen habe, enthalten gewesen. Ihr hätten vom Januar bis Dezember 2018 statt 244 € pro Monat monatlich 300 € zugestanden. Von Januar 2019 bis März 2019 wären ihr statt monatlich 248 € richtigerweise 292 € im Monat zu zahlen gewesen. Die Wohngeldstelle verstoße gegen das Grundgesetz, weil diese ab April 2019 die Zahlung des Wohngeldes eingestellt habe. Es liege ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vor.
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Mit Schreiben vom 27.5.2019 erklärte die Klägerin, dass die Klage auch wegen der Aufhebung des Schreibens vom 6.3.2019, Mitteilung über die Unwirksamkeit des aktuellen Wohngeldbescheides gemäß § 28 Abs. 3 WoGG, wogegen sie Widerspruch eingelegt habe, erfolgt sei.
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Die Klägerin beantragt,
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1. den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. Dezember 2018 (Aktenzeichen: ##) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2019 zu verpflichten, ihr für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2018 ein monatliches Wohngeld i.H.v. 300,00 Euro zu bewilligen,
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2. den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. Dezember 2018 (Aktenzeichen: ##) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2019 zu verpflichten, ihr für den Bewilligungszeitraum von Januar 2019 bis Dezember 2019 ein monatliches Wohngeld i.H.v. 292,00 Euro zu bewilligen,
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3. den Bescheid des Beklagten vom 6. März 2019 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist zur Begründung auf sein Anhörungsschreiben vom 12.2.2019 und die Begründung des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheides.
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Mit Bescheid vom 15.5.2019 bewilligte der Landrat des Landkreises Vorpommern-A-Stadt der Klägerin auf ihren Antrag vom 3.1.2019 Leistungen als Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII vom 3.1.2019 bis zum 30.6.2019. In dem Bescheid wird ausgeführt, dass gemäß § 42 Nr. 4 in Verbindung mit § 35 SGB XII Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit sie angemessen sind. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin unter dem Aktenzeichen S 5 SO 48/19 Klage beim Sozialgericht Stralsund erhoben, über die bislang nicht entschieden worden ist.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie im Verfahren 2 A 1250/18 HGW und die bei den Akten 2 A 725/18 befindlichen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klagen haben keinen Erfolg.
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Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet.
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Zunächst ist die Klage insoweit, als die Klägerin begehrt, den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28.12.2018 (Aktenzeichen ##) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.4.2019 zu verpflichten, ihr das für die Monate Januar 2018 bis Dezember 2018 bewilligte Wohngeld neu zu berechnen, zulässig, aber unbegründet.
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Die für den Monat Dezember 2018 ausdrücklich und für die übrigen Monate konkludent erfolgte Ablehnung des Verwaltungsakts ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine rückwirkende Erhöhung ihres Wohngeldes auf 300 Euro.
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Anspruchsgrundlage ist § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 Wohngeldgesetz [WoGG]. Nach Satz 1 Nr. 2 ist das Wohngeld auf Antrag neu zu bewilligen, wenn sich im laufenden Bewilligungszeitraum die zu berücksichtigende Miete oder Belastung um mehr als 15 Prozent erhöht. Gemäß Satz 2 ist im Fall des Satzes 1 Nr. 2 das Wohngeld auch rückwirkend (neu) zu bewilligen, frühestens jedoch ab Beginn des laufenden Bewilligungszeitraums, wenn sich die zu berücksichtigende Miete oder Belastung rückwirkend um mehr als 15 Prozent erhöht hat. Eine rückwirkende Erhöhung der Miete infolge einer Betriebskostenabrechnung für einen vergangenen Zeitraum ist daher wohngeldrechtlich in einem noch laufenden Bewilligungszeitraum grundsätzlich berücksichtigungsfähig (VG Berlin, Urteil vom 14. März 2017 – 21 K 778.16 –, juris). Im vorliegenden Fall war bei Antragstellung am 8.11.2018 der bis zum 31.12.2018 laufende Bewilligungszeitraum noch nicht abgelaufen.
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Eine Berücksichtigungsfähigkeit ist indessen nur dann gegeben, wenn die Erhöhung (umgerechnet) mehr als 15 % beträgt. Ansonsten muss es trotz nachträglicher Erhöhung der Miete oder Belastung bei dem vor der Erhöhung festgesetzten Wohngeld bleiben. Vorliegend fehlt es an einer entsprechenden Erhöhung. Es ist jeweils die von der Klägerin zu zahlende Miete im Sinne von § 9 WoGG gegenüberzustellen. Gemäß § 9 Abs. 1 WoGG ist Miete das vereinbarte Entgelt für die Gebrauchsüberlassung von Wohnraum auf Grund von Mietverträgen oder ähnlichen Nutzungsverhältnissen einschließlich Umlagen, Zuschlägen und Vergütungen. Nach § 9 Abs. 2 WoGG bleiben bei der Ermittlung der Miete nach Absatz 1 folgende Kosten und Vergütungen außer Betracht: 1. Heizkosten und Kosten für die Erwärmung von Wasser, 2. Kosten der eigenständig gewerblichen Lieferung von Wärme und Warmwasser, soweit sie den in Nummer 1 bezeichneten Kosten entsprechen, 3. die Kosten der Haushaltsenergie, soweit sie nicht von den Nummern 1 und 2 erfasst sind, 4. Vergütungen für die Überlassung einer Garage sowie eines Stellplatzes für Kraftfahrzeuge. Daraus folgt, dass von den 65 €, die die Klägerin pauschal voraus gezahlt hat, 40 € berücksichtigungsfähig sind und von den 105,41 €, die die Klägerin tatsächlich rückwirkend zu zahlen hatte, 70,78 € berücksichtigt werden können. Die ursprüngliche Belastung der Klägerin betrug daher insgesamt 464 € (424 € Miete + 40 € berücksichtigungsfähige Betriebskosten). Die Belastung der Klägerin infolge der Erhöhung der Betriebskosten betrug sodann 494,78 € (424 € Miete + 70,78 € berücksichtigungsfähige Betriebskosten). Damit entsprach die Erhöhung um 34,78 € einer prozentualen Erhöhung um 6,63 % und somit keiner Erhöhung um mehr als 15 %. Selbst wenn man entgegen der gesetzlichen Vorgaben die Betriebsnebenkosten voll einrechnen würde, würde die Erhöhung um 40,41 € nur eine prozentuale Erhöhung von 8,26 bedeuten.
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Auch soweit die Klägerin begehrt, den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28.12.2018 (Aktenzeichen 31748/8) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.4.2019 zu verpflichten, ihr für die Monate Januar bis Mai 2019 ein höheres monatliches Wohngeld in Höhe von 292 € zu bewilligen, ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
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Die Ablehnung einer Bewilligung eines höheren Wohngeldes als 248 € ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Bewilligung. Die Wohngeldberechnung des Beklagten ist nicht zu beanstanden.
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Die grundsätzliche Wohngeldberechtigung ergibt sich für die Klägerin aus § 3 Abs. 1 Satz 1 WoGG. Danach ist wohngeldberechtigte Person jede natürliche Person, die Wohnraum gemietet hat. Gemäß § 4 WoGG richtet sich das Wohngeld nach 1. der Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder (§§ 5 bis 8), 2. der zu berücksichtigenden Miete der Belastung (§§ 9 bis 12) und 3. dem Gesamteinkommen (§§ 13 bis 18) und ist nach § 19 zu berechnen. Danach kann die Klägerin ein höheres bzw. zusätzliches Wohngeld für die Zeit ab dem 01.01.2019 nicht beanspruchen. Der Beklagte hat die Anzahl der zu berücksichtigenden Familienmitglieder (nur die Klägerin) und die Höhe der Miete und das Gesamteinkommen der Klägerin zutreffend ermittelt.
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Zutreffend hat der Beklagte von dem vereinbarten Mietentgelt in Höhe von 464 Euro nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WoGG zum einen 33,33 € Nebenkosten für Heizung/Warmwasser und gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WoGG zum anderen 15,00 € als Vergütung für eine Garage/Stellplatz abgezogen und eine zu berücksichtigende Miete von 415,67 € errechnet, die unter dem Höchstbetrag nach § 12 Abs. 1 und § 11 Abs. 3 WoGG liegt und daher vollumfänglich zu berücksichtigen ist.
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Auch das zu berücksichtigende Gesamteinkommen der Klägerin hat der Beklagte zutreffend ermittelt. Nach § 13 Abs. 1 WoGG ist das Gesamteinkommen die Summe der Jahreseinkommen (§ 14 WoGG) der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder abzüglich der Freibeträge (§ 17) und der Abzugsbeträge für Unterhaltsleistungen (§ 18). § 13 Abs. 2 WoGG bestimmt, dass das monatliche Gesamteinkommen 1/12 des Gesamteinkommens ist. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 WoGG ist das Jahreseinkommen eines zu berücksichtigenden Haushaltsmitgliedes vorbehaltlich des Absatzes 3 die Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes zuzüglich der Einnahmen nach Absatz 2 abzüglich der Abzugsbeträge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (§ 16 WoGG). Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 5 WoGG gehören zum Jahreseinkommen auch steuerfreie Renten. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WoGG ist das Einkommen zugrunde zu legen, das im Zeitpunkt der Antragstellung im Bewilligungszeitraum zu erwarten ist. Laut des Bescheides der Deutsche Rentenversicherung Nord zur Rentenanpassung zum 1.7.2018 betrug die monatliche Rente der Klägerin im Zeitpunkt der Antragstellung 601,46 €. Dass die Bruttoeinkünfte zugrunde zu legen sind, ergibt sich zum einen aus dem Verweis in § 14 WoGG auf das Einkommensteuergesetz und zum anderen aus der Regelung in § 16 WoGG, der bestimmt, welche Beträge von dem Bruttoeinkommen abzuziehen sind.
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Dass höhere Werbungskosten/Absetzungen als 102 € vom Beklagten vom Jahreseinkommen abzuziehen gewesen wären, hat weder die Klägerin dargetan noch ist dies für das Gericht erkennbar. Ein Abzug nach § 16 WoGG von 30 % war nicht vorzunehmen. Dieser ergibt sich, wenn Steuern, Pflichtbeiträge zur gesetzlichen oder privaten Kranken- und Rentenversicherung zu leisten sind. Die Klägerin hat indessen lediglich nachgewiesen, dass sie Beiträge zur Krankenversicherung zahlte. Nachweise einer Rentenbeitragszahlung und der tatsächlichen Steuerzahlung hat sie nicht vorgelegt. Demzufolge war auch nur – wie vom Beklagten vorgenommen – ein Abzug von 10% für die Kranken- und Pflegeversicherung einzurechnen. Anders, als die Klägerin meint, hatte der Beklagte keine Pflichtbeiträge für die Rentenversicherung abzusetzen, da die Klägerin solche ausweislich des vorgelegten Rentenbescheides nicht leistet. Einen Freibetrag nach § 17 WoGG und Abzugsbeträge für Unterhaltsleistungen nach § 18 WoGG hatte der Beklagte nicht abzuziehen.
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Bei einem sich danach ergebenden monatlichen Gesamteinkommen von 533,66 € und einer zu berücksichtigenden Miete i. H. v. 415,67 € ergibt sich nach § 19 Abs. 1 WoGG i.V.m. der Wohngeldtabelle nach Anlage 1 der WoGVwV ein monatlicher Wohngeldbetrag von 248 €, wie vom Beklagten berechnet.
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Schließlich ist die Klage gegen den Bescheid vom 6.3.2019 über die Mittelung der Unwirksamkeit des Wohngeldbescheides vom 28.2.2019 (Aktenzeichen ##) und der Einstellung der Wohngeldzahlung zum 1.4.2019 zulässig, aber unbegründet.
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Die Klage ist zunächst mit dem von der Klägerin ausdrücklich geäußerten Aufhebungsbegehren zulässig. Die Klage gegen das – als Mitteilung bezeichnete und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene – Schreiben vom 6.3.2019 ist als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO ohne den Erlass eines Widerspruchsbescheides zulässig, da die Klägerin einen Widerspruch gegen einen Bescheid eingelegt, der Beklagte sich aber geweigert hat, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen. Nach § 75 Satz 1 VwGO ist die Klage abweichend von § 68 VwGO zulässig, wenn über einen Widerspruch ohne unzureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Laut § 75 Satz 2 VwGO kann die Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Diese Frist ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abgelaufen.
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Anders als der Beklagte meint, handelt es sich bei der Mitteilung, dass der Wohngeldbescheid nach § 28 Abs. 3 WoGG unwirksam geworden ist, auch um einen Verwaltungsakt i. S. v. § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz Mecklenburg-Vorpommern [VwVfG M-V]. Danach ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Kriterien treffen auf die Mitteilung über die Unwirksamkeit des Wohngeldbescheides zu. Da sich die Unwirksamkeit bereits aus dem Gesetz selbst ergibt, handelt es sich bei der Mitteilung nicht um einen die Unwirksamkeit begründenden Bescheid, sondern um einen die Unwirksamkeit feststellenden Bescheid (Urteil der Kammer vom 17. Juni 2019 - 2 A 170/19 -, Seite 6 des Umdrucks, zum vergleichbaren Fall der Unwirksamkeit nach § 28 Abs. 1 WoGG; so auch Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 05. Dezember 2017 – 4 A 223/15 –, juris; VG München, Urteil vom 9. Oktober 2014 – M 22 K 11.5906 –, juris; VG Minden, Urteil vom 25. Februar 2011 – 6 K 2631/10 –, juris; jeweils ohne dies zu problematisieren). Dass der Wohngeldbescheid bereits von Gesetzes wegen unwirksam wird und der Kläger nach § 28 Abs. 5 WoGG von der Unwirksamkeit zu unterrichten ist, führt nicht dazu, ihm eine Regelung abzusprechen (so wohl VG Saarland, Gerichtsbescheid vom 6. März 2018 – 3K1339/17 –, juris). Vielmehr geht der Mitteilung eine (u. U. umfangreiche) Prüfung und Feststellung der Behörde voraus, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 WoGG vorliegen und erfolgt eine Mitteilung nur bei einer positiven Feststellung. Diese Feststellung ist sodann die Grundlage für eine Einstellung der weiteren Zahlung von Wohngeld und der Rückforderung zu Unrecht gezahlten Wohngeldes. Ohne die vorangegangene Feststellung der Unwirksamkeit aber unterbleiben weitere Maßnahmen. Mithin regelt der feststellende Bescheid das Rechtsverhältnis zwischen der Wohngeld bewilligenden Behörde und dem Wohngeldantragsteller dergestalt, dass geregelt wird, ob dem Antragsteller aufgrund eines wirksamen Bewilligungsbescheides weiterhin Wohngeld zusteht. Der Umstand, dass die Unwirksamkeit sich bereits aus dem Gesetz ergibt, bedeutet lediglich, dass es keiner Aufhebung, keiner Rücknahme oder keines Widerrufs der Wohngeldbewilligung wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen der Wohngeldbewilligung bedarf. Diese Praktikabilitätserwägungen vermögen es angesichts der vorstehenden Erwägungen aber nicht, der Mitteilung eine Regelung abzusprechen. Eine fehlende Rechtswirkung lässt sich auch nicht damit begründen, dass § 28 Abs. 5 WoGG bestimmt, dass die wohngeldberechtigte Person von der Unwirksamkeit des Bewilligungsbescheides zu unterrichten ist. Diese Vorschrift regelt lediglich, dass der Betroffene nach der erfolgten Feststellung der Unwirksamkeit auch auf diese hinzuweisen ist, stellt also eine Verfahrensverpflichtung für die Behörde dar und gebietet gleichsam den Erlass des feststellenden Bescheides gegenüber dem Betroffenen.
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Auch wenn man entgegen der Rechtsauffassung der Kammer grundsätzlich einer reinen Mitteilung der Unwirksamkeit des Bewilligungsbescheides die Qualität eines Verwaltungsakts absprechen würde, so hätte der Beklagte im vorliegenden Fall gleichwohl einen Verwaltungsakt unter dem Datum des 6.3.2019 erlassen. Die Benachrichtigung der Klägerin über die Unwirksamkeit des Wohngeldbewilligungsbescheides vom 28.12.2018 durch Schreiben vom 6.3.2019 ist jedenfalls in der äußeren Form eines Verwaltungsakts erlassen worden. Das Schreiben enthält sowohl einen Entscheidungssatz als auch einen Tatbestand, eine Rechtsprüfung und eine Rechtsbehelfsbelehrung. Selbst wenn der Beklagte einen Verwaltungsakt nicht erlassen wollte, so hat er dies – was entscheidend ist – gleichwohl nach objektiver Auslegung des Schreibens tatsächlich getan. Hinzu kommt noch, dass der Inhalt des Schreibens vom 6.3.2019 über eine reine Mitteilung der Unwirksamkeit des Wohngeldbewilligungsbescheides insoweit hinaus geht, als er die Regelung enthält, dass die Zahlung des Wohngeldes zum 1.4.2019 eingestellt wird.
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Die Klage gegen den Bescheid vom 6.3.2019 ist aber unbegründet. Die in diesem Bescheid verfügte Feststellung der Unwirksamkeit des Wohngeldbescheides vom 28.12.2018 zum 1.2.2019 und die Einstellung der Zahlung des Wohngeldes ab dem 1.4.2019 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Soweit in der Überschrift des Bescheides zur Unwirksamkeit die Angabe „für die Zeit ab dem 1.1.2019“ enthalten ist, handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, was sich ohne weiteres daraus ergibt, dass in dem maßgeblichen Entscheidungssatz festgestellt wird, dass „der Wohngeldbescheid vom 28.12.2018 ab dem 1.2.2019 unwirksam“ wird.
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Die Feststellung der Unwirksamkeit des Wohngeldbescheids vom 28.12.2018 ab dem 1.2.2019 findet ihre Rechtsgrundlage in § 28 Abs. 3 Satz 1 WoGG. Danach wird ein Wohngeldbewilligungsbescheid von dem Zeitpunkt an unwirksam, ab dem ein zu berücksichtigendes Haushaltsmitglied nach den §§ 7 und 8 Abs. 1 WoGG vom Wohngeld ausgeschlossen ist. In Betracht kommt hier alleine ein Ausschluss nach § 7 Abs. 1 Nr. 6 WoGG, wonach vom Wohngeld Empfänger und Empfängerinnen von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 12. Buch Sozialgesetzbuch ausgeschlossen sind, wenn bei deren Berechnung Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden sind (Leistungen). Diese Voraussetzungen sind mittlerweile seit Bekanntgabe des Bescheides des Landrates des Landkreises Vorpommern-A-Stadt vom 15.5.2019, mit der der Klägerin auf ihren Antrag vom 3.1.2019 Hilfe zum Lebensunterhalt rückwirkend zum 3.1.2019 gewährt worden ist, gegeben. Soweit in dem Bescheid angegeben ist, dass die Hilfe zum Lebensunterhalt erst ab dem 1.2.2019 gewährt worden ist, handelt es sich nach Mitteilung des Landrates des Landkreises Vorpommern-A-Stadt um einen offensichtlichen Schreibfehler. Der Klägerin ist tatsächlich Hilfe zum Lebensunterhalt seit dem 3.1.2019 gewährt worden. Mithin ist die Klägerin seit dem 3.1.2019 Empfängerin von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 12. Buch Sozialgesetzbuch. Ausweislich des Bescheides vom 15.5.2019 und des darin enthaltenen Berechnungsbogens umfasst die Hilfe zum Lebensunterhalt auch die Kosten der Unterkunft der Klägerin. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) WoGG besteht der Ausschluss vom Wohngeld nach der Bewilligung einer Leistung nach § 7 Abs. 1 ab dem 1. des nächsten Monats, wenn – wie hier – wie Leistung nach § 7 Abs. 1 nicht vom 1. eines Monats an bewilligt wird, und endet sie nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WoGG am letzten des Monats, wenn die Leistung nach § 7 Abs. 1 bis zum letzten eines Monats bewilligt wird.
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Dass diese Voraussetzungen bei Erlass und Bekanntgabe des Bescheides am 6.3.2019 noch nicht vorgelegen haben, ist im Ergebnis ohne Bedeutung. Zwar war der Bescheid vom 6.3.2019 insoweit bei seinem Erlass bis zum 15.5.2019 rechtswidrig und hat er die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Da es sich jedoch nur um einen feststellenden Bescheid handelt, ist ausreichend, dass die festgestellte Unwirksamkeit des Wohngeldbewilligungsbescheides vom 28.12.2018 mittlerweile – vor der letzten Behördenentscheidung des noch ausstehenden Widerspruchsbescheides – zu dem festgestellten Zeitpunkt des 3.1.2019 erfolgt ist. Zudem wird die Klägerin jedenfalls durch die ursprüngliche Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheides nicht mehr in ihren Rechten verletzt, da der Beklagte seit Bekanntgabe des Bescheides vom 15.5.2019 an die Klägerin zum Erlass eines inhaltsgleichen Bescheides verpflichtet ist.
- 42
Aus der Unwirksamkeit des Wohngeldbewilligungsbescheides ergibt sich, dass der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung von Wohngeld ab dem 1.2.2019 mehr zusteht und der Beklagte daher die Einstellung der Zahlung von Wohngeld zum 1.4.2019 verfügen konnte.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs.1 VwGO, die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 N. 11,711 Zivilprozessordnung [ZPO].
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Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
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Referenzen
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- WoGG § 28 Unwirksamkeit des Bewilligungsbescheides und Wegfall des Wohngeldanspruchs 8x
- WoGG § 9 Miete 5x
- WoGG § 11 Zu berücksichtigende Miete und Belastung 1x
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- 2 A 1250/18 2x (nicht zugeordnet)
- WoGG § 13 Gesamteinkommen 2x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 75 3x
- VwGO § 167 1x
- VwGO § 113 2x
- VwGO § 68 1x
- 5 SO 48/19 1x (nicht zugeordnet)
- WoGG § 15 Ermittlung des Jahreseinkommens 2x
- 2 A 725/18 1x (nicht zugeordnet)
- WoGG § 17 Freibeträge 1x
- WoGG § 16 Abzugsbeträge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge 7x
- § 35 SGB XII 1x (nicht zugeordnet)
- WoGG § 18 Abzugsbeträge für Unterhaltsleistungen 1x
- 2 A 170/19 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 223/15 1x (nicht zugeordnet)
- WoGG § 8 Dauer des Ausschlusses vom Wohngeld und Verzicht auf Leistungen 2x
- WoGG § 14 Jahreseinkommen 5x
- WoGG § 4 Berechnungsgrößen des Wohngeldes 1x
- WoGG § 7 Ausschluss vom Wohngeld 2x