Urteil vom Verwaltungsgericht Hamburg (9. Kammer) - 9 K 6154/14

Tenor

Es wird festgestellt, dass die unter Ziffer II. der Verfügung vom 3. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. Dezember 2014 ausgesprochene Untersagung, „innerhalb der nächsten 6 […] Monate ab Bekanntgabe (Zustellung) dieses Bescheides Kinder, Jugendliche (unter 18 Jahren) […] insbesondere an ihrer Wohnanschrift und auf dem Schulweg planmäßig angelegt zu beobachten.“ rechtswidrig war. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt 3/4, die Beklagte 1/4 der Kosten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Verfügung, mit der ihm die Kontaktaufnahme sowie weitere Handlungen gegenüber Minderjährigen befristet untersagt wurden.

2

Der am […] geborene Kläger wurde wiederholt wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung rechtskräftig verurteilt:

3

1. Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 5. Oktober 2000: Verurteilung wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, die bis zum 4. Oktober 2003 zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung liegen zwei Vorfälle aus dem September 1999 zugrunde. In einem Fall filmte der Kläger eine junge Frau in einem Wartehäuschen, versuchte dann unter ihrem Rock zu filmen und fasste die Frau an die Brust. Im zweiten Fall verfolgte und filmte der Kläger eine Frau mit ihren beiden Kindern. Er sprach die Frau an und kniff ihr dann in die rechte Gesäßhälfte, worauf sich die Frau in einen nahegelegenen Hauseingang begab und klingelte. Der Kläger folgte ihr, hielt ihr mit einer Hand den Mund zu, griff mit der anderen Hand unter den Rock zwischen die Beine der Frau und forderte sie auf, nicht zu klingeln. Der Kläger ließ von der Frau ab, als im Haus ein Hund bellte. Bei der Tat führte der Kläger einen Elektroschocker bei sich.

4

2. Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26. Juni 2001: Verurteilung wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit versuchter sexueller Nötigung und mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten. Der Verurteilung liegt ein Vorfall aus dem März 2001 zugrunde. Danach bemerkte der Kläger auf dem Rückweg von einer Feier gegen 3.30 Uhr eine 16-jährige Frau in einer ansonsten menschenleeren Straße. Der Kläger entschloss sich, der jungen Frau, die sich auf dem Heimweg befand, aufzulauern und sie zu vergewaltigen. Dazu parkte der Kläger seinen Pkw, passte sie hinter einem Lkw versteckt ab und sprach sie an. Als die junge Frau ausweichen und weitergehen wollte, packte der Kläger sie und zog sie in eine Parkbucht. Die Frau wehrte sich heftig, woraufhin der Kläger sie zu Boden riss und durch wiederholte Gewaltanwendung gefügig zu machen versuchte. Der Kläger griff ihr dabei wiederholt kräftig zwischen die Beine. Bei dem Versuch, die Frau zu fesseln, gelang es ihr, sich aufzuraffen und zu fliehen.

5

3. Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 6. Mai 2009: Verurteilung wegen versuchter sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten. Der Verurteilung liegt ein Vorfall aus dem März 2008 zugrunde. Dabei filmte der Kläger eine junge erwachsene Frau mit einer für die Nachtsicht ausgerüsteten Digitalkamera und folgte ihr im Abstand von wenigen Metern. Da sie dies als unangenehm empfand, wollte sie die Straßenseite wechseln. In diesem Moment trat der Kläger an sie heran und schob die Kamera unter ihren Rock zwischen die Beine. Der Kläger führte während der Tat einen Handschuh in seiner Jackentasche mit sich.

6

4. Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 14. August 2015: Verurteilung wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften und tätlicher Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Danach bezog der Kläger am 12. Februar 2012 über das Internet 619 kinderpornografische Bilder, die zum Teil erheblichen sexuellen Missbrauch an Kindern unter 14 Jahren wiedergaben. Am 12. Oktober 2012 verfolgte der Kläger früh morgens eine junge erwachsene Frau, die sich auf dem Heimweg befand, und griff ihr, als sie gerade ihre Haustür aufschließen wollte, zwischen die Beine und führte kreisartige Bewegungen mit seinem Daumen aus. Nach wenigen Sekunden ließ er von ihr ab und lief davon. Die gegen das Urteil vom Kläger und der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufungen wurden jeweils zurückgenommen.

7

Im Rahmen der Strafvollstreckung kam es zu zwei Bewährungswiderrufen, zudem unterliegt der Kläger seit dem 19. Januar 2015 Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht:

8

Der Strafrest der mit Urteil des Landgerichts Hamburg vom 26. Juni 2001 verhängten Freiheitsstrafe (s.o. Ziffer 2.) wurde zunächst mit Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 20. September 2005 für die Dauer von fünf Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährung wurde aufgrund der Verurteilung unter Ziffer 3. mit Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 9. Juli 2010 widerrufen, die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde wurde vom Hanseatischen Oberlandesgericht am 22. Dezember 2011 verworfen. Das Landgericht Hamburg setzte mit Beschluss vom 6. November 2012 erneut die Vollstreckung des Restes dieser Freiheitsstrafe unter Erteilung von Weisungen für die Dauer von vier Jahren zur Bewährung aus. Der Kläger wurde am 20. November 2012 aus der Strafhaft entlassen.

9

Mit Beschluss vom 16. Dezember 2013 ergänzte das Landgericht Hamburg diesen Bewährungsbeschluss um vier weitere Weisungen (Weisungen Ziffern 6. bis 9.). Unter Ziffer 6. wurde dem Kläger ein Kontakt- und Näherungsverbot gegenüber Minderjährigen auferlegt, Ziffer 7. betraf ein Verbot, sich im Umkreis von weniger als 50 Metern um Orte aufzuhalten, an denen sich typischerweise Minderjährige befinden. Durch die Weisung Ziffer 9. wurde dem Kläger untersagt, sich auf nichtöffentlichem Gelände aufzuhalten. Die unter Ziffer 8. ausgesprochene Weisung lautete wie folgt:

10

8. Dem Verurteilten wird untersagt, Kinder, Jugendliche und Frauen zu verfolgen, ihnen nachzusteigen, aufzulauern, sie zu beobachten, auszuspähen, zu fotografieren oder zu filmen. Von dem Film- und Fotografieverbot ausgenommen sind Personen aus dem eigenen Familien- und Bekanntenkreis.“

11

Die ergänzenden Weisungen begründete das Landgericht mit der Gefahr der Begehung weiterer Sexualstraftaten durch den Kläger. Es stützte sich bei seiner Beurteilung maßgeblich auf die Hinweise des Landeskriminalamtes Hamburg, das den Kläger in den vorgehenden Monaten wiederholt observiert und dabei verdächtiges Verhalten und Vorbereitungshandlungen beobachtet habe. So habe er in einem Fall ein Kind bis zu einem Kleingarten verfolgt, in einem anderen Fall habe er durch ein Fenster einer Wohnung eine Frau gefilmt und seine Spuren beim Verlassen der Örtlichkeit verwischt. In einem weiteren Fall habe der Kläger eine erwachsene Frau mit seinem Pkw verfolgt und sich hinter ihrem Haus aufgehalten. Des Weiteren sei der Kläger vermehrt dabei beobachtet worden, dass er Schulmädchen angesprochen und eines auch in den Arm genommen habe. Bei einer Durchsuchung bei dem Kläger seien kinderpornografisches Material sowie digitale Darstellungen mit sexueller Gewalt und Fesselungen auf einem PC gefunden worden. Zudem sei das Muster zu erkennen, dass der Kläger gezielt bestimmte Orte zu bestimmten Zeiten aufsuche: Tagsüber halte er sich häufig in der Nähe von Schulen auf, nachts sei er wiederholt vor S- und U-Bahnstationen sowie an Nachtbushaltestellen beobachtet worden. Die Beschwerde des Klägers gegen die zitierten Weisungen Ziffern 6. und 7. wurde vom Hanseatischen Oberlandesgericht mit Beschluss vom 30. Juni 2014 zurückgewiesen.

12

Unter dem 4. September 2014 ordnete das Landgericht Hamburg aufgrund von Verstößen gegen die oben genannten Weisungen Ziffern 7., 8. und 9. und einer angenommenen unmittelbaren Gefahr neuer Sexualdelinquenz des Klägers Sicherungshaftbefehl gemäß § 453c StPO gegen diesen an und widerrief mit Beschluss vom 9. September 2014 die Aussetzung der Reststrafe. Das Landgericht stützte sich dabei wiederum auf Observationen des Landeskriminalamtes Hamburg. Danach habe der Kläger am 7. August 2014 einen in einer Grünanlage befindlichen Kinderspielplatz, wo sich zwei Frauen und zwei Kinder befunden hätten, beobachtet und betreten und habe dabei ein ca. neunjähriges Kind verfolgt. Zwischen dem 31. Juli und 12. August 2014 habe er in vier Fällen Kinder und Frauen beobachtet oder verfolgt und in einem weiteren Fall habe er nachts ein umfriedetes Grundstück betreten. Darin lägen beharrliche Verstöße gegen vorgenannte Weisungen, obwohl der Kläger in einer mündlichen Anhörung vom 12. Dezember 2013 über die Bedeutung der Weisungen aufgeklärt worden sei und er zudem von den wiederholten Observationen gewusst habe. Das Verhalten stehe in eindeutiger Fortsetzung des schon den Verurteilungen zugrunde liegenden Verhaltens des „Cruisens“ und Beobachtens. Das Gericht bezieht sich ferner auf die am 22. April 2014 erhobene Anklage gegen den Kläger wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften sowie des Verdachts einer tätlichen Beleidigung mit Tatzeit vom 12. Oktober 2012 (s.o. Verurteilung Ziffer 4.). Weiter ergibt sich, dass der Kläger aufgrund seiner Strafdelikte über Jahre in psychotherapeutischer Behandlung war. Diese sei durch Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 20. September 2005 für die Dauer von drei Jahren als Weisung festgelegt worden, sei bei dem Therapeuten […] durchzuführen gewesen und sei am 15. Januar 2008 regulär abgeschlossen worden. Von Herbst 2008 bis März 2010 habe er sich freiwillig in Behandlung bei dem Therapeuten […], ab dem 31.März 2009 zusätzlich bei dem Therapeuten Prof. Dr. […] befunden. Das Landgericht Hamburg geht in seinem Beschluss, u.a. unter Bezugnahme auf die Urteilsgründe des Beschlusses vom 9. Juli 2010 sowie ein Prognosegutachten des psychologischen Sachverständigen […] vom 30. September 2012, davon aus, dass die Therapien an dem Verhalten des Klägers nichts ändern konnten. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 9. September 2014 wurde vom Hanseatischen Oberlandesgericht am 10. Oktober 2014 zurückgewiesen, weil ein gröblicher Verstoß gegen die Weisung, sich nicht im Umkreis von weniger als 50 Metern von Orten aufzuhalten, an denen sich typischerweise Minderjährige aufhalten, vorgelegen habe. Das Hanseatische Oberlandesgericht deutete in diesem Beschluss u.a. Zweifel an der Bestimmtheit der oben zitierten Weisung Ziffer 8. an, ließ dies aber im Ergebnis offen. Der Kläger verbüßte daraufhin den Strafrest bis zum 21. Oktober 2014.

13

Mit Beschluss vom 19. Januar 2015 setzte das Landgericht Hamburg die gemäß § 68f Abs. 1 StGB kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht auf die Dauer von fünf Jahren ab Entlassung aus dem Strafvollzug fest und untersagte dem Kläger, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen und sich im Umkreis von weniger als 50 Metern um Orte aufzuhalten, an denen sich üblicherweise Kinder und Jugendliche aufhalten. Dem Kläger wurde zudem die Weisung erteilt, eine Fußfessel zu tragen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Klägers wurde vom Hanseatischen Oberlandesgericht am 6. Mai 2015 zurückgewiesen. Das Gericht ging unter Einbezug der früheren Verurteilungen und Bewährungswiderrufe davon aus, dass die Persönlichkeit des Klägers erheblich defizitär sei. Es liege bei ihm eine sexuelle Devianz vor, die sich in den Sexualstraftaten niedergeschlagen habe und die weder durch den Strafvollzug noch durch langjährige therapeutische Behandlungen behoben worden sei.

14

Die streitgegenständliche Verfügung der Beklagten erging am 3. Juli 2014, d.h. vor dem Bewährungswiderruf vom 9. September 2014, indem die Beklagte die Verfügung dem Bevollmächtigten des Klägers per Telefax übersandte. Die erste Seite des Telefax bestand aus einem mit Briefkopf versehenen Anschreiben der Beklagten an den Bevollmächtigten des Klägers, mit dem er informiert wurde, dass die Übersendung an ihn mit dem Kläger telefonisch vorab besprochen und der Kläger mündlich bereits über den Inhalt der Verfügung und die Möglichkeit der Anordnung eines Zwangsgeldes informiert worden sei. Die weiteren Seiten des Telefax enthielten die als Anlage zu dem Anschreiben übersandte streitgegenständliche Verfügung, die weder datiert war noch einen Briefkopf enthielt. Sie war indes unterschrieben und mit „LKA42“ gekennzeichnet.

15

Mit der streitgegenständlichen Verfügung wurde unter der Ziffer I. angeordnet:

16

[…] aufgrund des § 12 b Absatz 3 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung […] wird es Ihnen untersagt, innerhalb der nächsten 6 […] Monate ab Bekanntgabe (Zustellung) dieses Bescheides Kontakt zu Kindern und Jugendlichen (unter 18 Jahren) aufzunehmen, sofern sie nicht in der Begleitung und der Aufsicht eines Erziehungsberechtigten sind, insbesondere sie anzusprechen, zu berühren, zu beaufsichtigen, zu beherbergen, in einem Fahrzeug zu befördern, durch Gesten oder Handlungen zur Kontaktaufnahme aufzufordern.

17

Das Kontakt- und Näherungsverbot gilt nicht für die Kinder Ihrer Lebensgefährtin Frau […], soweit die Kontaktaufnahme nicht gegen ein anderes behördliches oder gerichtliches Verbot verstößt.

18

Sofern im Einzelfall ein berechtigtes Interesse zur Kontaktaufnahme zu bestimmten anderen Kindern und Jugendlichen (unter 18 Jahren) bestehen sollte, kann eine Sondererlaubnis bei der im Briefkopf angegebenen Dienststelle beantragt werden […].“

19

Unter der Ziffer II. der streitgegenständlichen Verfügung hieß es weiter:

20

Ihnen wird ferner aufgrund des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung […] untersagt, innerhalb der nächsten 6 […] Monate ab Bekanntgabe (Zustellung) dieses Bescheides Kinder, Jugendliche (unter 18 Jahren) zu verfolgen, ihnen aufzulauern, sie insbesondere an ihrer Wohnanschrift und auf dem Schulweg planmäßig angelegt zu beobachten.“

21

Zugleich wurde die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass für den Fall der Zuwiderhandlung die Verfügung mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt sowie ein Zwangsgeld erhoben werden könnte. Sofern das Zwangsgeld erfolglos bliebe und ein anderes Zwangsmittel nicht erfolgversprechend sei, könne auch Erzwingungshaft angeordnet werden. Für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Verfügung wurde gemäß § 14 HmbVwVG ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro festgesetzt.

22

Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die in der Vergangenheit ergangenen Strafurteile, die eingeleiteten Ermittlungsverfahren und die durch den Kläger verursachten polizeilich festgestellten Gefährdungen die Prognose zulassen würden, dass eine Abwehr von Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit der in der Verfügung genannten Personengruppen erforderlich sei und die Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht entgegenstehe. Dazu wurden die oben unter den Ziffern 1. bis 3. genannten Urteile angeführt und das jeweilige Tatgeschehen wiedergegeben. Ferner wurde die Begründung des Beschlusses des Landgerichts Hamburg vom 16. Dezember 2013 wiedergegeben. Des Weiteren führte die Beklagte drei weitere Vorfälle vom 18. und 19. November 2013 sowie vom 26. Juni 2014 an, die der Polizei durch (Straf-)Anzeigen bekannt geworden seien: Am 18. November 2013 habe der Kläger ein bestimmtes Schulkind mit seinem Pkw auf dem Schulweg verfolgt und es dann bei geöffneter Beifahrertür zum Mitkommen aufgefordert. Am 19. November 2013 habe der Kläger nach demselben Schulkind, das sich mit dem Fahrrad auf dem Schulweg befunden habe, gegriffen und es am Ärmel erfasst, das Kind habe sich jedoch losreißen und weiterfahren können. Am 26. Juni 2014 habe dasselbe Kind, während es den Hund ausgeführt habe, bemerkt, dass ihm ein Pkw in seinem Schritttempo gefolgt sei. Es habe durch das heruntergelassene Beifahrerfenster den Kläger wiedererkannt, worauf es verängstigt davon gelaufen sei. Der Kläger habe dann die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs auf die Laufgeschwindigkeit des Kindes angepasst und habe es bis zur Höhe seiner Haustür verfolgt. Das Kind habe den Kläger aus einer Wahllichtbildvorlage sicher wiedererkannt.

23

Mit Schreiben vom 9. Juli 2014 legte der Kläger Widerspruch gegen die streitgegenständliche Verfügung ein. Zur Begründung führte er aus, dass § 12b Abs. 3 HmbSOG keine geeignete Rechtsgrundlage für die unter Ziffer I. der Verfügung ausgesprochene Untersagung sei, weil ein solches Verbot nur in Bezug auf eine konkrete andere Person, nicht aber auf einen nur abstrakt bestimmten Personenkreis wie Kinder und Jugendliche gestützt werden könne. Zu den im Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 16. Dezember 2013 geschilderten Vorkommnissen sei es ebenso wenig gekommen wie zu den Vorkommnissen am 26. Juni 2014 und zuvor. Des Weiteren sei die Untersagung in Ziffer II. der Verfügung zu unbestimmt.

24

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2014 wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf die Begründung der Verfügung vom 3. Juli 2014 sowie unter weiterer Bezugnahme auf die Beschlüsse des Landgerichts Hamburg vom 4. und 9. September 2014 sowie den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 10. Oktober 2014 zurück. Ergänzend wurde im Hinblick auf Ziffer I. der streitgegenständlichen Verfügung ausgeführt, dass das Verhalten des Klägers vom 26. Juni 2014 gezeigt habe, dass die Weisungen des Landgerichts Hamburg aus dem Beschluss vom 16. Dezember 2013 für die Zwecke der Gefahrenabwehr nicht ausreichend gewesen seien. Sanktion eines Verstoßes gegen Bewährungsweisungen sei allein der Widerruf der Bewährung, was in der Regel nicht kurzfristig erfolge und daher keinen Eingriff in ein akut gefahrenbegründendes Geschehen ermögliche. Die streitgegenständliche Verfügung sei auch nach wie vor erforderlich, weil nach dem Bewährungswiderruf durch das Landgericht und vollständiger Reststrafenverbüßung die Bewährungsweisungen nicht mehr in Kraft seien sowie die kraft Gesetz eintretende Führungsaufsicht noch nicht durch konkrete Weisungen ausgestaltet worden sei. Dies sei erst für Januar 2015 zu erwarten. Die Beklagte kündigte zudem an, dass die streitgegenständliche Verfügung mit Rechtskraft der dem Kläger nach § 68b StGB zu erteilenden Weisungen aufgehoben würde, da diese dann aufgrund der für Gefahrenabwehrzwecke ausreichenden Strafandrohung des § 145a StGB im Fall des Weisungsverstoßes nicht mehr erforderlich sei. Im Übrigen reiche im Rahmen des § 12b Abs. 3 HmbSOG eine hinreichende Bestimmbarkeit der zu schützenden Personengruppe. Die unter Ziffer II. der Verfügung erfolgten Anordnungen seien nicht unbestimmt, weil die Begriffe aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verständlich seien und die Formulierung „planmäßig angelegt zu beobachten“ in § 163f StPO verwendet werde. Diese Formulierung mache hinreichend deutlich, dass eine nicht nur zufällige, sondern einem Plan folgende Beobachtung von dem Verbot erfasst sei.

25

Am 22. Dezember 2014 hat der Kläger dagegen unter Aufrechterhaltung der Argumentation aus dem Widerspruch Klage erhoben. Ergänzend führt der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, dass neben den nur unter engen Voraussetzungen möglichen Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht polizeiliche Maßnahmen nicht zulässig seien. Daneben sei § 3 Abs. 1 HmbSOG keine geeignete Rechtsgrundlage für die in Ziffer II. der Verfügung geregelte Untersagung, weil § 12b Abs. 3 HmbSOG insofern die speziellere Rechtsgrundlage sei. Die Vorfälle vom 18. und 19. November 2013 sowie dem 26. Juni 2014 seien ebenso wie bestimmte Observationsergebnisse nie vollständig überprüft worden, weder von der Beklagten noch von den Strafgerichten, die die polizeilichen Feststellungen weitgehend ungeprüft übernommen hätten. Bei den vermeintlichen polizeilichen Feststellungen handele es sich lediglich um Verdachtsfälle. Die vermeintliche sexuelle Devianz des Klägers sei nie fachmännisch festgestellt worden. Die in der Verfügung enthaltenen Verbote seien des Weiteren nicht zur Gefahrenabwehr geeignet, weil sie zu unbestimmt seien und von den untersagten Handlungen keine Gefahr ausgehe. Die Anordnung unter Ziffer I. sei ferner unverhältnismäßig, weil dem Kläger die Einholung einer polizeilichen Sondererlaubnis für eine Kontaktaufnahme für bestimmte Minderjährige – z.B. Verwandte – nicht zumutbar sei. Darin liege eine nicht hinnehmbare Einschränkung der Lebensgestaltung des Klägers und eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 und Art. 6 GG. Zudem sei die Sachakte unvollständig.

26

Nachdem der Kläger zunächst einen Antrag auf Aufhebung der streitgegenständlichen Verfügung gestellt hatte, beantragt er nunmehr,

27

festzustellen, dass die Verfügungen der Beklagten vom 3. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. Dezember 2014 rechtswidrig gewesen sind.

28

Die Beklagte beantragt,

29

die Klage abzuweisen.

30

Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Ausführungen in der streitgegenständlichen Verfügung und in dem Widerspruchsbescheid sowie auf die in Bezug genommenen gerichtlichen Entscheidungen. Ergänzend führt sie aus, dass Verdachtsfälle grundsätzlich eine ausreichende Grundlage im Gefahrenabwehrrecht seien, einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bedürfe es nicht.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie auf die Sachakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

32

Die Klage ist zulässig, hat in der Sache jedoch überwiegend keinen Erfolg. Die Verfügung der Beklagten vom 3. Juli 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 2014 war insoweit rechtswidrig, als dem Kläger untersagt wurde, „innerhalb der nächsten 6 […] Monate ab Bekanntgabe (Zustellung) dieses Bescheides Kinder, Jugendliche (unter 18 Jahren) […] insbesondere an ihrer Wohnanschrift und auf dem Schulweg planmäßig angelegt zu beobachten“. Im Übrigen war die Verfügung rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

33

1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Die streitgegenständliche Verfügung erledigte sich nach Klageerhebung am 3. Januar 2015 durch Zeitablauf. Dem Kläger steht aufgrund einer potenziell erheblichen Grundrechtsbeeinträchtigung durch die streitgegenständliche Verfügung (Rehabilitationsinteresse) sowie der Möglichkeit des Erlasses einer ähnlichen Verfügung in der Zukunft – jedenfalls nach Ablauf der Führungsaufsicht – (Wiederholungsgefahr) auch das erforderliche Feststellungsinteresse zur Seite.

34

2. Die Klage ist nur in dem im Tenor ausgesprochenen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

35

a) Der Rückgriff der Beklagten auf die Ermächtigungsnormen der § 12b Abs. 3 und § 3 Abs. 1 HmbSOG war vorliegend nicht dadurch gesperrt, dass der Bundesgesetzgeber für den hier fraglichen Sachbereich der „Abwehr von konkreten Gefahren durch rückfallgefährdete Sexualstraftäter“ durch die Regelungen im Vierten Titel des Dritten Abschnitts des Strafgesetzbuches („Strafaussetzung zur Bewährung“, §§ 56 ff. StGB) eine abschließende Regelung getroffen hätte.

36

Sofern der Kläger ausführt, dass neben den nur unter engen Voraussetzungen möglichen Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht zusätzliche gefahrenabwehrrechtliche Weisungen durch die Beklagte nicht zulässig seien, verkennt er, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Verfügung keine Führungsaufsicht für den Kläger bestand. Vielmehr unterlag er zu diesem Zeitpunkt verschiedenen Weisungen nach § 56c Abs. 2 StGB, von denen zwei Weisungen den mit der streitgegenständlichen Verfügung festgelegten Untersagungen ähnelten.

37

Diese Bewährungsweisungen haben die Anwendung polizeirechtlicher Gefahrenabwehrbefugnisse nicht gesperrt, weil sie unterschiedliche Regelungskreise betreffen.

38

Gemäß Art. 72 Abs. 1 GG dürfen die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung eigene Gesetze nur erlassen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Landesrechtliche Regelungen sind daher grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die bundesgesetzliche Regelung dieses Sachbereichs abschließenden Charakter hat. Ob eine bundesrechtliche Regelung abschließend ist oder nicht, kann nur einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes entnommen werden (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 29.3.2000, 2 BvL 3/96, juris, Rn. 83 m.w.N.).

39

Die Regelungen der §§ 56 ff. StGB beruhen auf dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG („Strafrecht“), wobei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dieser Kompetenztitel weit zu verstehen ist (hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Urt. v. 10.2.2004, 2 BvR 834/02 u. 1588/02, juris, Rn. 86 ff.). Zu dem Bereich des Strafrechts gehören nicht nur „Strafen“ im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG, sondern die Gesamtheit der Rechtsnormen, die für eine rechtswidrige Tat eine Strafe, Buße oder Maßregel der Besserung und Sicherung festsetzen. Daher können auch präventive Maßnahmen Gegenstand dieses Kompetenztitels sein. Es bedarf dabei eines Sachzusammenhangs zwischen der Strafe und der rein präventiven Sanktion. Ansatzpunkt des Kompetenztitels ist eine begangene Straftat, die Anlasstat. Ist die Anlasstat dagegen nicht notwendige Bedingung einer Präventivmaßnahme, besteht kein die Kompetenz des Strafgesetzgebers begründender Sachzusammenhang (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.7.2013, 2 BvR 2302/11, juris, Rn. 55; BVerfG, Urt. v. 10.2.2004, a.a.O., Rn. 102).

40

Die streitgegenständliche Verfügung knüpfte nicht an eine bestimmte Straftat als Anlasstat an, sondern wurde durch den Vorfall vom 26. Juni 2014 veranlasst. Dies ergibt sich aus der Begründung der streitgegenständlichen Verfügung und insbesondere aus der Begründung des Widerspruchsbescheides (dort S. 8: „Durch das Verhalten des Widersprechenden am 26.06.2014 lagen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Bewährungsweisungen […] nicht ausreichten und zur effektiven Gefahrenabwehr […] ergänzt werden musste.“). Im Rahmen der Gefahrenprognose wurden zwar auch die vom Kläger begangenen Straftaten berücksichtigt, diese waren aber nicht originärer Anlass der Verfügung. Es fehlte daher bereits an dem für eine Kompetenz des Strafgesetzgebers erforderlichen Sachzusammenhangs zwischen der Präventivmaßnahme und einer Anlassstraftat, so dass es für die hier in Frage stehende Maßnahme bei der Gesetzgebungskompetenz des Landes blieb.

41

Dem stehen die Ausführungen des VG Freiburg in seinem Urteil vom 14. Februar 2013 (4 K 1115/12, juris, Rn. 41 ff.) nicht entgegen. Dieses hat für den Bereich der Führungsaufsicht nach den §§ 68 ff. StGB die Auffassung vertreten, dass ein Rückgriff auf die polizeirechtlichen Ermächtigungsnormen nach Art. 72 Abs. 1 GG für den Sachbereich „Gefahr durch rückfallgefährdete Sexualstraftäter“ – jedenfalls in Bezug auf Dauermaßnahmen – aufgrund abschließender Regelungen in den §§ 68 ff. StGB verwehrt sein könnte, hat diese Frage aber letztlich offen gelassen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich jedoch grundlegend von dem Fall, der dem Urteil des VG Freiburg zugrunde lag. Zum einen hatte das VG Freiburg einen Fall zu beurteilen, in dem die polizeiliche Maßnahme nicht wie vorliegend an neue, tatsächliche Anhaltspunkte der Gefahr der Begehung einer Straftat anknüpfte, sondern ausschließlich auf die potenzielle Gefährlichkeit des verurteilten Sexualstraftäters gestützt wurde (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 14.2.2013, a.a.O., Rn. 8). Zum anderen handelt es sich vorliegend um keinen Fall einer unter Führungsaufsicht stehenden Person.

42

Die Ausführungen des VG Freiburg sind auch nicht übertragbar, weil Bewährungsweisungen einen anderen Zweck als Weisungen im Rahmen der Führungsaufsichtverfolgen und an andere Voraussetzungen geknüpft sind. Die Bewährung stellt eine Modifikation der Freiheitsstrafe dar, während die Führungsaufsicht als Maßregel der Besserung und Sicherung neben der Freiheitsstrafe angeordnet wird. Als Zielstellung kann dem Wortlaut des § 56c Abs. 1 Satz 1 StGB entnommen werden, dass die (Bewährungs-)Weisung eine Hilfestellung für den Betroffenen darstellt („wenn er dieser Hilfe bedarf, um keine Straftaten mehr zu begehen.“). Es geht daher vornehmlich um eine Resozialisierung des Verurteilten, die Weisungen sollen ihm beim Erreichen des Bewährungsziels helfen (vgl. OLG Jena, Urt. v. 13.12.2010, 1 Ws 455/10, juris, Rn. 23; von Heintschel-Heinegg, in: Beck'scher Online Kommentar StGB, 32. Aufl. 2016, § 56c Rn. 1; Hubrach, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, § 56c Rn. 1). Die Weisung soll verhaltenslenkende, spezialpräventive Wirkung zugunsten des Verurteilten entfalten. Der Zweck von Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b StGB liegt darüber hinaus, wenn nicht sogar vorrangig, im Schutz der Allgemeinheit (vgl. BT-Drs. 17/3403, S. 13f.; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 68 Rn. 3 m.w.N.). Weisungen nach § 68b StGB haben stärker kontrollierenden und überwachenden Charakter (vgl. BT-Drs. 17/3403, S. 13f.; Heuchemer, in: Beck'scher Online Kommentar StGB, 32. Aufl. 2016, § 68b Rn. 2) und weisen daher eine größere Nähe zur Gefahrenabwehr auf. Vor diesem Hintergrund sind auch die Ausführungen des VG Freiburg zur möglichen Sperrwirkung der §§ 68 ff. StGB zu sehen (vgl. Urt. v. 14.2.2013, a.a.O., Rn. 43 ff.). Die landesrechtliche Kompetenz zur Gefahrenabwehr wird durch die spezialpräventiven Zwecken dienenden Bewährungsweisungen jedenfalls nicht verdrängt.

43

b) Die streitgegenständliche Verfügung war formell rechtmäßig. Zwar enthielt das den eigentlichen Verfügungstext und die Begründung wiedergebende Dokument, das dem Klägervertreter als Telefax übersandt wurde, weder Briefkopf noch Datum, sondern nur eine Unterschrift mit der handschriftlichen Kennzeichnung „LKA 42“. Dem eigentlichen Verfügungstext war jedoch mit demselben Telefaxvorgang ein Anschreiben vorgelagert, aus dem sich die handelnde Behörde ohne Weiteres ergab und mit dem auf den nachfolgenden Verfügungstext hingewiesen wurde. Es bestehen auch keine Zweifel an der Empfangsberechtigung des Klägervertreters, da der Kläger der Beklagten die Empfangsbevollmächtigung vorab mündlich mitgeteilt hatte.

44

Des Weiteren wurde der Kläger vor Erlass der Verfügung zwar nicht im Sinne des § 28 Abs. 1 HmbVwVfG angehört. Dies war indes unbeachtlich, ein möglicher Anhörungsmangel wurde jedenfalls durch die ordnungsgemäße Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt, vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3 HmbVwVfG.

45

c) Die Verfügung war insoweit rechtswidrig, als dem Kläger untersagt wurde, Kinder und Jugendliche planmäßig angelegt zu beobachten. Im Übrigen war sie rechtmäßig.

46

aa) Nicht zu beanstanden war das unter Ziffer I. der streitgegenständlichen Verfügung ausgesprochene Kontakt- und Näherungsverbot gegenüber Minderjährigen.

47

(1) Die Beklagte stützte das Kontakt- und Näherungsverbot jedoch zu Unrecht auf § 12b Abs.3 HmbSOG. Diese Norm ermächtigt dazu, einer Person zu untersagen, 1. Verbindung zu einer anderen Person, auch unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln, aufzunehmen sowie 2. das Zusammentreffen mit einer anderen Person herbeizuführen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit dieser Person insbesondere in engen sozialen Beziehungen erforderlich ist und der Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht entgegensteht. Bereits der Wortlaut der Norm („einer anderen Person“, „dieser Person“) legt nahe, dass es sich bei der oder den zu schützenden Personen um bestimmte, konkret zu benennende Personen und nicht um abstrakt beschriebene Personenkreise, die namentlich nicht näher bekannt sind, handelt. Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesbegründung gestützt. Dort wird ausgeführt:

48

Mit der Ergänzung des § 12b soll eine Lücke geschlossen werden, die trotz des Gewaltschutzgesetzes und des im 2007 geschaffenen Straftatbestandes des Näherungsverbotes in § 238 StGB nach wie vor besteht. Das Kontakt- und Näherungsverbot soll Eskalationen insbesondere in Nähebeziehungen verhindern und – wie auch die Wegweisung in Absatz 1 – dem Betroffenen ermöglichen, eine entsprechende Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz zu erwirken. Die Wegweisung aus der Wohnung und ein gegebenenfalls damit verknüpftes Aufenthaltsverbot für bestimmte bekannte Bereiche, an denen sich das Opfer in der Regel aufhält (Arbeitsplatz, Kindergarten u. ä.), schützen nicht vor den Gefahren, die zum Beispiel durch obsessives Belästigen durch Telefonanrufe, SMS, Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, Sendungen von E-Mails zu allen Tages- und Nachtzeiten oder durch das Verfolgen und Auflauern auf dem Weg von und zur Wohnung entstehen können. Durch das Wort „insbesondere“ wird klargestellt, dass sich der Anwendungsbereich zwar in erster Linie auf enge soziale Beziehungen erstrecken wird, dass aber auch Fälle denkbar sind, in denen das Opfer zwar den Störer kennt, aber nicht in einer engen Beziehung zu ihm steht.“ (Bü-Drs. 20/1923, S. 23).

49

Es wird deutlich, dass der Gesetzgeber ausschließlich Konstellationen vor Augen hatte, die denen des Gewaltschutzgesetzes (Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen vom 11. Dezember 2001, BGBl. I S. 3513) bzw. der Nachstellung gemäß § 238 StGB gleichen, die betroffene Person und der Störer also entweder in engen sozialen Beziehungen stehen oder sich zumindest – wenn auch nicht unbedingt namentlich – kennen. In einer solchen Situation soll die betroffene Person vor einer anderen bestimmten Person geschützt werden. Ein darüber hinausgehendes Verständnis, dass sich sowohl von der Notwendigkeit des „Kennens“ von betroffener Person und Störer als auch von der Konkretisierung der betroffenen Person(en) löst, wäre weder mit dem Wortlaut noch dem gesetzgeberischen Willen zu vereinen. Eine Anwendung des § 12b Abs. 3 HmbSOG auf lediglich abstrakt beschreibbare Personengruppen, wie zum Beispiel „Kinder und Jugendliche (unter 18 Jahren)“, scheidet daher aus.

50

(2) Das Kontakt- und Näherungsverbot konnte indes auf § 3 Abs. 1 HmbSOG gestützt werden. Danach treffen die Verwaltungsbehörden im Rahmen ihres Geschäftsbereichs nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall zum Schutz der Allgemeinheit oder des Einzelnen erforderlichen Maßnahmen, um bevorstehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen.

51

(a) § 3 Abs. 1 HmbSOG wurde vorliegend nicht durch § 12b Abs. 3 HmbSOG gesperrt.

52

(aa) Ein Rückgriff auf die Generalermächtigung des § 3 Abs. 1 HmbSOG ist grundsätzlich nicht möglich, wenn die fragliche Maßnahme in den Anwendungsbereich einer der in den §§ 11 ff. HmbSOG geregelten spezielleren Befugnisse („Besondere Maßnahmen“, auch Standardmaßnahmen genannt) fällt. Dies war vorliegend nicht der Fall, weil es um ein Kontakt- und Näherungsverbot gegenüber einem abstrakten Personenkreis ging, der wie aufgezeigt von § 12b Abs. 3 HmbSOG nicht erfasst ist.

53

Ferner wird teilweise vertreten, dass ein Rückgriff auf die Generalermächtigung dann ausscheide, wenn es um eine Maßnahme gehe, die einer speziell geregelten Maßnahme ähnele, dabei aber weiter reiche (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. 2016, Rn. 38; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kap. E Rn. 717). Regele der Gesetzgeber eine bestimmte Maßnahme, so sei eine gleichartige, aber eingriffsintensivere Maßnahme ausgeschlossen (vgl. Rachor, a.a.O., Kap. E Rn. 718). So sei es beispielsweise nicht möglich, ein längerfristiges Aufenthaltsverbot auszusprechen, wenn gesetzlich lediglich der kurzfristige Platzverweis geregelt sei (vgl. Schenke, a.a.O., Rn. 38; Rachor, a.a.O., Kap. E Rn. 717; s.a. VGH Kassel, Beschl. v. 28.1.2003, 11 TG 2548/02, juris).

54

Selbst wenn man dieser Ansicht folgen würde, führte dies vorliegend nicht zur Sperrung einer Anwendung des § 3 Abs. 1 HmbSOG, weil das hier in Frage stehende Kontakt- und Näherungsverbot nicht durch § 12b Abs. 3 HmbSOG erfasst war und es sich nicht um eine vergleichbare Maßnahme handelte. Ähnlichkeit besteht zwar insofern als sowohl die streitgegenständliche Verfügung als auch § 12b Abs. 3 HmbSOG ein Kontakt- und Näherungsverbot zum Gegenstand haben. Der vorstehend zitierten Gesetzesbegründung lässt sich jedoch entnehmen, dass § 12b Abs. 3 HmbSOG ausschließlich der Schließung einer Lücke im Bereich des Gewaltschutzgesetzes und der Nachstellung gemäß § 238 StGB dient. Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass sich der Anwendungsbereich des § 12b Abs. 3 HmbSOG auf die dort genannten Konstellationen beschränkt, ohne dass dadurch ein Kontakt- und Näherungsverbote in anderen Konstellationen ausgeschlossen werden sollte. Eine weitergehende Sperrwirkung im Hinblick auf Kontakt- und Näherungsverbote in anderen Zusammenhängen war nicht nur nicht beabsichtigt, sondern würde diesem gesetzgeberischen Willen zuwider laufen.

55

(bb) Des Weiteren lag in dem vorliegenden Kontakt- und Näherungsverbot keine Maßnahme, die einer Spezialermächtigung bedurft hätte.

56

§ 3 Abs. 1 HmbSOG kommt als Generalermächtigung eine wichtige Auffangfunktion für komplexe, atypische Gefahrenlagen, die von den spezielleren Regelungen der §§ 11 ff. HmbSOG nicht erfasst sind, zu (vgl. zum Verhältnis Generalklausel zu Standardbefugnissen OVG Bremen, Urt. v. 24.3.10998, 1 BA 27-97, juris, Rn. 27; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. 2016, § 7 Rn. 18; Lambiris, Klassische Standardbefugnisse im Polizeirecht, 2001, S. 45 ff., 64). Stellt sich eine Gefahrenlage aber nicht (mehr) als atypisch oder unvorhersehbar dar, kann dies zu einem gesetzlichen Regelungsbedürfnis führen (vgl. Pieroth/Schlink/Kniesel, a.a.O., § 7 Rn. 20). Ein Indiz stellt insofern der wiederholte – sozusagen standardmäßige – Einsatz bestimmter Maßnahmen in vergleichbaren Situationen dar.

57

Die Beklagte teilte auf Nachfrage des Gerichts mit, dass ähnliche Kontakt- und Näherungsverbote in Einzelfällen bereits zur Anwendung gekommen seien, beispielsweise bei einer Frau, die gedroht habe, bestimmte Kinder umzubringen. Konkrete Fallgruppen konnte die Beklagte nicht benennen, es handele sich um Einzelfallbetrachtungen. Das Gericht geht daher davon aus, dass sich für die Anwendung solcher Verbote bislang keine feststehende Praxis bei der Beklagten gebildet hat. Der Rechtsprechung kann auch für andere Bundesländer nichts Gegenteiliges entnommen werden (vgl. VGH München, Beschl. v. 1.2.2016, 10 CS 15.2689, juris, Rn. 16; VG München, Beschl. v. 18.11.2015, M 22 S 15.2057, juris; VG Darmstadt, Beschl. v. 16.10.2009, 3 L 1179/09, juris; vgl. auch Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 3. Aufl. 2011, Art. 11 Rn. 204: Kontaktverbot kann auf Generalklausel gestützt werden). Sollte die Beklagte jedoch beabsichtigen, derartige Verbote zukünftig wiederholt und nicht nur in seltenen Einzelfällen auszusprechen, liegt die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung von Kontakt- und Näherungsverboten für lediglich abstrakt beschreibbare Personengruppen nahe.

58

Eine spezielle Ermächtigungsgrundlage kann zudem bei länger andauernden und dadurch besonders schwerwiegenden polizeilichen Maßnahmen erforderlich werden, wobei der Rückgriff auf die Generalermächtigung aber im Rahmen einer Überganszeit zulässig bleiben kann; dies wurde insbesondere zu der Fallgruppe der Dauerobservation rückfallgefährdeter Sexualstraftäter angenommen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.11.2012, 1 BvR 22/12, juris, Rn. 25; OVG Saarlouis, Urt. v. 6.9.2013, 3 A 13/13, juris, Rn. 75 ff.; OVG Münster, Urt. v. 5.7.2013, 5 A 607/11, juris, Rn. 97 ff.; VG Hamburg, Urt. v. 27.11.2013, 13 K 1715/13, n.v.).

59

Unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung sowie auf die in einigen Bundesländern vorhandenen spezialgesetzlichen Regelungen zu Kontakt- und Näherungsverboten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt hat das Verwaltungsgericht München in seinem Beschluss vom 18. November 2015 (M 22 S 15.2057, juris, Rn. 33) für ein gefahrenabwehrrechtliches Kontakt- und Näherungsverbot gegenüber Minderjährigen die Notwendigkeit einer polizeirechtlichen Spezialbefugnis angenommen. Dieser Ansicht trat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entgegen (Beschl. v. 1.2.2016, 10 CS 15.2689, juris), einer spezialgesetzlichen Regelung bedürfe es nicht. Insbesondere sei die Beeinträchtigung der Grundrechte im Fall eines Kontakt- und Näherungsverbots nicht vergleichbar oder gar gleichzusetzen mit dem Fall einer jahrelangen Dauerobservation, bei der einem außerhalb der Wohnung unablässig Polizisten folgten (VGH München, Beschl. vom 1.2.2016, a.a.O., Rn. 16).

60

Die Kammer folgt der Auffassung des Verwaltungsgerichts München ebenfalls nicht. Ein auf sechs Monate befristetes Kontakt- und Näherungsverbot stellt keinen derart schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen dar, dass es einer speziellen Ermächtigungsgrundlage bedürfte. Zwar greift das Kontakt- und Näherungsverbot in die Lebensführung und damit in Grundrechte des Betroffenen, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG, ein. Es ist aber nicht ersichtlich, dass der Betroffene dadurch grundsätzlich gehindert würde, ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben zu führen; im Fall des Klägers fehlt es dazu auch an substantiiertem Vortrag. Etwas anderes mag nur in Ausnahmefällen gelten, z.B. wenn das Verbot unbefristet oder jedenfalls sehr lange Zeiträume Geltung haben soll. Grundsätzlich ist die Eingriffsintensität eines befristeten Kontakt- und Näherungsverbots jedoch nicht vergleichbar mit den Fällen jahrelanger Dauerobservationen. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 12b Abs. 3 HmbSOG, dessen Einführung als neue Standardmaßnahme des HmbSOG wie aufgezeigt nur dazu diente, eine Lücke im Bereich häuslicher Gewalt und des „Stalkings“ zu schließen [s.o. 2.c)(aa)(1)], nicht aber, weil damit grundsätzlich ein der jahrelangen Dauerobservation vergleichbarer Grundrechtseingriff verbunden wäre.

61

(b) Der Austausch der Rechtsgrundlage ist zulässig. Die Verwaltungsgerichte haben im Rahmen des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO von Amts wegen zu prüfen, ob das materielle Recht die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht. Hierzu gehört die Prüfung, ob ein angegriffener Verwaltungsakt kraft einer anderen als der angegebenen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.4.1991, 8 C 92.89, juris, Rn. 9; Urt. v. 19.8.1988, 8 C 29.87, juris, Rn. 13). Weiter sind alle Umstände zu berücksichtigen, die die Aufrechterhaltung des angefochtenen Bescheides zu rechtfertigen vermögen (BVerwG, Urt. v. 25.2.1994, 8 C 14.92, juris, Rn. 25). Wird die in einem Bescheid verfügte Regelung auf einer anderen Rechtsgrundlage als der im Bescheid genannten aufrechterhalten, lässt dies die Identität der im Bescheid getroffenen behördlichen Regelung unberührt, wenn sie auf dasselbe Regelungsziel gerichtet bleibt und infolge des „Austauschs“ der Rechtsgrundlage keine Wesensänderung erfährt (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.10.1993, 8 C 33/92, NVwZ 1994, 903).

62

Im vorliegenden Fall führt der Austausch der Rechtsgrundlage zu keiner Wesensänderung der streitgegenständlichen Verfügung, die Identität der im Bescheid getroffenen behördlichen Regelung bleibt erhalten. Die Beklagte bleibt bei Anwendung des § 3 Abs. 1 HmbSOG zuständige Behörde. Sowohl Bescheidstenor als auch die Begründung der Verfügung können ferner unverändert erhalten werden. Außerdem handelt es sich bei beiden Normen um Ermessensentscheidungen.

63

(3) Das Kontakt- und Näherungsverbot war auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 Abs. 1 HmbVwVfG. Ein Verwaltungsakt ist hinreichend bestimmt, wenn die durch ihn getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen ist, dass für den Adressaten erkennbar ist, was genau von ihm gefordert wird und wie er sein Verhalten danach ausrichten kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.1.1993, 8 C 57/91, juris, Rn. 15; OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.8.2016, 11 ME 61/16, juris, Rn. 8; OVG Münster Beschl. v. 11.8.2016, 13 A 98/16, juris, Rn. 4) und die vollziehende Behörde den Inhalt des Verwaltungsakts etwaigen Vollstreckungshandlungen oder sonstigen Entscheidungen zugrunde legen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.4.2005, 4 C 18/03, juris, Rn. 53; VGH Kassel, Beschl. v. 24.3.2000, 11 TG 3096/99, juris, Rn. 7; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 37 Rn. 5).

64

Die untersagten Handlungen waren für den Kläger subjektiv verständlich und nachvollziehbar formuliert. Der Begriff des Kontakts dürfte bereits aus sich selbst heraus verständlich sein, er wird darüber hinaus durch verschiedene Handlungsvarianten („sie anzusprechen, zu berühren, zu beaufsichtigen, zu beherbergen, in einem Fahrzeug zu befördern, durch Gesten oder Handlungen zur Kontaktaufnahme aufzufordern“) hinreichend konkretisiert. Die Formulierung orientiert sich weitgehend an der gesetzlichen Formulierung in § 56c Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB. Das Kontakt- und Näherungsverbot war zudem hinreichend bestimmt, um Grundlage für die Festsetzung eines Zwangsgelds zu sein. Bei den untersagten Handlungen handelte es sich um solche, die von Dritten regelmäßig ohne Schwierigkeiten festgestellt werden können.

65

(4) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 HmbSOG lagen vor.

66

Die Maßnahme der Beklagten diente dem Schutz von Leib, Leben, Freiheit und sexueller Selbstbestimmung Minderjähriger und damit dem Schutz von Rechtsgütern der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

67

Die Gefahrprognose der Beklagten begegnet keinen Bedenken. § 3 Abs. 1 HmbSOG erfordert eine bevorstehende, d.h. konkrete Gefahr. Diese liegt vor, wenn im Einzelfall bei ungehindertem Geschehensablauf eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt besteht. Es handelt sich dabei um eine Prognoseentscheidung, die sich in erster Linie auf festgestellte Tatsachen gründen muss. Nur so kann die Prognose hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts auch gerichtlich überprüft werden (vgl. zum Gefahrbegriff BVerwG, Urt. v. 20.10.2016, 7 C 20/15, juris, Rn. 18 m.w.N.; Beaucamp/Ettemeyer/Rogosch/Stammer, HmbSOG/PolEDVG, 2. Aufl. 2009, § 3 Rn. 22ff.; Merten/Merten, Hamburgisches Polizei- und Ordnungsrecht, 2007, § 3 Rn. 21 ff.). Je höherwertiger das Rechtsgut dabei ist, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu stellen (st. Rspr. vgl. nur BVerwG, Urt. v. 15.1.2013, 1 C 10.12 , juris, Rn. 15; Merten/Merten, a.a.O., § 3 Rn. 23).

68

Zur Begründung der von dem Kläger ausgehenden Gefahr bezog sich die Beklagte im Ausgangsbescheid auf die zu dem damaligen Zeitpunkt rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers (vgl. Tatbestand Ziffern 1. bis 3.), den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 16. Dezember 2013, mit dem die Bewährungsweisungen des Kläger verschärft wurden, sowie drei Gefährdungsfälle zum Nachteil desselben Schulkindes vom 18./19. November 2013 und vom 26. Juni 2014. Die Beklagte nahm auf der Grundlage dieser Tatsachen eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit von Minderjährigen an. Im Widerspruchsbescheid führte sie ergänzend aus, dass durch das Verhalten des Klägers am 26. Juni 2014 tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, dass die Bewährungsweisungen für eine effektive Gefahrenabwehr nicht ausreichend seien und es daher zusätzlicher Gefahrenabwehrmaßnahmen bedürfe. Darüber hinaus wurde für den Zeitpunkt des Widerspruchbescheides die Gefahrprognose unter Bezugnahme auf die Erkenntnisse aus den nach dem 3. Juli 2014 durchgeführten Observationsmaßnahmen, aus dem Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 9. September 2014, mit dem die Bewährung des Klägers widerrufen wurde, sowie aus dem Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 10. Oktober 2014, mit dem die Beschwerde gegen den Bewährungswiderruf zurückgewiesen wurde, aktualisiert.

69

Die Gefahrprognose der Beklagten war nicht zu beanstanden. Der Kläger wurde wiederholt wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt und hat sich trotz erlittener Strafhaft nicht von der Begehung weiterer Sexualstraftaten abhalten lassen. Dies hatte im Jahr 2010 zu einem ersten Bewährungswiderruf geführt.Nach erneuter Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung im November 2012 fiel der Kläger wiederholt durch verdächtige Handlungen, die als Vorbereitungshandlungen gewertet werden konnten, auf. In dieser Zeit begann der Kläger vermehrt die Nähe von Schulkindern zu suchen und sprach diese vermehrt an. Diese Vorfälle können im Einzelnen dem Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 16. Dezember 2013 entnommen werden. Darüber hinaus wurden im Rahmen einer Durchsuchung im Jahr 2012 kinderpornografisches Material – dies führte zu der letzten rechtskräftigen Verurteilung des Klägers – sowie digitale Darstellungen sexueller Gewalt und Fesselungen auf einem PC des Klägers gefunden. Darin lag zwar als solches keine Gefährdung der angeführten Rechtsgüter, vor dem Hintergrund der Kontaktaufnahmeversuche des Klägers und der strafrechtlichen Verurteilungen – auch zum Nachteil Minderjähriger – konnte dies jedoch als Indiz bei der Gefahrenbewertung herangezogen werden. Hinzu treten die geschilderten Vorfälle vom 18./19. November 2013, bei denen dasselbe Kind betroffen war wie bei dem Vorfall vom 26. Juni 2014. Der letztgenannte Vorfall konnte zudem als Fortsetzung des für die bisherigen Straftaten und Vorfälle typischen Verhaltens des „Cruisens“ und Beobachtens aus dem Pkw heraus bewertet werden. Angesichts der in Frage stehenden besonders schützenswerten Rechtsgüter von Leib, Leben, Freiheit und sexueller Selbstbestimmung Minderjähriger war zudem von einem abgesenkten Wahrscheinlichkeitsgrad für einen Schadenseintritt auszugehen. Der Vorfall vom 26. Juni 2014 war vor diesem Hintergrund hinreichend für die Annahme einer vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahr für die genannten Rechtsgüter.

70

Die Gefahrenprognose bestätigte sich nachfolgend und war auch noch im Zeitpunkt des Widerspruchbescheides zutreffend. Aufgrund beharrlicher Weisungsverstöße wurde die Bewährung des Klägers am 9. September 2014 durch das Landgericht Hamburg widerrufen, was am 10. Oktober 2014 durch das Hanseatische Oberlandesgericht bestätigt wurde. Das Hanseatische Oberlandesgericht ging ebenfalls von einer vom Kläger ausgehenden Gefahr aus und wertete den Vorfall vom 26. Juni 2014 als mögliche Vorbereitungshandlung (vgl. Beschl. v. 10. Oktober 2014, S. 10 unten).

71

Zwar dürfte während der nach dem Widerruf der Bewährung verbüßten Haftzeit keine Gefahr für die genannten Rechtsgüter durch den Kläger bestanden haben. Allerdings bedurfte es insofern keiner Aufhebung des Kontakt- und Näherungsverbots, da aufgrund der nur kurzen Reststrafe absehbar war, dass der Kläger ab dem 21. Oktober 2014 wieder in Freiheit sein würde. Auch hatte sich durch die Verbüßung der kurzen Reststrafe keine Notwendigkeit ergeben, die Gefahrenlage anders zu beurteilen.

72

Die Beklagte durfte ihrer Gefahrenprognose die in den strafrechtlichen Verfahren festgehaltenen Handlungen des Klägers und die Vorfälle vom 18./19. November 2013 und vom 26. Juni 2014 zugrunde legen. Dem Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 16. Dezember 2013 kann entnommen werden, dass der Kläger die Gelegenheit hatte, sich zu den dort relevanten Vorwürfen zu äußern, was er jedoch nicht tat. Das Vorbringen hinsichtlich der Vorwürfe, die zum Widerruf der Bewährung im Jahr 2014 führten, hat das Hanseatische Oberlandesgericht im Beschluss vom 10. Oktober 2014 nachvollziehbar als unglaubhaft bewertet. Auch hinsichtlich der Vorfälle vom 18./19. November 2013 und dem 26. Juni 2014 hat der Kläger nichts vorgetragen, was Zweifel an den Feststellungen zu diesen Vorfällen begründen könnte. Sofern der Kläger die jeweiligen Vorfälle pauschal bestreitet und die Ansicht vertritt, es handele sich lediglich um unbewiesene Verdachtsfälle, die in den strafrechtlichen Verfahren und von der Beklagten ebenso wie die vermeintliche sexuelle Devianz des Klägers nie einwandfrei bzw. fachmännisch bewiesen worden seien, verkennt er, dass der ex post-Nachweis einer Gefahr keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahme darstellt. Vielmehr hat die Beklagte eine ex ante-Beurteilung anhand der zur Verfügung stehenden Erkenntnisse durchzuführen. Diese war aus den genannten Gründen nicht zu beanstanden.

73

(5) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, insbesondere war die Maßnahme verhältnismäßig.

74

(a) Die Beklagte hat ihre Entscheidung auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage getroffen. Dem steht es nicht entgegen, dass die Sachakte der Beklagten, die ohnehin erst für das gerichtliche Verfahren zusammengestellt worden ist, nach Ansicht des Klägers unvollständig ist. Eine vollständige Sachakte ist für sich genommen keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Gefahrenabwehrmaßnahme. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Entscheidung Umstände unberücksichtigt geblieben sind, die zu Gunsten des Klägers einzubeziehen gewesen wären, liegen nicht vor. Der Kläger hat dies auch nicht substantiiert geltend gemacht.

75

(b) Das Kontakt- und Näherungsverbot verfolgte mit dem Schutz der Rechtsgüter Leib, Leben, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung Minderjähriger ein legitimes Ziel. Die Maßnahme war dafür auch geeignet. Soweit der Kläger vorträgt, die Maßnahme sei ungeeignet gewesen, weil sie nicht unmittelbar dem Schutz der Opfer diene und die Maßnahme für sich betrachtet eine neue Straftat des Klägers nicht verhindern könne, geht dies fehl. Denn für die Geeignetheit einer Maßnahme ist es ausreichend, dass sie die Gefahr nur vermindert oder vorübergehend abwehrt, vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 HmbSOG. Dies war vorliegend der Fall, weil die Androhung eines Zwangsgelds für jeden Verstoß spürbare (finanzielle) Folgen für den Kläger gehabt hätte, was grundsätzlich geeignet war, die erwünschte Lenkungswirkung entfalten zu entfalten.

76

(c) Die Maßnahme war erforderlich, da kein milderes, gleich effektives Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels zur Verfügung stand.

77

Ein milderes Mittel lag insbesondere nicht in der nach dem Beschluss des Landgerichts vom 16. Dezember 2013 bestehenden Weisung nach § 56c Abs. 2 StGB, wonach dem Kläger (ebenfalls) untersagt wurde, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. Zwar kann ein Verstoß gegen diese Weisung zum Widerruf der Bewährung, einer empfindlichen Rechtsfolge, führen. Allerdings kann § 56f Abs. 1 StGB entnommen werden, dass ein Widerruf der Bewährung an andere – höhere – Voraussetzungen geknüpft ist als die Verwirkung des Zwangsgeldes im Falle eines Verstoßes gegen das vorliegende Kontakt- und Näherungsverbot. Danach erfolgt ein Widerruf der Bewährung, 1. wenn die verurteilte Person in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat; oder 2. gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass sie erneut Straftaten begehen wird; oder 3. gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt. Die Tatbestandsalternativen „Straftat“ und „gröblicher“ bzw. „beharrlicher“ Weisungsverstoß verdeutlichen die erhöhten Anforderungen an einen Widerruf der Bewährung. Zudem besteht nach § 56f Abs. 2 StGB die Möglichkeit, von einem Widerruf der Bewährung trotz Erfüllung einer der drei Varianten des § 56f Abs. 1 StGB abzusehen. Dagegen konnte bei dem vorliegenden Kontakt- und Näherungsverbot auch ein noch nicht die Grenzen des § 56f Abs. 1 StGB überschreitender Verstoß zur Verwirkung des Zwangsgeldes führen und damit der bestehenden Gefahr effektiver begegnen. Hinzu kommt, dass das Zwangsgeld als Verwaltungsmaßnahme zum einen regelmäßig schneller als ein Bewährungswiderruf, der eines gerichtlichen Beschlusses bedarf, und zum anderen während des Geltungszeitraums von sechs Monaten durchgängig zur Anwendung kommen konnte, während die Bewährungsweisung nach Widerruf der Bewährung außer Kraft war. Auch insofern konnte in der Bewährungsweisung vorliegend kein milderes, gleich geeignetes Mittel liegen.

78

Im Übrigen ist die Beklagte vor dem Hintergrund des Verhaltens des Klägers vom 26. Juni 2014 zu Recht von der Annahme ausgegangen, dass die Bewährungsweisungen für die Zwecke der Gefahrenabwehr nicht ausreichten. Diese Annahme manifestierte sich nachträglich in dem am 9. September 2014 erfolgten Bewährungswiderruf durch das Landgericht Hamburg aufgrund beharrlicher und gröblicher Weisungsverstöße.

79

(d) Schließlich war das Kontakt- und Näherungsverbot angemessen.

80

Für den Kläger stellte das sechsmonatige Verbot keine unzumutbaren Anforderungen an seine Lebensführung. Sein Beruf erforderte keinen Kontakt zu Minderjährigen und auch sonst ist kein Grund ersichtlich oder vorgetragen, warum das Verbot die Lebensführung des Klägers unverhältnismäßig eingeschränkt hätte. Die Kinder seiner Lebensgefährtin waren von dem Verbot ausgenommen. Für den Kontakt mit anderen Minderjährigen, z.B. im Rahmen einer Familienfeier, konnte der Kläger mit Nachweis eines berechtigten Interesses eine „Sondererlaubnis“ bei der Beklagten beantragen. Darin liegt zwar eine Beschränkung der Lebensführung des Klägers. Dies erscheint angesichts der bedrohten und besonders schützenswerten Rechtsgüter unter Berücksichtigung der Situation des Klägers jedoch verhältnismäßig.

81

Für eine angemessene Ausgestaltung des Kontakt- und Näherungsverbots ist es allerdings im Grundsatz erforderlich, dass die Beklagte „Sondererlaubnisanträge“ in angemessener Zeit entscheidet und die Nachweisanforderungen nicht zu hoch ansetzt. Im Regelfall wird eine Entscheidung innerhalb von 1 bis 2 Tagen getroffen werden müssen, bei kurzfristigen Ereignissen (z.B. spontaner Besuch eines minderjährigen Verwandten) auch schneller; zudem dürfte eine Glaubhaftmachung des berechtigten Interesses regelmäßig ausreichen. Im vorliegenden Fall sind indes keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Anforderungen nicht eingehalten worden wären. Weder beanspruchte der Kläger die Möglichkeit der Sondererlaubnis noch hat er vorgetragen, dass er durch diesen Erlaubnisvorbehalt in konkreten Fällen beeinträchtigt worden wäre.

82

Die Dauer des Kontakt- und Näherungsverbots von sechs Monaten begegnet angesichts der Wichtigkeit der gefährdeten Rechtsgüter und der zum Zeitpunkt der Festlegung unsicheren Frage eines Bewährungswiderrufs bzw. der Anordnung und Ausgestaltung einer Führungsaufsicht keinen Bedenken. Ob die im Zusammenhang mit dem Kontakt- und Näherungsverbot des § 12b Abs. 3 HmbSOG vom Gesetzgeber erwogene Höchstfrist von sechs Monaten (vgl. Bü-Drs. 20/1923, S.23) im Rahmen des § 3 Abs. 1 HmbSOG entsprechend zur Anwendung kommt, kann dahinstehen, denn diese Frist wurde hier nicht überschritten. Auch im Zeitpunkt des Widerspruchbescheides war die verbleibende Dauer der Untersagung von weniger als einem Monat noch verhältnismäßig, zumal die Beklagte ankündigte, die Verfügung aufzuheben, sobald die Führungsaufsicht über den Kläger durch Weisungen konkretisiert würde.

83

bb) Die unter Ziffer II. der Verfügung ausgesprochene Untersagung war insofern rechtswidrig, als dem Kläger damit untersagt wurde, Kinder und Jugendliche „insbesondere an ihrer Wohnanschrift oder ihrem Schulweg planmäßig angelegt zu beobachten“; die weitere Untersagung, Kinder und Jugendliche zu verfolgen oder ihnen aufzulauern, war rechtmäßig.

84

(1) § 3 Abs. 1 HmbSOG konnte für die Untersagung als Rechtsgrundlage herangezogen werden.

85

Der Rückgriff auf § 3 Abs. 1 HmbSOG ist nicht durch 12b Abs. 3 HmbSOG gesperrt. Es mangelt bereits an einem § 12b Abs. 3 HmbSOG ähnlichen Regelungsgehalt, weil die untersagten Handlungen keine Kontaktaufnahme beinhalten, sondern Handlungen betreffen, die regelmäßig vor einer Kontaktaufnahme liegen. Davon unabhängig entfaltet § 12b Abs. 3 HmbSOG über den vom Gesetzgeber festgelegten Anwendungsbereich hinaus keine Sperrwirkung [s.o. 2.c)aa)(1)].

86

Des Weiteren ist weder ersichtlich, dass die Beklagte derartige Untersagungen häufiger anordnet, noch, dass damit ein derart schwerwiegender Eingriff verbunden wäre, dass er einer speziellen Ermächtigungsgrundlage bedurft hätte [s.o. 2.c)aa)(2)(bb)].

87

(2) Die Untersagung, Kinder und Jugendliche (unter 18 Jahren) zu verfolgen und Ihnen aufzulauern, genügte den Anforderungen an die Bestimmtheit im Sinne des § 37 Abs. 1 HmbVwVfG. Dagegen war das Verbot Kinder und Jugendliche (unter 18 Jahren) insbesondere an ihrer Wohnanschrift und auf dem Schulweg planmäßig angelegt zu beobachten zu unbestimmt und daher rechtswidrig.

88

(a) Die unter Ziffer II. untersagten Handlungen stellten drei unterschiedliche, isoliert vollstreckungsfähige Tatbestände (zu verfolgen, aufzulauern, planmäßig angelegt zu beobachten) dar. Dies entsprach Sinn und Zweck der Maßnahme, zudem hat die Beklagte dies auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Entsprechend bedurfte es einer getrennten Beurteilung der drei untersagten Handlungen.

89

(b) Die Untersagung, Kinder und Jugendliche zu verfolgen, genügte den Anforderungen des § 37 Abs. 1 HmbVwVfG. Danach muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein, d.h. die durch ihn getroffene Regelung muss für den Adressaten so verständlich sein, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann und die vollziehende Behörde muss den Inhalt des Verwaltungsakts etwaigen Vollstreckungshandlungen oder sonstigen Entscheidungen zugrunde legen können [s.o. 2.c)aa)(3)].

90

Die Bedeutung des Begriffs des Verfolgens, d.h. jemandem gezielt hinterherzugehen oder nachzufahren, war bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verständlich und bedurfte keiner konkretisierenden Erläuterung. Für den Kläger war dadurch ohne Weiteres erkennbar, was von ihm verlangt wurde, zumal für ihn subjektiv ohnehin keine Zweifel bestehen können, ob er jemanden verfolgt oder nicht. Die Handlung des Verfolgens lässt sich auch hinreichend sicher durch die Beklagte feststellen und kann daher Gegenstand eines Zwangsgeldes sein. Dies zeigt sich bereits an den begangenen Straftaten des Klägers (vgl. Tatbestand Ziffer 1., 3. und 4.), denen jeweils ein Verfolgen vorherging. Gleiches gilt für verschiedene Observationsergebnisse der Beklagten, wonach der Kläger Frauen oder Kindern gezielt folgte. Zwar mag es Situationen geben, in denen Minderjährige zufällig in dieselbe Richtung gehen. Es ist dann eine Frage des Einzelfalls, wann dies in ein Verfolgen umschlägt. In diesen Fällen ist es Aufgabe der Beklagten, hinreichend Belege zu sammeln, die deutlich auf ein Verfolgen hindeuten (z.B. unnatürlich lange Dauer des Folgens, Inkaufnahme von Umwegen).

91

(c) Auch der Begriff des Auflauerns war hinreichend bestimmt, da er aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verständlich ist: Ein Auflauern liegt vor, wenn man versteckt und typischerweise mit böser Absicht auf jemanden wartet, um bestimmte Handlungen vorzunehmen, z.B. die aufgelauerte Person zu überfallen (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006). Für den Kläger war damit verständlich, was von ihm verlangt war. Für die Beklagte dürfte dagegen die Feststellung, ob der Kläger jemandem auflauert, schwieriger zu beurteilen gewesen sein als der Fall des Verfolgens. Denn während das Verfolgen eine aktive Handlung des Klägers erfordert, ist das Auflauern für sich betrachtet eher durch Passivität gekennzeichnet und manifestiert sich meist erst durch eine nachfolgende Handlung bezogen auf die aufgelauerte Person, z.B. eine Kontaktaufnahme. Dies führte jedoch nicht zur Unbestimmtheit der untersagten Tathandlung oder der Unmöglichkeit der Feststellung eines Auflauerns. Vielmehr war es Aufgabe der Beklagten, einen Verstoß hinreichend durch nach außen tretendes, entsprechend einzuordnendes Verhalten des Klägers zu belegen. Als Beispiel kommt insbesondere ein Verbergen an bestimmten Orten in Betracht, die absehbar von Minderjährigen passiert werden (wie beispielsweise im Zusammenhang mit der im Tatbestand unter Ziffer 2. angeführten Verurteilung geschehen).

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(d) Die Untersagung, Kinder und Jugendliche insbesondere an ihrer Wohnanschrift oder auf dem Schulweg planmäßig angelegt zu beobachten, war dagegen zu unbestimmt.

93

Die Formulierung „planmäßig angelegt zu beobachten“ war nicht ohne Weiteres aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verständlich. Insbesondere stellt sich die Frage der Abgrenzung zu einem nicht planmäßig angelegten Beobachten. Die untersagte Handlung „planmäßig angelegt zu beobachten“ wurde in der streitgegenständlichen Verfügung nicht definiert. Im Widerspruchsbescheid nahm die Beklagte auf § 163f Abs. 1 Satz 1 StPO Bezug, wo diese Formulierung Verwendung findet. Ergänzend wurde ausgeführt, dass eine nicht nur zufällige, sondern einem Plan folgende Beobachtung untersagt sei. In der mündlichen Verhandlung führte die Beklagte zudem aus, dass die Begrifflichkeit „planmäßig angelegt“ als Einschränkung gegenüber einem Verbot Minderjährige „zu beobachten“ zu verstehen sei, es ginge nur um das gezielte, bewusste Beobachten von Minderjährigen.

94

Für den Kläger dürfte es zwar subjektiv jederzeit klar sein, ob er jemanden gezielt und damit nach Ansicht der Beklagten planmäßig angelegt beobachtet. Allerdings mangelte es der Beklagten an einem hinreichend klaren Verständnis der untersagten Handlung, insbesondere hinsichtlich einer Abgrenzung zu einem nicht planmäßigen Beobachten.

95

Die Bezugnahme auf § 163f Abs. 1 Satz 1 StPO trägt eher zur Unschärfe denn zur Konkretisierung bei: Zum einen wird dort die Begrifflichkeit „planmäßig angelegte Beobachtung“ zwar verwendet, aber nicht definiert. Zum anderen erweckt der Regelungsgegenstand der Norm, die längerfristige Observation, den Eindruck, als ob es auf die dort genannte Dauer der Beobachtung ankomme – was weder zielführend noch von der Beklagten so gemeint war. Zudem verbindet man im allgemeinen Sprachgebrauch den Begriff der Observation eher mit einer Tätigkeit der Polizei oder ggf. noch privaten Ermittlern als mit Privatpersonen.

96

Sofern die Beklagte weiter ausführt, dass nur das gezielte, bewusste Beobachten von Minderjährigen sanktioniert werden sollte, fehlt es an Ausführungen dazu, wie sie hinreichend sicher feststellen wollte, ob nur ein zufälliges oder ein gezieltes und damit „planmäßiges“ Beobachten vorlag. Ohne eine Konkretisierung dazu kam der als Einschränkung gedachten Formulierung „planmäßig angelegt“ kein erkennbarer Bedeutungsinhalt zu. Dadurch würden alltägliche Handlungen sanktioniert – das Verweilen auf einer Bank, das Sitzen in einem Café, während sich Minderjährige in der Nähe aufhalten oder vorbeigehen, letztlich jeder über einen Moment hinausgehende Blick in die Richtung eines Minderjährigen könnte so als „planmäßiges“ Beobachten gewertet werden. Ein solch weitgehendes Verständnis war von der Beklagten nach Ansicht der Kammer nicht beabsichtigt, andernfalls hätte sie auf die als Einschränkung verwendete Formulierung „planmäßig angelegt“ verzichten können. Vor diesem Hintergrund konnte ohne Konkretisierung nicht sichergestellt werden, dass die oberservierenden Beamten ein einheitliches Verständnis dafür entwickelten, wann ein Verstoß gegen die untersagte Handlung vorlag und wann nicht.

97

Auf eine Einschränkung konnte auch nicht verzichtet werden, denn die Untersagung jeglichen Beobachtens wäre aufgrund des damit verbundenen erheblichen Grundrechtseingriffs unverhältnismäßig. Eine derart weitgehende Untersagung würde eine angemessene Lebensführung ausschließen. Der Kläger müsste dann befürchten, stets sanktioniert zu werden, wenn er sich in der Öffentlichkeit bewegt bzw. wenn Minderjährige in der Nähe sind, selbst wenn er darauf keinen Einfluss hat.

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Eine Konkretisierung des „planmäßigen“ Beobachtens wäre zwar möglich gewesen, etwa indem nur auf Verhaltensweisen abgestellt wird, in denen sich das „planmäßige“ des Beobachtens nach außen deutlich manifestiert. Denkbar wäre beispielsweise eine Bezugnahme auf die Verwendung von Hilfsmitteln wie Kameras, die der Kläger in der Vergangenheit immer wieder einsetzte, oder das wiederholte Aufsuchen bestimmter Orte und der längere Aufenthalt an diesen Orten ohne erkennbaren Zweck außer der Beobachtung Minderjähriger. Jedoch wäre es die Aufgabe der Beklagten gewesen, die Indizien, die kennzeichnend für das Planmäßige einer Beobachtung sind (z.B. Verwendung technischer Hilfsmittel; Vorbereitung der Beobachtung; gezieltes, wiederholtes Aufsuchen von bestimmten Orten; Zeitmoment / Aufenthaltsdauer) näher zu definieren.

99

Dies war auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil mit der Verfügung zugleich ein Zwangsgeld für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzt wurde, so dass die Beklagte unmittelbar daraus gegen den Kläger vorgehen konnte. Aus der Definition muss daher präzise hervorgehen, was im Einzelnen untersagt wird; dies war hier nicht der Fall.

100

(3) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 HmbSOG lagen vor, insbesondere war die Gefahrprognose der Beklagten nicht zu beanstanden [s.o. 2.c)aa)(4)]. Sofern der Kläger vorträgt, dass in den untersagten Handlungen des Verfolgens und des Auflauerns keine Gefahr begründet liege, so ist dem entgegen zu halten, dass diese Handlungen seinen Straftaten typischerweise voraus gingen und auch für den Vorfall vom 26. Juni 2014 zutrafen.

101

(4) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, insbesondere war die Untersagung verhältnismäßig.

102

Die Untersagung des Verfolgens und Auflauerns Minderjähriger verfolgte das legitime Ziel des Schutzes von Leib, Leben, Freiheit und sexueller Selbstbestimmung Minderjähriger. Die Untersagung war auch generell geeignet, Anbahnungssituationen zu verhindern, während die „bloße“ Festsetzung von Bewährungsweisungen dies nicht hätte bewirken können. Es waren keine milderen Mittel ersichtlich. Hinsichtlich der Bewährungsweisungen kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden [s.o. 2.c)aa)(5)(c)]. Die Untersagung war angemessen in Anbetracht der Wichtigkeit der zu schützenden Rechtsgüter und angesichts des bisherigen Vorgehens des Klägers bei seinen verurteilten Straftaten, denen jeweils ein Verfolgen bzw. Auflauern vorausging. Zwar führte die Untersagung dieser Handlungen zu gewissen Auswirkungen auf die Lebensführung des Klägers. So konnte das Verbot des Verfolgens beispielsweise dazu führen, dass der Kläger in Situationen, in denen sich Minderjährige in dieselbe Richtung wie er bewegten, ein Zwangsgeld befürchten musste. Dem konnte er jedoch durch einfache und zumutbare Maßnahmen, wie beispielsweise ein kurzes Zuwarten bis sich die Minderjährigen entfernt haben, entgehen.

II.

103

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das unter Ziffer I. der Verfügung ausgesprochene Kontakt- und Näherungsverbot ist nach Ansicht der Kammer gleich zu gewichten wie die Untersagung unter Ziffer II. Von den drei Untersagungstatbeständen der Ziffer II. wiegt das Verbot, Kinder und Jugendliche planmäßig angelegt zu beobachten, schwerer als die anderen Untersagungstatbestände, weil damit der stärkste Grundrechtseingriff für den Kläger verbunden war. Die Kosten waren daher im Verhältnis 3/4 zu 1/4 zu teilen.

104

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III.

105

Die Entscheidung, die Berufung zuzulassen, folgt aus § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Fragen des (Konkurrenz-)Verhältnisses von strafrechtlichen Weisungen nach § 56c StGB zu den polizeirechtlichen Befugnisnormen sowie der Reichweite des Anwendungsbereichs des § 12b Abs. 3 HmbSOG und einer potenziellen Sperrwirkung gegenüber § 3 Abs. 1 HmbSOG für ein Kontakt- und Näherungsverbot gegenüber abstrakt beschriebenen Personenkreisen sind in Hamburg bisher nicht obergerichtlich geklärt worden.

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