Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (4. Kammer) - 4 A 140/18

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 16. März 2018 verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom 18. September 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin und der Beklagten zu je ½ auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine Ordnungsverfügung, mit der ihr aufgegeben wurde, Schachtabdeckungen (Übergabeschächte Schmutz- und Niederschlagswasser) auszutauschen.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ...... in ...(GB-Blatt ..., Gemarkung ..., Flur..., Flurstück ...,...m²). Das Grundstück grenzt direkt an die...an und ist mit einem Endreihenhaus und daran angesetztem Carport bebaut. Das Reihenhaus der Klägerin ist Teil einer aus insgesamt acht Elementen bestehenden Reihenhausanlage mit den weiteren Hausnummern.... Deren Eigentümer (mit Ausnahme der Hausnummer ...) sind die Beigeladenen.

3

Die streitgegenständlichen drei Schächte befinden sich auf dem Grundstück der Klägerin: ein Übergabeschacht für Schmutzwasser und zwei Übergabeschächte für Niederschlagswasser. Davon liegen der Schmutzwasserschacht und ein Niederschlagswasserschacht im Bereich des Carports und ein Niederschlagswasserschacht im Terrassenbereich. Letzterer dient der tieferliegenden Kellerentwässerung. Alle Schächte sind Teil der von der gesamten Reihenhausanlage genutzten und für diese bestimmte Schmutzwasser- und Niederschlagswasserentwässerungsanlage, welche bereits seit den 60er Jahren besteht.

4

Nachdem im Jahre 2012 bis 2014 Kanalsanierungsmaßnahmen von der Beklagten durchgeführt wurden und im Anschluss daran die angrenzenden Grundstücke überprüft wurden, trat die Beklagte mit den betroffenen Grundstückseigentümern mangelhafter Grundstücksentwässerungsanlagen in Kontakt.

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Mit Schreiben vom 3. September 2014 wurde die Klägerin durch die Beklagte aufgefordert, die Abdeckungen der Übergabeschächte für Regenwasser und Schmutzwasser, die nicht der DIN 1229 und EN 124 entsprächen, durch eine der DIN entsprechende Abdeckung auszutauschen. Hierfür wurde ihr eine Frist bis zum 10. November 2014 gesetzt. Gestützt wurde die Forderung auf § 10 Abs. 8 i. V. m. § 10 Abs. 1-4 und 7 und § 12 Abs. 1 Satz 2 der Satzung über die Abwasserbeseitigung der Stadt...in der zurzeit gültigen Fassung. Danach habe die Beklagte die Klägerin aufzufordern, die vorgenannten Mängel zu beseitigen. Beigefügt war ein Auszug aus der Abwassersatzung (§ 10) und die Besonderen technischen Bestimmungen für die Ausführung von Grundstücksentwässerungsanlagen der Beklagten (Stand: 30. September 2011).

6

Die Klägerin legte am 18. September 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass der Schacht den angeschlossenen Eigentümern gehöre und es der Klägerin nicht möglich sei, diesen Schacht ohne gleichzeitige Verpflichtung der übrigen Miteigentümer zu ändern. Die pauschale Darlegung, dass die Abdeckung nicht der DIN 1229 und EN 124 entspräche, könne so nicht nachvollzogen werden. Diese regelten nur die Frage, in welchem Maße Aufsitz und Abdeckungen für Verkehrsflächen bestimmten Belastungen standzuhalten hätten. Die streitgegenständlichen Abdeckungen befänden sich auf dem Grundstück der Klägerin und seien überhaupt keiner besonderen Belastung ausgesetzt.

7

Vorsorglich und hilfsweise werde beantragt, im Wege der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung den vorhandenen Zustand zu genehmigen. Dieser werde auf § 10 Abs. 8 Abwassersatzung gestützt. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Anlage einer größeren Zahl von Bewohnern zu dienen bestimmt sei und sich nur zufällig auf dem Grundstück der Klägerin befände.

8

Es ergingen verschiedene Zwischennachrichten der Beklagten, dass die Bearbeitung des Widerspruchs noch Zeit in Anspruch nähme.

9

Die Klägerin berief sich mit Schreiben vom 29. Dezember 2017 auf Verjährung.

>10

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2018, zugestellt am 22. März 2018, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach den zitierten Rechtsvorschriften sei der Anschlussnehmer für den jederzeit ordnungsgemäßen Zustand und Betrieb der Entwässerungsleitungen und Einrichtungen einschließlich des Übergabeschachtes verantwortlich. Im vorliegenden Fall dienten die Übergabeschächte den Häusern...gemeinsam. Es bestehe eine Gemeinschaft im Sinne von §§ 741, 744 BGB. Die Verwaltung der Entwässerungsanlage einschließlich der Übergabeschächte stehe den Mitgliedern gemeinschaftlich zu. Bei einem gemeinsamen Anschluss für mehrere Grundstücke seien die Eigentümer als Gesamtschuldner für die Erfüllung der Unterhaltungspflichten verantwortlich. Im Rahmen des Gesamtschuldverhältnisses habe die Beklagte die Klägerin als Gesamtschuldnerin aufgefordert, den Mangel zu beseitigen. Die Wahl obliege ihr. Eine Kostenteilung wäre im Wege des Privatrechtes unter den jeweiligen Eigentümern der weiteren Reihenhäuser zu klären. Verjährung sei nicht eingetreten.

11

Entwässerungsleitungen und Grundstücksabwasseranlagen müssten den allgemein anerkannten Regeln der Technik und etwaigen besonderen Vorschriften der Beklagten entsprechen. Dazu gehöre die Unterhaltung der Anlagen und damit die Anpassung an die jeweils geltenden Regelungen. Die vorhandenen Abdeckungen entsprächen nicht den heutigen, aktualisierten DIN-Vorschriften. Der Übergabeschacht sei nicht nur für die Anschlussnehmer eine wichtige Kontrollmöglichkeit, sondern auch bei Notfällen bedürfe es der erforderlichen Zugänglichkeit. Es gelte die DIN EN 124 bzw. DIN 1229, die Schächte müssten danach dauerhaft zugänglich sein. Die Anwendung der Norm sei auch für die Übergabeschächte unabhängig von deren Befahrung anzuwenden. Aufgrund der Lage von zwei Deckeln unter dem Carport könne eine Befahrung nicht ausgeschlossen werden. Insbesondere der Deckel des Regenwasserschachtes liege so, dass eine Befahrung möglich sei. Hier sei Gruppe 2 zu verwenden. Zwei von drei Schächten, nämlich die beiden Regenwasserschächte, seien weder aus Gusseisen noch verzinktem Stahl. Keiner der drei Schächte weise die erforderliche Kennzeichnung auf. Entsprechend seien die Schachtabdeckungen zu erneuern. Eine beantragte Ausnahmegenehmigung könne nicht erteilt werden.

12

Danach habe die Beklagte die Klägerin erneut aufzufordern, die Abdeckung des Übergabeschachtes für Schmutzwasser sowie die Übergabeschächte für Regenwasser nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik und den besonderen technischen Bestimmungen für die Ausführung von Grundstücksentwässerungsanlage auszutauschen, bis spätestens 4. Mai 2018.

13

Die Klägerin hat am 19. April 2018 Klage erhoben.

14

Sie vertieft ihre bisherigen Ausführungen. Zudem sei es aufgrund der im Eigentum aller Eigentümer der Reihenhausanlage... stehenden Entwässerungsanlage rechtswidrig, dass die Beklagte allein die Klägerin auf Veränderung der Situation vor Ort in Anspruch nehme. Die Klägerin könne alleine gar nichts verändern, ohne dass die Veränderung der gesamten Entwässerungsanlage von allen angeschlossenen Miteigentümern beschlossen werde. Zudem könne sie die anfallenden Kosten nicht auf die angrenzenden Miteigentümer abwälzen, solange diese nicht von der Beklagten ebenfalls auf Änderung der Entwässerungsanlagen in Anspruch genommen würden.

15

Die Forderung der Beklagten, hochklassifizierte Schachtabdeckungen einzusetzen, so dass eine sichere Befahrung mit Kraftfahrzeugen möglich sei, sei unbegründet. Ebenso wie eine besondere Kennzeichnungspflicht. Die Schlachtabdeckungen könnten nicht mit dem Pkw überfahren werden. Einer liege so dicht an der Hausecke, dass es vollkommen ausgeschlossen sei, hier mit dem Rad eines Pkw oder Lkw überhaupt hinzugelangen, ohne das Haus einzureißen. Die zweite Schachtabdeckung liege tatsächlich unter dem Carport, allerdings so weit mittig zwischen den Carportpfosten, dass es auch hier ausgeschlossen sei, ein Kraftfahrzeug soweit außermittig des Stellplatzes einzurangieren, dass man mit einem Rad über diesen Deckel gelangen könne. Dafür sei die Begrenzung durch die Carportpfosten viel zu eng gesetzt. Eine besondere Kennzeichnungspflicht gelte für die Schachabdeckungen schon deshalb nicht, weil sie bereits in den 60ziger Jahren so wie sie dort lägen, eingebaut worden seien und zu diesem Zeitpunkt diese Kennzeichnungspflicht nicht bestanden habe. Die Anlage genieße insgesamt Bestandsschutz.

16

Zumindest seien die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung für den derzeit gegebenen Zustand erfüllt. Hiermit habe sich die Beklagte überhaupt nicht auseinandergesetzt. Der Beklagte sei auf den hilfsweisen Antrag der Klägerin, im Wege der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung den vorhandenen Zustand zu genehmigen, nicht eingegangen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass mit dem Widerspruchsbescheid der Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung wenigstens stillschweigend zurückgewiesen worden sei.

17

Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 3. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2018 aufzuheben,

19

hilfsweise

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die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 16. März 2018 den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom 18. September 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

21

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

23

Zur Begründung vertieft sie ihre bisherigen Gründe aus dem Widerspruchsverfahren. Zudem führt sie aus, dass technische Anlagen nicht dem Bestandsschutz unterlägen. Sie müssten den anerkannten Regeln der Technik entsprechen und seien somit an die jeweils geltenden Regelungen anzupassen. Nach den maßgeblichen DIN-Vorschriften müsse bei Pkw-Parkflächen mindestens Klasse B 125 eingebaut werden, unabhängig von der aktuellen Befahrung durch einen Pkw. Dies treffe auf die Schachtabdeckungen für Schmutzwasser und einen für Regenwasser zu. Da diese sich beide im Carport befänden, müssten sie tagwasserdicht abgedeckt werden. Für die Kellerentwässerung der Reihenhäuser sei eine eigene, tiefer liegende Regenwasserleitung sowie ein Übergabeschacht vorhanden. Diese Schachtabdeckung befinde sich im Garten. Hier gelte die Klasse A 15. Die Schachtabdeckung müsse mit Belüftungsschlitzen hergestellt werden. Die angesprochene Kennzeichnung diene als ergänzender Beweis, dass die derzeit vorhandenen Schachtabdeckungen nicht den DIN-Vorschrift entsprächen. Bei allen drei Schachtabdeckungen handele es sich um Grubenabdeckungen. Diese entsprächen nicht den anerkannten Regeln der Technik und seien auch sehr schwer. Solche Abdeckungen ließen sich nur mithilfe von zwei Personen öffnen. Vom Übergabeschacht aus müsse insbesondere bei Notfällen wie zum Beispiel Verstopfungen in der Anschlussleitung bzw. Kanaleinbruch in der Straße mit einem Einstau in den Grundstücksanschlussleitungen sofort reagiert werden. Dafür müsse sich der Schacht aber problemlos durch eine Person öffnen lassen.

24

Zu dem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung habe sie im Widerspruchsbescheid eine ablehnende Entscheidung getroffen. Diese könne aus den Erläuterungen im Widerspruchsbescheid nicht erteilt werden.

25

Mit Beschlüssen vom 3. Juli 2018 wurden die übrigen Grundstückseigentümer der Reihenhausanlage beigeladen. Diese haben zum Verfahren inhaltlich keine Stellung genommen.

26

Im Laufe des Klagverfahrens haben sich teilweise die Eigentumsverhältnisse verändert. Die bisherigen Eigentümer wurden entsprechend aus dem Verfahren mit Aufhebungsbeschlüssen vom 20. Januar 2021, 27. Januar 2021 und 24. Februar 2021 entlassen sowie die dem Gericht gegenüber benannten neuen Eigentümer (d. h. ohne... ) mit Beschlüssen vom 14. Januar 2021 beigeladen.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28
<dd>

1) Die mit dem Hauptantrag erhobene Klage gegen „den Bescheid vom 9. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2018“ (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO) ist zulässig.

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Sie ist insbesondere als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Denn es handelt sich bei dem äußerlich formlosen Schreiben der Beklagten vom 3. September 2014 mit der Aufforderung zum Austausch der Schachtabdeckungen auf dem Grundstück der Klägerin qualitativ unzweifelhaft um eine Verfügung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen, mithin um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 106 Abs. 1 LVwG. Im Übrigen hat die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 16. März 2018 dem Schreiben Verwaltungsaktqualität beigemessen („Aufforderungsbescheid vom 3. September 2014“) und sachlich über den Widerspruch der Klägerin entschieden.

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Die Klägerin ist zudem als alleinige und ausdrücklich benannte Adressatin des sie belastenden Verwaltungsaktes (auch ohne die fakultativ beigeladenen Eigentümer der übrigen Reihenhäuser...... ) klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Im Übrigen ergibt sich dies aus dem bei einer gemeinschaftlichen Grundstücksentwässerungsanlage – wie vorliegend – anzuwendenden § 744 BGB (siehe hierzu OVG Schleswig, Urteil vom 22. Juli 2016 – 2 LB 5/16 –, juris, Rn. 37; Beschluss vom 10. Januar 2020 – 2 O 7/19 –). Nach dessen Abs. 1 steht den Eigentümern die Verwaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes zwar nur gemeinsam zu. Da § 744 Abs. 2 BGB jedoch ebenfalls bestimmt, dass jeder Teilhaber berechtigt ist, die zur Erhaltung des Gegenstands notwendigen Maßregeln ohne die Zustimmung der anderen Teilhaber zu treffen, ist die Prozessführungsbefugnis der Klägerin auch aus diesem Grund unzweifelhaft. Bei der streitgegenständlichen Anordnung handelt es sich gerade nicht um einen Verwaltungsakt an die Mitglieder der Gemeinschaft insgesamt (bzw. an die Gemeinschaft).

31

Nach diesen rechtlichen Vorgaben ist selbst die – hier erfolgte – fakultative Beiladung der gegenüber dem Gericht benannten Mitglieder der Gemeinschaft gem. § 65 Abs. 1 VwGO nach der zitierten Rechtsprechung des OVG Schleswig nicht erforderlich. Dies folgt auch aus der dieser Rechtsprechung zugrundeliegenden vergleichbaren Vorschrift § 10 Abs. 1 Satz 3, Abs. 7 Satz 3 der Satzung über die Abwasserbeseitigung der Stadt... vom 24. Oktober 1991 in der Fassung der 6. Nachtragssatzung vom 18. Dezember 2013 (Abwassersatzung), wonach bei einem gemeinsamen Anschluss für mehrere Grundstücke die Eigentümerinnen und Eigentümer der beteiligten Grundstücke für die Erfüllung der Unterhaltungs- und Benutzungspflichten Gesamtschuldnerinnen und/oder Gesamtschuldner sind.

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32

Die Klage ist nach erfolglosem Widerspruchverfahrens (§ 68 VwGO) fristgerecht am 19. April 2018 nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 22. März 2018 erhoben worden (§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Die Klage ist jedoch unbegründet.

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Der Bescheid vom 3. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die Aufforderung zum Austausch der Abdeckungen der Übergabeschächte für Regenwasser (zwei) und Schmutzwasser (einer) ist § 30 Landeswassergesetz i. d. F. 11. Februar 2008 (GVOBl. Schl.-H. S. 91), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. August 2016 (GVOBl. Schl.-H. S. 680) (LWG) i. V. m. § 10 Abs. 8 Satz 1 der Satzung über die Abwasserbeseitigung der Stadt...vom 24. Oktober 1991 in der Fassung der 6. Änderungssatzung vom 18. Dezember 2013 (Abwassersatzung). Dies sind die zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung vom 16. März 2018 in Kraft befindlichen Fassungen.

36

Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 LWG sind die Gemeinden zur Abwasserbeseitigung im Rahmen der Selbstverwaltung verpflichtet, soweit in den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes bestimmt ist. Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz LWG regeln die Gemeinden die Abwasserbeseitigung durch Satzung (Abwassersatzung). Die Befugnis zum Erlass von Satzungen stellt eine ausreichende Grundlage für die Regelung von Eingriffen dar, die mit dem Einrichtungszweck notwendigerweise verbunden sind (OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22. Juli 2016 – 2 LB 5/16 –, juris Rn. 26-27; so auch OVG Lüneburg, Urteil vom 10. Januar 2012 – 9 KN 162/10 –, juris Rn. 71; VG Neustadt <Weinstraße>, Beschluss vom 28. Februar 2013 – 4 L 44/13.NW –, juris Rn. 36). Denn die Ermächtigung zur Schaffung der öffentlichen Einrichtung umfasst die Befugnis, im Rahmen der so eingeräumten Anstaltsgewalt das Benutzungsverhältnis durch Satzung zu regeln (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Mai 2009 – 15 B 354/09 –, juris Rn. 12). Die Grenzen der Regelungsbefugnis ergeben sich aus dem Zweck der Ermächtigung, den ordnungsgemäßen Betrieb der Einrichtung im Rahmen des Widmungszwecks sicherzustellen, sowie aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Mai 2009, a. a. O., juris Rn. 17 ff.). Von diesem Ermächtigungsrahmen hat die Beklagte mit der zitierten Abwassersatzung in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.

37

Bedenken gegen die Wirksamkeit der Abwassersatzung bestehen nicht.

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name="rd_38">38

Formelle Bedenken sind weder ersichtlich noch geltend gemacht. Bei dem Stadtverordneten-Kollegium als beschließendes Organ handelt es sich um die zuständige Stadtvertretung gem. §§ 7, 27 Abs. 5 GO i. V. m. § 2 Abs. 1 Hauptsatzung der verbandszuständigen beklagten Gemeinde. Die notwendige örtliche Bekanntmachung der Abwassersatzung in der Ursprungsfassung vom 24. Oktober 1991 erfolgte entsprechend den zum damaligen Zeitpunkt geltenden Vorgaben des § 68 Satz 1, 3 LVwG in der Fassung vom 19. März 1979 (GVOBl. Schl.-H. S. 181), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Oktober 1988 (GVOBl. Schl.-H. S. 196) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1, §§ 2, 5 Abs. 1 der Bekanntmachungsverordnung vom 12. Juni 1979 (GVOBl. Schl.-H. S. 378) und § 16 der Hauptsatzung der Beklagten vom 18. April 1991 in den...Nachrichten am 28. Oktober 1993. Die Fassung der 6. Änderungssatzung vom 18. Dezember 2013 wurde entsprechend § 30 Abs. 3 Satz 2 LWG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 6 Abs. 1, § 4 der Bekanntmachungsverordnung in der Fassung vom 11. November 2005 (GVOBl. Schl.-H. S. 527), zuletzt geändert durch Verordnung vom 8. November 2013 (GVOBl. Schl.-H. S. 439) und § 17 Abs. 1 der Hauptsatzung der Beklagten vom 20. März 2003 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 30. März 2010 durch Bereitstellung im Internet gemäß der in der mündlichen Verhandlung dargestellten üblichen Praxis (wörtliche Wiedergabe der bekanntzumachenden Änderungsfassung und Gesamtfassung der Satzung in der geltenden Fassung) und Hinweis in den......Nachrichten am 20. Dezember 2013 unter Angabe der Internetadresse www.....de örtlich bekannt gemacht.

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Materielle Satzungsfehler sind ebenfalls nicht ersichtlich oder geltend gemacht. Die Abwassersatzung verstößt insbesondere nicht gegen das Zitiergebot gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 2 LVwG und der in der Rechtsprechung in der jüngeren Vergangenheit hierzu aufgezeigten Anforderungen daran (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 14. September 2017 – 2 KN 3/15 –; Urteil vom 27. Juni 2019 – 2 KN 1/19 –; Urteil vom 3. September 2019 – 2 KN 4/16 –; Urteil vom 13. Februar 2020 – 2 LB 16/19 –; VG Schleswig, Urteil vom 26. September 2018 – 4 A 209/17 –; Urteil vom 6. März 2019 – 4 A 115/16 –; Urteil vom 8. Dezember 2020 – 4 A 347/18 –, jeweils zitiert nach juris). Dass mit §§ 1, 6 und 8 KAG Normen angeführt wurden, die außerhalb der Gebühren- und Beitragserhebung überflüssig sind – wie vorliegend im Bereich der allgemeinen Abwassersatzung über die Abwasserbeseitigungspflicht und damit zusammenhängender Anschluss- und Benutzungspflichten/-rechte –, stellt keinen Verstoß gegen das Zitiergebot dar. Denn es läuft nicht dessen Sinn und Zweck zuwider, einerseits dem Adressaten die Überprüfung des Ermächtigungsrahmens zu ermöglichen und andererseits, dass der Berechtigte (Satzungsgeber) sich des eigenen Prüfprogramms vergewissert. Die Nennung läuft allenfalls ins Leere, da von der Ermächtigung zum Erlass von in Rechte eingreifender Normen im Bereich des Abgabenrechts durch die Abwassersatzung noch gar kein Gebrauch gemacht wurde. Allein der Verweis auf eine andere Abgabensatzung (vgl. hier § 16 Abwassersatzung) stellt kein Gebrauchmachen in diesem Sinne dar: mit dieser Norm ist weder die direkte Abgabenerhebung verbunden – diese fußt vielmehr erst auf einer zu erlassenden Abgabensatzung – noch setzt ihrerseits die Abgabensatzung eine Erwähnung in der Abwassersatzung voraus. Deren Ermächtigungsgrundlage findet sich auf dem Gebiet der Abwasserbeseitigung direkt in § 30 Abs. 3 Satz 5 LWG i. V. m. dem KAG.

40

Aber selbst für den Fall, dass der Verweis auf eine andere Satzung (§ 16 Abwassersatzung) bereits zum Zitat der entsprechenden Ermächtigungsgrundlage („§§ 1, 6 und 8 KAG“) nötigen würde, wäre dieser Anforderung vorliegend Genüge getan. Der dann allerdings anzunehmende Verstoß gegen das Zitiergebot dadurch, dass § 2 KAG nicht genannt wird, würde allenfalls zu einer Teilnichtigkeit des hier im Bereich der abwasserrechtlichen Ordnungsverfügung nicht maßgeblichen § 16 Abwassersatzung führen (vgl. zur Teilnichtigkeit VG Schleswig, Urteil vom 26. September 2007 – 4 A 28/07; Urteil vom 21. Januar 2020 – 4 A 249/16 –).

41

Der angefochtene Bescheid vom 3. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides steht mit der Abwassersatzung in Einklang und ist daher rechtmäßig ergangen.

42

Die Anordnung zum Austausch der Schachtabdeckungen auf dem Schmutzwasser- und den beiden Regenwasserschächten findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 10 Abs. 8 Satz 1 Abwassersatzung. Danach kann die Stadt – die Beklagte – jederzeit fordern, dass die Entwässerungsleitungen und Einrichtungen den allgemein anerkannten Regeln der Technik und etwaiger besonderer Vorschriften der Stadt entsprechen.

43

Bei den auf dem klägerischen Grundstück befindlichen Übergabeschächten einschließlich Abdeckungen handelt es sich zunächst um Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau der Vorgaben in § 10 Abwassersatzung, welcher sich mit der Art und Ausführung der Anschlüsse an die Abwasseranlage befasst. § 1 Abwassersatzung definiert hingegen, was in Abgrenzung dazu zur Abwasseranlage zählt. Danach betreibt und unterhält die Beklagte zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der öffentlichen Abwasserbeseitigung die unschädliche Beseitigung des Abwassers (Schmutz- und Niederschlagswasser) als öffentliche Einrichtungen (Abs. 1 Satz 1). Zur Erfüllung dieses Zweckes sind und werden von der Stadt Abwasseranlagen hergestellt, die ein einheitliches Netz bilden und von der Stadt als öffentliche Einrichtung im Trennverfahren – wie vorliegend – und im Mischverfahren betrieben und unterhalten werden (Abs. 4 Satz 1). Welche Teile zur Abwasseranlage gehören, definiert § 1 Abs. 6 Abwassersatzung. Unter Buchst. c) werden die Grundstücksanschlusskanäle vom Straßenkanal bis zur Grundstücksgrenze angeführt. Anlagenteile, die hinter der Grundstücksgrenze liegen, werden in § 1 Abs. 6 Abwassersatzung nicht aufgezählt. Daraus folgt, dass alle Anlagenteile bis zur Grundstücksgrenze zu der (öffentlichen) zentralen Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung der Beklagten gehören, hingegen diejenigen Anlagenteile auf dem privaten Grundstück der Grundstücksentwässerungsanlage zuzuordnen sind.

44

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Abwassersatzung soll jedes Grundstück unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 einen unterirdischen und in der Regel unmittelbaren Anschluss an die Abwasseranlage haben, beim Trennverfahren je einen Anschluss an den Schmutzwasser- und an den Regenwasserkanal. § 10 Abs. 2 Abwassersatzung bestimmt, dass Lage, Führung und lichte Weite der Anschlussleitung sowie die Lage des Übergabeschachtes die Stadt bestimmt (Satz 1 1. Halbsatz). Für jede Anschlussleitung ist ein Übergabeschacht möglichst unmittelbar an der Grundstücksgrenze herzustellen (Satz 2). Die Übergabeschächte sind mit einer Lichtweite von mindestens 80 cm mit offenem Durchlaufgerinne auszuführen und bis Geländeoberkante hochzuführen (Satz 3). Die Anlagen sind gemäß den besonderen technischen Bestimmungen für die Ausführung von Grundstücksentwässerungsanlagen auszuführen (Satz 4). § 10 Abs. 3 Abwassersatzung wiederum regelt, dass die Herstellung, Erneuerung und Veränderung sowie die laufende Unterhaltung (Reinigung, Ausbesserung) der Entwässerungsleitung und Einrichtungen einschließlich des Übergabeschachtes der Anschlussnehmerin oder dem Anschlussnehmer obliegen. Die Arbeiten müssen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik und etwaigen besonderen Vorschriften der Stadt durchgeführt werden. Nach § 10 Abs. 7 Satz 1 Abwassersatzung ist die Anschlussnehmerin oder der Anschlussnehmer für den jederzeit ordnungsgemäßen Zustand und Betrieb der Entwässerungsleitungen und Einrichtungen einschließlich des Übergabeschachtes verantwortlich. Satz 4 der Vorschrift spricht erneut vom „Anschluss“. Aus der Gesamtschau dieser Vorgaben und unterschiedlichen Bezeichnungen für die (Teile der) Grundstücksentwässerungsanlage ergibt sich für das Gericht, dass der Übergabeschacht zur Einrichtung gehört. Deshalb bedurfte es auch keiner ausdrücklichen Benennung des Übergabeschachtes in § 10 Abs. 8 Satz 1 Abwassersatzung, wie es z. B. in § 10 Abs. 3 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 Abwassersatzung – überflüssigerweise – geschehen ist. Denn dass der Übergabeschacht auch ohne ausdrückliche Benennung zur (Gesamt-)Einrichtung „Grundstücksentwässerungsanlage“ gehört ergibt sich daraus, dass dieser zusammen mit der Anschlussleitung als „Anlage“ umschrieben wird (§ 10 Abs. 2 Satz 1, 4 Abwassersatzung) und die Entwässerungsleitungen, Einrichtungen einschließlich Übergabeschacht als „Anschluss220; (§ 10 Abs. 7 Satz 1, Satz 4 Abwassersatzung) bezeichnet werden. Es heißt in § 10 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 7 Satz 1 nicht „zuzüglich“ Übergabeschacht, sondern „einschließlich“, was bereits nach dem Wortlaut die Zugehörigkeit zur Einrichtung in sich trägt. Auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift (§ 10 Abwassersatzung) wäre es nicht erklärlich, dass gerade der Knotenpunkt zwischen der öffentlichen Einrichtung und der Grundstücksentwässerungsanlage – der Übergabeschacht – anders als z. B. die Entwässerungsleitung oder andere Einrichtungen (welche?) nicht den Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Zustand und an die allgemein anerkannten Regeln der Technik und den besonderen Vorschriften der Stadt gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 Abwassersatzung zu entsprechen braucht, dies jedoch nach § 10 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 2, Abs. 7 Satz 1 Abwassersatzung aber gerade der Fall ist. Davon, dass die Übergabeschächte nach der Satzung zur Einrichtung zählen, ist auch die Beklagte nach ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung unzweifelhaft ausgegangen, ebenso, wie der Klägervertreter.

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Aus der Verpflichtung im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 4 Abwassersatzung, dass die (Grundstücksentwässerungs-)Anlagen gemäß den besonderen technischen Bestimmungen für die Ausführung von Grundstücksentwässerungsanlagen auszuführen sowie die Herstellung, Erneuerung und Veränderung und die laufende Unterhaltung (Reinigung, Ausbesserung) nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik und etwaigen besonderen Vorschriften der Stadt durchgeführt werden müssen (§ 10 Abs. 3 Satz 2 Abwassersatzung) folgt in Verbindung mit § 10 Abs. 8 Satz 1 Abwassersatzung die Befugnis der Beklagten, diese Pflicht bei festgestellten Defiziten mittels Bescheid durchzusetzen (zu einer vergleichbaren Konstellation: vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22. Juli 2016 – 2 LB 5/16 –, juris Rn. 28).

46

Der Umstand, dass mehrere Grundstücke über einen Grundstücksanschlusskanal entwässern – wie vorliegend –, ist ebenfalls mit dem geltenden Satzungsrecht vereinbar. Zwar soll jedes Grundstück einen unterirdischen und in der Regel unmittelbaren Anschluss an die Abwasseranlage haben, beim Trennverfahren je einen Anschluss an den Schmutzwasser- und an den Regenwasserkanal (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Abwassersatzung). Auf Antrag kann ein Grundstück zwei oder mehrere Anschlüsse erhalten (§ 10 Abs. 1 Satz 2 Abwassersatzung). Darüber hinaus kann die Beklagte bei Vorliegen besonderer Verhältnisse auch gestatten, dass zwei oder mehrere Grundstücke einen gemeinsamen Anschluss erhalten (§ 10 Abs. 1 Satz 3 Abwassersatzung). So liegt der Fall hier. Dass es sich bei den Übergabeschächten für Schmutz- und Niederschlagswasser aufgrund der funktionalen Zusammengehörigkeit des gesamten Anschlussleitungssystems einschließlich Übergabeschächte für die acht Reihenhäuser um eine gemeinschaftliche Grundstücksentwässerungsanlage handelt, die durch die Gemeinschaft im Sinne von §§ 741 ff. BGB der Hauseigentümer betrieben wird, ist unstreitig und wurde bereits ausgeführt. Hierzu gehören auch die streitgegenständlichen Schächte, die auf dem Flurstück... belegen sind. Irrelevant ist in diesem Zusammenhang, in wessen Eigentum das Flurstück belegen ist (wobei vorliegend tatsächlich die Klägerin Eigentümerin ist). Denn die Klägerin ist Mitglied der Gemeinschaft gem. § 741 BGB, weil das Schmutz- und Niederschlagswasser aller acht Reihenhäuser gesammelt wird und erst an der Grundstücksgrenze in die öffentliche Einrichtung zur Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung einfließt. Es liegen keine Anhaltspunkte – auch nicht nach Rückfrage an die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung – dafür vor, dass der gemeinsame Anschluss nicht genehmigt und grundbuchlich gesichert ist (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 4 Abwassersatzung). Selbst ein etwaiges Fehlen einer schriftlichen Festlegung und grundbuchlichen Sicherung trotz grundstücksgrenzüberschreitender Ausdehnung der Grundstücksentwässerungsanlage wäre im Kontext des Verlangens des Austausches der Schachtabdeckungen unschädlich. Das OVG Schleswig hat in einem vergleichbaren Fall ausgeführt, dass dies für zukünftige Gestaltungen zu berücksichtigen sei, nicht aber als Voraussetzung für den weiteren Betrieb von Anlagen, die vor Inkrafttreten der Abwassersatzung bereits existent waren (Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 22. Juli 2016 – 2 LB 5/16 –, juris, Rn. 34). Dies kommt auch hier zum Tragen, da unstreitig die bemängelten Schachtabdeckungen bereits in den 60er Jahren auf dem Grundstück hergestellt wurden.

47

Die drei Schachtabdeckungen entsprechen nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik i. S. v. § 10 Abs. 8 Satz 1 (i. V. m. Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 7 Satz 1) Abwassersatzung. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass einerseits die Anlage selbst jederzeit einen ordnungsgemäßen Zustand aufweisen muss und andererseits die Beklagte diesen Zustand anhand der allgemeinen Regeln der Technik und ihrer besonderen Vorschriften jederzeit fordern kann. Aus der Verwendung des Begriffes „jederzeit“ wird die dynamische Verweisung auf die jeweils aktuell geltenden allgemein anerkannten Regeln der Technik und besonderen Vorschriften der Stadt unzweifelhaft deutlich; Bestandsschutz besteht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht.

48

Verweist der Gesetzgeber in gesetzlichen Bestimmungen – wie hier in § 10 Abwassersatzung – auf die „Regeln der Technik“ und nimmt er diese dadurch in seinen Regelungswillen auf, werden die Regeln der Technik nicht ihrerseits selbst zu Rechtsnormen. Welche anerkannten Regeln der Technik bestehen und wie sie mit Blick auf den Einzelfall anzuwenden sind, hat das Tatsachengericht zu ermitteln (BVerwG, Beschluss vom 03. September 2003 – 7 B 6.03 –, juris, Rn. 19). Bezogen auf DIN-Vorschriften hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass das Deutsche Institut für Normung keine Rechtsetzungsbefugnisse hat. Rechtliche Relevanz erlangen die von ihm erarbeiteten Normen im Bereich des technischen Sicherheitsrechts nicht, weil sie eigenständige Geltungskraft besitzen, sondern nur, soweit sie die Tatbestandsmerkmale von Regeln der Technik erfüllen, die der Gesetzgeber als solche in seinen Regelungswillen aufnimmt. Werden sie, wie dies beim Bau und beim Betrieb von Abwasseranlagen geschehen ist, vom Gesetzgeber rezipiert – dabei reicht es aus, dass der Gesetzgeber in die Norm „die allgemein anerkannten Regeln der Technik“ aufnimmt und nicht die jeweils konkrete Regel i. S. d. DIN-Vorschrift –, so nehmen sie an der normativen Wirkung in der Weise teil, dass die materielle Rechtsvorschrift durch sie näher konkretisiert wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. September 1996 – 4 B 175.96 –, juris, Rn. 3). Mit dem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärten Begriff der anerkannten Regeln der Technik lassen sich diejenigen Prinzipien und Lösungen bezeichnen, die in der Praxis erprobt und bewährt sind und sich bei der Mehrheit der Praktiker durchgesetzt haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. August 1978 – 2 BvL 8/77 – BVerfGE 49, 89, 135; BVerwG, Urteil vom 25. September 1992 – 8 C 28.90 – Buchholz 401.64 § 7 AbwAG Nr. 2 und Beschluss vom 4. August 1992 – 4 B 150.92 – Buchholz 406.25 § 3 BImSchG Nr. 9; vgl. auch § 2 Abs. 10 UGB-E). DIN-Vorschriften und sonstige technische Regelwerke kommen hierfür als geeignete Quellen in Betracht. Sie haben aber nicht schon kraft ihrer Existenz die Qualität von anerkannten Regeln der Technik und begründen auch keinen Ausschließlichkeitsanspruch. Als Ausdruck der fachlichen Mehrheitsmeinung sind sie nur dann zu werten, wenn sie sich mit der Praxis überwiegend angewandter Vollzugsweisen decken. Das wird häufig, muss aber nicht immer der Fall sein. Die Normausschüsse des Deutschen Instituts für Normung sind pluralistisch zusammengesetzt. Ihnen gehören auch Vertreter bestimmter Branchen und Unternehmen an, die ihre Eigeninteressen einbringen. Die verabschiedeten Normen sind nicht selten das Ergebnis eines Kompromisses der unterschiedlichen Zielvorstellungen, Meinungen und Standpunkte (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 – 4 C 33-35.83 – BVerwGE 77, 285). Sie begründen eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie als Regeln, die unter Beachtung bestimmter verfahrensrechtlicher Vorkehrungen zustande gekommen sind, sicherheitstechnische Festlegungen enthalten, die einer objektiven Kontrolle standhalten, sie schließen den Rückgriff auf weitere Erkenntnismittel aber keineswegs aus. Die Behörden, die im Rahmen des einschlägigen Rechts den Regeln der Technik Rechnung zu tragen haben, dürfen dabei auch aus Quellen schöpfen, die nicht in der gleichen Weise wie etwa die DIN-Normen kodifiziert sind (BVerwG, Beschluss vom 30. September 1996 – 4 B 175.96 –, juris, Rn. 5).

49

Vorliegend hat die Beklagte die allgemein anerkannten Regeln der Technik in § 10 Abs. 8 Satz 1 Abwassersatzung ausdrücklich aufgenommen, die mithin Tatbestandsmerkmal geworden sind. Die konkret anzuwendenden DIN-Vorschriften ergeben sich wiederum aus der im Einzelfall zu betrachtenden Anlage, hier die Grundstücksentwässerungsanlage Abwasser, Übergabeschächte/Schachtabdeckungen. Für diese gelten insbesondere die DIN 1986-100 und DIN EN 124 bzw. DIN 1229, die die Beklagte in ihren zusätzlichen „Besonderen technischen Bestimmungen für die Ausführung von Grundstücksentwässerungsanlagen“ zitiert. Diese wiederum gelten gemäß § 10 Abs. 2 Satz 4 Abwassersatzung explizit und stellen i. S. v. § 10 Abs. 3 Satz 2, Abs. 8 Satz 1 Abwassersatzung einzuhaltende „besondere Vorschriften der Stadt“ dar.

50

Die „Besonderen technischen Bestimmungen für die Ausführung von Grundstücksentwässerungsanlagen“ (Stand: 30. September 2011 und 1. September 2020) geben u. a. vor:

51

Alle Grundstücksentwässerungsanlagen sind nach der „Satzung über die Abwasserbeseitigung der Stadt...“ in der jeweils gültigen Fassung und gem. DIN EN 752, 12056, 1610 und DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke“ auszuführen. Liegt der Schmutzwasserübergabeschacht weniger als 5 m von Gebäudeöffnungen (Fenster, Türen) entfernt und sind Geruchsbelästigungen zu erwarten, so kann der Schacht mit einer Schachtabdeckung ohne Lüftungsschlitze hergestellt werden. Schächte in Garagen und Carports sind tagwasserdicht abzudecken. Die Einstiegsöffnung (des Übergabeschachts) muss eine Lichtweite von mind. 0,60 m Durchmesser haben. Sie ist mit einer DIN-gerechten Begu-Abdeckung bzw. Abdeckung nach EN 124 bzw. DIN 1229 so abzudecken, dass der Schacht im Bedarfsfalle jederzeit sichtbar und zugänglich ist.

52

Nach DIN 1986-100 Ziffer 6.7 sind die Schächte mit Abdeckungen nach DIN 1229 und den Normen der Reihe DIN EN 124 zu versehen. Schächte und Abdeckungen müssen die Verkehrslast entsprechend der Klassifizierung sicher tragen.

53

Die DIN EN 124-1 „Aufsätze und Abdeckungen für Verkehrsflächen – Teil 1: Definitionen, Klassifizierung, allgemeine Baugrundsätze, Leistungsanforderungen und Prüfverfahren; Deutsche Fassung EN 124-1:2015 wiederum hat folgenden Anwendungsbereich (Ziffer 1):

54

„Diese Europäische Norm gilt für Abdeckungen und Aufsätze mit einer lichten Weite bis einschließlich 1.000 mm zum Abdecken von Abläufen, Einstieg- und Kontrollschächten in Flächen, die für Fußgänger- und/oder Fahrzeugverkehr bestimmt sind. Sie legt Definitionen, die Klassifizierung, allgemeine Baugrundsätze, Leistungsanforderungen und Prüfverfahren fest für Aufsätze und Abdeckungen nach (u. a.) – EN 124-4 für Aufsätze und Abdeckungen aus Stahlbeton.“

55

Hierauf bezieht sich auch die normative Verweisung in Ziffer 2 der DIN EN 124-1 (DIN EN 124-4:2015).

56

Danach ist zunächst festzuhalten, dass diese DIN nicht nur über die besonderen technischen Bestimmungen für die Ausführung von Grundstücksentwässerungsanlagen der Beklagten Anwendung findet, indem ausdrücklich eine Abdeckung hiernach gefordert ist (Ziffer 3 letzter Satz), sondern diese auch nach ihrem selbst vorgegebenen Anwendungsbereich vorliegend Beachtung zu finden hat. Denn sie gilt explizit für Bereiche, in denen (nur) Fußgängerverkehr und kein Fahrzeugverkehr stattfindet. Dies trifft auf die Schachtabdeckung Regenwasser im Terrassenbereich zu, aber auch für die beiden Abdeckungen im Carport, selbst nach der Argumentation der Klägerin, dass aufgrund der Lage keine Befahrung mit einem Kraftfahrzeug möglich sei.

57

Der Klägerin ist jedoch nicht darin zuzustimmen, dass die DIN EN 124-1 deshalb keine Anwendung findet, weil kein Fußgängerverkehr im Sinne eines öffentlichen Verkehrs stattfindet, sondern allenfalls sie und ihr Lebensgefährte das Carport und die Terrasse betreten würden. Denn die Anwendbarkeit ist weder ausdrücklich noch nach Sinn und Zweck auf „öffentliche“ Verkehre beschränkt. So findet sich bereits die Begrifflichkeit „öffentlich“ nirgendwo in der DIN wieder. Verkehr ist nach der allgemeinen Wortbedeutung die Beförderung, Bewegung von Fahrzeugen, Personen, Gütern, Nachrichten auf dafür vorgesehenen Wegen (www.duden.de/Rechtschreibung/Verkehr). Diese kann aber auch im nichtöffentlichen Raum stattfinden, wie auch auf dem Grundstück – Carport, Terrasse – der Klägerin durch sie selbst, Mitbewohner, Nachbarn als Mitglieder der Gemeinschaftsanlage, Besucher, ggf. Bedienstete der Abfallwirtschaft aufgrund der hinter den Schächten belegenen Abfallbehälter sowie Bedienstete der Beklagten bei etwaigen Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen. Zudem würde es die Anwendbarkeit der DIN EN 124 ins Gegenteil verkehren, wenn gerade die von ihr umfassten Übergabeschächte der Grundstücksentwässerungsanlagen, die aus der Natur der Sache heraus aufgrund ihrer grundsätzlichen Belegenheit auf Privatgrundstücken nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind, herausgenommen würden. Dies entspräche nicht dem Sinn und Zweck der Berücksichtigung dieser DIN für gerade ebendiese Anlagen.

58

Da die lichte Weite der Einstiegsöffnung des Übergabeschachtes nach den „Besonderen technischen Bestimmungen für die Ausführung von Grundstücksentwässerungsanlagen“ mind. 600 mm Durchmesser haben muss, nach § 10 Abs. 2 Satz 3 Abwassersatzung sogar 800 mm – was nach den Angaben der Beklagten auch tatsächlich der Fall ist –, fallen die streitgegenständlichen Übergabeschächte auch im Speziellen unter die DIN EN 124.

59

Nach der Klassifizierung in Ziffer 4 der DIN EN 124-1 sind Abdeckungen basierend auf den in Tabelle 4 angegebenen Prüfkräften einer bestimmten (benannten) Klasse zuzuordnen (Ziffer 4.1). D. h. dies ist eine kategorische Vorgabe, die allein die Frage aufwirft, welcher Klasse die Abdeckung zuzuordnen ist, nicht aber, ob sie überhaupt einer Klasse zuzuordnen ist. Die Klassifizierung erfolgt in Verbindung mit dem Verwendungszweck in Abhängigkeit der Einbaustelle. Im Zweifelsfall soll die nächsthöhere Klasse gewählt werden (Ziffer 4.2). Danach fallen in Gruppe 1 (mindestens Klasse A 15) Flächen, die ausschließlich von Fußgängern und Radfahrern benutzt werden können und in Gruppe 2 (mindestens Klasse B 125) Fußg&#228;ngerzonen und vergleichbare Flächen, PKW-Parkflächen und PKW-Parkdecks.

60

Vorliegend hat die Beklagte die Abdeckungen auf dem Grundstück der Klägerin der Gruppe 2 zugeordnet, wogegen zumindest hinsichtlich der beiden Abdeckungen im Carport keine rechtlichen Bedenken bestehen, da es sich zum einen um einen PKW-Stellplatz handelt und zum anderen im Zweifel die nächsthöhere Gruppe anzuwenden ist. Hierauf hat die Beklagte die Gruppe 2 auch bezogen, nicht hingegen auf die Regenwasserschachtabdeckung im Terrassenbereich, wie sie noch einmal in der Klageerwiderung ausgeführt hat („Klasse A 15“). Der Einwand der Klägerin in Bezug auf Ungeeignetheit der Fläche als Pkw-Stellpatz aufgrund der Belegenheit der Carportpfosten ist ohne Belang, da das Carport mit seinen Begrenzungen durch Holzpfosten jederzeit zurückgebaut werden kann. Im Übrigen ergibt sich aus der in der mündlichen Verhandlung gemeinsam in Augenschein genommenen Abbildungen, insbesondere Abbildung 1, dass diese Behauptung unzutreffend ist.

61

Für Abdeckungen verwendete Werkstoffe – hier Stahlbeton – müssen die in den folgenden Dokumenten festgelegten Anforderungen erfüllen: DIN EN 124-4 für Abdeckungen aus Stahlbeton (Ziffer 5.1). Gegen die Verwendung des Werkstoffes als solches bestehen zunächst keine Bedenken. So sind Abdeckungen aus Stahlbeton sowohl für die Klassen A 15 und B 125 vorgesehen (DIN EN 124-4 Ziffer 5 Tabelle 1). In den materialspezifischen Merkmalen von Abdeckungen aus Stahlbeton ist in Ziffer 5.2.1. ein Kanten- und Kontaktflächenschutz zwischen Rahmen und Deckel vorgesehen, der entweder aus Gusseisen oder feuerverzinktem Stahl bestehen muss. Die Mindestdicke der Kanten zu Verkehrsflächen und von Kontaktflächen ist in Tabelle 2 wiedergegeben, wonach diese bei der Klasse A 15 = 2 mm beträgt und bei der Klasse B 125 = 3 mm. Nach den Ausführungen der Beklagten und nach Inaugenscheinnahme der Abbildungen 1 bis 4 in der mündlichen Verhandlung trifft dies auf zwei der drei Schächte nicht zu, nämlich auf die beiden Regenwasserschächte im Carport und auf der Terrasse. Der Schmutzwasserschacht wird insoweit von der Beklagten nicht bemängelt.

62

Darüber hinaus sieht die DIN EN 124-4 in Ziffer 9 eine zwingende Kennzeichnung von Deckeln, Rosten und Rahmen von Abdeckungen vor, nämlich: die Nummer der Norm (EN 124-4); die zugeordnete Klasse; den Namen und/oder die Kennzeichnung des Herstellers; Herstellwerk, ggf. verschlüsselt; Herstellungsdatum/-woche und -jahr. Eine solche ist anhand der Abbildungen bei keiner der drei Abdeckungen zu erkennen, so dass auch darin ein Verstoß gegen die DIN-Norm gegeben ist.

63

Die (öffentlich-rechtliche) Verpflichtung aus § 10 Abs. 8 Satz 1 Abwassersatzung trifft die Klägerin als Anschlussnehmerin und Grundstückseigentümerin. Bei einem gemeinsamen Anschluss für mehrere Grundstücke – wie vorliegend bereits dargestellt – sind die Eigentümerinnen und Eigentümer der beteiligten Grundstücke für die Erfüllung der Unterhaltungs- und Benutzungspflichten Gesamtschuldnerinnen und/oder Gesamtschuldner, § 10 Abs. 7 Satz 4 Abwassersatzung. Diese Verantwortlichkeit besteht unabhängig davon, ob die Klägerin die Situation zu verschulden hat oder ob neben ihr auch die anderen Gesamtschuldner in Anspruch genommen wurden.

64

Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 108 Abs. 1 LVwG. Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass der Inhalt der getroffenen Regelung, der Entscheidungssatz ggf. im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen, für die Beteiligten, insbesondere für die Adressaten des Verwaltungsaktes, so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass sie ihr Verhalten danach richten können und dass auch die mit dem Vollzug betrauten oder sonst mit der Angelegenheit befassten Behörden und deren Organe den Inhalt etwaigen Vollstreckungsmaßnahmen oder sonstigen weiteren Entscheidungen zugrunde legen können (vgl. zur vergleichbaren Bundesnorm § 37 VwVfG: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl., § 37, Rn. 5). Das Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht hat in einer vergleichbaren Fallkonstellation hierzu Folgendes ausgeführt (Urteil vom 22. Juli 2016 – 2 LB 5/16 –, juris, Rn. 35-36):

65

„Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 108 LVwG. Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass aus dem Verwaltungsakt selbst der Wille der Behörde eindeutig erkennbar ist; die Begründung des Verwaltungsaktes kann in Zusammenhang mit den gesamten Umständen, die den Betroffenen bekannt oder mindestens erkennbar sein müssen, zur Auslegung und Klarstellung des Gewollten herangezogen werden (vgl. Knieß in: Praxis der Kommunalverwaltung, LVwG-Kommentar, § 108 Nr. 2). Dem wird der Bescheid vom 26. November 2012 gerecht. Er enthält zum einen den Hinweis auf die Verantwortlichkeit der Kläger und stellt zum anderen lediglich die Verpflichtung der Kläger fest, gemeinsam mit den weiteren Mitgliedern der Gemeinschaft im Sinne von § 741 ff. BGB (den Eigentümern der Grundstücke ... Straße 34 bis 40) die gemeinschaftliche Grundstücksentwässerungsanlage auf eigene Kosten in den vorschriftsmäßigen Zustand zu bringen. Bei Auslegung des Bescheides unter Hinzuziehung dessen Begründung sowie bei Berücksichtigung des Wortlauts des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2013 bedeutet die Feststellung der Verpflichtung zugleich die Aufforderung bzw. Anordnung, die Sanierung durchzuführen. In der Begründung des Bescheides heißt es insoweit, dass das Gericht darauf hingewiesen habe (gemeint in das Verwaltungsgericht mit seinem Urt. v. 17. September 2012 – 4 A 404/11 –), dass die Beklagte berechtigt sei, gegenüber allen Mitgliedern der Gemeinschaft anzuordnen, die defekte Entwässerungseinrichtung zu sanieren, unabhängig von der Frage, welcher Teil defekt sei. Dementsprechend enthält der Widerspruchsbescheid die Formulierung, die Beklagte habe den Klägern zusammen mit den übrigen Mitgliedern der Gemeinschaft auferlegt, die gemeinschaftliche Grundstücksentwässerungsanlage in den vorschriftsmäßigen Zustand zu bringen.

66

Dass im Bescheid die vorhandenen und zu beseitigenden Schäden nicht ausdrücklich aufgeführt sind, steht seiner hinreichenden Bestimmtheit nicht entgegen. Die Grundstücksentwässerungsanlage ist unstreitig seit Jahren sanierungsbedürftig. Die Schäden der Anlage, die bereits im Jahr 2009 vorhanden waren, sind den Klägern aus der Dokumentation der vom Kläger in Auftrag gegebenen TV-Kanaluntersuchung vom 14. Oktober 2009 bekannt. (…)“

67

Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht an.

68

Der Bescheid vom 3. September 2014 wird in der Zusammenschau mit den beigefügten Anlagen („Besondere technische Bestimmung für die Ausführung von Grundstücksentwässerungsanlagen“) und den Gründen in dem Widerspruchbescheid vom 16. März 2018 diesen Anforderungen gerecht. Darin ist der Hinweis auf die Verantwortlichkeit der Klägerin als Gesamtschuldnerin enthalten und es wird zudem ihre Verpflichtung festgehalten, die nicht im Einklang mit der DIN 1229 bzw. EN 124 stehenden Abdeckungen der Übergabeschächte für Regenwasser und Schmutzwasser gegen eine der DIN entsprechenden Abdeckung auszutauschen. In dem Widerspruchsbescheid wird sodann konkret auf die einzelnen DIN-Vorschriften eingegangen und zu deren Inhalt und dem hiergegen vorgefundenen Verstoß der Abdeckungen der Übergabeschächte Ausführungen gemacht (Seite 2, 3). Hierdurch wird die geforderte Maßnahme ausreichend konkret bezeichnet. Die getroffene Aufforderung zum Austausch der Schachtabdeckungen kann für die mit dem Vollzug betrauten oder sonst mit der Angelegenheit befassten Behörden und deren Organe zwangsweise durchgesetzt werden (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7. August 2013 – 4 LB 15/12 –, juris, Rn. 38).

69

Von der Klägerin wird entgegen ihrer Auffassung auch nichts rechtlich Unmögliches verlangt. Da sie Mitglied einer Gemeinschaft ist steht ihr die Änderung der Entwässerungsanlage als „Verwaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes“ nur gemeinschaftlich mit den anderen Mitgliedern zu (vgl. § 744 BGB), wobei jeder Teilhaber berechtigt ist, die zur Erhaltung des Gegenstands notwendigen Maßregeln ohne die Zustimmung der anderen Teilhaber zu treffen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22. Juli 2016 – 2 LB 5/16 –, juris, Rn. 37). Gleiches gilt für die Änderung an Entwässerungsanlagen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10. Januar 2020 – 2 O 7/19 –), wie vorliegend. Dies folgt auch aus § 10 Abs. 7 Satz 1, 4 Abwassersatzung, wonach bei einem gemeinsamen Anschluss für mehrere Grundstücke die beteiligten Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer als Gesamtschuldner zu betrachten sind. Eine hiervon zu unterscheidende Frage ist die nach dem Kostenausgleich auf Sekundärebene unter den Gesamtschuldnern, welche aber auf die rechtliche Durchführbarkeit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung nur eines Gesamtschuldners keinen Einfluss hat.

70

Die Klägerin kann sich letztlich nicht auf Verjährung berufen. Es fehlt bereits an einer einschlägigen Verjährungsvorschrift. Im Hinblick auf die Dauer des Widerspruchsverfahrens besteht die Möglichkeit der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO, die jedoch von der Klägerin nicht erhoben wurde, sondern Klage erst nach Erlass des Widerspruchsbescheides am 16. März 2018 erfolgte. Für den Anspruch der Beklagten auf Beseitigung der Mängel durch Austausch der Abdeckungen existiert ebenfalls keine Verjährungsvorschrift. Der Erlass der ordnungsrechtlichen Verfügung als solche stellt keine abgabenrechtliche Fallkonstellation dar, so dass kein Rückgriff auf §§ 15, 11 Abs. 1 Satz 2 KAG i. V. m. § 169 ff. AO (zur Festsetzungsverjährung) bzw. § 228 ff. AO (zur Zahlungsverjährung) in entsprechender Anwendung genommen werden kann. Das LVwG enthält lediglich eine Vorschrift über die Verjährung, und zwar § 120 a LVwG. Diese befasst sich allerdings mit der Hemmung der Verjährung durch Verwaltungsakt, setzt also ihrerseits eine Verjährungsvorschrift für den Anspruch voraus, deren Lauf durch den Erlass eines Verwaltungsaktes gehemmt ist. In Betracht zu ziehen wäre noch eine analoge Anwendung der Vorschriften §§ 194 ff. BGB. Hierzu wird aber vertreten – und dem schließt sich die Kammer an –, dass nur bei vermögensrechtlichen Ansprüchen Vergleichbarkeit mit der Interessenlage zu der im Verjährungsrecht des BGB gegebenen bestehe (vgl. Albert/Zimmermann in: Praxis der Kommunalverwaltung (PK), Stand: 9.2016, § 120a LVwG, Erl. 1). Polizeirechtliche Verfügungen auf Tun, Dulden oder Unterlassen unterliegen keiner Verjährung (vgl. Albert/Zimmermann in: PK, ebenda), zumindest, soweit keine spezialgesetzlichen Vorschriften diese vorsehen (z. B. § 31 OWiG). Im Übrigen ist die Beklagte zeitnah im selben Jahr nach Abschluss der Kanalsanierungsmaßnahmen an die Klägerin herangetreten und hat die Ordnungsverfügung erlassen.

71

Auf Rechtsfolgenseite ist der Beklagten Ermessen eingeräumt, denn nach § 10 Abs. 8 Satz 1 Abgabensatzung „kann“ die Beklagte jederzeit fordern, dass die Entwässerungsleitungen und Einrichtungen den allgemein anerkannten Regeln der Technik und (…) entsprechen. Ihr steht mithin (zumindest) ein Entschließungsermessen zu. Das OVG Schleswig hat in einer Fallkonstellation mit einer vergleichbaren Vorschrift („Die Stadt […] kann, wenn Mängel festgestellt werden, fordern, dass die Grundstücksentwässerungsanlage unverzüglich auf Kosten des Grundstückseigentümers oder der Grundstückseigentümerin in den vorschriftsmäßigen Zustand verbracht wird.“) angeführt, dass diese Vorschrift lediglich ein Erschließungsermessen (mithin zur Frage des „Ob“ eines Sanierungsverlangens) eröffne. Ein Auswahlermessen hinsichtlich des „Wie“ der Sanierung stehe der Beklagten entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hingegen nicht zu. Die Auswahl der Sanierungsmaßnahme obliege nicht ihr, sondern den Klägern, die nach § 18 Abs. 3 Abwassersatzung verantwortlich seien für die Sanierung nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Diese Vorgabe mache es unerlässlich, ein Fachunternehmen zunächst mit der Planung und – nach Vorliegen der bei der Beklagten einzuholenden Genehmigung – mit der Durchführung der Arbeiten zu betrauen. Dem werde der streitgegenständliche Bescheid gerecht; er ermögliche den Klägern die Entscheidung über die effektivste und auch kostengünstigste Vorgehensweise, die ohnehin unter dem Vorbehalt der Genehmigung der Beklagten stehe (OVG Schleswig, Urteil vom 22. Juli 2016 – 2 LB 5/16 –, juris, Rn. 38).

72

Nach § 114 Satz 1 VwGO ist das behördliche Ermessen darauf zu überprüfen ist, ob der Bescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind (also die Behörde sich nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung hält; Verhältnismäßigkeit i. w. S.) oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (insbesondere sachfremde Erwägungen angestellt wurden; Tatsachenfehler). Gleichermaßen liegt ein Ermessensfehler vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen gar keinen Gebrauch gemacht hat, sog. Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensausfall (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1999 – 6 B 133/98 – juris, Rn. 10 m. w. N.; vgl. insgesamt Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl., § 114, Rn. 7 ff.). Der nach Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich garantierte gerichtliche Rechtsschutz setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für eine ordnungsgemäße Ausübung des einer Behörde eingeräumten Ermessens voraus, dass die Behörde offenbart, von welchen Gesichtspunkten sie sich bei der Ausübung des Ermessens hat leiten lassen. Diesem Zweck dient auch die Pflicht zur Begründung von Verwaltungsakten (§ 39 Abs. 1 VwVfG; vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1996, – 1 C 9.94 –, BVerwGE 102, 63 <70> m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 05. September 2006, – 1 C 20.05 –, AuAS 2007, 3-5.).

73

Gemessen an diesen Vorgaben hat die Beklagte weder in ihrem Ausgangsbescheid vom 3. September 2014 noch im Widerspruchsbescheid vom 16. März 2018 dieses Ermessen erkannt oder gar ordnungsgemäß ausgeübt.

74

So enthält der Ausgangsbescheid vom 3. September 2014 allein die Anmerkung, dass bei der Überprüfung der Entwässerungsanlage auf „Ihrem o. g. Grundstück“ festgestellt wurde, dass sie nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Sodann wurden die Mängel angekreuzt mit „Die Abdeckungen der Übergabeschächte für Regenwasser und Schmutzwasser entspricht nicht den DIN 1229 und der EN 124. Sie ist durch eine der DIN entsprechende Abdeckung auszutauschen.“ Es folgt noch ein weiterer Satz, der da lautet: „Ich habe Sie folglich gemäß § 10 Abs. 8 i. V. m. Abs. 1-4 u. 7 und § 12 Abs. 1 S. 2 der Satzung über die Abwasserbeseitigung in der zurzeit gültigen Fassung aufzufordern, die gekennzeichneten Mängel bis spätestens 10. November 2014 zu beseitigen.“ Hierbei handelt es sich allein um das Aufzeigen der Tatbestandsmerkmale, d. h. worin der nach § 10 Abs. 8 Satz 1 Abwassersatzung bestehende Mangel von der Beklagten gesehen wird. Der Bescheid nennt zwar (u. a.) die Norm § 10 Abs. 8 Abwassersatzung, daneben aber auch weitere Normen mit verbindlichem Inhalt, so dass allein aus dem Zitat nicht erkennbar ist, dass die Beklagte sich des ihr eingeräumten Ermessens bewusst war. Allein schon der Umstand, dass in dem Bescheid nicht von einer ein Ermessen eröffnenden Norm als Ermächtigungsgrundlage ausgegangen wird, rechtfertigt die Annahme eines Ermessensnichtgebrauchs (vgl. Sächsisches OVG, Urteil vom 27. März 2006, – 2 B 776/04 –, juris). Aber insbesondere die Formulierung der Beklagten in demselben Satz „Ich habe Sie folglich (…) aufzufordern (…)“ deutet unzweifelhaft darauf hin, dass sie sich in ihrer Entscheidung nach der für sie feststehenden Erfüllung des Tatbestandes (Nichtentsprechung der Schachtabdeckungen den DIN-Vorgaben als anerkannte Regeln der Technik) sogar gebunden gesehen, ihr Ermessen überhaupt nicht erkannt und dieses damit naturgem&#228;ß auch nicht ausgeübt hat; jedenfalls lässt sie eine Abwägung des „Für und Wider“ der Entscheidung insbesondere gemessen an dem Maß und der Dauer des Mangels (Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte) oder gar eine Einstellung der privaten Belange der Klägerin in der Entscheidung nicht erkennen.

75

Für den Widerspruchsbescheid vom 16. März 2018, der gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO dem Ausgangsbescheid die für die gerichtliche Überprüfung maßgebliche Gestalt gegeben hat, gilt nichts anderes: Dort wird zwar ebenfalls die Ermächtigungsgrundlage (i. V. m. weiteren Vorschriften) genannt und diesmal sogar wörtlich zitiert. Zudem finden sich Ausführungen zur Verantwortlichkeit der Klägerin als Gesamtschuldnerin (§§ 741, 744 BGB, § 10 Abs. 7 Abwassersatzung) auf ihren Widerspruch hin. Die Verantwortlichkeit als solche ist jedoch noch Teil der Tatbestandsseite und nicht eine Frage der Rechtsfolgenseite; auf letzterer wäre ggf. die Frage nach der Auswahl unter mehreren Verantwortlichen anzubringen, was vorliegend allerdings ebenfalls nicht geschehen ist. Auch im Widerspruchsbescheid heißt es nach der Darlegung der Nichteinhaltung der DIN-Vorschriften als anerkannte Regeln der Technik: „Ich habe Ihre Mandantin folglich nochmals gemäß § 10 Abs. 8 i. V. m. Abs. 1-4 u. 7 und § 12 Abs. 1 S. 2 der Satzung über die Abwasserbeseitigung in der zurzeit gültigen Fassung aufzufordern, die Abdeckung des Übergabeschachtes für Schmutzwasser sowie der Übergabeschächte für Regenwasser auf dem oben genannten Grundstück nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik und den besonderen technischen Bestimmungen für die Ausführung von Grundstücksentwässerungsanlagen auszutauschen. Die vorgenannten Maßnahmen sind spätestens bis 4. Mai 2018 durchzuführen.“

76

Die Beklagte hat diese Schlussfolgerung in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts bestätigt: Sie habe sich gebunden gesehen, die Fehler beseitigen zu lassen, da es DIN-Vorschriften gebe, die anzuwenden seien. Sie habe kein Ermessen gesehen.

77

Das Ermessen der Beklagten war vorliegend nach Auffassung der Kammer auch nicht „auf Null“ reduziert. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann zwar bei der Anwendung einer Ermessensnorm im Einzelfall „eine Schrumpfung des Ermessens auf ein einziges rechtmäßiges Ergebnis (...) eintreten, wenn nach Lage der Dinge alle denkbaren Alternativen nur unter pflichtwidriger Vernachlässigung eines eindeutig vorrangigen Sachgesichtspunkts gewählt werden könnten“. In einem solchen Fall ist die Entscheidung der Behörde – trotz des sonst bestehenden Ermessensspielraums – rechtlich zwingend vorgezeichnet, so dass für behördliche Ermessenserwägungen kein Anlass besteht (BVerwG, Beschluss vom 03.Oktober 1988, – 1 B 114.88 –, juris, Leitsatz 2).

78

Ein solcher Fall ist hier indes nicht gegeben. Es ist für das Gericht nicht zwingend erkennbar, dass vorliegend ein Einschreiten der Beklagten die einzige rechtmäßige Entscheidung wäre. Denn unter Berücksichtigung der Schwere des Verstoßes sowie die Auswirkungen auf öffentlich-rechtliche Interessensgesichtspunkte einerseits und die privaten Interessen des verpflichteten Anschlussnehmers andererseits ist dies vorliegend gerade nicht der Fall. Dabei kommt in der vorliegenden Fallkonstellation besonders zum Tragen, dass es sich bei den aufgezeigten Pflichtverstößen (fehlender Kanten- und Kontaktflächenschutz Regenwasserschachtabdeckungen; Kennzeichnungspflichten alle Schachtabdeckungen) eher um niedrigschwellige Mängel handelt, die keine direkten Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Abwasserbeseitigung und deren Einrichtungen oder für die Grundstücksentwässerung haben. Auch eine direkte Gefahr für Personen bei dem begrenzten Nutzerkreis ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat selbst keine besondere Dringlichkeit der Mängelbehebung im Sinne einer Gefahrenabwehrmaßnahme gesehen, was sich an der Dauer des Verwaltungsverfahrens (3,5 Jahre) zeigt. Der Verstoß allein gegen Kennzeichnungspflichten (wie bei der Schmutzwasserabdeckung) als formaler Aspekt zu Beweiszwecken über die Einhaltung der DIN-Normen, lässt ebenfalls nicht den zwingenden Schluss auf eine allein rechtmäßig zu verfügende Mängelbehebung im öffentlichen Interesse zu. Zudem sind die privaten Interessen der Klägerin nicht von vornherein von der Hand zu weisen, wie z. B. der mit dem Austausch verbundene Aufwand. Die genannten Aspekte in diesem Einzelfall führen dazu, dass nicht von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen ist.

79

Es handelt sich vorliegend jedoch um einen Fall des intendierten Ermessens, so dass im Ergebnis kein Ermessensfehler wegen eines Ermessensausfalls gegeben ist.

80

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmen sich die Anforderungen an den Inhalt und den Umfang der Begründung eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebietes und nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. u. a. Urteil vom 15. Juni 1971, – 2 C 17.70 –, BVerwGE 38, 191; Urteil vom 5. Juli 1985, – 8 C 22.83 –, BVerwGE 72, 1). Dabei kann vor allem eine Rolle spielen, ob es sich um eine Ermessensbetätigung handelt, deren Richtung bereits vom Gesetz vorgezeichnet ist (sog. intendiertes Ermessen), bei der also ein bestimmtes Ergebnis dem Gesetz nähersteht, sozusagen im Grundsatz gewollt ist und davon nur ausnahmsweise abgesehen werden darf. Bei einer solchen Konstellation gilt nämlich, dass es für die eine Ausnahme ablehnende Ermessensentscheidung einer Abwägung des „Für und Wider" nicht bedarf; damit entfällt zugleich auch eine entsprechende Begründungspflicht der Behörde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 1980, – 4 B 67.80 –, Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 168 S. 126). Eine Begründung der Ermessenserwägungen der Behörde ist somit entbehrlich, wenn eine Ermessen einräumende Vorschrift dahin auszulegen ist, dass sie für den Regelfall von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne ausgeht und besondere Gründe vorliegen müssen, um ausnahmsweise eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst. Versteht sich aber das Ergebnis von selbst, so bedarf es insoweit nach § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG auch keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1997, – 3 C 22.96 –, BVerwGE 105, 55; Urteil vom 23. Mai 1996, – 3 C 13.94 –, Buchholz 451.513 Sonst. Marktordnungsrecht Nr. 1; Urteil vom 25. September 1992, – 8 C 68 u. 70.90 –, BVerwGE 91, 82; Urteil vom 5. Juli 1985, a. a. O.; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. April 2007 – 2 LB 14/07 –, juris).).

81

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Aufforderung zum Austausch der Abdeckungen in Übereinstimmung mit den anerkannten Regeln der Technik und den besonderen Technischen Bestimmungen für die Ausführung von Grundstücksentwässerungsanlagen ist ein Ergebnis, welches den Vorgaben der Abwassersatzung nähersteht und – wie es auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung noch einmal angeführt hat – vom Grundsatz her gewollt ist. Hiervon soll nur ausnahmsweise abgesehen werden. Dieses Regel-Ausnahmeprinzip ergibt sich bereits aus § 10 Abs. 8 Abwassersatzung selbst, wonach Satz 1 als Ermächtigungsgrundlage für das Einschreiten normiert ist und Satz 3 hiervon eine Ausnahme zulässt („Über Ausnahmen entscheidet die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister nach Anhörung des Ausschusses für kommunale Dienstleister.“). Ein solches intendiertes Ermessen ergibt sich des weiteren aus den übrigen Vorgaben in § 10 Abwassersatzung. So „ist“ die Verantwortlichkeit für die Grundstücksentwässerungsanlage und deren jederzeitiger ordnungsgemäßer Zustand in § 10 Abs. 7 Satz 1 Abwassersatzung bindend formuliert. Auch § 10 Abs. 2 Satz 4 Abwassersatzung fordert uneingeschränkt, dass die Anlagen gemäß den besonderen technischen Bestimmungen für die Ausführung von Grundstücksentwässerungsanlagen auszuführen „sind“. Dies gilt gleichermaßen für § 10 Abs. 3 Abwassersatzung, wonach die Herstellung, Erneuerung und Veränderung sowie die laufende Unterhaltung (Reinigung, Ausbesserung) der Entwässerungsleitung und Einrichtungen einschließlich des Übergabeschachtes der Anschlussnehmerin oder dem Anschlussnehmer obliegen. In Satz 2 heißt es apodiktisch: „Die Arbeiten müssen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik und etwaigen besonderen Vorschriften der Stadt durchgeführt werden.“ Zwar handelt es sich bei dem „IST-Zustand“ eines fehlerhaften Zustandes einer Einrichtung der Grundstücksentwässerungsanlage (hier fehlerhafte Abdeckungen) nicht um eine in Satz 1 benannte Tätigkeit (Herstellung, Erneuerung, Veränderung, Unterhaltung). Dennoch wird daraus die Vorgabe deutlich, dass entscheidend das Ergebnis ist, nämlich, dass die Anlage als solche – egal wodurch hervorgerufen – den anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen hat. Zuletzt fordert auch § 12 Abs. 1 Satz 2 Abwassersatzung, dass zumindest Entwässerungsleitungen den jeweils geltenden DIN-Vorschriften entsprechen müssen. Aus der Gesamtschau all dieser Vorgaben für Grundstücksentwässerungsanlagen ergibt sich, dass die Austauschanordnung als von der Abwassersatzung bestimmtes Ergebnis vorgegeben ist, so dass sich das Ergebnis der Abwägung von selbst versteht und keiner weiteren Begründung bedurfte.

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2) Die Klage ist hinsichtlich des Hilfsantrages zulässig und begründet.

83

Mit diesem begehrt die Klägerin eine Ausnahmegenehmigung für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes der drei Schachtabdeckungen.

84

Gegen die Zulässigkeit bestehen keine rechtlichen Bedenken.

85

Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom 18. September 2014 in dem Widerspruchsbescheid vom 16. März 2018 abgelehnt. Diese Bescheidung ist zwar nicht mit einem eigenständigen Tenor ausgewiesen, jedoch eindeutig in der Begründung auf Seite 4 („Eine von Ihnen beantragte Ausnahmegenehmigung kann nicht erteilt werden.“) ausgesprochen worden.

86

Ein Vorverfahren nach §§ 68 ff. VwGO vor Erhebung der Klage bedurfte es nicht. Es handelt es sich um eine erstmalige (zusätzliche) Beschwer der Klägerin im Sinne von § 68 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Unabhängig davon war die Durchführung auch entbehrlich, zum einen weil die Ablehnung der Beklagten in den wesentlichen Punkten auf gleichliegenden Gründen beruht, wie die Aufforderung zum Austausch der Schachtabdeckungen (vgl. Seite 4 Widerspruchsbescheid; vgl. zu dieser Fallkonstellation Kopp/Schenke, a. a. O., § 68, Rn. 24). Zum anderen hat sich die Beklagte auf die Klage (Hilfsantrag) rügelos eingelassen. Ein solcher Fall liegt vor, wenn sich der mit der Widerspruchsbehörde identische Beklagte sachlich auf die Klage eingelassen und auf die Durchführung des Vorverfahrens verzichtet hat (BeckOK VwGO/Hüttenbrink, 56. Ed. 1. April 2020, VwGO § 68 Rn. 23, m. w. N.: VGH Mannheim NVwZ-RR 92, 184; VG Düsseldorf BeckRS 2013, 46069; BVerwG Buchholz 310 Nr. 47, ferner Kuhla/Hüttenbrink VerwProz/Hüttenbrink E 180 mwN). So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat ausdrücklich noch einmal angeführt, dass in dem Widerspruchsbescheid der Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung abgelehnt wurde, ohne anzumerken, dass diesbezüglich noch ein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist.

87

Die Klägerin konnte zulässigerweise den zunächst gestellten Verpflichtungsantrag auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung in einen Verbescheidungsantrag umstellen; hierbei handelt es sich nicht um eine Klagänderung, sondern um einen Fall von § 173 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 91, Rn. 9).

88

Der Hilfsantrag ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung; die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 16.März 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

89

Anspruchsgrundlage ist § 10 Abs. 8 Satz 3 Abwasserbeseitigung, wonach über Ausnahmen (von der Aufforderung zur Mängelbeseitigung) die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister nach Anhörung des Ausschusses für kommunale Dienstleister entscheidet. Aus den Ausführungen unter 1) zum Ermessen ergibt sich spiegelbildlich, dass bei der Entscheidung über die Ausnahmegenehmigung als „Ausnahme von der Regel“ Ermessenserwägungen anzustellen sind, die ihren Niederschlag in der ablehnenden Entscheidung zu finden haben. Nach den oben dargestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ausübung des einer Behörde eingeräumten Ermessens muss die Behörde offenbaren, von welchen Gesichtspunkten sie sich bei der Ausübung des Ermessens hat leiten lassen und hat diese Abwägung des „Für und Wider“ in ihrer Entscheidung zu begründen. Dies hat die Beklagte jedoch an diesem Punkt verabsäumt. Sie hat in ihrer Ablehnung des Antrages keinerlei Ermessensgesichtspunkte angestellt, sondern allein auf die Gründe Bezug genommen, die ihre Aufforderung zum Austausch der Schachtabdeckungen gestützt haben.

90

Dieser Ermessensfehler in Form des Nichtgebrauchs kann vom Gericht nicht geheilt werden (BVerwG, Urteil vom 13. November 1981, – 1 C 69.78 –, NJW 1982, 1413; Beschluss vom 3. Oktober 1988, – 1 B 114.88 –, Buchholz 316 § 40 VwVfG Nr. 8). Das ist auch nicht im Wege einer Ergänzung nach § 114 Satz 2 VwGO möglich. Eine solche ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nur in der Weise vorgesehen, dass die Behörde „ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes“ im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzt. Die Vorschrift setzt mithin voraus, dass bereits vorher, bei der behördlichen Entscheidung, schon „Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes“ angestellt worden sind, das Ermessen also in irgendeiner Weise betätigt worden ist. § 114 Satz 2 VwGO schafft die prozessualen Voraussetzungen lediglich dafür, dass defizitäre Ermessenserwägungen ergänzt werden, nicht hingegen, dass das Ermessen erstmals ausgeübt oder die Gründe einer Ermessensausübung (komplett oder doch in ihrem Wesensgehalt) ausgewechselt werden (BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1999, – 6 B 133.98 –, NJW 1999, 2912-2914 und Urteil vom 05. September 2006, – 1 C 20/05 –, AuAS 2007, 3-5; OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. April 2007 – 2 LB 14/07 –, Rn. 73, juris).

91

Zu den Gesichtspunkten, die bei einer Neubescheidung durch die Beklagte einzustellen wären – unter Beteiligung (Anhörung) des Ausschusses für kommunale Dienstleister –, wird auf die obigen Ausführungen zur Ermessensreduzierung auf Null verwiesen. Maßgeblich ist dabei allein, dass diese Erwägungen angestellt und in dem zu erlassenden Bescheid näher dargelegt werden; ein bestimmtes Ergebnis ist damit nicht vorgezeichnet.

92

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Sachantrag gestellt und sich somit nicht an dem Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt haben (§ 162 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 154 Abs. 3 VwGO).

93

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

        


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