Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 - 1 K 754/06 - geändert.
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
|
|
|
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die von der Beklagten verfügte Auflösung eines am 21.01.2006 durchgeführten Skinheadkonzerts rechtswidrig war.
|
|
|
In den Abendstunden des 21.01.2006 fand in ... im Ortsteil ... in einem Kellerraum auf dem Fabrikgelände der ehemaligen Firma ... in der ...straße ... ein Skinheadkonzert mit den zur rechten Skinheadszene gehörenden Musikbands „Breakdown“, „Tobsucht“ und „Blue Max“ statt. Als Eintrittsgeld wurden 7 EUR verlangt. Das Konzert wurde nicht öffentlich angekündigt, sondern einem ausgewählten Kreis von Interessierten über Mobiltelefon und per E-Mail mitgeteilt. Des Weiteren bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ von dem Konzert Kenntnis zu erlangen. Der ca. 80 qm große Veranstaltungsraum war von den Klägern zu 2 bis 4, die ihn schon seit längerer Zeit als Probenraum für die Skinheadband „Division Staufen“ gemietet hatten, für die Veranstaltung bereitgestellt worden.
|
|
|
Die Polizei erhielt trotz der konspirativen Vorbereitung Kenntnis von der Veranstaltung und ermittelte am 21.01.2006 den Ort und den mutmaßlichen, sich aus der Skinheadszene rekrutierenden Teilnehmerkreis. Sie hatte feuerpolizeiliche und baurechtliche Sicherheitsbedenken und erwartete im Hinblick auf die beteiligten Personen und die Skinheadbands die Begehung von Straftaten nach den §§ 86 und 86 a StGB (Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) sowie die Begehung von Ordnungswidrigkeiten nach jugendschutz- und gaststättenrechtlichen Bestimmungen während und nach der Veranstaltung. Der verantwortliche Einsatzleiter der Polizeidirektion ... informierte daher den Leiter des Ordnungsamtes der Beklagten am 21.01.2006 gegen 18:50 Uhr über den Sachverhalt. Dieser verfügte daraufhin mündlich unter Hinweis auf Gefahr im Verzug die Auflösung der Veranstaltung als erforderliche Maßnahme zur Gefahrenabwehr und die Erteilung von Platzverweisen nach den §§ 1, 3 PolG.
|
|
|
Nach Einholung einer durch das Amtsgericht ... verfügten richterlichen Anordnung zum Betreten der Örtlichkeit gingen einige der vor Ort befindlichen ca. 100 Polizeikräfte um 21:57 Uhr in den Veranstaltungsraum, in dem sich - wie sich später herausstellte - 118 zum Teil minderjährige Personen befanden. Der am … 1983 geborene Kläger zu 1 gab sich gegenüber dem Einsatzleiter als für die Veranstaltung Verantwortlicher zu erkennen und teilte mit, dass sein Geburtstag gefeiert werde. Daraufhin wurden ihm und dem Kläger zu 4, der sich gegenüber der Polizei ebenfalls als Verantwortlicher bezeichnet hatte, die von der Polizei beabsichtigten Maßnahmen erläutert. In den Räumlichkeiten traf die Polizei auch einen überörtlich tätigen gewerblichen Händler an, der z. T. strafrechtlich relevante rechtsextremistische CDs und T-Shirts zum Kauf anbot und deswegen später wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB) sowie wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Jugendschutzgesetz und der Gewerbeordnung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt wurde. In Verwahrung genommen wurden auch Tonträger der Skinheadband „Blue Max“, deren strafrechtliche Bewertung durch die Staatsanwaltschaft jedoch zu keinen weiteren Maßnahmen führte.
|
|
|
Im Anschluss an die Auflösung der Veranstaltung wurde auf Anordnung des Polizeivollzugsdienstes die Identität der angetroffenen Personen festgestellt; außerdem wurden körperliche Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt und mündliche Platzverweise für den Veranstaltungsort und den Stadtbezirk ... erteilt.
|
|
|
Über den Polizeieinsatz wurde sowohl in der örtlichen wie auch in der über-örtlichen Presse berichtet.
|
|
|
In der schriftlich abgefassten Auflösungsverfügung der Beklagten vom 31.01.2006, die dem Kläger zu 4 am 01.02.2006 zugestellt wurde, hieß es im verfügenden Teil, dass die Konzertveranstaltung gemäß §§ 1, 3, 49 und 50 PolG aufzulösen und der Veranstaltungsort gemäß §§ 18, 19, 26 und 27 LVwVG zu räumen sei. Gemäß §§ 1, 3 und 6 PolG seien gegen die Teilnehmer der Konzertveranstaltung Platzverweise auszusprechen gewesen. Zur Begründung bezog sich die Beklagte zunächst auf allgemeine polizeiliche Erkenntnisse, nach denen es bei den Zusam-menkünften rechtsextremer Gruppierungen im Landkreis ... zu Ordnungsstörungen gekommen sei. Ortsansässige Angehörige der rechtsextremen Szene hätten politisch motivierte Straf- und Gewalttaten begangen, unter anderem sei im Jahr 2000 ein Brandanschlag auf eine Moschee in ... verübt worden. Am 21.01.2006 sei gegen 18:00 Uhr an der Tank- und Rastanlage ... ein mit zwei Personen besetzter PKW aufgefallen, dessen Halter bereits rechtsextrem motivierte Straftaten begangen habe. Von diesen Personen sei ein weiterer PKW, der einem Mitglied der Skinheadband „Blue Max“ habe zugeordnet werden können, zum Veranstaltungsort in die ...straße gelotst worden. Dort habe bereits am 09.07.2005 eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ stattgefunden, bei der der Kläger zu 4 und ein weiteres Mitglied der Skinheadband „Division Staufen“ festgestellt worden seien. Auf der Rastanlage ... sei die zweite Person als N. H. identifiziert worden, dessen Wohnsitz mit dem des Klägers zu 4 identisch sei. In Verbindung mit Anrufen von Einwohnern beim Polizeirevier ... hätten die Umstände eindeutig auf die Durchführung eines Skinhead-Konzerts mit überregionalem Besuch schließen lassen. Die Veranstaltung sei von einer großen Zahl von Besuchern frequentiert worden, die nach ihrem Äußeren der Skinhead- bzw. rechten Szene hätten zugeordnet werden können. Bei den im Zusammenhang mit der Organisation der Veranstaltung bis zu diesem Zeitpunkt bekannt gewordenen Personen habe es sich um rechtsextreme politisch motivierte Straftäter gehandelt. Auch ein Teil der Besucher sei bereits einschlägig polizeilich bekannt gewesen. Aufgrund der bekannt gewordenen Personenbeziehungen sei zu vermuten gewesen, dass Angehörige der Band „Division Staufen“ für die Veranstaltung verantwortlich gewesen seien. Aufgrund aller Umstände habe darauf geschlossen werden können, dass es sich um eine für die rechte Szene typische, konspirativ organisierte Konzertveranstaltung gehandelt habe. Veranstaltungen dieser Art würden nach polizeilichen Erkenntnissen regelmäßig als „private Geburtstagsfeier“ deklariert, obwohl durch die Erhebung von Eintrittsgeld und den Verkauf von Getränken ein kommerzieller Charakter gegeben sei. Teilnehmer würden dabei durch Liedtexte eine gewalttätige und menschenverachtende Einstellung ausdrücken. Rassismus, Antisemitismus, übersteigertes Nationalbewusstsein und die Glorifizierung des Nationalsozialismus würden in solcher Weise propagiert, dass zwangsläufig Straftaten wie z. B. Volksverhetzung oder Aufruf zum Rassenhass vorlägen. Des Weiteren seien die Straftaten des Tragens oder Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole, Skandierens von nationalsozialistischen Parolen und sonstige Propagandadelikte zu erwarten. Damit verbunden sei ein übermäßiger Alkoholgenuss, der zu einer aufgeheizten Atmosphäre und einem hohen Aggressionspotenzial mit entsprechenden Folgen auch im Umfeld des Veranstaltungsortes bzw. bei der Abreise der Teilnehmer und damit Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen könne. Vorschriften des Jugendschutzes, der Gaststättenverordnung und vor allem der bau- und feuerpolizeilichen Bestimmungen fänden bei dieser Art konspirativ durchgeführter Musikveranstaltungen keinerlei Beachtung und stellten somit zumindest Gefahren, regelmäßig jedoch bereits eingetretene Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Die Mitglieder der Skinheadband „Blue Max“ seien als rechtsmotivierte Straftäter polizeilich erfasst und im Zusammenhang mit Konzerten einschlägig aufgefallen. Auch ein Mitglied der „Division Staufen“ sei rechtskräftig verurteilt worden, weil es die Verabredung zu dem genannten Brandanschlag auf die Moschee in ... mitgehört und nicht gemeldet habe. Der Kläger zu 4 selbst sei bis in die jüngste Vergangenheit wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Durch die Ortskenntnisse des Polizeireviers ... sei eindeutig belegt, dass der Veranstaltungsort in keiner Weise den Sicherheitsanforderungen an eine Musikveranstaltung mit dem erwarteten Besucheraufkommen entspreche. In der Gesamtbewertung habe die Prognose schlüssig und zwingend ergeben, dass durch die Veranstaltung Gefahren bzw. bereits Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in erheblichem, nicht tolerierbarem Ausmaß vorgelegen bzw. unmittelbar bevorgestanden hätten, deren Verhinderung bzw. Beseitigung im öffentlichen Interesse geboten gewesen sei. Mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätten Gefahren für Einzelne unter anderem durch die Verletzung bau- und feuerpolizeilicher Vorschriften angenommen werden können. Die Auflösung der Veranstaltung sei erforderlich gewesen, da andere polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nicht erreichbar gewesen seien. Die Auflösung sei auch geeignet und das mildeste Mittel gewesen. Als Zwangsmittel habe nur der unmittelbare Zwang zur Verfügung gestanden, da andere Zwangsmittel nicht geeignet gewesen seien. Die Ortspolizeibehörde habe nicht früher unterrichtet werden können und wegen der Dringlichkeit der Maßnahme sei auch nur eine mündliche Auflösungsverfügung möglich gewesen. Die Erteilung von Platzverweisen sei geboten gewesen, da sonst das Ziel des Einsatzes stark gefährdet oder sogar vereitelt worden wäre. Es sei zu vermuten, dass nach Abzug der Polizeikräfte ohne diese Maßnahme die Veranstaltung - mit allen prognostizierten Gefahren und Störungen - weitergeführt worden wäre. Wegen der Gefahrenprognose und der Personenerkenntnisse habe eine hohe Notwendigkeit für ein polizeiliches Einschreiten bestanden. Es sei zu vermuten gewesen, dass von den genannten Personen Straftaten begangen oder solche zumindest geduldet würden.
|
|
|
Am 03.02.2006 haben die Kläger Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das erforderliche Feststellungsinteresse folge zum einen aus einer bestehenden Wiederholungsgefahr, da sie beabsichtigten, solche Veranstaltungen auch in Zukunft durchzuführen. Zum anderen bestehe ein Rehabilitationsinteresse sowie ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Grundrechtsbetroffenheit. Die Auflösung der Versammlung sei schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil die formellen Anforderungen nicht beachtet worden seien. Es sei von einer öffentlichen Versammlung i. S. des Versammlungsgesetzes auszugehen, so dass die Maßnahme nicht auf §§ 1, 3 PolG habe gestützt werden können. Das Konzert habe für jeden, der von ihm erfahren habe, offen gestanden; keiner einzigen Person sei der Zutritt verweigert worden. Das gemeinsame geistige Band habe in der Zuordnung zu einer bestimmten politischen Richtung bestanden. Durch den Besuch des Konzerts hätten die Teilnehmer einen bestimmten Standpunkt eingenommen und auch nach außen bekräftigt. Es habe sich nicht um eine kommerzielle Veranstaltung gehandelt. Der Eintrittspreis und der für die Getränke erhobene Betrag habe lediglich die Unkosten, wie etwa die Mietkosten für die Musikanlage bzw. den Einkaufspreis der Getränke und Speisen, abdecken sollen. Ein Gewinn sei nicht angefallen. Materiell sei die Auflösung rechtswidrig gewesen, weil keiner der in § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 VersammlG genannten Gründe vorgelegen habe. Auch die Voraussetzungen für ein Einschreiten auf der Grundlage des Polizeigesetzes hätten nicht vorgelegen.
|
|
|
Die Beklagte ist den Klagen entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien unzulässig. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, weil der Mietvertrag für den Kellerraum gekündigt worden sei. Ein Rehabilitationsinteresse sei zu verneinen, weil keine Diskriminierung der Kläger vorliege; diese seien nicht in ihrer Persönlichkeit oder Menschenwürde schwerwiegend beeinträchtigt worden. Die Klagen seien auch unbegründet. Die Auflösung der Veranstaltung sei zu Recht auf die §§ 1, 3 PolG gestützt worden, da es sich nicht um eine Versammlung gehandelt habe. Die vermeintliche „Geburtstagsfeier“ mit musikalischen Darbietungen und dem Verkauf von Tonträgern und anderen Artikeln habe unter zeitlichen, räumlichen und kommerziellen Aspekten nicht als Versammlung i. S. des Versammlungsrechts angesehen werden können. Die Feier sei eine auf Spaß und Unterhaltung ausgerichtete „große Party“ gewesen, die kommerziell veranstaltet worden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Teilnehmer ähnliche politische Einstellungen gehabt hätten. Das Schwergewicht der Musikveranstaltung sei auf dem Gebiet der Unterhaltung zu sehen. Eine gezielte Einflussnahme einzelner Redner auf die Gesamtheit der Anwesenden durch allgemeine Ansprachen oder ähnliche Bekundungen sei nach dem geplanten und faktisch auch realisierten Ablauf der Veranstaltung auf sehr beengten Verhältnissen kaum möglich gewesen. Die Veranstaltung sei auch nicht öffentlich gewesen. Die Einladungen seien verdeckt über ein Info-Telefon erfolgt; die Veranstaltung sei konspirativ durchgeführt worden; alle Teilnehmer seien der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen gewesen. Das Konzert sei nicht als politische Veranstaltung erkennbar gewesen; es seien auch keine Funktionäre oder Personen mit bestimmter Parteizugehörigkeit oder Vertreter politischer Interessenverbände anwesend gewesen und es habe keine gezielte Einflussnahme in politischer Hinsicht und auch keine Rekrutierungsversuche seitens politisch Interessierter gegeben. Es habe somit keine Versammlung, jedenfalls aber keine öffentliche Versammlung vorgelegen. Die Auflösung der Veranstaltung sei von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegeben worden. Anschließend habe er auch die geplanten polizeilichen Maßnahmen angekündigt. Der Kläger zu 1 habe daraufhin über das Mikrofon die Veranstaltung für beendet erklärt; der Kläger zu 4 habe als Veranstalter über das Mikrofon nochmals die geplanten polizeilichen Maßnahmen wiederholt. Es habe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit hinsichtlich Leib, Leben und Gesundheit aller Veranstaltungsteilnehmer und auch hinsichtlich der Verwirklichung von Straftatbeständen, z.B. nach § 86 a StGB, bestanden. Zum anderen sei die Rechtsordnung durch Ordnungswidrigkeiten und Straftaten verletzt gewesen. Die Mitglieder der Band „Blue Max“ seien als gewalttätige rechtsmotivierte Straftäter bekannt. Gleiches gelte für den Gitarristen der Band „Tobsucht“. Auf deren Homepage seien Bilder veröffentlicht, auf denen eine große Triskele (Sonnensymbol) erkennbar sei. Ein Mitglied der Band „Division Staufen“ sei rechtskräftig wegen der Nichtanzeige eines geplanten Verbrechens verurteilt. Der Kläger zu 4 sei als rechtsmotivierter Straftäter 14-mal polizeilich in Erscheinung getreten. Der Veranstaltungsraum sei für die angenommenen 150 Personen räumlich ungeeignet gewesen. Es sei bekannt gewesen, dass er in keiner Weise den Sicherheitsanforderungen an eine Veranstaltung dieses Ausmaßes gerecht werden könne. Der davorliegende Hofraum sei stark vereist gewesen, sodass ein rascher Zugang für mögliche Retter bzw. eine schnelle Evakuierung der im Raum befindlichen Personen nur in stark eingeschränktem Umfang möglich gewesen wäre. Außer einem beschränkten Zugang über eine Steintreppe habe es keine weiteren Fluchtmöglichkeiten gegeben. Die Deckenabhängung aus einer Art Vorhangstoff sei leicht entflammbar gewesen. Im Fall eines Feuers hätte dies für einen Großteil der im Raum befindlichen Personen tödliche Folgen gehabt. Somit sei gegen bau- und feuerpolizeiliche Bestimmungen verstoßen worden. Ende des Jahres 2000 habe es in ... im Anschluss an eine vergleichbare Veranstaltung einen Brandanschlag gegeben. Es sei auch damit zu rechnen gewesen, dass durch Liedtexte eine gewalttätige und menschenverachtende Einstellung ausgedrückt werde. Rassismus, Antisemitismus, übersteigertes Nationalbewusstsein und die Glorifizierung des Nationalsozialismus würden in solcher Weise propagiert, dass zwangsläufig Straftaten wie z. B. Volksverhetzung oder Aufruf zum Rassenhass begangen würden. Wegen der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen habe auch die Gefahr bestanden, dass Straftaten nach dem Jugendschutzgesetz begangen würden. Zudem habe es Verstöße gegen das Gaststättengesetz gegeben. Die Auflösung der Veranstaltung sei geeignet, erforderlich und angemessen gewesen und ermessensfehlerfrei erfolgt. Adressaten seien zunächst die Kläger zu 1 und zu 4 gewesen. Zunächst habe der Kläger zu 1 sich als Verantwortlicher ausgegeben, da sein Geburtstag gefeiert werde. Kurz darauf habe der Kläger zu 4 mitgeteilt, dass er den Raum angemietet habe. Der Kläger zu 4 sei als Organisator und Veranstalter Handlungsstörer; er habe aktiv den polizeipflichtigen Zustand herbeigeführt. Wegen der bestehenden Gefahr im Verzug habe die Auflösungsverfügung sogleich vollstreckt werden können.
|
|
|
Mit Urteil vom 18.12.2008 - 1 K 754/06 - hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in den Kellerräumlichkeiten in der ... ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse sei unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation und der Wiederholungsgefahr zu bejahen. Die auf §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung sei rechtswidrig gewesen, weil es sich bei der aufgelösten Veranstaltung um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt habe, deren Auflösung allein auf dieses Gesetz gestützt werden könne. Die Voraussetzungen des einschlägigen § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG hätten jedoch nicht vorgelegen. Um die Abwehr bau- und feuerpolizeilicher Gefahren sei es - wie sich aus der schriftlichen Begründung der Auflösungsverfügung und der Art des Vorgehens der Polizeikräfte ergebe - ersichtlich nicht - jedenfalls nicht ausschließlich - gegangen.
|
|
|
Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 19.02.2010 - 1 S 677/09 - zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Die Auflösung der am 21.01.2006 durchgeführten Veranstaltung sei rechtmäßig gewesen. Es habe sich bei dieser Veranstaltung nicht um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt. Unter den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fielen nur solche Veranstaltungen und Aktionen, die durch gemeinschaftliche Kommunikation geprägt seien und die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielten. Eine Musik- bzw. Tanzveranstaltung werde nicht allein dadurch zur geschützten Versammlung, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungen bekundet würden. Die hier im Streit stehende Veranstaltung habe ihrem Gesamtgepräge nach einen ganz überwiegend unterhaltenden Schwerpunkt gehabt. Sie habe sich weitgehend auf den Konsum des Konzerts und das entsprechende Vergnügen unter Gleichgesinnten beschränkt. Selbst wenn man davon ausgehe, dass bei Skinheadkonzerten die Festigung und Verbreitung rechtsextremer Orientierungen bei Jugendlichen einen gewünschten Nebeneffekt darstelle, führe dies nicht dazu, dass eine solche Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach ihren Unterhaltungscharakter verliere. Unabhängig vom Versammlungscharakter der Veranstaltung habe die Auflösung aufgrund der konkret vorliegenden bau- und feuerpolizeilichen Gefahren auf die §§ 1, 3 PolG gestützt werden können. Die Polizeibehörde habe ihre Maßnahmen ausdrücklich auch mit bau- und feuerpolizeilichen Gefahren begründet. Da der fensterlose Veranstaltungsraum lediglich über einen schwer begehbaren Aus-/Eingang verfügt habe, sei die Beklagte am 21.01.2006 wegen ihrer Kenntnisse um die räumlichen Verhältnisse und die erhebliche Teilnehmerzahl zum Schutz von Leben und Gesundheit der Veranstaltungsteilnehmer sogar verpflichtet gewesen, die Veranstaltung aufzulösen. Die auf der Auflösung beruhende Beeinträchtigung der Versammlung stelle lediglich eine Nebenfolge dar, so dass die aus bau- und feuerpolizeilichen Gründen notwendig gewesenen Maßnahmen auf das allgemeine Polizeirecht gestützt werden dürften.
|
|
|
|
|
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 - 1 K 754/06 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
|
|
|
|
|
die Berufung zurückzuweisen.
|
|
|
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Ergänzend führen sie aus, die Auflösung der Versammlung habe auch nicht wegen angeblich vorliegender bau- oder feuerpolizeilicher Gefahren auf die §§ 1, 3 PolG gestützt werden können. Sofern mit solchen Maßnahmen mittelbar Einschränkungen des Versammlungsrechts verbunden seien, dürften diese allenfalls eine zwangsläufige Nebenfolge, nie jedoch (auch nur teilweise) ihr eigentlicher Zweck sein. Vorliegend sei jedoch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt gewesen. Die bau- bzw. feuerpolizeilichen Gründe für die Auflösung der Versammlung seien lediglich vorgeschoben gewesen.
|
|
|
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurde der als amtliche Auskunftsperson geladene Einsatzleiter, Herr POR ..., informatorisch angehört. Er gab an, dass er nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen davon ausgegangen sei, dass das Konzert in einem Kellerraum stattfinden werde. Er habe den Leiter des Ordnungsamts der Beklagten entsprechend unterrichtet. Dieser erklärte, die örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück ...straße ... seien ihm bekannt gewesen.
|
|
|
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten, der Polizeidirektion ... und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.
|
|
|
|
| Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klagen abweisen müssen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in einem Kellerraum in der ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Ihre Klagen sind zulässig (I.), aber nicht begründet (II.). |
|
| 1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Die Klagen beziehen sich auf die am 21.01.2006 von der Beklagten um 18:50 Uhr verfügte und um 21:57 Uhr von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegebene Auflösung der Veranstaltung, die sofort vollzogen wurde und damit schon vor Klageerhebung erledigt war. |
|
| 2. Die Kläger sind klagebefugt i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO. Sie waren Teilnehmer der aufgelösten Veranstaltung und damit Adressaten der in Form einer Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 Satz 2 LVwVfG ergangenen Auflösungsverfügung. Dass die am 31.01.2006 abgefasste schriftliche Begründung der Verfügung allein an den Kläger zu 4 gerichtet war, ändert daran nichts. |
|
| 3. Ein Vorverfahren i. S. v. § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288). |
|
| 4. Die Kläger haben schließlich das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Die Kläger können ein Rehabilitationsinteresse geltend machen. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - NVwZ 1998, 761). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen zudem polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsaktes nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Eingriff in den Schutzbereich der von Art. 8 GG verbürgten besonders bedeutsamen Versammlungsfreiheit stellt einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. Ist angesichts des Vorbringens der Beteiligten - wie hier - ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 12 m.w.N.). Unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Weiteren im Hinblick auf die Presseberichterstattung über die Auflösung der Veranstaltung gegeben. Die Kläger zu 1 und 4 als (Mit-)Veranstalter haben darüber hinaus ein Interesse daran, durch eine gerichtliche Entscheidung die Gefahr der Wiederholung einer vergleichbaren Situation zu verhindern. Zwar wird eine weitere Veranstaltung in dem fraglichen Kellerraum nicht mehr stattfinden können, da das Mietverhältnis seitens des Eigentümers beendet worden ist. Wie die Kläger bekundet haben, haben sie jedoch die Absicht, vergleichbare Veranstaltungen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch zukünftig abzuhalten, so dass sie wiederum mit einer Auflösung rechnen müssten (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.). |
|
| Die Klagen sind nicht begründet. Die auf die §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung war rechtmäßig und verletzte die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar fällt das aufgelöste Skinheadkonzert unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (1.). Es handelte sich um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes (2.), die zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes hätte verboten oder aufgelöst werden dürfen (3.). Ob die Voraussetzungen für ein Verbot oder für eine Auflösung auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 5, 13 VersammlG) hier vorgelegen haben, kann letztlich offen bleiben, weil die Auflösung der Versammlung auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war (4.). |
|
| 1. Das aufgelöste Skinheadkonzert ist als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG zu behandeln. |
|
| a) Art. 8 Abs. 1 GG verleiht allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit will das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Menschen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) schützen (BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - VBlBW 2008, 60). Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken (vgl. Enders, JURA 2003, 34 <38>). Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen einsetzen will (vgl. BVerfG , Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 - BVerfGK 2, 1 <6>). Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fallen allerdings unter den Versammlungsbegriff ebenso wenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei, ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl von sogenannten Subkulturen ausdrückt oder dem Massengeschmack entspricht (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O.). Andererseits erstreckt sich der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit auch auf solche Veranstaltungen, die ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken. |
|
| Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob diese "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2461; BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 16). |
|
| Die Beurteilung, ob eine "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, ist im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Das besondere Gewicht, das die Verfassung der Versammlungsfreiheit beimisst, gebietet, dass alle wesentlichen Umstände in die Beurteilung einbezogen und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Die Gesamtschau hat in mehreren Schritten zu erfolgen. Zunächst sind alle diejenigen Modalitäten der geplanten Veranstaltung zu erfassen, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Zu vernachlässigen sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können. Bei der Ausklammerung von an sich auf die Meinungsbildung gerichteten Elementen unter Hinweis auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Anliegens ist mit Blick auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit Zurückhaltung zu üben und ein strenger Maßstab anzulegen. In die Betrachtung einzubeziehen sind nur Elemente der geplanten Veranstaltung, die sich aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichtet darstellen. Abzustellen ist in erster Linie auf einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung an ihrem Ort befindet. Im Anschluss an die Erfassung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind diese ihrer Bedeutung entsprechend zu würdigen und in ihrer Gesamtheit zu gewichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 17). |
|
| Daran schließt sich der zweite Schritt der Gesamtschau an, bei dem die nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten der Veranstaltung, wie etwa Tanz, Musik und Unterhaltung, zu würdigen und insgesamt zu gewichten sind. Schließlich sind - in einem dritten Schritt - die auf den ersten beiden Stufen festgestellten Gewichte der die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung betreffenden Elemente einerseits und der von diesen zu unterscheidenden Elemente andererseits zueinander in Beziehung zu setzen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters zu vergleichen. Überwiegt das Gewicht der zuerst genannten Elemente, ist die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung. Im umgekehrten Fall genießt die Veranstaltung nicht den Schutz des Versammlungsrechts. Ist ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festzustellen, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 18). |
|
| b) Bei Zugrundelegung dieses auch vom erkennenden Senat (vgl. Urt. v. 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O. und v. 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - a.a.O.) vertretenen sog. engen Versammlungsbegriffs können auch kulturelle Veranstaltungen wie Musikveranstaltungen, Theaterstücke oder Dichterlesungen als „gemischte“ Veranstaltungen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Wenn die Teilnehmer derartiger Veranstaltungen durch ihre Anwesenheit Anteilnahme ausdrücken wollen - etwa für die Menschenrechte, um die es einem Autor geht, oder bei „Rock gegen rechts“, um gegen Rechtsextremismus anzutreten -, handelt es sich um eine Meinungskundgabe zwecks Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, Kommentar, 15. Aufl., § 1 Rn. 13). |
|
| c) Skinheadkonzerte wie das hier aufgelöste sind dadurch geprägt, dass mit der Musik zugleich eine politische Botschaft vermittelt wird. Einerseits thematisieren die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands das Selbstverständnis und Lebensgefühl der rechtsextremistischen Skinheadszene. Andererseits ist diese Musik das wichtigste Propagandamedium, über das rechtsextremistische Inhalte in die Skinheadszene transportiert werden. So richten sich nicht wenige dieser Lieder gegen szenetypische Feindbilder wie Ausländer, Juden, Israel, die USA, Homosexuelle, „Linke“, Punker, gegen die Presse sowie staatliche Institutionen und Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Der szeneeigenen Musik und insbesondere den Konzerten kommt ein hoher identitätsstiftender Stellenwert zu. Die Konzerte dienen auch der Rekrutierung neuer Anhänger und deren ideologischer Festigung. Sie tragen zur Förderung einer rechtsextremistischen Orientierung vor allem bei jugendlichen und heranwachsenden Konzertbesuchern bei. Zu diesem Zweck erfolgt auch der Verkauf einschlägiger CDs und sonstigen Propagandamaterials. Über den Konsum der Musik finden umso mehr Jugendliche zum Rechtsextremismus, je präsenter die Szene durch ein vielfältigeres CD- und ein flächendeckenderes Konzertangebot wird (Verfassungsschutzbericht BW 2006, S. 136). Durch die entsprechende Musik werden die Konzertbesucher politisch indoktriniert; die Musik ist sozusagen das „Parteiprogramm“ der nicht parteipolitisch gebundenen rechtsextremistischen Skinheadszene. Konzertveranstaltungen kommt die Funktion von „Kontaktbörsen“ für rechtsextremistische Gesinnungen zu. Rechtsextremistische Skinheadbands fungieren als die politischen Propagandisten innerhalb der Skinheadszene (vgl. Thalmair, BayVBl 2002, 517 <518>). Anders als etwa bei einem normalen Popkonzert werden bei einem Skinheadkonzert die übrigen Besucher nicht nur in Kauf genommen, sondern als Gleichgesinnte empfunden, mit denen man sich zusammenfinden will, um sich beim gemeinsamen Musikgenuss in der eigenen Überzeugung zu bestärken und die gleiche Gesinnung zur Schau zu stellen (vgl. Thalmair, a.a.O. S. 519; siehe zum Ganzen auch Soiné, JuS 2004, 382 und Verfassungsschutzbericht BW 2008, S. 140 f.). |
|
| d) Die hier streitgegenständliche Veranstaltung erfüllte alle skizzierten typischen Merkmale eines Skinheadkonzerts. Sie wurde auch im Verfassungsschutzbericht BW 2006 in der Rubrik „Gewaltbereiter Rechtsextremismus“ unter der Überschrift „Die rechtsextremistische Skinhead(musik)szene: Ein Boom schwächt sich ab?“ ausdrücklich aufgeführt (S. 134 f.). Auf der einen Seite diente die Veranstaltung als Musikkonzert zweifellos der Unterhaltung. Auf der anderen Seite wurden den Konzertbesuchern durch die Liedtexte rechtsextremistische Inhalte vermittelt. Dass die politischen Botschaften in erster Linie durch die Liedtexte transportiert werden, steht auch bei Zugrundelegung des engen Versammlungsbegriffs dem Versammlungscharakter eines solchen Konzerts nicht entgegen. Die innere Bindung der Besucher auf ideologischer Ebene, der Zweck, die eigene weltanschauliche und politische Identität zu stärken und insbesondere die auf (noch) nicht der Skinhead-szene angehörende Konzertbesucher zielende Rekrutierungsfunktion heben ein solches Skinheadkonzert deutlich von anderen Konzerten ab, bei denen der Musikgenuss im Vordergrund steht. Der Kläger zu 2 hat auf Fragen zur politischen Botschaft der Veranstaltung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, es sei darum gegangen, Leute anzuwerben und für ihre politischen Vorstellungen zu begeistern. Sie seien gegen Überfremdung und für den Erhalt der deutschen Nation. Die multikulturelle Gesellschaft lehnten sie ab. Für einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt des Konzerts zufällig vor Ort befunden hätte, wäre nicht zweifelsfrei festzustellen gewesen, ob die Veranstaltung in erster Linie dem Musikgenuss dient oder ob die mit den Liedtexten vermittelten politischen Botschaften und damit die auf Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Elemente überwiegen. |
|
| Lässt sich nach alledem ein Übergewicht des unterhaltenden Charakters der Veranstaltung nicht feststellen, so ist das Konzert jedenfalls nach der Zweifelsregel wie eine Versammlung zu behandeln. |
|
| Die selbst gewählte Einordnung als private Feier steht der Einordnung als Versammlung nicht entgegen, weil der Versammlungscharakter aus der Sicht eines außenstehenden durchschnittlichen Betrachters zu beurteilen ist. Rechtlich irrelevant ist auch die rechtsextremistische Ausrichtung der Veranstaltung, da Art. 8 GG nicht nach dem Inhalt der bei einer Versammlung geäußerten Meinung unterscheidet und auch das Infragestellen von Verfassungswerten - soweit dies nicht in kämpferischer Weise geschieht und keine einschlägigen Straftatbestände verwirklicht werden - erlaubt ist. |
|
| e) Der Versammlungscharakter ist schließlich nicht aufgrund der Schutzbereichseinschränkung des Art. 8 Abs. 1 GG, nach welcher für die Ausübung der Versammlungsfreiheit die Gebote der Friedlichkeit und der Waffenlosigkeit gelten, zu verneinen. Die Verfassung bewertet die Unfriedlichkeit in gleicher Weise wie das Mitführen von Waffen. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - a.a.O. S. 106). Das Friedlichkeitsgebot ist somit auf das Verbot gewalttätigen Verhaltens zu reduzieren (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 1 Rn. 140 m.w.N.). |
|
| Daran gemessen war hier die Friedlichkeit der Versammlung nicht in Frage gestellt. Das durch die Mischung von aggressiver Musik und Alkoholkonsum möglicherweise entstandene Gewaltpotenzial konnte auf der Veranstaltung nicht zum Ausbruch kommen, da man „unter sich“ war und das Gegenüber, der politische Gegner bzw. die möglichen Opfer wie Homosexuelle oder Ausländer, fehlten. |
|
| 2. Bei dem Skinheadkonzert handelte es sich auch um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes. |
|
| a) Nach § 1 Abs. 1 VersammlG hat jedermann u.a. das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten. Der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes entspricht demjenigen des Grundgesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15). Die Gleichsetzung beider Versammlungsbegriffe erweist sich als verfassungsgemäß (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2460). Hinzutreten muss nach dem Versammlungsgesetz lediglich das Merkmal der Öffentlichkeit der Versammlung. |
|
| b) Die Öffentlichkeit bestimmt sich danach, ob die Versammlung einen abgeschlossenen oder einen individuell nicht abgegrenzten Personenkreis umfasst (BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 992; Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ThürOVG, Beschl. v. 29.08.1997 - 2 EO 1038/97 u.a. - NVwZ-RR 1998, 497). Wesentliche Voraussetzung hierfür ist also, dass jeder, der von einer solchen Zusammenkunft Kenntnis erhält, die Möglichkeit hat, an ihr teilzunehmen. Dies war vorliegend der Fall. Der Teilnehmerkreis der Veranstaltung war von vornherein weder nach bestimmten Kriterien festgelegt noch begrenzt worden. Zwar wurde die Veranstaltung, bei der einschlägig bekannte Skinheadbands auftreten sollten, konspirativ vorbereitet. Zeit und Ort wurden nicht öffentlich bekanntgegeben, sondern ausschließlich per E-Mail und SMS einem Kreis bekannter Gleichgesinnter mitgeteilt. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ Kenntnis von dem Konzert zu erlangen. Diese Einladungspraxis dürfte in erster Linie deshalb gewählt worden sein, um die Veranstaltung vor den Ordnungsbehörden und vor möglichen Störern etwa aus der linksautonomen Szene geheim zu halten. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass der Teilnehmerkreis abschließend beschränkt werden sollte. Bei der gewählten Vorgehensweise hatten die Veranstalter es auch nicht mehr in der Hand, zu bestimmen, wer von der Veranstaltung erfuhr und an ihr teilnahm; im Hinblick auf die oben beschriebene Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung lag dies auch gar nicht in ihrer Absicht. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Teilnehmer einzeln eingeladen worden wären und dass nur bestimmte Personen Zugang zu der Veranstaltung erhalten sollten. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfällt auch nicht deshalb, weil Eintrittsgelder erhoben worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, a.a.O.). Soweit die Beklagte die Öffentlichkeit der Versammlung bestreitet, verhält sie sich widersprüchlich, da sie mit der Begehung von Straftaten rechnete, die zumindest teilweise einen gewissen Öffentlichkeitsbezug voraussetzen (vgl. z. B. § 86 a StGB). Ihre Behauptung, es habe strenge Einlasskontrollen gegeben und Personen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht eindeutig der Skinheadszene hätten zugerechnet werden können, wäre der Zutritt verwehrt worden, vermochte die Beklagte nicht auf tatsächliche Feststellungen zu stützen. Dieses Vorbringen erweist sich somit als rein spekulativ und erscheint mit Blick auf die Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung auch fernliegend. |
|
| 3. Handelte es sich bei dem Skinheadkonzert um eine öffentliche Versammlung, so kam zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur das Instrumentarium des Versammlungsgesetzes in Betracht, das mit seinen spezialgesetzlichen Ermächtigungen Vorrang vor dem Polizeirecht hat. |
|
| Die für den Vollzug des Versammlungsgesetzes zuständigen Behörden können Versammlungen in geschlossenen Räumen vor ihrem Beginn nach Maßgabe des § 5 VersammlG verbieten oder nach ihrem Beginn nach Maßgabe des § 13 VersammlG auflösen. Des Weiteren kann - außerhalb der in § 13 Abs. 1 VersammlG angeführten Auflösungsgründe - die Auflösung einer zulässigerweise verbotenen Versammlung in Betracht kommen. |
|
| a) Für ein Verbot öffentlicher Versammlungen in geschlossenen Räumen sowie das Verbot ersetzende Minusmaßnahmen (beschränkende Verfügungen) ist § 5 VersammlG die spezielle und abschließende Regelung. Nur für nicht versammlungsspezifische Gefahren kann auf die Ermächtigungen des besonderen Polizei- und Ordnungsrechts bzw. auf allgemeines Polizeirecht zurückgegriffen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 7 f.). |
|
| Eine Versammlung in geschlossenen Räumen kann vor ihrem Beginn nach dem hier in Betracht kommenden § 5 Nr. 4 VersammlG verboten werden, wenn Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. |
|
| aa) Diese Vorschrift ist im Lichte von Art. 8 GG auszulegen. Das Grundrecht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, unterliegt, soweit die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfindet, keinem Gesetzesvorbehalt. Soweit das Versammlungsgesetz in § 5 die Möglichkeit eröffnet, Versammlungen in geschlossenen Räumen zu verbieten, liegt hierin gleichwohl keine gegen Art. 8 Abs. 2 GG verstoßende Grundrechtsbeschränkung; das Versammlungsgesetz erfüllt insoweit vielmehr verfassungskonkretisierende Funktion (vgl. Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 191 und 162 ff.), das heißt, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit greift unter anderem nicht ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Nr. 4 VersammlG vorliegen, weil das Begehen von Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgender Vergehen einer Versammlung den Charakter der "Friedlichkeit" nehmen würde und diese damit aus dem Geltungsbereich der Grundrechtsgewährleistung ausscheidet (vgl. Höfling in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 26 f.). Dabei darf jedoch der Begriff der Friedlichkeit nicht zu eng verstanden werden, weil ansonsten der für Versammlungen unter freiem Himmel geltende Gesetzesvorbehalt weitgehend funktionslos würde (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u.a. - BVerfGE 73, 206 <248 f.>). |
|
| bb) Diese Grundsätze erfordern, den Verbotstatbestand des § 5 Nr. 4 VersammlG dahin auszulegen, dass zum einen die darin erfassten Meinungsäußerungsdelikte von beträchtlichem Gewicht sein sowie zur Unfriedlichkeit führen müssen und zum anderen die das Verbot tragenden Tatsachen mit einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit festgestellt sein müssen, damit die zusätzlich erforderliche Prognose des Verhaltens des Veranstalters oder seines Anhangs eine tragfähige Grundlage hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25.04.1998 - 1 S 1143/98 - VBlBW 1998, 426). Nur wenn erkennbare Umstände darauf schließen lassen, dass das Vertreten strafbarer Ansichten bzw. das Dulden strafbarer Äußerungen das maßgebende Anliegen der Versammlung ist, kommt ein Totalverbot in Frage. Lässt eine gesicherte Gefahrenprognose diesen Schluss nicht zu, sind nur weniger einschneidende Beschränkungen zulässig (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 33). Weil bloße Beschränkungen gegenüber dem Verbot geringere Eingriffe sind, darf in Anwendung des Grundsatzes der Erforderlichkeit ein Schluss von der Verbotsermächtigung auf die Ermächtigung zum Erlass verbotsvermeidender aber gleichwohl zwecktauglicher Maßnahmen gezogen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 43 m.w.N.). Finden sich im Repertoire einer Band nur einzelne Musikstücke, deren Aufführung einen Straftatbestand verwirklicht, so ist zu prüfen, ob das Verbot des Spielens dieser Musikstücke als milderes Mittel gegenüber einem Totalverbot in Betracht kommt. Besteht das Repertoire einer Band durchweg aus strafrechtlich relevanten Musikstücken und/oder kommt es bei Auftritten einer Band regelmäßig zu Straftaten, so kann ein Versammlungsverbot ausgesprochen werden, wenn der Auftritt dieser Band der einzige Versammlungszweck ist. Sollen jedoch daneben noch weitere - unbedenkliche - Bands auftreten, ist es angezeigt, vorrangig die Verhängung eines Auftrittsverbots für die betreffende Band zu prüfen. |
|
| b) Bei versammlungsspezifischen Gefahren, die im Zusammenhang mit nicht verbotenen Versammlungen in geschlossenen Räumen entstehen, sind die Voraussetzungen für das polizeiliche Einschreiten nach Beginn der Versammlung und dessen Umfang in § 13 VersammlG speziell und abschließend geregelt (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 3). Im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten, durch einen Gesetzesvorbehalt nicht eingeschränkten Versammlungsfreiheit in geschlossenen Räumen stellen sich die gesetzlichen Eingriffsermächtigungen des § 13 VersammlG als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der grundrechtlichen Gewährleistung dar. Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben. |
|
| Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG kann die Polizei eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn einer der in Nr. 1 bis 4 genannten Gründe vorliegt. |
|
| Auch die mündliche Auflösungsverfügung bedarf - abweichend von § 39 LVwVfG - einer Begründung. Es ist hinreichend, aber auch erforderlich, dass der maßgebende Auflösungsgrund des gesetzlichen Tatbestandes der Nr. 1, 2, 3 oder 4 verständlich bezeichnet wird (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 6). |
|
| Die Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen nach ihrem Beginn kommt u.a. in Betracht, wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VersammlG). |
|
| c) Die Auflösungsgründe des § 13 Abs. 1 VersammlG berücksichtigen nicht den Fall, dass eine Versammlung trotz eines rechtmäßigen Versammlungsverbots gleichwohl durchgeführt wird. Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur Auflösung einer verbotenen Versammlung nur für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge ausdrücklich vorgesehen (vgl. § 15 Abs. 4 VersammlG). Es spricht viel dafür, insoweit für Versammlungen in geschlossenen Räumen von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. So ist es etwa möglich, dass eine Versammlung gemäß § 5 Nr. 4 VersammlG verboten wurde, weil Tatsachen festgestellt waren, die die Prognose rechtfertigten, dass der Veranstalter Ansichten vertreten werde, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. Wenn diese Versammlung nun trotz des Verbots durchgeführt wird, kann es nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Polizei so lange warten muss, bis die prognostizierten Straftaten tatsächlich begangen werden, um die Versammlung erst dann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 VersammlG auflösen zu können (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 31; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., § 13 VersammlG Rn. 2). |
|
| d) Ob hier die getroffene, auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Verfügung auch als versammlungsrechtliche Entscheidung - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - Bestand haben könnte, erscheint fraglich. |
|
|
|
| bb) Bedenken bestehen indes in materieller Hinsicht. |
|
| (1) Ungeachtet der Bezeichnung als „Auflösungsverfügung“ könnte die Umdeutung in ein Verbot nach § 5 Nr. 4 VersammlG in Betracht gezogen werden, weil die Verfügung ausweislich der schriftlichen Begründung in erster Linie darauf zielte, Straftaten im Sinne der §§ 86, 86 a, 90 a und 130 StGB zu verhindern, deren Begehung im Rahmen der Veranstaltung aufgrund von Erfahrungen bei früheren Veranstaltungen befürchtet wurde. Insoweit fehlte es indes an hinreichenden Feststellungen zum jeweiligen Veranstalter, weshalb auch unklar ist, inwieweit die jetzigen Veranstalter für Vorkommnisse bei vorangegangenen Veranstaltungen verantwortlich waren. Ebenso fehlte es an Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang die Liedtexte der auftretenden Bands die in Frage kommenden Straftatbestände wie Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder Aufstacheln zum Angriffskrieg (§ 80 a StGB) verwirklichen. Die materiellen Voraussetzungen für ein Totalverbot dürften daher kaum vorgelegen haben. |
|
| Gegen die Umdeutung in ein Versammlungsverbot könnte zudem sprechen, dass die Verfügung erst nach Beginn der Versammlung bekannt gegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verfügung auch erst rechtlich existent geworden. Vor der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ist ein Verwaltungsakt noch nicht erlassen, d.h. liegt grundsätzlich überhaupt noch kein Verwaltungsakt vor. Auch die Bindung der Behörde an den Verwaltungsakt tritt erst mit der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ein (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 41 Rn. 17 m.w.N.). Dem Ordnungsamtsleiter der Beklagten dürfte um 18:50 Uhr auch bewusst gewesen sein, dass aufgrund der noch zu treffenden Vorbereitungen (Zusammenziehen der erforderlichen Polizeikräfte; Einholung einer richterlichen Anordnung zum Betreten der Räumlichkeit etc.) eine Bekanntgabe der Allgemeinverfügung und damit ein Wirksamwerden (vgl. § 43 Abs. 1 LVwVfG) erst nach Beginn des Konzerts erfolgen würde. |
|
| Der Senat verkennt nicht, dass es für die Versammlungsbehörde, die den Erlass versammlungsrechtlicher Präventivmaßnahmen auf der Grundlage von § 5 VersammlG erwägt, bei Versammlungen der vorliegenden Art, die konspirativ vorbereitet werden und zu denen verdeckt eingeladen wird, schwierig sein kann, den Veranstalter rechtzeitig zu ermitteln und diesem ggf. eine Verfügung vor dem Beginn der Versammlung bekannt zu geben. Scheitert die Bekanntgabe vor Beginn der Versammlung, so kommt aufgrund der Systematik des Versammlungsgesetzes nur noch eine Auflösung der Versammlung unter den Voraussetzungen des § 13 VersammlG in Betracht. Die fehlende Bekanntgabe wäre nur dann unschädlich, wenn der Veranstalter anderweitig sichere Kenntnis von der Verfügung erlangt hätte oder wenn er unter Verstoß gegen spezielle gesetzliche Verpflichtungen die Bekanntgabe treuwidrig vereitelt hätte (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 21 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 - 8 C 91.85 - NVwZ 1987, 793 - zur treuwidrigen Vereitelung der Zustellung eines Einberufungsbescheides). Im Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes dürfte nach derzeitiger Rechtslage, wenn die Einladung verdeckt erfolgt, die treuwidrige Vereitelung der Bekanntgabe einer Verbotsverfügung kaum angenommen werden können, weil der Veranstalter einer Versammlung in geschlossenen Räumen im Vorfeld der Versammlung gesetzlich nicht zur Angabe seines Namens verpflichtet ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 VersammlG, der keine andere Auslegung zulässt, besteht eine solche Verpflichtung nur im Falle einer öffentlichen Einladung (so auch Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 2 Rn. 6). Eine Gesetzesänderung, die den Veranstalter auch bei nicht öffentlicher Einladung in die Pflicht nimmt, erschiene geeignet, insoweit Abhilfe zu schaffen. Eine solche Gesetzesänderung wird auch in § 9 Abs. 1 des vom Bundesinnenminister als Beratungsgrundlage für die Länder konzipierten Entwurfs eines Versammlungsgesetzes (abgedr. bei Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., S. 7 ff.) bereits vorgeschlagen. |
|
| (2) Die Umdeutung in eine versammlungsrechtliche Auflösungsverfügung nach § 13 VersammlG scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte nicht - wie gesetzlich in § 12 VersammlG vorgesehen - Polizeibeamte in die Versammlung entsandt hatte, die - ggf. auch mittels Bild- und Tonaufnahmen, vgl. § 12 a VersammlG - die erforderlichen Feststellungen zu einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung hätten treffen können. |
|
| 4. Ob danach die Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflösung des Konzerts auf versammlungsrechtlicher Grundlage vorgelegen haben, kann der Senat letztlich offen lassen, weil die Auflösung der Versammlung jedenfalls auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war. |
|
| a) Der Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ist vorliegend zulässig. |
|
| Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben (vgl. Meßmann, JuS 2007, 524 <526>; Kunig in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 30). Entscheidend kommt es insoweit darauf an, ob die in Bezug auf die nicht versammlungsspezifischen Gefahren getroffene Gefahrprognose geeignet ist, die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Verwaltungsakt, selbstständig zu tragen. Ist dies der Fall, so sind die mit der polizeilichen Maßnahme verbundenen (mittelbaren) Einschränkungen des Versammlungsrechts als zwangsläufige Nebenfolge in Kauf zu nehmen. Darauf, ob auch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt war (darauf abstellend noch Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ebenso Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 4), kommt es dann nicht mehr an. Freilich ist zu beachten, dass wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit das bloße Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Auflösung einer Versammlung nicht zu rechtfertigen vermag. Im Hinblick auf den (zwangsläufigen) Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sind an die Anwendung der polizeilichen Generalklausel strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 72; Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 8 Rn. 58; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., Art. 8 GG Rn. 25; Deger in Wolf/Stephan/Deger, PolG für BW, 6. Aufl., § 4 Rn. 35). Erforderlich ist eine konkrete Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen. |
|
| b) Hier hat die Beklagte als sachlich (vgl. § 66 Abs. 2 i.V.m. §§ 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 PolG) und örtlich (vgl. § 68 Abs. 1 PolG) zuständige Ortspolizeibehörde ihre Auflösungsverfügung zulässigerweise selbstständig tragend auf konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer gestützt. |
|
| aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., S. 190 ff.). Auf der einen Seite ist daher bei der Anwendung der polizeilichen Generalklausel der hohe Rang der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist in Rechnung zu stellen, dass es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, geht, so dass auch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 28.07.2009 - 1 S 2200/08 - VBlBW 2010, 29 m.w.N.). |
|
| bb) Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff die gegenwärtige und nicht eine spätere Sicht entscheidend. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme gewinnt: War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann rechtmäßig, wenn der weitere Verlauf der Dinge die Prognose als unrichtig erweisen sollte. Umgekehrt kann eine polizeiliche konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen - gleichsam nachträglich im Wege der Rückschau - im Anschluss an das polizeiliche Handeln begründet werden. |
|
| cc) Für die gerichtliche Beurteilung der hier beanstandeten Maßnahme kommt es folglich auf die von der Beklagten als Ortspolizeibehörde ex ante um 18:50 Uhr getroffene Prognose an, nicht hingegen auf die des für den Polizeieinsatz maßgeblichen Polizeiführers, da der Polizeivollzugsdienst lediglich die von der Beklagten getroffene Auflösungsverfügung im Wege der Vollzugshilfe (vgl. § 60 Abs. 4 PolG) bzw. Amtshilfe (vgl. § 74 Abs. 1 PolG) bekannt gegeben und nicht etwa nach Feststellung der konkreten Verhältnisse vor Ort selbst die Auflösung verfügt hat. |
|
| Nach dem Kenntnisstand des Ordnungsamtsleiters sollte das Konzert in einem Kellerraum auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Fa. ... stattfinden. Aufgrund der Tatsache, dass ein solcher Kellerraum von Mitgliedern einer Skinhead-band als Probenraum genutzt wurde und bereits am 09.07.2005 für eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ zur Verfügung gestellt worden war, war prognostisch die Annahme gerechtfertigt, dass das fragliche Konzert wiederum in diesem fensterlosen Raum, der über nur einen engen Zugang verfügte, stattfinden würde. Die Brandgefahr durfte mit Blick darauf, dass eine professionelle Musikanlage mit Verstärkern zum Einsatz kam und bis zu 150 Konzertteilnehmer erwartet wurden, als hoch eingeschätzt werden. Dies gilt umso mehr, als bei der Prognose auch die bei Konzerten dieser Art infolge der aggressiven Musik und des Alkoholkonsums der Konzertteilnehmer typischerweise herrschende aufgeheizte Atmosphäre berücksichtigt werden durfte. |
|
| dd) Bei dieser Sachlage war die Auflösung der Versammlung zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Teilnehmer geboten. |
|
| Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind auch die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Würde, Eigentum und Besitz (vgl. Deger, a.a.O. § 1 Rn. 48 m.w.N.). Am Schutz des Lebens besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Der Staat und seine Organe sind verfassungsrechtlich verpflichtet, menschliches Leben zu schützen. Die öffentliche Sicherheit ist daher in hohem Maße gefährdet, wenn Konzertbesucher sich durch den Aufenthalt in einem Kellerraum mit nur einem engen Zugang leichtsinnig Gefahren für Leben und Gesundheit im - nicht unwahrscheinlichen - Fall eines Brandes aussetzen. |
|
| Die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG), war zur Bekämpfung der Gefahr geeignet und erforderlich. Die Auflösungsverfügung begründet die Pflicht der Teilnehmer, sich vom Versammlungsort zu entfernen. Ein milderes Mittel zur Bekämpfung der bezeichneten Gefahr war nicht gegeben. Die Fortsetzung des Konzerts in dem fraglichen Kellerraum wäre unter keinen Umständen vertretbar gewesen. |
|
| Die Auflösung erweist sich schließlich nicht deshalb als rechtswidrig, weil mit ihr zugleich eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt wurde. Zwar hatte die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem fraglichen Konzert um eine unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehende öffentliche Versammlung handelte. Dies führt jedoch vorliegend nicht zu einem Ermessensfehler, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert war. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht drohte ein so erheblicher Schaden für das Leben und die Gesundheit der Konzertbesucher (vgl. zu diesem Maßstab Deger, a.a.O. § 3 Rn. 19), dass die Beklagte angesichts der großen Zahl der erwarteten - zum Teil noch minderjährigen - Teilnehmer zum Einschreiten durch Erlass einer Auflösungsverfügung verpflichtet war. Ein Untätigbleiben wäre ermessensfehlerhaft gewesen. |
|
| ee) Soweit die Beklagte Störungen der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG erfordern, auch in Verstößen gegen bauordnungs-, gaststätten- und jugendschutzrechtliche Vorschriften gesehen hat, sind diese Erwägungen wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit nicht tragfähig. Insbesondere vermag allein der Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen (vgl. § 15 Abs. 3 LBO) die Auflösungsverfügung nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung, die faktisch zu einem Versammlungsverbot führt: OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 02.02.2007 - 3 M 12/07 - LKV 2008, 79). Hinzutreten muss - wie ausgeführt - stets eine erhebliche Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen. |
|
| c) Darauf, ob das Handeln des Polizeivollzugsdienstes vor Ort von dem Bestreben getragen war, die bezeichneten Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer so rasch und wirkungsvoll wie möglich zu bekämpfen, kommt es nicht an. Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage ist ausschließlich die Auflösung des Skinheadkonzerts, d. h. seine Beendigung durch Verwaltungsakt, nicht aber der Vollzug dieser Verfügung und die weiteren vom Polizeivollzugsdienst getroffenen Maßnahmen. Insoweit wäre die Beklagte auch nicht passiv legitimiert; vielmehr hätten die Kläger eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Auflösungsverfügung sowie der vom Polizeivollzugsdienst in eigener Zuständigkeit getroffenen weiteren Maßnahmen nur im Wege einer gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erreichen können. |
|
|
|
| Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist. |
|
| Beschluss vom 12. Juli 2010 |
|
|
|
|
|
|
|
| Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klagen abweisen müssen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in einem Kellerraum in der ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Ihre Klagen sind zulässig (I.), aber nicht begründet (II.). |
|
| 1. Die Klagen sind, da sich der streitige Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklagen statthaft (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161 <165> und Urt. v. 01.07.1975 - I C 35.70 - BVerwGE 49, 36; Senatsurteile vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 - VBlBW 2004, 214 und vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 - VBlBW 2005, 431). Die Klagen beziehen sich auf die am 21.01.2006 von der Beklagten um 18:50 Uhr verfügte und um 21:57 Uhr von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegebene Auflösung der Veranstaltung, die sofort vollzogen wurde und damit schon vor Klageerhebung erledigt war. |
|
| 2. Die Kläger sind klagebefugt i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO. Sie waren Teilnehmer der aufgelösten Veranstaltung und damit Adressaten der in Form einer Allgemeinverfügung i. S. v. § 35 Satz 2 LVwVfG ergangenen Auflösungsverfügung. Dass die am 31.01.2006 abgefasste schriftliche Begründung der Verfügung allein an den Kläger zu 4 gerichtet war, ändert daran nichts. |
|
| 3. Ein Vorverfahren i. S. v. § 68 VwGO war nicht erforderlich, da dieses seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung, Zweckmäßigkeitsprüfung) nicht mehr hätte erfüllen können (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 - I C 49.64 - BVerwGE 26, 161) und eine Widerspruchsentscheidung in der Sache unzulässig gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.04.2001 - 2 C 10.00 - NVwZ 2001, 1288). |
|
| 4. Die Kläger haben schließlich das erforderliche Feststellungsinteresse, das in den Fällen einer vorprozessualen Erledigung mit dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten Interesse identisch ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 - 6 C 7.98 - BVerwGE 109, 203 <206 ff.>) und anerkennenswerte schutzwürdige Belange rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Natur umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 - BVerwGE 74, 1). Die Kläger können ein Rehabilitationsinteresse geltend machen. Ein solches Interesse ist nach einer erledigten polizeilichen Maßnahme dann als berechtigt anzuerkennen, wenn mit ihr ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen verbunden und sie geeignet war, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - NVwZ 1998, 761). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen zudem polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsaktes nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Eingriff in den Schutzbereich der von Art. 8 GG verbürgten besonders bedeutsamen Versammlungsfreiheit stellt einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar. Ist angesichts des Vorbringens der Beteiligten - wie hier - ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - BVerwGE 129, 42 Rn. 12 m.w.N.). Unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Weiteren im Hinblick auf die Presseberichterstattung über die Auflösung der Veranstaltung gegeben. Die Kläger zu 1 und 4 als (Mit-)Veranstalter haben darüber hinaus ein Interesse daran, durch eine gerichtliche Entscheidung die Gefahr der Wiederholung einer vergleichbaren Situation zu verhindern. Zwar wird eine weitere Veranstaltung in dem fraglichen Kellerraum nicht mehr stattfinden können, da das Mietverhältnis seitens des Eigentümers beendet worden ist. Wie die Kläger bekundet haben, haben sie jedoch die Absicht, vergleichbare Veranstaltungen im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch zukünftig abzuhalten, so dass sie wiederum mit einer Auflösung rechnen müssten (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.). |
|
| Die Klagen sind nicht begründet. Die auf die §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung war rechtmäßig und verletzte die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Zwar fällt das aufgelöste Skinheadkonzert unter den Schutz der Versammlungsfreiheit (1.). Es handelte sich um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes (2.), die zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes hätte verboten oder aufgelöst werden dürfen (3.). Ob die Voraussetzungen für ein Verbot oder für eine Auflösung auf versammlungsrechtlicher Grundlage (vgl. §§ 5, 13 VersammlG) hier vorgelegen haben, kann letztlich offen bleiben, weil die Auflösung der Versammlung auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war (4.). |
|
| 1. Das aufgelöste Skinheadkonzert ist als Versammlung im Sinne von Art. 8 GG zu behandeln. |
|
| a) Art. 8 Abs. 1 GG verleiht allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit will das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Menschen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) schützen (BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Eine Versammlung wird dadurch charakterisiert, dass eine Personenmehrheit durch einen gemeinsamen Zweck inhaltlich verbunden ist. Das Grundrecht schützt die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in der freiheitlich-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG reicht es wegen seines Bezugs auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr zusätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zu gemeinschaftlicher, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - BVerfGE 104, 92 <104>; BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - NJW 2001, 2459 <2460>; Senatsurteil vom 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - VBlBW 2008, 60). Entscheidend ist, dass die Meinungsbildung und -äußerung mit dem Ziel erfolgt, auf die Öffentlichkeit entsprechend einzuwirken (vgl. Enders, JURA 2003, 34 <38>). Der Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst auch die Entscheidung, welche Maßnahmen der Veranstalter zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für sein Anliegen einsetzen will (vgl. BVerfG , Beschl. v. 05.09.2003 - 1 BvQ 32/03 - BVerfGK 2, 1 <6>). Die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen sind nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fallen allerdings unter den Versammlungsbegriff ebenso wenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienen oder die als eine auf Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei, ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl von sogenannten Subkulturen ausdrückt oder dem Massengeschmack entspricht (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O.). Andererseits erstreckt sich der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit auch auf solche Veranstaltungen, die ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken. |
|
| Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, ist entscheidend, ob diese "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2461; BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 16). |
|
| Die Beurteilung, ob eine "gemischte" Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt, ist im Wege einer Gesamtschau aller relevanten tatsächlichen Umstände vorzunehmen. Das besondere Gewicht, das die Verfassung der Versammlungsfreiheit beimisst, gebietet, dass alle wesentlichen Umstände in die Beurteilung einbezogen und ihrer Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Die Gesamtschau hat in mehreren Schritten zu erfolgen. Zunächst sind alle diejenigen Modalitäten der geplanten Veranstaltung zu erfassen, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Zu vernachlässigen sind solche Anliegen und die ihrer Umsetzung dienenden Elemente, bei denen erkennbar ist, dass mit ihnen nicht ernsthaft die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung bezweckt wird, die mithin nur vorgeschoben sind, um den Schutz der Versammlungsfreiheit beanspruchen zu können. Bei der Ausklammerung von an sich auf die Meinungsbildung gerichteten Elementen unter Hinweis auf die mangelnde Ernsthaftigkeit des Anliegens ist mit Blick auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit Zurückhaltung zu üben und ein strenger Maßstab anzulegen. In die Betrachtung einzubeziehen sind nur Elemente der geplanten Veranstaltung, die sich aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters als auf die Teilhabe an der Meinungsbildung gerichtet darstellen. Abzustellen ist in erster Linie auf einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung an ihrem Ort befindet. Im Anschluss an die Erfassung der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sind diese ihrer Bedeutung entsprechend zu würdigen und in ihrer Gesamtheit zu gewichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 17). |
|
| Daran schließt sich der zweite Schritt der Gesamtschau an, bei dem die nicht auf die Meinungsbildung zielenden Modalitäten der Veranstaltung, wie etwa Tanz, Musik und Unterhaltung, zu würdigen und insgesamt zu gewichten sind. Schließlich sind - in einem dritten Schritt - die auf den ersten beiden Stufen festgestellten Gewichte der die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung betreffenden Elemente einerseits und der von diesen zu unterscheidenden Elemente andererseits zueinander in Beziehung zu setzen und aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters zu vergleichen. Überwiegt das Gewicht der zuerst genannten Elemente, ist die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung. Im umgekehrten Fall genießt die Veranstaltung nicht den Schutz des Versammlungsrechts. Ist ein Übergewicht des einen oder des anderen Bereichs nicht zweifelsfrei festzustellen, ist die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 18). |
|
| b) Bei Zugrundelegung dieses auch vom erkennenden Senat (vgl. Urt. v. 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O. und v. 25.04.2007 - 1 S 2828/06 - a.a.O.) vertretenen sog. engen Versammlungsbegriffs können auch kulturelle Veranstaltungen wie Musikveranstaltungen, Theaterstücke oder Dichterlesungen als „gemischte“ Veranstaltungen unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen. Wenn die Teilnehmer derartiger Veranstaltungen durch ihre Anwesenheit Anteilnahme ausdrücken wollen - etwa für die Menschenrechte, um die es einem Autor geht, oder bei „Rock gegen rechts“, um gegen Rechtsextremismus anzutreten -, handelt es sich um eine Meinungskundgabe zwecks Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, Kommentar, 15. Aufl., § 1 Rn. 13). |
|
| c) Skinheadkonzerte wie das hier aufgelöste sind dadurch geprägt, dass mit der Musik zugleich eine politische Botschaft vermittelt wird. Einerseits thematisieren die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands das Selbstverständnis und Lebensgefühl der rechtsextremistischen Skinheadszene. Andererseits ist diese Musik das wichtigste Propagandamedium, über das rechtsextremistische Inhalte in die Skinheadszene transportiert werden. So richten sich nicht wenige dieser Lieder gegen szenetypische Feindbilder wie Ausländer, Juden, Israel, die USA, Homosexuelle, „Linke“, Punker, gegen die Presse sowie staatliche Institutionen und Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Der szeneeigenen Musik und insbesondere den Konzerten kommt ein hoher identitätsstiftender Stellenwert zu. Die Konzerte dienen auch der Rekrutierung neuer Anhänger und deren ideologischer Festigung. Sie tragen zur Förderung einer rechtsextremistischen Orientierung vor allem bei jugendlichen und heranwachsenden Konzertbesuchern bei. Zu diesem Zweck erfolgt auch der Verkauf einschlägiger CDs und sonstigen Propagandamaterials. Über den Konsum der Musik finden umso mehr Jugendliche zum Rechtsextremismus, je präsenter die Szene durch ein vielfältigeres CD- und ein flächendeckenderes Konzertangebot wird (Verfassungsschutzbericht BW 2006, S. 136). Durch die entsprechende Musik werden die Konzertbesucher politisch indoktriniert; die Musik ist sozusagen das „Parteiprogramm“ der nicht parteipolitisch gebundenen rechtsextremistischen Skinheadszene. Konzertveranstaltungen kommt die Funktion von „Kontaktbörsen“ für rechtsextremistische Gesinnungen zu. Rechtsextremistische Skinheadbands fungieren als die politischen Propagandisten innerhalb der Skinheadszene (vgl. Thalmair, BayVBl 2002, 517 <518>). Anders als etwa bei einem normalen Popkonzert werden bei einem Skinheadkonzert die übrigen Besucher nicht nur in Kauf genommen, sondern als Gleichgesinnte empfunden, mit denen man sich zusammenfinden will, um sich beim gemeinsamen Musikgenuss in der eigenen Überzeugung zu bestärken und die gleiche Gesinnung zur Schau zu stellen (vgl. Thalmair, a.a.O. S. 519; siehe zum Ganzen auch Soiné, JuS 2004, 382 und Verfassungsschutzbericht BW 2008, S. 140 f.). |
|
| d) Die hier streitgegenständliche Veranstaltung erfüllte alle skizzierten typischen Merkmale eines Skinheadkonzerts. Sie wurde auch im Verfassungsschutzbericht BW 2006 in der Rubrik „Gewaltbereiter Rechtsextremismus“ unter der Überschrift „Die rechtsextremistische Skinhead(musik)szene: Ein Boom schwächt sich ab?“ ausdrücklich aufgeführt (S. 134 f.). Auf der einen Seite diente die Veranstaltung als Musikkonzert zweifellos der Unterhaltung. Auf der anderen Seite wurden den Konzertbesuchern durch die Liedtexte rechtsextremistische Inhalte vermittelt. Dass die politischen Botschaften in erster Linie durch die Liedtexte transportiert werden, steht auch bei Zugrundelegung des engen Versammlungsbegriffs dem Versammlungscharakter eines solchen Konzerts nicht entgegen. Die innere Bindung der Besucher auf ideologischer Ebene, der Zweck, die eigene weltanschauliche und politische Identität zu stärken und insbesondere die auf (noch) nicht der Skinhead-szene angehörende Konzertbesucher zielende Rekrutierungsfunktion heben ein solches Skinheadkonzert deutlich von anderen Konzerten ab, bei denen der Musikgenuss im Vordergrund steht. Der Kläger zu 2 hat auf Fragen zur politischen Botschaft der Veranstaltung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet, es sei darum gegangen, Leute anzuwerben und für ihre politischen Vorstellungen zu begeistern. Sie seien gegen Überfremdung und für den Erhalt der deutschen Nation. Die multikulturelle Gesellschaft lehnten sie ab. Für einen Außenstehenden, der sich zum Zeitpunkt des Konzerts zufällig vor Ort befunden hätte, wäre nicht zweifelsfrei festzustellen gewesen, ob die Veranstaltung in erster Linie dem Musikgenuss dient oder ob die mit den Liedtexten vermittelten politischen Botschaften und damit die auf Teilhabe an der Meinungsbildung gerichteten Elemente überwiegen. |
|
| Lässt sich nach alledem ein Übergewicht des unterhaltenden Charakters der Veranstaltung nicht feststellen, so ist das Konzert jedenfalls nach der Zweifelsregel wie eine Versammlung zu behandeln. |
|
| Die selbst gewählte Einordnung als private Feier steht der Einordnung als Versammlung nicht entgegen, weil der Versammlungscharakter aus der Sicht eines außenstehenden durchschnittlichen Betrachters zu beurteilen ist. Rechtlich irrelevant ist auch die rechtsextremistische Ausrichtung der Veranstaltung, da Art. 8 GG nicht nach dem Inhalt der bei einer Versammlung geäußerten Meinung unterscheidet und auch das Infragestellen von Verfassungswerten - soweit dies nicht in kämpferischer Weise geschieht und keine einschlägigen Straftatbestände verwirklicht werden - erlaubt ist. |
|
| e) Der Versammlungscharakter ist schließlich nicht aufgrund der Schutzbereichseinschränkung des Art. 8 Abs. 1 GG, nach welcher für die Ausübung der Versammlungsfreiheit die Gebote der Friedlichkeit und der Waffenlosigkeit gelten, zu verneinen. Die Verfassung bewertet die Unfriedlichkeit in gleicher Weise wie das Mitführen von Waffen. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 u.a. - a.a.O. S. 106). Das Friedlichkeitsgebot ist somit auf das Verbot gewalttätigen Verhaltens zu reduzieren (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 1 Rn. 140 m.w.N.). |
|
| Daran gemessen war hier die Friedlichkeit der Versammlung nicht in Frage gestellt. Das durch die Mischung von aggressiver Musik und Alkoholkonsum möglicherweise entstandene Gewaltpotenzial konnte auf der Veranstaltung nicht zum Ausbruch kommen, da man „unter sich“ war und das Gegenüber, der politische Gegner bzw. die möglichen Opfer wie Homosexuelle oder Ausländer, fehlten. |
|
| 2. Bei dem Skinheadkonzert handelte es sich auch um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes. |
|
| a) Nach § 1 Abs. 1 VersammlG hat jedermann u.a. das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten. Der Versammlungsbegriff des Versammlungsgesetzes entspricht demjenigen des Grundgesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2007 - 6 C 23.06 - a.a.O. Rn. 15). Die Gleichsetzung beider Versammlungsbegriffe erweist sich als verfassungsgemäß (vgl. BVerfG , Beschl. v. 12.07.2001 - 1 BvQ 28 und 30/01 - a.a.O. S. 2460). Hinzutreten muss nach dem Versammlungsgesetz lediglich das Merkmal der Öffentlichkeit der Versammlung. |
|
| b) Die Öffentlichkeit bestimmt sich danach, ob die Versammlung einen abgeschlossenen oder einen individuell nicht abgegrenzten Personenkreis umfasst (BVerwG, Urt. v. 23.03.1999 - 1 C 12.97 - NVwZ 1999, 992; Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ThürOVG, Beschl. v. 29.08.1997 - 2 EO 1038/97 u.a. - NVwZ-RR 1998, 497). Wesentliche Voraussetzung hierfür ist also, dass jeder, der von einer solchen Zusammenkunft Kenntnis erhält, die Möglichkeit hat, an ihr teilzunehmen. Dies war vorliegend der Fall. Der Teilnehmerkreis der Veranstaltung war von vornherein weder nach bestimmten Kriterien festgelegt noch begrenzt worden. Zwar wurde die Veranstaltung, bei der einschlägig bekannte Skinheadbands auftreten sollten, konspirativ vorbereitet. Zeit und Ort wurden nicht öffentlich bekanntgegeben, sondern ausschließlich per E-Mail und SMS einem Kreis bekannter Gleichgesinnter mitgeteilt. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ Kenntnis von dem Konzert zu erlangen. Diese Einladungspraxis dürfte in erster Linie deshalb gewählt worden sein, um die Veranstaltung vor den Ordnungsbehörden und vor möglichen Störern etwa aus der linksautonomen Szene geheim zu halten. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass der Teilnehmerkreis abschließend beschränkt werden sollte. Bei der gewählten Vorgehensweise hatten die Veranstalter es auch nicht mehr in der Hand, zu bestimmen, wer von der Veranstaltung erfuhr und an ihr teilnahm; im Hinblick auf die oben beschriebene Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung lag dies auch gar nicht in ihrer Absicht. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Teilnehmer einzeln eingeladen worden wären und dass nur bestimmte Personen Zugang zu der Veranstaltung erhalten sollten. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfällt auch nicht deshalb, weil Eintrittsgelder erhoben worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 -, a.a.O.). Soweit die Beklagte die Öffentlichkeit der Versammlung bestreitet, verhält sie sich widersprüchlich, da sie mit der Begehung von Straftaten rechnete, die zumindest teilweise einen gewissen Öffentlichkeitsbezug voraussetzen (vgl. z. B. § 86 a StGB). Ihre Behauptung, es habe strenge Einlasskontrollen gegeben und Personen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht eindeutig der Skinheadszene hätten zugerechnet werden können, wäre der Zutritt verwehrt worden, vermochte die Beklagte nicht auf tatsächliche Feststellungen zu stützen. Dieses Vorbringen erweist sich somit als rein spekulativ und erscheint mit Blick auf die Rekrutierungsfunktion der Veranstaltung auch fernliegend. |
|
| 3. Handelte es sich bei dem Skinheadkonzert um eine öffentliche Versammlung, so kam zur Bekämpfung versammlungsspezifischer Gefahren nur das Instrumentarium des Versammlungsgesetzes in Betracht, das mit seinen spezialgesetzlichen Ermächtigungen Vorrang vor dem Polizeirecht hat. |
|
| Die für den Vollzug des Versammlungsgesetzes zuständigen Behörden können Versammlungen in geschlossenen Räumen vor ihrem Beginn nach Maßgabe des § 5 VersammlG verbieten oder nach ihrem Beginn nach Maßgabe des § 13 VersammlG auflösen. Des Weiteren kann - außerhalb der in § 13 Abs. 1 VersammlG angeführten Auflösungsgründe - die Auflösung einer zulässigerweise verbotenen Versammlung in Betracht kommen. |
|
| a) Für ein Verbot öffentlicher Versammlungen in geschlossenen Räumen sowie das Verbot ersetzende Minusmaßnahmen (beschränkende Verfügungen) ist § 5 VersammlG die spezielle und abschließende Regelung. Nur für nicht versammlungsspezifische Gefahren kann auf die Ermächtigungen des besonderen Polizei- und Ordnungsrechts bzw. auf allgemeines Polizeirecht zurückgegriffen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 7 f.). |
|
| Eine Versammlung in geschlossenen Räumen kann vor ihrem Beginn nach dem hier in Betracht kommenden § 5 Nr. 4 VersammlG verboten werden, wenn Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, dass der Veranstalter oder sein Anhang Ansichten vertreten oder Äußerungen dulden werden, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. |
|
| aa) Diese Vorschrift ist im Lichte von Art. 8 GG auszulegen. Das Grundrecht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln, unterliegt, soweit die Versammlung nicht unter freiem Himmel stattfindet, keinem Gesetzesvorbehalt. Soweit das Versammlungsgesetz in § 5 die Möglichkeit eröffnet, Versammlungen in geschlossenen Räumen zu verbieten, liegt hierin gleichwohl keine gegen Art. 8 Abs. 2 GG verstoßende Grundrechtsbeschränkung; das Versammlungsgesetz erfüllt insoweit vielmehr verfassungskonkretisierende Funktion (vgl. Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 191 und 162 ff.), das heißt, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit greift unter anderem nicht ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Nr. 4 VersammlG vorliegen, weil das Begehen von Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgender Vergehen einer Versammlung den Charakter der "Friedlichkeit" nehmen würde und diese damit aus dem Geltungsbereich der Grundrechtsgewährleistung ausscheidet (vgl. Höfling in Sachs, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 26 f.). Dabei darf jedoch der Begriff der Friedlichkeit nicht zu eng verstanden werden, weil ansonsten der für Versammlungen unter freiem Himmel geltende Gesetzesvorbehalt weitgehend funktionslos würde (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83 u.a. - BVerfGE 73, 206 <248 f.>). |
|
| bb) Diese Grundsätze erfordern, den Verbotstatbestand des § 5 Nr. 4 VersammlG dahin auszulegen, dass zum einen die darin erfassten Meinungsäußerungsdelikte von beträchtlichem Gewicht sein sowie zur Unfriedlichkeit führen müssen und zum anderen die das Verbot tragenden Tatsachen mit einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit festgestellt sein müssen, damit die zusätzlich erforderliche Prognose des Verhaltens des Veranstalters oder seines Anhangs eine tragfähige Grundlage hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25.04.1998 - 1 S 1143/98 - VBlBW 1998, 426). Nur wenn erkennbare Umstände darauf schließen lassen, dass das Vertreten strafbarer Ansichten bzw. das Dulden strafbarer Äußerungen das maßgebende Anliegen der Versammlung ist, kommt ein Totalverbot in Frage. Lässt eine gesicherte Gefahrenprognose diesen Schluss nicht zu, sind nur weniger einschneidende Beschränkungen zulässig (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 33). Weil bloße Beschränkungen gegenüber dem Verbot geringere Eingriffe sind, darf in Anwendung des Grundsatzes der Erforderlichkeit ein Schluss von der Verbotsermächtigung auf die Ermächtigung zum Erlass verbotsvermeidender aber gleichwohl zwecktauglicher Maßnahmen gezogen werden (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 5 Rn. 43 m.w.N.). Finden sich im Repertoire einer Band nur einzelne Musikstücke, deren Aufführung einen Straftatbestand verwirklicht, so ist zu prüfen, ob das Verbot des Spielens dieser Musikstücke als milderes Mittel gegenüber einem Totalverbot in Betracht kommt. Besteht das Repertoire einer Band durchweg aus strafrechtlich relevanten Musikstücken und/oder kommt es bei Auftritten einer Band regelmäßig zu Straftaten, so kann ein Versammlungsverbot ausgesprochen werden, wenn der Auftritt dieser Band der einzige Versammlungszweck ist. Sollen jedoch daneben noch weitere - unbedenkliche - Bands auftreten, ist es angezeigt, vorrangig die Verhängung eines Auftrittsverbots für die betreffende Band zu prüfen. |
|
| b) Bei versammlungsspezifischen Gefahren, die im Zusammenhang mit nicht verbotenen Versammlungen in geschlossenen Räumen entstehen, sind die Voraussetzungen für das polizeiliche Einschreiten nach Beginn der Versammlung und dessen Umfang in § 13 VersammlG speziell und abschließend geregelt (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 3). Im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten, durch einen Gesetzesvorbehalt nicht eingeschränkten Versammlungsfreiheit in geschlossenen Räumen stellen sich die gesetzlichen Eingriffsermächtigungen des § 13 VersammlG als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der grundrechtlichen Gewährleistung dar. Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben. |
|
| Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG kann die Polizei eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn einer der in Nr. 1 bis 4 genannten Gründe vorliegt. |
|
| Auch die mündliche Auflösungsverfügung bedarf - abweichend von § 39 LVwVfG - einer Begründung. Es ist hinreichend, aber auch erforderlich, dass der maßgebende Auflösungsgrund des gesetzlichen Tatbestandes der Nr. 1, 2, 3 oder 4 verständlich bezeichnet wird (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 6). |
|
| Die Auflösung einer Versammlung in geschlossenen Räumen nach ihrem Beginn kommt u.a. in Betracht, wenn durch den Verlauf der Versammlung gegen Strafgesetze verstoßen wird, die ein Verbrechen oder von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben, oder wenn in der Versammlung zu solchen Straftaten aufgefordert oder angereizt wird und der Leiter dies nicht unverzüglich unterbindet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VersammlG). |
|
| c) Die Auflösungsgründe des § 13 Abs. 1 VersammlG berücksichtigen nicht den Fall, dass eine Versammlung trotz eines rechtmäßigen Versammlungsverbots gleichwohl durchgeführt wird. Der Gesetzgeber hat die Pflicht zur Auflösung einer verbotenen Versammlung nur für Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge ausdrücklich vorgesehen (vgl. § 15 Abs. 4 VersammlG). Es spricht viel dafür, insoweit für Versammlungen in geschlossenen Räumen von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen. So ist es etwa möglich, dass eine Versammlung gemäß § 5 Nr. 4 VersammlG verboten wurde, weil Tatsachen festgestellt waren, die die Prognose rechtfertigten, dass der Veranstalter Ansichten vertreten werde, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben. Wenn diese Versammlung nun trotz des Verbots durchgeführt wird, kann es nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass die Polizei so lange warten muss, bis die prognostizierten Straftaten tatsächlich begangen werden, um die Versammlung erst dann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 VersammlG auflösen zu können (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 31; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., § 13 VersammlG Rn. 2). |
|
| d) Ob hier die getroffene, auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Verfügung auch als versammlungsrechtliche Entscheidung - die fehlende Wesensänderung durch den Austausch der Rechtsgrundlagen unterstellt - Bestand haben könnte, erscheint fraglich. |
|
|
|
| bb) Bedenken bestehen indes in materieller Hinsicht. |
|
| (1) Ungeachtet der Bezeichnung als „Auflösungsverfügung“ könnte die Umdeutung in ein Verbot nach § 5 Nr. 4 VersammlG in Betracht gezogen werden, weil die Verfügung ausweislich der schriftlichen Begründung in erster Linie darauf zielte, Straftaten im Sinne der §§ 86, 86 a, 90 a und 130 StGB zu verhindern, deren Begehung im Rahmen der Veranstaltung aufgrund von Erfahrungen bei früheren Veranstaltungen befürchtet wurde. Insoweit fehlte es indes an hinreichenden Feststellungen zum jeweiligen Veranstalter, weshalb auch unklar ist, inwieweit die jetzigen Veranstalter für Vorkommnisse bei vorangegangenen Veranstaltungen verantwortlich waren. Ebenso fehlte es an Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang die Liedtexte der auftretenden Bands die in Frage kommenden Straftatbestände wie Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder Aufstacheln zum Angriffskrieg (§ 80 a StGB) verwirklichen. Die materiellen Voraussetzungen für ein Totalverbot dürften daher kaum vorgelegen haben. |
|
| Gegen die Umdeutung in ein Versammlungsverbot könnte zudem sprechen, dass die Verfügung erst nach Beginn der Versammlung bekannt gegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist die Verfügung auch erst rechtlich existent geworden. Vor der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ist ein Verwaltungsakt noch nicht erlassen, d.h. liegt grundsätzlich überhaupt noch kein Verwaltungsakt vor. Auch die Bindung der Behörde an den Verwaltungsakt tritt erst mit der Bekanntgabe an zumindest einen Betroffenen ein (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 41 Rn. 17 m.w.N.). Dem Ordnungsamtsleiter der Beklagten dürfte um 18:50 Uhr auch bewusst gewesen sein, dass aufgrund der noch zu treffenden Vorbereitungen (Zusammenziehen der erforderlichen Polizeikräfte; Einholung einer richterlichen Anordnung zum Betreten der Räumlichkeit etc.) eine Bekanntgabe der Allgemeinverfügung und damit ein Wirksamwerden (vgl. § 43 Abs. 1 LVwVfG) erst nach Beginn des Konzerts erfolgen würde. |
|
| Der Senat verkennt nicht, dass es für die Versammlungsbehörde, die den Erlass versammlungsrechtlicher Präventivmaßnahmen auf der Grundlage von § 5 VersammlG erwägt, bei Versammlungen der vorliegenden Art, die konspirativ vorbereitet werden und zu denen verdeckt eingeladen wird, schwierig sein kann, den Veranstalter rechtzeitig zu ermitteln und diesem ggf. eine Verfügung vor dem Beginn der Versammlung bekannt zu geben. Scheitert die Bekanntgabe vor Beginn der Versammlung, so kommt aufgrund der Systematik des Versammlungsgesetzes nur noch eine Auflösung der Versammlung unter den Voraussetzungen des § 13 VersammlG in Betracht. Die fehlende Bekanntgabe wäre nur dann unschädlich, wenn der Veranstalter anderweitig sichere Kenntnis von der Verfügung erlangt hätte oder wenn er unter Verstoß gegen spezielle gesetzliche Verpflichtungen die Bekanntgabe treuwidrig vereitelt hätte (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 21 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 - 8 C 91.85 - NVwZ 1987, 793 - zur treuwidrigen Vereitelung der Zustellung eines Einberufungsbescheides). Im Anwendungsbereich des Versammlungsgesetzes dürfte nach derzeitiger Rechtslage, wenn die Einladung verdeckt erfolgt, die treuwidrige Vereitelung der Bekanntgabe einer Verbotsverfügung kaum angenommen werden können, weil der Veranstalter einer Versammlung in geschlossenen Räumen im Vorfeld der Versammlung gesetzlich nicht zur Angabe seines Namens verpflichtet ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 VersammlG, der keine andere Auslegung zulässt, besteht eine solche Verpflichtung nur im Falle einer öffentlichen Einladung (so auch Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 2 Rn. 6). Eine Gesetzesänderung, die den Veranstalter auch bei nicht öffentlicher Einladung in die Pflicht nimmt, erschiene geeignet, insoweit Abhilfe zu schaffen. Eine solche Gesetzesänderung wird auch in § 9 Abs. 1 des vom Bundesinnenminister als Beratungsgrundlage für die Länder konzipierten Entwurfs eines Versammlungsgesetzes (abgedr. bei Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., S. 7 ff.) bereits vorgeschlagen. |
|
| (2) Die Umdeutung in eine versammlungsrechtliche Auflösungsverfügung nach § 13 VersammlG scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte nicht - wie gesetzlich in § 12 VersammlG vorgesehen - Polizeibeamte in die Versammlung entsandt hatte, die - ggf. auch mittels Bild- und Tonaufnahmen, vgl. § 12 a VersammlG - die erforderlichen Feststellungen zu einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung hätten treffen können. |
|
| 4. Ob danach die Voraussetzungen für ein Verbot oder eine Auflösung des Konzerts auf versammlungsrechtlicher Grundlage vorgelegen haben, kann der Senat letztlich offen lassen, weil die Auflösung der Versammlung jedenfalls auf der Grundlage der §§ 1, 3 PolG zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer geboten war. |
|
| a) Der Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ist vorliegend zulässig. |
|
| Auf das allgemeine Polizeirecht können polizeiliche Maßnahmen innerhalb von Versammlungen nur gestützt werden, wenn und soweit es darum geht, Gefahren zu bekämpfen, die nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf ihre Ursache haben (vgl. Meßmann, JuS 2007, 524 <526>; Kunig in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 8 Rn. 30). Entscheidend kommt es insoweit darauf an, ob die in Bezug auf die nicht versammlungsspezifischen Gefahren getroffene Gefahrprognose geeignet ist, die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Verwaltungsakt, selbstständig zu tragen. Ist dies der Fall, so sind die mit der polizeilichen Maßnahme verbundenen (mittelbaren) Einschränkungen des Versammlungsrechts als zwangsläufige Nebenfolge in Kauf zu nehmen. Darauf, ob auch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt war (darauf abstellend noch Senatsurteil vom 26.01.1998 - 1 S 3280/96 - a.a.O.; ebenso Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 13 Rn. 4), kommt es dann nicht mehr an. Freilich ist zu beachten, dass wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit das bloße Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Auflösung einer Versammlung nicht zu rechtfertigen vermag. Im Hinblick auf den (zwangsläufigen) Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sind an die Anwendung der polizeilichen Generalklausel strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 72; Gusy in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 8 Rn. 58; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 4. Aufl., Art. 8 GG Rn. 25; Deger in Wolf/Stephan/Deger, PolG für BW, 6. Aufl., § 4 Rn. 35). Erforderlich ist eine konkrete Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen. |
|
| b) Hier hat die Beklagte als sachlich (vgl. § 66 Abs. 2 i.V.m. §§ 61 Abs. 1 Nr. 4, 62 Abs. 4 PolG) und örtlich (vgl. § 68 Abs. 1 PolG) zuständige Ortspolizeibehörde ihre Auflösungsverfügung zulässigerweise selbstständig tragend auf konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer gestützt. |
|
| aa) Nach der polizeilichen Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) hat die Polizei die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Dabei hat die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., S. 190 ff.). Auf der einen Seite ist daher bei der Anwendung der polizeilichen Generalklausel der hohe Rang der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist in Rechnung zu stellen, dass es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, geht, so dass auch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden dürfen (vgl. Senatsurteil vom 28.07.2009 - 1 S 2200/08 - VBlBW 2010, 29 m.w.N.). |
|
| bb) Die polizeiliche Gefahr ist eine auf Tatsachen gegründete prognostische Einschätzung über einen künftigen Geschehensverlauf, wobei die Tatsachen pflichtgemäß aufzuklären sind. Die Gefahr muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die zu ergreifende polizeiliche Maßnahme vorliegen; es ist also beim polizeilichen Eingriff die gegenwärtige und nicht eine spätere Sicht entscheidend. Deshalb kommt es nicht darauf an, welche Erkenntnisse die Polizei im Anschluss an ihre Maßnahme gewinnt: War der Schadenseintritt im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eingreifen objektiv wahrscheinlich, bleibt das polizeiliche Handeln auch dann rechtmäßig, wenn der weitere Verlauf der Dinge die Prognose als unrichtig erweisen sollte. Umgekehrt kann eine polizeiliche konkrete Gefahr nicht durch später bekannt werdende Tatsachen - gleichsam nachträglich im Wege der Rückschau - im Anschluss an das polizeiliche Handeln begründet werden. |
|
| cc) Für die gerichtliche Beurteilung der hier beanstandeten Maßnahme kommt es folglich auf die von der Beklagten als Ortspolizeibehörde ex ante um 18:50 Uhr getroffene Prognose an, nicht hingegen auf die des für den Polizeieinsatz maßgeblichen Polizeiführers, da der Polizeivollzugsdienst lediglich die von der Beklagten getroffene Auflösungsverfügung im Wege der Vollzugshilfe (vgl. § 60 Abs. 4 PolG) bzw. Amtshilfe (vgl. § 74 Abs. 1 PolG) bekannt gegeben und nicht etwa nach Feststellung der konkreten Verhältnisse vor Ort selbst die Auflösung verfügt hat. |
|
| Nach dem Kenntnisstand des Ordnungsamtsleiters sollte das Konzert in einem Kellerraum auf dem ehemaligen Fabrikgelände der Fa. ... stattfinden. Aufgrund der Tatsache, dass ein solcher Kellerraum von Mitgliedern einer Skinhead-band als Probenraum genutzt wurde und bereits am 09.07.2005 für eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ zur Verfügung gestellt worden war, war prognostisch die Annahme gerechtfertigt, dass das fragliche Konzert wiederum in diesem fensterlosen Raum, der über nur einen engen Zugang verfügte, stattfinden würde. Die Brandgefahr durfte mit Blick darauf, dass eine professionelle Musikanlage mit Verstärkern zum Einsatz kam und bis zu 150 Konzertteilnehmer erwartet wurden, als hoch eingeschätzt werden. Dies gilt umso mehr, als bei der Prognose auch die bei Konzerten dieser Art infolge der aggressiven Musik und des Alkoholkonsums der Konzertteilnehmer typischerweise herrschende aufgeheizte Atmosphäre berücksichtigt werden durfte. |
|
| dd) Bei dieser Sachlage war die Auflösung der Versammlung zur Abwehr konkreter Gefahren für Leben und Gesundheit der Teilnehmer geboten. |
|
| Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind auch die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Würde, Eigentum und Besitz (vgl. Deger, a.a.O. § 1 Rn. 48 m.w.N.). Am Schutz des Lebens besteht ein besonderes öffentliches Interesse. Der Staat und seine Organe sind verfassungsrechtlich verpflichtet, menschliches Leben zu schützen. Die öffentliche Sicherheit ist daher in hohem Maße gefährdet, wenn Konzertbesucher sich durch den Aufenthalt in einem Kellerraum mit nur einem engen Zugang leichtsinnig Gefahren für Leben und Gesundheit im - nicht unwahrscheinlichen - Fall eines Brandes aussetzen. |
|
| Die Auflösung der Versammlung, d. h. ihre Beendigung durch Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 LVwVfG), war zur Bekämpfung der Gefahr geeignet und erforderlich. Die Auflösungsverfügung begründet die Pflicht der Teilnehmer, sich vom Versammlungsort zu entfernen. Ein milderes Mittel zur Bekämpfung der bezeichneten Gefahr war nicht gegeben. Die Fortsetzung des Konzerts in dem fraglichen Kellerraum wäre unter keinen Umständen vertretbar gewesen. |
|
| Die Auflösung erweist sich schließlich nicht deshalb als rechtswidrig, weil mit ihr zugleich eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt wurde. Zwar hatte die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem fraglichen Konzert um eine unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehende öffentliche Versammlung handelte. Dies führt jedoch vorliegend nicht zu einem Ermessensfehler, weil der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert war. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht drohte ein so erheblicher Schaden für das Leben und die Gesundheit der Konzertbesucher (vgl. zu diesem Maßstab Deger, a.a.O. § 3 Rn. 19), dass die Beklagte angesichts der großen Zahl der erwarteten - zum Teil noch minderjährigen - Teilnehmer zum Einschreiten durch Erlass einer Auflösungsverfügung verpflichtet war. Ein Untätigbleiben wäre ermessensfehlerhaft gewesen. |
|
| ee) Soweit die Beklagte Störungen der öffentlichen Sicherheit, die ein Einschreiten nach den §§ 1, 3 PolG erfordern, auch in Verstößen gegen bauordnungs-, gaststätten- und jugendschutzrechtliche Vorschriften gesehen hat, sind diese Erwägungen wegen des hohen Rangs der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit nicht tragfähig. Insbesondere vermag allein der Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen (vgl. § 15 Abs. 3 LBO) die Auflösungsverfügung nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung, die faktisch zu einem Versammlungsverbot führt: OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 02.02.2007 - 3 M 12/07 - LKV 2008, 79). Hinzutreten muss - wie ausgeführt - stets eine erhebliche Gefahr für elementare Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit von Menschen. |
|
| c) Darauf, ob das Handeln des Polizeivollzugsdienstes vor Ort von dem Bestreben getragen war, die bezeichneten Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer so rasch und wirkungsvoll wie möglich zu bekämpfen, kommt es nicht an. Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage ist ausschließlich die Auflösung des Skinheadkonzerts, d. h. seine Beendigung durch Verwaltungsakt, nicht aber der Vollzug dieser Verfügung und die weiteren vom Polizeivollzugsdienst getroffenen Maßnahmen. Insoweit wäre die Beklagte auch nicht passiv legitimiert; vielmehr hätten die Kläger eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Auflösungsverfügung sowie der vom Polizeivollzugsdienst in eigener Zuständigkeit getroffenen weiteren Maßnahmen nur im Wege einer gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten (Fortsetzungs-)Feststellungsklage erreichen können. |
|
|
|
| Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist. |
|
| Beschluss vom 12. Juli 2010 |
|
|
|
|
|