Urteil vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 12 S 2682/15

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. November 2015 - 3 K 2348/13 - wird geändert, soweit das Verwaltungsgericht die Klage auf Kostenerstattung der im Hilfefall F...... seit 6. Juni 2013 entstandenen Kosten nebst Zinsen abgewiesen hat.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die im Hilfefall des F...... seit 6. Juni 2013 entstandenen Kosten in Höhe von 16.583,66 Euro nebst Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13. November 2013 zu zahlen.

Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt die Klägerin 1/4, der Beklagte 3/4. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die örtliche Zuständigkeit von Jugendhilfeträgern bei aufgeteilter Personensorge.
Die Ehe der Eltern des am … 1996 geborenen F. wurde im Jahr 2004 geschieden und das alleinige Sorgerecht für F. der Mutter übertragen. Ab Januar 2011 lebte F. bei seinem Vater in M…. Mit Beschluss vom 02./17.04.2012 - 25 F 19/12 - übertrug das Amtsgericht M... - Familiengericht - die Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten für F. auf den Vater und die Gesundheitsfürsorge auf das Jugendamt der Klägerin mit Anordnung der Ergänzungspflegschaft. Im Übrigen stellte das Amtsgericht fest, dass die alleinige elterliche Sorge der Mutter fortbestehe. F. lebte von September 2012 bis Anfang März 2013 wiederum bei seiner Mutter und ab dem 02.03.2013 bei seinem Vater.
Am 21.03.2013 stellte die in W...-... wohnhafte Mutter bei dem Beklagten einen Antrag auf Jugendhilfeleistungen. Der Beklagte leitete den Antrag an die Klägerin weiter und vertrat ihr gegenüber die Ansicht, da F. seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seinem Vater in M... habe, sei die Klägerin örtlich zuständig.
Mit Bescheid vom 24.06.2013 gewährte die Klägerin „unter Anwendung des § 86 d SGB VIII“ gemäß §§ 27 ff. SGB VIII eine ambulante Maßnahme zur Erziehung für F. in dem Haus St. ... ab 06.06.2013.
Mit Schreiben vom 24.06.2013 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die Übernahme des Hilfefalles durch den Beklagten, da die Personensorge für F. der Mutter zustehe. Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 06.08.2013 ab und führte aus, das Personensorgerecht sei zwischen den Eltern aufgeteilt. Ein weiterer Teil des Sorgerechts sei auf einen Dritten übertragen. § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII sei daher nicht anwendbar.
Mit Bescheid vom 07.08.2013 gewährte die Klägerin für F. ab 27.07.2013 Hilfe zur Erziehung nach § 34 SGB VIII (Heimerziehung) im Jugendhaus am S...... Diesbezüglich beantragte sie wiederum Kostenerstattung und Fallübernahme gegenüber dem Beklagten. Die Maßnahme endete zum 31.10.2013, weil F. in eine eigene Wohnung zog.
Die Klägerin hat am 13.11.2013 Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, der geltend gemachte Erstattungsanspruch ergebe sich aus § 89 c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII i.V.m. § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII. Trotz der Übertragung von Teilbereichen der elterlichen Sorge auf den Vater und das Jugendamt liege kein gemeinsames Sorgerecht der Eltern vor, sondern es bestehe die alleinige elterliche Sorge der Mutter fort, wie sich aus dem Beschluss des Amtsgerichts M... vom 02./17.04.2012 ergebe. Die Mutter sei daher der personensorgeberechtigte Elternteil.
Der Beklagte hat zur Klageerwiderung ausgeführt, vorliegend seien beide Elternteile personensorgeberechtigt mit jeweils unterschiedlichen Teilbereichen der elterlichen Sorge, so dass § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII einschlägig sei. Hinsichtlich des begehrten „Verwaltungskostendrittels“ (§ 89c Abs. 2 SGB VIII) hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit vorliegend besonders schwierig gewesen sei. Die Auffassung der Klägerin werde nur durch das Urteil des VG Aachen vom 12.11.2012 - 1 K 1890/11 - und den dazu ergangen Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.04.2012 - 12 A 427/12 - gestützt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.11.2015 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Rechtsgrundlage für einen Erstattungsanspruch sei § 89 c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Die Klägerin sei nach § 86 d SGB VIII zum vorläufigen Tätigwerden verpflichtet gewesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei bezüglich der örtlichen Zuständigkeit § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nicht einschlägig. Die im Zuständigkeitsbereich des Beklagten wohnhafte Mutter sei weiterhin auch personensorgeberechtigt, obwohl ihr die Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten sowie die Gesundheitsfürsorge entzogen worden seien. Dies sei für die Anwendung des § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII unschädlich, da es auf den Umfang der dem personensorgeberechtigten Elternteil verbleibenden Befugnisse nach dem eindeutigen Wortlaut des § 86 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII und dessen Sinn einer klaren und eindeutigen Zuständigkeitsabgrenzung nicht ankomme. Der Umstand, dass die Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten vor Beginn der Leistung auf den Vater übertragen worden sei, stehe der Anwendbarkeit des § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII jedoch entgegen. Da es für den Anknüpfungspunkt der Personensorge ausreiche, dass dem betreffenden Elternteil zumindest ein Rest an Personensorge zustehe, sei im maßgeblichen Zeitpunkt auch der Vater personensorgeberechtigter Elternteil i.S.d. § 86 Abs. 2 SGB VIII gewesen. § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII setze jedoch voraus, dass es nur einen sorgeberechtigten Elternteil gebe. Die Auffassung der Klägerin, aus dem Beschluss des Amtsgerichts M...-... vom 02./17.04.2012 ergebe sich, dass die Mutter weiterhin allein sorgeberechtigt gewesen sei, teile die Kammer nicht. In den Gründen des Beschlusses sei ausgeführt, dass es einer vollständigen Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater nicht bedurft habe. Der von dem VG Aachen mit Urteil vom 12.01.2012 und dem OVG Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 12.04.2012 vertretenen Ansicht werde nicht gefolgt. Vorliegend handele es sich um einen Fall der aufgeteilten Personensorge. Die örtliche Zuständigkeit ergebe sich bei geteilter Personensorge zwar nicht unmittelbar aus § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII. Die Kammer folge jedoch der Auffassung des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (DIJuF-Rechtsgutachten vom 25.02.2009, JAmt 2009, 132), wonach in einem Fall der geteilten Personensorge § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII analog anzuwenden sei, da die Konstellation der aufgeteilten Personensorge eine unbeabsichtigte Regelungslücke darstelle. Aus welchen Gründen das OVG Nordrhein-Westfalen die Voraussetzungen einer Analogie verneine, werde nicht plausibel begründet. Auch der Antrag auf Zahlung eines Verwaltungskostenzuschlages bleibe erfolglos, da die Voraussetzungen von § 89 c Abs. 2 SGB VIII nicht vorlägen. Ein pflichtwidriges Verhalten liege nicht vor, wenn in einem schwierig zu beurteilenden Kompetenzkonflikt ein Jugendhilfeträger seine Zuständigkeit aus rechtlichen Erwägungen heraus verneine.
10 
Die Klägerin hat am 22.12.2015 die von dem Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, das Urteil sei als Überraschungsurteil unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs zustande gekommen. Die in der erstinstanzlichen Entscheidung vorgenommene Auslegung des § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in Zusammenhang mit der familiengerichtlichen Entscheidung des Amtsgerichts M... widerspreche dem klaren Gesetzeswortlaut sowie der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, zu der die Klägerin mehrere Entscheidungen und Kommentarstellen benennt.
11 
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24.11.2015 - 3 K 2348/13 - zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin die im Hilfefall des F. seit 06.06.2013 entstandenen Kosten in Höhe von 16.583,66 Euro nebst Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen
13 
Der Beklagte beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt ergänzend aus, die von der Klägerin zitierten gerichtlichen Entscheidungen sowie Kommentarstellen beträfen mit Ausnahme des Urteils des VG Aachen vom 12.11.2012 - 1 K 1890/11 - und des dazu ergangenen Beschlusses des OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.04.2012 - 12 A 427/12 - nicht die Konstellation der aufgeteilten elterlichen Sorge.
16 
Dem Senat liegen die Akten der Beteiligten und des Verwaltungsgerichts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
17 
Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.
18 
Das erstinstanzliche Urteil ist in Rechtskraft erwachsen, soweit das Verwaltungsgericht die Erstattung des „Verwaltungskostendrittels“ gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIII abgelehnt hat. Diesen Anspruch macht die Klägerin im Berufungsverfahren nicht weiter geltend.
19 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 124a Abs. 3 S. 1 VwGO begründete Berufung der Klägerin hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Leistungsklage der Klägerin zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenerstattung (1.) und Prozesszinsen (2.) gegenüber dem Beklagten in der bezifferten Höhe.
20 
(1.) Gemäß § 89 c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86 d SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach §§ 86, 86 a und 86 b SGB VIII begründet wird.
21 
Die Klägerin war nach § 86 d SGB VIII zum vorläufigen Tätigwerden verpflichtet, denn F. hielt sich vor Beginn der Jugendhilfeleistung im Bereich der Klägerin tatsächlich auf, und der nach Auffassung der Klägerin örtlich zuständige Beklagte ist nicht tätig geworden.
22 
Der Beklagte war für die seitens der Klägerin erbrachten Jugendhilfeleistungen gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII örtlich zuständig.
23 
Haben die Elternteile bei Hilfebeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII (sowohl in der hier anwendbaren Fassung vom 11.09.2012 als auch nach der wortgleichen aktuellen Fassung vom 29.08.2013) der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII den Eltern hingegen gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII (wiederum sowohl in der hier anwendbaren Fassung vom 11.09.2012 als auch nach der wortgleichen aktuellen Fassung vom 29.08.2013) nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
24 
Die Eltern des F. hatten bei Hilfebeginn und haben weiterhin verschiedene gewöhnliche Aufenthalte. Die Mutter lebt in W..., der Vater wohnt in M... § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII ist nicht einschlägig, da den Eltern des F. die Personensorge bei Hilfebeginn für F. nicht gemeinsam zustand (a.). Da vielmehr die im Zuständigkeitsbereich des Beklagten wohnhafte Mutter im Zeitpunkt der Leistungserbringung durch die Klägerin der personensorgeberechtigte Elternteil i.S.v. § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII war, war der Beklagte örtlich zuständiger Träger (b.). Mangels Regelungslücke kommt eine analoge Anwendung des § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII nicht in Betracht (c.).
25 
(a.) Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII ist Personensorgeberechtigter, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches die Personensorge zusteht. Die Eltern des F. waren vor Beginn der Leistung am 06.06.2013 (zum Begriff des Beginns der Leistung vgl. BVerwG, Urteil vom 19.10.2011 - 5 C 25.10 - BVerwGE 141, 77; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.03.2014 - 12 A 1211/12 - JAmt 2014, 644; Reisch, in: Jans/Happe/Saurbier, Kinder- und Jugendhilferecht, 3. Aufl., 51. Lfg., 04/2014, § 86 Rn. 11; Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 86 Rn. 48; anders Eschelbach/Schindler, in: Münder u.a., FK-SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 86 Rn. 11 m.w.N. zum Streitstand) nicht im Sinne der nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII maßgeblichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches gemeinsam personensorgeberechtigt. Grundlage für die gemeinsame elterliche Sorge nach den allein maßgeblichen familienrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (dazu BVerwG, Urteil vom 14.11.2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.04.2012 - 12 A 427/12 - juris; Loos, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 86 Rn. 17; Münder, in: Münder u.a., FK-SGB VIII, § 7 Rn. 2; Kern, in: Schellhorn u.a., SGB VIII, 5. Aufl., 2017, § 7 Rn. 7) sind entweder die Eheschließung (vor oder nach der Geburt des Kindes, § 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB), Sorgeerklärungen (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB), Adoption (§§ 1754, 1626 BGB) oder eine gerichtliche Entscheidung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 3, § 1626a Abs. 2 BGB.Gemeinsame Personensorge kommt des Weiteren nach § 1687 BGB in Betracht, dabei handelt es sich um den Fall der Ausübung der gemeinsamen Sorge bei Getrenntleben (BVerwG, Urteil vom 14.11.2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242 zur gemeinsamen Personensorge nach § 1687 BGB; Kunkel/Kepert, in: LPK-SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 86 Rn. 25; Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014 Stand 20.10.2016, § 86 Rn. 80; Loos, in: Wiesner, a.a.O.).
26 
Die Eltern des F. waren bei Geburt des F. miteinander verheiratet, so dass sie zunächst gemeinsam sorgeberechtigt waren. Ein Fall der Ausübung der gemeinsamen Sorge nach der Scheidung der Eltern des F. i.S.v. § 1687 BGB lag jedoch zu keinem Zeitpunkt vor. Mit der Scheidung der Eltern des F. wurde der Mutter die elterliche Sorge für F. allein übertragen. Ein gemeinsames Personensorgerecht der Eltern des F. i.S.v. § 1687 BGB wurde durch den Beschluss des Amtsgerichts M... - Familiengericht - vom 02./17.04.2012 - 25 F 19/12 - nicht wieder begründet. Mit diesem änderte das Amtsgericht die Entscheidung zu dem alleinigen Sorgerecht der Mutter gemäß § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB ab und übertrug dem Vater die Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten sowie dem Jugendamt der Klägerin die Gesundheitsfürsorge für F., im Übrigen stellte das Amtsgericht M...-... jedoch fest, die alleinige elterliche Sorge der Mutter bestehe fort.
27 
Das gemeinsame Personensorgerecht ist gemäß § 1627 Satz 1 BGB in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben. Dies gilt gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Ausübung der gemeinsamen Sorge bei Getrenntleben weiterhin bei Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist. Durch den Beschluss des Amtsgerichts M...-... - Familiengericht - vom 02./17.04.2012 wurde ein durch gegenseitiges Einvernehmen - zumindest für Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist - gekennzeichnetes gemeinsames Personensorgerecht für F. nicht wieder begründet, vielmehr übertrug das Amtsgericht dem Vater nur einen einzelnen Teilbereich der Personensorge, nämlich die Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Vater des F. aufgrund der Übertragung allein des Teilbereiches der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten nicht wieder Personensorgeberechtigter i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII geworden, denn durch die Übertragung des genannten Teilbereiches stand dem Vater des F. weder allein noch gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches die Personensorge zu.
28 
(b.) Unstreitig machte die Übertragung der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten des F. dessen Vater nicht zu dem alleinigen Sorgeberechtigten i.S.d. Bürgerlichen Gesetzbuches. Die Personensorge umfasst gemäß § 1631 Abs. 1 BGB insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Gerade das Aufenthaltsbestimmungsrecht als wesentlicher Teil der Personensorge stand nach dem Beschluss des Amtsgerichts M...-... vom 02./17.04.2012 weiterhin der Mutter des F. zu, so dass der Vater des F. allein durch die Übertragung der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten nicht allein personensorgeberechtigt i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII geworden sein konnte.
29 
Die Übertragung des genannten einzelnen Teilbereiches der Personensorge führte jedoch auch nicht dazu, dass dem Vater des F. wiederum mit der Mutter des F. die Personensorge gemeinsam zugestanden hätte. Bei Scheidung der Eltern kommt ein gemeinsames Personensorgerecht i.S.d. Bürgerlichen Gesetzbuches nur gemäß § 1687 BGB in Betracht. § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt: Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt mithin voraus, dass den nicht nur vorübergehend getrennt lebenden Eltern die gesamte Personensorge i.S.v. § 1631 Abs. 1 BGB gemeinsam zusteht. Eine solche Konstellation gemeinsamer Personensorge der Eltern des F. begründete der Beschluss des Amtsgerichts M... vom 02./17.04.2012 jedoch ausdrücklich nicht. Vielmehr übertrug dieser dem Vater des F. nur einen einzelnen, genau bestimmten Teilbereich der elterlichen Sorge, nämlich denjenigen der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten, und beließ es - mit weiterer Ausnahme der Gesundheitsfürsorge - im Übrigen bei der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter, wie sich aus dem Tenor des Beschlusses des Amtsgerichts M... vom 02./17.04.2012 eindeutig ergibt. Unter Zugrundelegung des § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII war die Mutter des F. im Zeitpunkt des Beginns der Hilfe am 06.06.2013 mithin allein personensorgeberechtigt; dass ihr einzelne Angelegenheiten der Personensorge - nämlich die Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten und die Gesundheitsfürsorge für F. - entzogen worden waren, ist für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers unschädlich, wie § 86 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII ausdrücklich bestimmt, der hinsichtlich der Frage, wem (Jugendamt oder anderem Elternteil) diese einzelnen entzogenen Angelegenheiten der Personensorge anstelle des Personensorgeberechtigten übertragen wurden, keinerlei Differenzierung vornimmt.
30 
(c.) Vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips - Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes - nach Art. 20 Abs. 3 GG liegen die Voraussetzungen für die Bildung einer Analogie nicht vor, weil eine planwidrige Regelungslücke nicht existiert. Ein Analogieschluss erfordert, dass der Anwendungsbereich einer Norm wegen eines mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig ist. Eine derartige Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogiebildung geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er diesen bedacht hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.1978 - 6 C 46.78- BVerwGE 57, 183).
31 
Eine planwidrige Regelungslücke ist jedoch nicht gegeben, denn die vorliegende Sachverhaltsgestaltung lässt sich - wie gezeigt - in das Regelungssystem des § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII einordnen, da unter Zugrundelegung der Vorgaben des Familienrechts unter Beachtung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII die Mutter des F. zum maßgeblichen Zeitpunkt weiterhin allein sorgeberechtigt war, obwohl ihr Teilbereiche der Personensorge - die Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten sowie die Gesundheitsfürsorge für F. - entzogen worden waren, was nach der eindeutigen Formulierung des § 86 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII aber unschädlich ist. Fehlt es jedoch bereits an einer Regelungslücke, so kommt eine Analogiebildung von vornherein nicht in Betracht (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.04.2012 - 12 A 427/12 - juris ebenfalls zu einem Fall aufgeteilter Personensorge).
32 
Dass dabei der Teilbereich der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten nicht auf einen Dritten, etwa das Jugendamt, sondern auf den Vater des F. übertragen wurde, ändert an dieser Beurteilung nichts, denn der Vater ist durch die Übertragung eines einzelnen Teilbereiches der Personensorge in Form der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten - wie bereits dargelegt - weder allein noch gemeinsam mit einer anderen Person personensorgeberechtigt i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII geworden. Zwar ermöglicht § 1671 Abs. 1 BGB - worauf auch das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. in seinem Rechtsgutachten vom 25.02.2009, J 8.110 Ad, Das Jugendamt 2009, S. 132 f. abhebt - eine Aufteilung der gesamten elterlichen Sorge in Einzelsorgebereiche (vgl. dazu Coester, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2016, § 1671 Rn. 52 - 55). In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass für die Anwendung von § 86 Abs. 2 Sätzen 1 und 2 SGB VIII der Begriff des Personensorgeberechtigten in § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII definiert ist. Dieser verweist zum einen hinsichtlich des Begriffes der Personensorge auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, verlangt jedoch zum anderen zusätzlich, dass die Personensorge dem Personensorgeberechtigten allein oder gemeinsam mit einer anderen Person zusteht; auch hinsichtlich der Merkmale „allein“ oder „gemeinsam“ verweist § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII auf das Familienrecht. Wie dargelegt, ist ein Fall der alleinigen oder gemeinsamen Personensorge i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII jedoch nicht gegeben, soweit ein Elternteil von der Möglichkeit des § 1671 bzw. des § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB Gebrauch macht, sich nur hinsichtlich eines Sorgerechtsteilbereiches die Alleinsorge übertragen zu lassen. Der Rückgriff auf einen Analogieschluss könnte in solchen Fällen nur dann in Betracht kommen, wenn sich bei vollständiger Aufteilung aller Sorgerechtsbereiche eine eindeutige Zuordnung über das System des § 86 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB VIII nicht mehr vornehmen lassen würde.
33 
Aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu der in § 86 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII verorteten Fragestellung, ob es auf einen bestimmten Umfang der bei dem personensorgeberechtigten Elternteil verbleibenden Befugnisse i.S.v. § 1631 Abs. 1 BGB ankomme, was verneint wird (vgl. dazu: OVG Sachsen, Urteil vom 28.08.2013 - 1 A 87/13 - juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.01.2009 - 12 A 2357/07 - juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.03.2004 - 9 S 575/03 - JAmt 2004, 546), kann darüber hinaus nicht im Rahmen eines Umkehrschlusses gefolgert werden, dass derjenige, der bspw. infolge Scheidung und Übertragung der Alleinsorge auf den anderen Elternteil nicht Inhaber der Personensorge ist, durch die Übertragung eines einzelnen klar abgegrenzten Teilbereiches der Personensorge in Form der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten allein oder mit einem anderen gemeinsam personensorgeberechtigt i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII wird. Die zitierte Rechtsprechung hatte entsprechend der Formulierung des § 86 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII nur die Sachverhaltsgestaltungen vor Augen, in denen einem Elternteil, der bisher Inhaber der alleinigen Personensorge war, Teilbereiche derselben entzogen wurden, und befasste sich mit der Frage, ob § 86 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII einen bestimmten Umfang an i.S.v. § 1631 Abs. 1 BGB verbleibenden Befugnissen verlangt, was auf der Grundlage des eindeutigen Wortlautes des § 86 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII verneint wurde. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass derjenige Elternteil, der nicht Inhaber der Personensorge ist, durch die Übertragung eines einzelnen klar abgegrenzten Teilbereiches der Personensorge (hier in Form der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten) personensorgeberechtigt i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII wird.
34 
2. Der Zinsanspruch der Klägerin rechtfertigt sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB (BVerwG, Urteile vom 14.11.2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242; und vom 22.11.2001 - 5 C 42.01 - BVerwGE 115, 251).
35 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 1 VwGO.
36 
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, denn die Frage, ob § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auch dann anwendbar ist, wenn einem allein sorgeberechtigten Elternteil ein Teilbereich der elterlichen Sorge entzogen und dieser auf den anderen Elternteil übertragen wurde, stellt sich in einer Vielzahl von Fällen und ist deshalb grundsätzlich klärungsbedürftig.
37 
Beschluss vom 19. Januar 2017
38 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 52 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 1 GKG auf 16.583,66 Euro festgesetzt.
39 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
17 
Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.
18 
Das erstinstanzliche Urteil ist in Rechtskraft erwachsen, soweit das Verwaltungsgericht die Erstattung des „Verwaltungskostendrittels“ gemäß § 89c Abs. 2 SGB VIII abgelehnt hat. Diesen Anspruch macht die Klägerin im Berufungsverfahren nicht weiter geltend.
19 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 124a Abs. 3 S. 1 VwGO begründete Berufung der Klägerin hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Leistungsklage der Klägerin zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenerstattung (1.) und Prozesszinsen (2.) gegenüber dem Beklagten in der bezifferten Höhe.
20 
(1.) Gemäß § 89 c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86 d SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach §§ 86, 86 a und 86 b SGB VIII begründet wird.
21 
Die Klägerin war nach § 86 d SGB VIII zum vorläufigen Tätigwerden verpflichtet, denn F. hielt sich vor Beginn der Jugendhilfeleistung im Bereich der Klägerin tatsächlich auf, und der nach Auffassung der Klägerin örtlich zuständige Beklagte ist nicht tätig geworden.
22 
Der Beklagte war für die seitens der Klägerin erbrachten Jugendhilfeleistungen gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII örtlich zuständig.
23 
Haben die Elternteile bei Hilfebeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, so ist nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII (sowohl in der hier anwendbaren Fassung vom 11.09.2012 als auch nach der wortgleichen aktuellen Fassung vom 29.08.2013) der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; dies gilt auch dann, wenn ihm einzelne Angelegenheiten der Personensorge entzogen sind. Steht die Personensorge im Fall des § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII den Eltern hingegen gemeinsam zu, so richtet sich die Zuständigkeit gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII (wiederum sowohl in der hier anwendbaren Fassung vom 11.09.2012 als auch nach der wortgleichen aktuellen Fassung vom 29.08.2013) nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
24 
Die Eltern des F. hatten bei Hilfebeginn und haben weiterhin verschiedene gewöhnliche Aufenthalte. Die Mutter lebt in W..., der Vater wohnt in M... § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII ist nicht einschlägig, da den Eltern des F. die Personensorge bei Hilfebeginn für F. nicht gemeinsam zustand (a.). Da vielmehr die im Zuständigkeitsbereich des Beklagten wohnhafte Mutter im Zeitpunkt der Leistungserbringung durch die Klägerin der personensorgeberechtigte Elternteil i.S.v. § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII war, war der Beklagte örtlich zuständiger Träger (b.). Mangels Regelungslücke kommt eine analoge Anwendung des § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII nicht in Betracht (c.).
25 
(a.) Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII ist Personensorgeberechtigter, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches die Personensorge zusteht. Die Eltern des F. waren vor Beginn der Leistung am 06.06.2013 (zum Begriff des Beginns der Leistung vgl. BVerwG, Urteil vom 19.10.2011 - 5 C 25.10 - BVerwGE 141, 77; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.03.2014 - 12 A 1211/12 - JAmt 2014, 644; Reisch, in: Jans/Happe/Saurbier, Kinder- und Jugendhilferecht, 3. Aufl., 51. Lfg., 04/2014, § 86 Rn. 11; Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 86 Rn. 48; anders Eschelbach/Schindler, in: Münder u.a., FK-SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 86 Rn. 11 m.w.N. zum Streitstand) nicht im Sinne der nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII maßgeblichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches gemeinsam personensorgeberechtigt. Grundlage für die gemeinsame elterliche Sorge nach den allein maßgeblichen familienrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (dazu BVerwG, Urteil vom 14.11.2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.04.2012 - 12 A 427/12 - juris; Loos, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 86 Rn. 17; Münder, in: Münder u.a., FK-SGB VIII, § 7 Rn. 2; Kern, in: Schellhorn u.a., SGB VIII, 5. Aufl., 2017, § 7 Rn. 7) sind entweder die Eheschließung (vor oder nach der Geburt des Kindes, § 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB), Sorgeerklärungen (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB), Adoption (§§ 1754, 1626 BGB) oder eine gerichtliche Entscheidung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 3, § 1626a Abs. 2 BGB.Gemeinsame Personensorge kommt des Weiteren nach § 1687 BGB in Betracht, dabei handelt es sich um den Fall der Ausübung der gemeinsamen Sorge bei Getrenntleben (BVerwG, Urteil vom 14.11.2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242 zur gemeinsamen Personensorge nach § 1687 BGB; Kunkel/Kepert, in: LPK-SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 86 Rn. 25; Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014 Stand 20.10.2016, § 86 Rn. 80; Loos, in: Wiesner, a.a.O.).
26 
Die Eltern des F. waren bei Geburt des F. miteinander verheiratet, so dass sie zunächst gemeinsam sorgeberechtigt waren. Ein Fall der Ausübung der gemeinsamen Sorge nach der Scheidung der Eltern des F. i.S.v. § 1687 BGB lag jedoch zu keinem Zeitpunkt vor. Mit der Scheidung der Eltern des F. wurde der Mutter die elterliche Sorge für F. allein übertragen. Ein gemeinsames Personensorgerecht der Eltern des F. i.S.v. § 1687 BGB wurde durch den Beschluss des Amtsgerichts M... - Familiengericht - vom 02./17.04.2012 - 25 F 19/12 - nicht wieder begründet. Mit diesem änderte das Amtsgericht die Entscheidung zu dem alleinigen Sorgerecht der Mutter gemäß § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB ab und übertrug dem Vater die Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten sowie dem Jugendamt der Klägerin die Gesundheitsfürsorge für F., im Übrigen stellte das Amtsgericht M...-... jedoch fest, die alleinige elterliche Sorge der Mutter bestehe fort.
27 
Das gemeinsame Personensorgerecht ist gemäß § 1627 Satz 1 BGB in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben. Dies gilt gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Ausübung der gemeinsamen Sorge bei Getrenntleben weiterhin bei Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist. Durch den Beschluss des Amtsgerichts M...-... - Familiengericht - vom 02./17.04.2012 wurde ein durch gegenseitiges Einvernehmen - zumindest für Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist - gekennzeichnetes gemeinsames Personensorgerecht für F. nicht wieder begründet, vielmehr übertrug das Amtsgericht dem Vater nur einen einzelnen Teilbereich der Personensorge, nämlich die Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Vater des F. aufgrund der Übertragung allein des Teilbereiches der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten nicht wieder Personensorgeberechtigter i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII geworden, denn durch die Übertragung des genannten Teilbereiches stand dem Vater des F. weder allein noch gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches die Personensorge zu.
28 
(b.) Unstreitig machte die Übertragung der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten des F. dessen Vater nicht zu dem alleinigen Sorgeberechtigten i.S.d. Bürgerlichen Gesetzbuches. Die Personensorge umfasst gemäß § 1631 Abs. 1 BGB insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Gerade das Aufenthaltsbestimmungsrecht als wesentlicher Teil der Personensorge stand nach dem Beschluss des Amtsgerichts M...-... vom 02./17.04.2012 weiterhin der Mutter des F. zu, so dass der Vater des F. allein durch die Übertragung der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten nicht allein personensorgeberechtigt i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII geworden sein konnte.
29 
Die Übertragung des genannten einzelnen Teilbereiches der Personensorge führte jedoch auch nicht dazu, dass dem Vater des F. wiederum mit der Mutter des F. die Personensorge gemeinsam zugestanden hätte. Bei Scheidung der Eltern kommt ein gemeinsames Personensorgerecht i.S.d. Bürgerlichen Gesetzbuches nur gemäß § 1687 BGB in Betracht. § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt: Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt mithin voraus, dass den nicht nur vorübergehend getrennt lebenden Eltern die gesamte Personensorge i.S.v. § 1631 Abs. 1 BGB gemeinsam zusteht. Eine solche Konstellation gemeinsamer Personensorge der Eltern des F. begründete der Beschluss des Amtsgerichts M... vom 02./17.04.2012 jedoch ausdrücklich nicht. Vielmehr übertrug dieser dem Vater des F. nur einen einzelnen, genau bestimmten Teilbereich der elterlichen Sorge, nämlich denjenigen der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten, und beließ es - mit weiterer Ausnahme der Gesundheitsfürsorge - im Übrigen bei der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter, wie sich aus dem Tenor des Beschlusses des Amtsgerichts M... vom 02./17.04.2012 eindeutig ergibt. Unter Zugrundelegung des § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII war die Mutter des F. im Zeitpunkt des Beginns der Hilfe am 06.06.2013 mithin allein personensorgeberechtigt; dass ihr einzelne Angelegenheiten der Personensorge - nämlich die Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten und die Gesundheitsfürsorge für F. - entzogen worden waren, ist für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers unschädlich, wie § 86 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII ausdrücklich bestimmt, der hinsichtlich der Frage, wem (Jugendamt oder anderem Elternteil) diese einzelnen entzogenen Angelegenheiten der Personensorge anstelle des Personensorgeberechtigten übertragen wurden, keinerlei Differenzierung vornimmt.
30 
(c.) Vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips - Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes - nach Art. 20 Abs. 3 GG liegen die Voraussetzungen für die Bildung einer Analogie nicht vor, weil eine planwidrige Regelungslücke nicht existiert. Ein Analogieschluss erfordert, dass der Anwendungsbereich einer Norm wegen eines mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig ist. Eine derartige Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogiebildung geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er diesen bedacht hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.1978 - 6 C 46.78- BVerwGE 57, 183).
31 
Eine planwidrige Regelungslücke ist jedoch nicht gegeben, denn die vorliegende Sachverhaltsgestaltung lässt sich - wie gezeigt - in das Regelungssystem des § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII einordnen, da unter Zugrundelegung der Vorgaben des Familienrechts unter Beachtung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII die Mutter des F. zum maßgeblichen Zeitpunkt weiterhin allein sorgeberechtigt war, obwohl ihr Teilbereiche der Personensorge - die Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten sowie die Gesundheitsfürsorge für F. - entzogen worden waren, was nach der eindeutigen Formulierung des § 86 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII aber unschädlich ist. Fehlt es jedoch bereits an einer Regelungslücke, so kommt eine Analogiebildung von vornherein nicht in Betracht (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.04.2012 - 12 A 427/12 - juris ebenfalls zu einem Fall aufgeteilter Personensorge).
32 
Dass dabei der Teilbereich der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten nicht auf einen Dritten, etwa das Jugendamt, sondern auf den Vater des F. übertragen wurde, ändert an dieser Beurteilung nichts, denn der Vater ist durch die Übertragung eines einzelnen Teilbereiches der Personensorge in Form der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten - wie bereits dargelegt - weder allein noch gemeinsam mit einer anderen Person personensorgeberechtigt i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII geworden. Zwar ermöglicht § 1671 Abs. 1 BGB - worauf auch das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. in seinem Rechtsgutachten vom 25.02.2009, J 8.110 Ad, Das Jugendamt 2009, S. 132 f. abhebt - eine Aufteilung der gesamten elterlichen Sorge in Einzelsorgebereiche (vgl. dazu Coester, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2016, § 1671 Rn. 52 - 55). In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass für die Anwendung von § 86 Abs. 2 Sätzen 1 und 2 SGB VIII der Begriff des Personensorgeberechtigten in § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII definiert ist. Dieser verweist zum einen hinsichtlich des Begriffes der Personensorge auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, verlangt jedoch zum anderen zusätzlich, dass die Personensorge dem Personensorgeberechtigten allein oder gemeinsam mit einer anderen Person zusteht; auch hinsichtlich der Merkmale „allein“ oder „gemeinsam“ verweist § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII auf das Familienrecht. Wie dargelegt, ist ein Fall der alleinigen oder gemeinsamen Personensorge i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII jedoch nicht gegeben, soweit ein Elternteil von der Möglichkeit des § 1671 bzw. des § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB Gebrauch macht, sich nur hinsichtlich eines Sorgerechtsteilbereiches die Alleinsorge übertragen zu lassen. Der Rückgriff auf einen Analogieschluss könnte in solchen Fällen nur dann in Betracht kommen, wenn sich bei vollständiger Aufteilung aller Sorgerechtsbereiche eine eindeutige Zuordnung über das System des § 86 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB VIII nicht mehr vornehmen lassen würde.
33 
Aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu der in § 86 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII verorteten Fragestellung, ob es auf einen bestimmten Umfang der bei dem personensorgeberechtigten Elternteil verbleibenden Befugnisse i.S.v. § 1631 Abs. 1 BGB ankomme, was verneint wird (vgl. dazu: OVG Sachsen, Urteil vom 28.08.2013 - 1 A 87/13 - juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.01.2009 - 12 A 2357/07 - juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.03.2004 - 9 S 575/03 - JAmt 2004, 546), kann darüber hinaus nicht im Rahmen eines Umkehrschlusses gefolgert werden, dass derjenige, der bspw. infolge Scheidung und Übertragung der Alleinsorge auf den anderen Elternteil nicht Inhaber der Personensorge ist, durch die Übertragung eines einzelnen klar abgegrenzten Teilbereiches der Personensorge in Form der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten allein oder mit einem anderen gemeinsam personensorgeberechtigt i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII wird. Die zitierte Rechtsprechung hatte entsprechend der Formulierung des § 86 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII nur die Sachverhaltsgestaltungen vor Augen, in denen einem Elternteil, der bisher Inhaber der alleinigen Personensorge war, Teilbereiche derselben entzogen wurden, und befasste sich mit der Frage, ob § 86 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII einen bestimmten Umfang an i.S.v. § 1631 Abs. 1 BGB verbleibenden Befugnissen verlangt, was auf der Grundlage des eindeutigen Wortlautes des § 86 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII verneint wurde. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass derjenige Elternteil, der nicht Inhaber der Personensorge ist, durch die Übertragung eines einzelnen klar abgegrenzten Teilbereiches der Personensorge (hier in Form der Sorge für die behördlichen und schulischen Angelegenheiten) personensorgeberechtigt i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII wird.
34 
2. Der Zinsanspruch der Klägerin rechtfertigt sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB (BVerwG, Urteile vom 14.11.2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242; und vom 22.11.2001 - 5 C 42.01 - BVerwGE 115, 251).
35 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 154 Abs. 1 VwGO.
36 
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, denn die Frage, ob § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auch dann anwendbar ist, wenn einem allein sorgeberechtigten Elternteil ein Teilbereich der elterlichen Sorge entzogen und dieser auf den anderen Elternteil übertragen wurde, stellt sich in einer Vielzahl von Fällen und ist deshalb grundsätzlich klärungsbedürftig.
37 
Beschluss vom 19. Januar 2017
38 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 52 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 1 GKG auf 16.583,66 Euro festgesetzt.
39 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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