Urteil vom Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) - 3a C 73/12


Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.757,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus je 417,49 € seit 6.7.2011, 4.8.2011, 6.9.2011, 7.10.2011, 5.11.2011, 6.12.2011, 5.1.2012, 4.2.2012 und 6.3.2012 sowie 9,40 € Mahn- und Kündigungskosten zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, die im 3. Obergeschoss rechts des Hausanwesens O. Straße in ... Frankenthal (Pfalz) gelegene Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Bad mit WC, einem Flur, einer Abstellkammer, einem Balkon und dem Kellerraum Nr. 10 zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 4. April 2012 zugestellten Klage von dem Beklagten die Zahlung rückständiger Mietzinsen für die Zeit von Juli 2011 bis einschl. März 2012 in Höhe von monatlich 417,49 € brutto, insgesamt 3.757,41 €.

2

Die Klägerin vermietete dem Beklagten ab 1.7.2011 mit Mietvertrag mit Datum vom 31.5.2011 die streitgegenständliche Wohnung.

3

Nach Mahnungen vom 15.7.2011, 29.7.2011 und 15.8.2011, für die die Klägerin 5,00 € Mahnkosten in Ansatz bringt, kündigte sie mit Schreiben vom 29.8.2011 (Blatt 43 der Akten) das Mietverhältnis gegenüber dem Beklagten fristlos per Einschreiben mit Rückschein, wofür Postgebühren in Höhe von 4,40 € anfielen.

4

Die Klägerin hatte Kenntnis davon, dass der Beklagte in Bezug von Sozialhilfeleistungen steht, eine Abtretung erfolgte am 16. Dezember 2011 zugunsten der Klägerin.

5

Die Klägerin erklärt in der Klageschrift vorsorglich erneut die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung, wegen der Darlegungen wird insoweit auf Blatt 4 der Akten Bezug genommen.

6

Im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens, das der Beklagte aufgrund der Einstellung von Leistungen zum 31.10.2011, nachdem ab 1.9.2011 Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 226,70 € monatlich gewährt wurde, führte, wird der zuständige Sozialhilfeträger mit Widerspruchsbescheid vom 7.5.2012 verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsverfolgung des Stadtrechtsausschusses ab 1.3.2011 Hilfe zum Lebensunterhalt zu zahlen.

7

Zahlungen an die Klägerin erfolgten bislang nicht.

8

Die Klägerin trägt vor,
der Beklagte sei zur Zahlung der rückständigen Mietzinsen verpflichtet, die erklärte fristlose Kündigung, hilfsweise die im Rahmen der Klage erneut ausgesprochene fristlose Kündigung, sei berechtigt, der Beklagte zur Rückgabe der Mietsache verpflichtet.

9

Der Beklagte sei zur Zahlung von Zinsen aufgrund mietvertraglicher Fälligkeitsvereinbarungen nach Verzug verpflichtet.

10

Die Klägerin beantragt:

11

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.757,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus je 417,49 € seit 6.7.2011, 4.8.2011, 6.9.2011, 7.10.2011, 5.11.2011, 6.12.2011, 5.1.2012, 4.2.2012 und 6.3.2012 sowie 9,40 € Mahn- und Kündigungskosten zu zahlen.

12

2. Der Beklagte wird verurteilt, die im 3. Obergeschoss rechts des Hausanwesens O. Straße in ... Frankenthal (Pfalz) gelegene Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Bad mit WC, einem Flur, einer Abstellkammer, einem Balkon und dem Kellerraum Nr. 10 zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen und ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte B. und Kollege zu bewilligen.

15

Unter Hinweis auf das laufende sozialrechtliche Verfahren beantragt er weiterhin, das Verfahren auszusetzen bis zu einer endgültigen Klärung unter Bezugnahme auf den Inhalt des zur Akte gereichten Widerspruchsbescheides (Blatt 61 ff der Akten).

16

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

I.

18

Der Beklagte ist zur Zahlung der Bruttomiete von monatlich 417,49 € brutto aufgrund des zwischen ihm der Klägerin geschlossenen Mietvertrages vom 31.5.2011, § 535 BGB, verpflichtet.

19

Für die Zeit von Juli 2011 bis einschl. März 2012 hat der Beklagte unstreitig keine Zahlungen geleistet, sodass die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von 3.757,41 € gegen den Beklagten hat.

II.

20

Hinsichtlich des Räumungsanspruchs ist die Klage zulässig und begründet.

21

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf die Räumung und Herausgabe des Mietobjektes gemäß § 546 Abs. 1 BGB. Der Mieter ist danach verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag ist jedenfalls durch die mit der Klageschrift erneut erklärte außerordentliche Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB beendet worden.

22

Sie ist auch nicht im weiteren Verlauf gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB wieder unwirksam geworden. Das Mietverhältnis kann durch jede Vertragspartei aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Ein solcher wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. Maßgeblich ist danach ein Verzug des Mieters hinsichtlich der ausstehenden Mietzahlungen, d.h. dass er gemäß § 286 Abs. 4, 276 BGB den Zahlungsrückstand zu vertreten hat.

23

Unstreitig hat der Beklagte den Zeitraum Juli 2011 bis einschl. August 2011 keine Mietzinszahlungen geleistet. Soweit auf seinen Antrag der zuständige Sozialhilfeträger (GfA) ab 1.9.2011 Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 226,70 € monatlich bis zum 31.10.2011 gewährt hat, hat der Beklagte jedenfalls keinerlei Zahlungen an die Klägerin geleistet. Soweit die Hilfe zum Lebensunterhalt mit Bescheid vom 25.11.2011 zum 31.10.2011 eingestellt worden ist, muss sich der Beklagte eine ausbleibende Leistung des zuständigen Sozialhilfeträgers als dessen Verschulden nicht zurechnen lassen, weil es sich bei dem Sozialhilfeträger nicht um einen Erfüllungsgehilfen des Beklagten im Verhältnis zur Klägerin im Sinne von § 278 Satz 1 BGB handelt. Diese Voraussetzungen sind bei einer Behörde, die im Rahmen der Daseinsvorsorge staatliche Transferleistungen an Bürger erbringt, nicht erfüllt. Der Anspruchsberechtigte schaltet den Sozialhilfeträger insoweit nicht als Hilfsperson zur Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber seinem Vermieter ein, vielmehr wendet er sich an die staatliche Stelle, um selbst die notwendigen Mittel für den eigenen Lebensunterhalt zu erhalten. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Kosten der Unterkunft an den Hilfebedürftigen - wie vorliegend- selbst gezahlt, oder direkt an den Vermieter überwiesen werden nach Abtretungsanzeige vom 16.12.2011. In beiden Fällen nimmt der Sozialhilfeträger hoheitliche Aufgaben wahr, um die Grundsicherung des Hilfebedürftigen zu gewährleisten.

24

Mit dieser Stellung ist die Annahme, die Behörde werde vom Leistungsempfänger als Erfüllungsgehilfe im Rahmen des Mietvertrages über seine Unterkunft eingesetzt, nicht vereinbar (BGH NJW 2009, 3781).

25

Wenn es sich insoweit jedoch um eine rein sozialrechtlich geprägte Rechtsbeziehung, die sozusagen unabhängig von dem zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits bestehenden Mietvertrag der Versorgung des Beklagten mit finanziellen Mitteln dient, können diesbezügliche Versäumnisse des Sozialhilfeträgers den Beklagten andererseits auch nicht von einem Vertretenmüssen hinsichtlich des eingetretenen Zahlungsrückstandes entlasten. Dies gilt auch insbesondere im Hinblick auf die für die Monate September und Oktober gewährten Leistungen durch den Sozialhilfeträger in Höhe von monatlich 226,70 €, die nicht an die Klägerin weitergeleitet worden sind. Denn seine finanzielle Leistungsunfähigkeit und die darauf beruhende Nichterfüllung einer Leistungspflicht hat der Schuldner regelmäßig schon unabhängig von einem Verschulden zu vertreten. Dieser Grundsatz ergibt sich aus dem unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung zugrunde liegenden und im Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht zum Ausdruck kommenden Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung (Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Auflage 2012, § 276 Rdnr. 28 m.w.N.). Dass der Mieter für die Begleichung der Miete auf Leistungen aus dritter Hand angewiesen ist, kann daher nicht zu Lasten des Vermieters gehen, wobei es nach der vorgenannten gesetzlichen Wertung keinen Unterschied macht, ob der Mieter sich diese dann etwa durch einen Privatkredit oder eben aufgrund einer Inanspruchnahme der Sozialverwaltung verschafft (die Entscheidung des BGH a.a.O. betraf einen anderen Sachverhalt, im Ergebnis wie hier LG Berlin, Grundeigentum 2010, 487, AG Frankfurt InfoN 2010, 325, AG Bernau WUM 2010, 31, AG Ludwigslust Beschluss vom 23.8.2011 - 5C 52/11-).

26

Gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB wird die außerordentliche Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB wieder unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt bei Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546 a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Ausgehend von der Klageschrift vom 29.3.2012, eingegangen am 30. März 2012 und zugestellt am 4. April 2012, waren jedenfalls im Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Auf die Frage der Wirksamkeit der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses, § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, kam es nach dem Vorgenannten nicht mehr an. Dem vorgenannten Ergebnis steht auch nicht etwa § 242 BGB entgegen, sofern die Klägerin durch ein Einverständnis mit einer Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses einen Ausgleich des Mietrückstandes über ein Darlehen nach § 22 Abs. 8 SGB II hätte erreichen können. Ausgehend von der vorherrschenden Privatautonomie und angesichts der mehrfach ausgesprochenen Kündigung steht es der Klägerin frei, ob sie das Mietverhältnis mit dem Beklagten fortsetzen möchte, eine irgendwie geartete diesbezügliche Verpflichtung oder auch nur Obliegenheit lässt sich dagegen rechtlich nicht begründen.

27

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 417,49 € seit 6.7.2011, 4.8.2011, 6.9.2011, 7.10.2011, 5.11.2011, 6.12.2011 sowie 5.1.2012, 4.2.2012 und 6.3.2012, §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB sowie auf Zahlung von Mahnkosten in Höhe von 5,00 €, § 287 ZPO, für die drei Mahnschreiben vom 15.7.2011, 29.7.2011 und 15.8.2011 sowie auf Erstattung der durch das Einschreiben mit Rückschein angefallenen Postgebühren in Höhe von 4,40 €.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

29

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen