Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 295/12

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 29.03.2012 - 9 Ca 1134/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob eine von der Beklagten erklärte Versetzung des Klägers rechtmäßig oder rechtswidrig ist.

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Die Beklagte ist eine gemeinnützige GmbH für psychosoziale Einrichtungen. Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1998 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23.08.1998 "als Mitarbeiter in der Tätigkeit eines Arbeits- und Beschäftigungstherapeuten im Betriebsbereich Tagesstätte" beschäftigt. Zwischen den Parteien ist die Geltung der vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband herausgegebenen Richtlinien für Arbeitsverträge (AVR-DPWV) in der jeweils gültigen Fassung vereinbart.

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Die Tagesstätte des gemeindepsychiatrischen Zentrums ist eine teilstationäre Einrichtung der sozialpsychiatrischen Eingliederungshilfe. Sie bietet Hilfen zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 Abs. 9 i. V. m. § 54 SGB XII an. Zielgruppe der Tagesstätte sind chronisch psychisch erkrankte behinderte Menschen, die nicht oder noch nicht in der Lage sind, einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen nachzugehen und deshalb auf eine regelmäßige, verlässliche Tagesstruktur angewiesen sind. Das Spektrum der tagesgestaltenden Hilfen umfasst Beschäftigungs- und Zuverdienstangebote, Fördergruppen und Einzeltrainings, Kreativ- und Freizeitangebote. Begleitend werden die Tagesstättenbesucher psychosozial in den Bereichen Alltagsbewältigung, Gesundheitsförderung und Krisenbewältigung betreut. Das vier- bzw. fünfköpfige Team wird durchschnittlich von 30 Klienten (Besuchern und Nutzern der offenen Angebote) täglich während der Öffnungszeit zwischen 9.00 und 17.00 Uhr frequentiert. Neben der Vorbereitung und Durchführung von Gruppenangeboten und Einzelfördermaßnahmen stehen die Mitarbeiter als Bezugsbetreuer acht bis zwölf Klienten als Ansprechpartner zur Verfügung.

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Der Kläger, der 2003 einmal depressiv erkrankt war mit einer anschließenden therapeutischen und medikamentösen Behandlung, war 2009 und 2010 an 39 Tagen arbeitsunfähig erkrankt und im Jahr 2011 vom 10.01. bis 21.02.2011. Die zuletzt genannte Fehlzeit beruhte auf einer depressiven Erkrankung.

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Nach Rückkehr des Klägers an seinen Arbeitsplatz fanden verschiedene Gespräche statt, deren Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind. Nach einem nicht abgeschlossenen BEM, Zeiten der Freistellung und Schriftverkehr zwischen den jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Beklagten, versetzte die Beklagte den Kläger schlussendlich mit Schreiben vom 06.06.2011 "unter Beibehaltung der zur Zeit gezahlten Bezüge und der Position Arbeits- und Beschäftigungstherapeut … mit Wirkung zum 15.06.2011 in die Abteilung S.".

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Der Kläger, der auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, konnte von seinem Wohnort zuvor die Tagesstätte in 35 Minuten erreichen. Für die Fahrt zum neuen Arbeitsplatz benötigt er nach seiner Darstellung eine Stunde Fahrzeit zzgl. 20 Minuten Fußweg für eine Strecke.

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Nach den Vorstellungen der Beklagten soll der Kläger, der eine handwerkliche Ausbildung und eine Ausbildung als Arbeitserzieher hat, im Servicecenter Bereiche S. und R. mit zuständig für die Erarbeitung von Rahmenbildungsplänen für Werkstattbeschäftigte innerhalb des Projekts Bildungs- und Qualifizierungsmanagement sein. Nach einer Einarbeitung mit Hospitation bei Kursen zur Förderung von Schlüsselqualifikationen und zur Förderung von Fach- und Methodenkompetenz soll mit ihm eine Schwerpunktsetzung vereinbart werden, so dass er selbständig Schulungen und Einzelförderungen in diesen Bereichen übernehmen kann. Zur weiteren Darstellung der künftigen beabsichtigen Tätigkeit des Klägers wird auf Seite 4 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 225 d. A.) Bezug genommen.

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Der Kläger hat vorgetragen,

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die Versetzung sei sowohl im Hinblick auf die künftige Fahrzeit sowie die fehlende Gleichwertigkeit der neuen Stelle unwirksam. Bei den arbeitsunfähigkeitsbegründenden Fehltagen in 2009 und 2010 habe es sich um Erkrankungen wie Grippe, usw. gehandelt. Lediglich 2011 sei es um eine depressive Erkrankung gegangen, die ihn aber nach Rückkehr an seinen Arbeitsplatz nicht an der Ausübung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit gehindert habe. Deshalb habe auch kein Anlass für ein BEM bestanden. Nur um sich kooperativ zu zeigen, habe er sein Einverständnis mit einem solchen erteilt. Die Teilnehmer des Gesprächs am 28.03.2011 - Frau Z., Frau Y. und der Herr X. - hätten ebenso wenig wie er gewusst, warum und mit welchem Ziel ein BEM durchgeführt werden solle. Das Gespräch habe sich im Wesentlichen auf die ihm abverlangte Schilderung seiner Situation beschränkt. Dabei habe er u. a. ausgeführt, dass es tatsächlich vereinzelt Differenzen mit seiner Vorgesetzten, Frau V., gegeben habe. Denn er leide an einer Lese- und Schreibschwäche, die dazu führe, dass die Klientenberichte, deren Fehlen die Beklagte bemängele, überwiegend nicht von ihm selbst, sondern von Frau V. mitverfasst worden seien. Nachdem die Beklagte ihm des Weiteren - unzutreffend - vorgehalten habe, er leide seit mehreren Jahren an einer depressiven Erkrankung, habe es am 11.04.2011 ein weiteres Gespräch im Rahmen des BEM gegeben; dieses sei dann einvernehmlich für beendet erklärt worden, nachdem er mitgeteilt habe, dass er uneingeschränkt arbeitsfähig sei.

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An der neuen Arbeitsstelle werde er nicht als Arbeits- und Beschäftigungstherapeut eingesetzt; insbesondere fehle dort die Betreuungsarbeit. Dass er seine Betreuungstätigkeit in der Tagesstätte zunehmend vernachlässigt habe, treffe nicht zu. Dies folge insbesondere nicht aus der geringen Zahl von Eintragungen in den Klientenberichten, die die Beklagte u. a. anführe. Seine Lese- und Schreibschwäche sei auch seiner Kollegin Frau U. und dem Kollegen T. bekannt. Deshalb sei er allerdings für die Tätigkeit in der Tagesstätte nicht ungeeignet.

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Zur weiteren Darstellung des streitigen Vorbringens des Klägers im erstinstanzlichen Rechtszug im Einzelnen wird auf Seiten 4, 5 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 225, 226 d. A.) Bezug genommen.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Arbeits- und Beschäftigungstherapeut im Betriebsbereich Tagesstätte zu beschäftigen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat vorgetragen,
entgegen der Darstellung des Kläger werde im Servicebereich "S." eine andere Betreuungsarbeit mit einer anderen Klientel durchgeführt; die Tätigkeit erfolge nicht mit einer sehr starken emotionalen Nähe zu den Klienten. Die Versetzung sei notwendig gewesen, weil der Kläger die intensive Betreuungsarbeit, die er für die Klienten in der Tagesstätte zu gewährleisten gehabt habe, zunehmend vernachlässigt und sich stattdessen auf administrative Arbeiten konzentriert habe. Den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit habe er im Büro verbracht. Aber auch dort sei er seinen Verpflichtungen nur ungenügend nachgekommen. Seine Klientenakten seien unvollständig. Im Jahr 2010 sei der Kläger für acht Klienten zuständig gewesen. Während des gesamten Jahres habe er lediglich sieben Eintragungen vorgenommen. Vergleichbare Mitarbeiter in der Tagesstätte hätten im selben Zeitraum durchschnittlich ein bis zwei monatliche Dokumentationen pro Klient vorgenommen, sodass sich ein Verhältnis von sieben zu 144 zu Lasten des Klägers ergebe. Die ohnehin dürftigen Eintragungen hätten 2010 zudem noch spürbar abgenommen. Die Situation habe das gesamte Team in der Tagesstätte erheblich belastet, weil es die vom Kläger vernachlässigte Betreuung habe auffangen müssen. Im Rahmen des BEM sei eine Lese- und Schreibschwäche des Klägers nicht Gegenstand des Gesprächs gewesen; sie werde auch bestritten. Der Kläger habe vor seiner Beschäftigung bei ihr sogar in Leitungspositionen gearbeitet und über sehr gute Arbeitszeugnisse verfügt.

17

Zur weiteren Darstellung des streitigen Vorbringens der Beklagten im erstinstanzlichen Rechtszug wird auf Seite 6, 7 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 227, 228 d. A.) Bezug genommen.

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Das Arbeitsgericht Mainz hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 29.03.2012 - 9 Ca 1134/211 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 223 bis 232 d. A. Bezug genommen.

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Gegen das ihm am 04.06.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 28.06.2012 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 04.09.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung durch Beschluss vom 07.08.2012 bis zum 04.09.2012 einschließlich verlängert worden war.

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Der Kläger wiederholt sein erstinstanzlichen Vorbringen und hebt insbesondere hervor,
die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, ihn zu versetzen; zudem habe sie ihr Weisungsrecht nicht nach billigem Ermessen ausgeübt. Eine Veranlassung, im Hinblick auf seine geringfügigen vorliegenden Fehlzeiten ein BEM durchzuführen, habe nicht bestanden; für die Beteiligten sei zudem insgesamt unklar gewesen, welches Ziel damit verfolgt werden solle. Er sei entgegen der Auffassung der Beklagten der Arbeit in der "Tagesstätte" gewachsen und dafür auch geeignet. Zudem habe die Beklagte den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß nach § 99 BetrVG angehört. Bereits das Anhörungsschreiben an den Betriebsrat vom 23.05.2011 sei fehlerhaft; ihm sei ein völlig falscher Eindruck durch Übermittlung einer falschen Sachverhaltsschilderung vermittelt worden.

21

Im Vergleich zur bisher ausgeübten Tätigkeit sei die neue Tätigkeit des Klägers in der Abteilung "S." als geringerwertig anzusehen. Erst im Anschluss an eine Einarbeitungsphase mit dem Kläger werde eine Schwerpunktsetzung vereinbart. Darüber hinaus solle er erst nach einer intensiven Einarbeitung mit anderen Arbeitnehmern der Beklagten zusammenarbeiten und nicht - wie in der Abteilung "Tagesstätte" - voll umfänglich für alles verantwortlich sein. Bislang habe die Beklagte zudem noch nicht einmal die an sich vorgesehenen Einarbeitungsphasen veranlasst. Für den Kläger seien somit nur geringwertige Sekretariats- bzw. "Fleißarbeiten" verblieben. Dem Kläger könne schließlich auch nicht vorgehalten werden, dass er im Jahre 2010 im Rahmen seiner Zuständigkeit für acht Klienten sieben Eintragungen vorgenommen habe. Daraus lasse sich nicht per sè folgern, dass er seine Vertragspflichten voll umfänglich nicht ordnungsgemäß erfüllt habe. Zu berücksichtigen sei letztlich auch, dass sich der tägliche Anfahrtsweg zur Arbeitsstätte beträchtlich erhöhe. Dies müsse entscheidend zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden.

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Zur weiteren Darstellung der Auffassungen des Klägers wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 04.09.2012 (Bl. 304-319 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 320-323 d. A.) Bezug genommen.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgericht Mainz - 9 Ca 1134/11 - vom 29. März 2012, zugestellt am 4. Juni 2012, abzuändern und die Berufungsbeklagte zu verurteilen, den Berufungskläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Arbeits- und Beschäftigungstherapeut im Betriebsbereich Tagesstätte zu beschäftigen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

27

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor,
unabhängig davon, ob die Schwierigkeiten des Klägers in der Tagesstätte auf eine depressive Erkrankung oder andere Ursachen zurückzuführen seien, müsse entscheidend berücksichtigt werden, dass der Kläger seine Aufgaben bereits nicht mehr ordnungsgemäß wahrgenommen habe. Insbesondere sei er - unstreitig - seinen Dokumentationspflichten nicht nachgekommen, obwohl deren Erfüllung für eine ordnungsgemäße Betreuung der Klienten unerlässlich sei. Entgegen der Auffassung des Klägers habe der Betriebsrat im Übrigen die Zustimmung zur Versetzung des Klägers nach der Anhörung vom 23.05.2011 durch Verstreichenlassen der Wochenfrist erteilt. Die zuvor geäußerten Vorbehalte habe er aufgegeben.

28

Die Funktion in der Abteilung S. sei zwar verglichen mit der vorliegenden Tätigkeit nicht gleich, aber ähnlich. Die Tätigkeiten unterschieden sich insoweit nur dadurch, dass der Kläger nunmehr mit weniger problembelasteten Klienten arbeiten müsse und mit diesen vordefinierte Programme ausführe. Der Kläger werde insoweit durchaus vertragsgerecht eingesetzt. Sein Einsatzort sei nach dem Arbeitsvertrag nicht auf die Tagesstätte beschränkt. Warum die Versetzungsklausel in den AVR-DPWV unwirksam sein solle, erschließe sich nicht, schon deshalb nicht, weil sie § 106 GewO entspreche. Schwerpunkt der neuen Tätigkeit des Klägers sei die Qualifizierung von Arbeitsfähigkeiten bzw. Schlüsselqualifikationen von Werkstattmitarbeitern für den Werkstattbereich. Die Tätigkeit dort richte sich nach dem individuell ermittelten Hilfebedarf der Klienten. Schließlich habe die Versetzung auch billigem Ermessen entsprochen. Denn insoweit sei insbesondere auch die Verantwortung der Beklagten gegenüber ihren Klienten in der Tagesstätte zu beachten. Dagegen spreche lediglich zu Gunsten des Klägers, dass er eine geringfügig längere Anreise von wenigen Minuten bis zu seinem Arbeitsplatz habe. Dies allein genüge aber nicht, von einem Überwiegen seiner Interessen am Unterbleiben der Versetzung auszugehen.

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Letztlich sei auch die Beteiligung des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagten habe dem Betriebsrat den Sachverhalt mitgeteilt, der ihr bekannt sei.

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Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 22.10.2012 (Bl. 344-353 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 354-357 d. A.) Bezug genommen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

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Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 05.11.2012.

Entscheidungsgründe

I.

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Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

34

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

35

Denn das Arbeitsgericht ist letztlich zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Versetzung rechtswirksam ist. Folglich sind die Klage und die Berufung des Klägers unbegründet.

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Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass der Kläger nach Maßgabe seines Klageantrags trotz des zumindest gesetzlich bestehenden Direktionsrechts gemäß § 106 GewO die Beschäftigung als Arbeits- und Beschäftigungstherapeut im Betriebsbereich Tagesstätte verlangt.

37

Denn wenn sich eine vom Arbeitgeber vorgenommene Versetzung als unwirksam erweist, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung in seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort (BAG 17.02.1998 EzA § 615 BGB Nr. 89; 25.08.2010 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 49; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 10. Auflage 2012, Kap. 1 Rn. 559). Bei einer Versetzung handelt es sich danach um eine einheitliche Maßnahme, die nicht in den Entzug der bisherigen Tätigkeit und die Zuweisung einer neuen Tätigkeit aufgespalten werden kann. Das gilt auch dann, wenn Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegen. Solange dieser nicht rechtswirksam von seinem Weisungsrecht erneut Gebrauch gemacht oder eine wirksame Freistellung von der Arbeit ausgesprochen hat, bleibt es bei der bisher zugewiesenen Arbeitsaufgabe am bisherigen Ort und der Arbeitnehmer hat einen entsprechenden Beschäftigungsanspruch. Wird der Arbeitgeber nach einer Versetzung zur tatsächlichen Beschäftigung zu den vorherigen Bedingungen verurteilt, ist damit die Vorfrage der Wirksamkeit der Versetzung beantwortet. Eine Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Arbeitgeber zukünftig von seinem Weisungsrecht rechtswirksam Gebrauch machen kann, ist dagegen nicht getroffen (BAG 25.08.2010 a. a. O.).

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Nach Ziffer 2 des schriftlich zwischen den Parteien am 23.08.1998 abgeschlossenen Arbeitsvertrages gelten für das Dienstverhältnis, soweit - und dies ist vorliegend der Fall - nichts anderes vereinbart ist, die vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband herausgegebenen Richtlinien für Arbeitsverträge (AVR-DPWV) in der jeweils gültigen Fassung. Gemäß § 1 Abs. 6 AVR-DPWV kann der Arbeitgeber dem Mitarbeiter eine andere, seinen Fähigkeiten entsprechende zumutbare Tätigkeit zuweisen. Soweit weder diese Arbeitsvertragsrichtlinien noch Einzelvereinbarungen eine Regelung treffen, gelten nach § 14 AVR-DPWV die gesetzlichen Bestimmungen.

39

Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung an einen anderen Tätigkeitsort, die auf Regelungen im AGB gemäß § 305 ff. BGB beruht, ist durch Auslegung der Bestimmungen festzustellen, ob ein Tätigkeitsort vertraglich festgelegt ist und welchen Inhalt ein ggfls. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat. Im Rahmen der Auslegung ist sodann zu beachten, dass die Bestimmung eines bestimmten Ortes der Tätigkeit in Kombination mit einer durch Vertragsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert (BAG 19.01.2011 EzA § 106 GewO Nr. 7; Dörner/Luczak/Wildschütz a. a. O. Rn. 548). Nichts anderes gilt dann, wenn die Tätigkeit inhaltlich näher beschrieben wird und dies mit einem Versetzungsvorbehalt verbunden wird. Damit entspricht die vertragliche Regelung inhaltlich der gesetzlichen Regelung des § 106 Satz 1 BGB.

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Von dem somit bestehenden Direktionsrecht hat die Beklagte vorliegend nach billigem Ermessen Gebrauch gemacht.

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Mit dem Direktionsrecht (§ 106 GewO, vgl. BAG, 15.09.2009, EzA § 106 GewO Nr. 4; Landesarbeitsgericht Köln 15.06.2009 LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 7) kann der Arbeitgeber primär die jeweils konkret zu leistende Arbeit und die Art und Weise ihrer Erbringung (z.B. durch Schichtarbeit; s. Landesarbeitsgericht Köln 30.07.2009, NZA-RR 2010, 514, 29.07.2010, 7 Sa 240/10, ArbuR 2011, 365) festlegen. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist nach § 106 S. 1, 2 GewO beschränkt auf "Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung" sowie auf die "Ordnung und Verhalten im Betrieb". Die Regelung in § 106 S. 1 GewO trägt der Gegebenheit Rechnung , dass Arbeitsverträge nur eine rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht festlegen können. Das Direktionsrecht als "Wesensmerkmal eines jeden Arbeitsverhältnisses" (BAG 23.09.2004, EzA § 106 GewO Nr. 1) ermöglicht es dem Arbeitgeber, diese rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers im Einzelnen nach zeitlicher Verteilung, Art und Ort unter Beachtung billigen Ermessens festzulegen (vgl. BAG 15.09.2009, a. a. O.; 17.05.2011, 9 AZR 2ß1/10, ZTR 2012, 184).

42

Zu beachten ist aber, dass die Parteien grundsätzlich die Reichweite des Direktionsrechts im Arbeitsvertrag vereinbaren können (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 27.05.2011, LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 11).

43

Einseitige Erklärungen legen - im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 27.05.2011, LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 11) - die jeweils konkret für den Arbeitnehmer geltenden Arbeitsbedingungen fest.

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Eine Arbeitsvertragsklausel (sog. Versetzungsklausel), die dem Arbeitgeber das Recht einräumt, dem Arbeitnehmer statt der ursprünglich vereinbarten auch eine andere Tätigkeit zu übertragen, die "seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entspricht", rechtfertigt insoweit nicht die Zuweisung von Tätigkeiten, deren Anforderungen hinter der Vorbildung und den Fähigkeiten des Arbeitnehmers zurückbleiben und mit der bisherigen Tätigkeit nicht gleichwertig sind. Die Gleichwertigkeit einer Tätigkeit bestimmt sich dabei nicht nur nach dem unmittelbaren Tätigkeitsinhalt selbst, sondern auch nach deren betrieblichen Rahmenbedingungen. Dazu gehört insbesondere die Einordnung der Stelle in die Betriebshierarchie sowie die Frage, in welchem Umfang die Tätigkeit mit Vorgesetztenfunktionen verbunden ist (Landesarbeitsgericht Köln 22.12.2004 - 7 Sa 839/04 - ArbuR 2005, 423 LS).

45

Eine vorformulierte Klausel in AGB, die inhaltlich der gesetzlichen Regelung des § 106 S. 1 BGB entspricht, unterliegt nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB (BAG 25.08.2010, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 49); sie unterliegt allerdings auch als kontrollfreie Hauptabrede der Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB sowie der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (BAG 13.04.2010, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 47). Allerdings muss die vertragliche Regelung die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO unter Berücksichtigung der für AGB geltenden Auslegungsgrundsätze aus sich heraus erkennen lassen (BAG 25.08.2010, a. a. O.). Sie ist nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass die Versetzung nach § 106 GewO nur nach billigem Ermessen erfolgen kann (Landesarbeitsgericht Nürnberg, 13.01.2009, 6 Sa 712/07, ArbuR 2009, 279 LS).

46

Eine Versetzungsklausel in einem vorformulierten Arbeitsvertrag, den Arbeitnehmer entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen, im Interesse des Unternehmens liegenden Tätigkeit zu betrauen und auch an einem anderen Ort zu beschäftigen, bedeutet keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB); der Vorbehalt verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB; BAG 13.03.2007 - 9 AZR 433/06 - NZA-RR 2008, 504 LS; 13.04.2010 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 47; Landesarbeitsgericht Nürnberg, 13.01.2009, LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 6; s. a. Preis/Gerenger NZA 2008, 969 ff. Salamon/Fuhlrott NZA 2011, 839 ff.). Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 21 BGB verlangt insbesondere von dem Verwender nicht, alle möglichen Konkretisierungen der Arbeitspflicht und des Weisungsrechts ausdrücklich zu regeln. Vielmehr ist das gesetzliche Weisungsrecht (§ 106 GewO) Ausdruck und Folge der vertraglichen Festlegung der Arbeitspflicht; die Vertragsparteien können es dabei belassen (BAG 23.06.2007 EzA § 106 GewO Nr. 2; Landesarbeitsgericht Nürnberg, 13.01.2009, LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 6). Die Intransparenz folgt auch nicht daraus, dass weder ein maximaler Entfernungsradius noch eine angemessene Ankündigungsfrist vereinbart ist, denn eine solche Konkretisierungsverpflichtung würde dem Bedürfnis des Arbeitgebers nicht gerecht, auf im Zeitpunkt des Vertragschlusses nicht vorhersehbare Veränderungen reagieren zu können. Die Angemessenheit der Entfernung und eine ggfls. notwendige Ankündigung sind im Rahmen der Ausübungskontrolle nach § 315 Abs. 1 BGB zu prüfen (BAG 13.04.2010, a. a. O.).

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Das Weisungsrecht findet seine Grenzen in einzelvertraglichen (LAG Rheinland-Pfalz 27.05.2011 LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 11), gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen (z. B. §§ 134, 138 BGB, MuSchG, ArbZG, JArbSchG), auch dispositiven, soweit sie nicht im Einzelfall durch Vereinbarung abbedungen sind (§106 GewO; s. Lakies BB 2003, 364 ff.). Das Weisungsrecht kann insbes. nicht einseitig die im Arbeitsvertrag festgelegten Bedingungen verändern (vgl. LAG Hamm 26.10.2005 ArbuR 2006, 211 LS). Denn welche Arbeit der Arbeitnehmer zu leisten hat, ergibt sich in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber kann Inhalt und Umfang der Arbeitspflicht kraft seines Weisungsrechts gerade nur im Rahmen des jeweiligen Arbeitsvertrags festlegen (§ 106 GewO; BAG 23.06.2007 EzA § 106 GewO Nr. 2; LAG BW 25.03.2010 - 11 Sa 70, 71/09 - ArbuR 2010, 343 LS).

48

Je genauer im Übrigen die Tätigkeit des Arbeitnehmers sowie die Modalitäten der Beschäftigung, also der Einsatzort, Umfang und die Lage der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag umschrieben sind, umso weniger Spielraum hat der Arbeitgeber z. B. bei der Zuweisung verschiedenartiger Tätigkeiten (vgl. BAG 23.11.2004 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 134; 02.03.2006 EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 67, LAG Rheinland-Pfalz 27.05.2011 LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 11, Hunold NZA-RR 2001, 337 ff., s. a. Salamon/Fuhlrott NZA 2011, 839 ff.)

49

Enthält ein Arbeitsvertrag keine ausdrücklichen Regelungen zum Arbeitsort, so gilt der Betriebssitz als vertraglich festgelegt (§ 269 Abs. 1 BGB). Danach liegt der Leistungsort mangels Leistungsbestimmung am Betriebssitz, wenn sich der Ort der Leistung nicht aus der Natur des Schuldverhältnisses ergibt; ohne Versetzungsvorbehalt kommt dann eine einseitige Änderung nicht in Betracht (LAG BaWü 10.12.2010 LAGE § 611 BGB 2002 Direktionsrecht Nr. 2).

50

Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung an einen anderen Tätigkeitsort, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gem. § 305 ff. BGB beruht, ist aber andererseits zunächst durch Auslegung der Bestimmungen festzustellen, ob ein Tätigkeitsort vertraglich festgelegt ist und welchen Inhalt ein ggfls. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat. Im Rahmen der Auslegung ist sodann zu beachten, dass die Bestimmung eines bestimmten Orts der Tätigkeit in Kombination mit einer durch Vertragsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert (BAG 19.01.2011 EzA § 106 GewO Nr. 7, s. a. Salamon/Fuhlrott NZA 2011, 839 ff.).

51

Das Direktionsrecht darf insgesamt nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden (§ 106 GewO; § 315 BGB; BAG 23.06.2007, EzA § 106 GewO Nr. 2 = NZA 2007, 974; 17.08.2011, EzA § 106 GewO Nr. 8; 17.08.2011, 10 AZR 202/10, EzA-SD 26/2011 S. 10 Ls; Landesarbeitsgericht Hessen 24.10.2011, LAGE § 106 GewO Nr. 12). Eine Leistungsbestimmung entspricht dann billigem Ermessen, wenn sie die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat (BAG 17.01.2006 - 9 AZR 226/05 - EzA-SD 16/2006 S. 24 LS; 23.06.2009, 15.09.2009, 17.08.2011, EzA § 106 GewO Nr. 3, 4, 8, 17.08.2011, 10 ZAR 202/10, EzA-SD 26/2011 S. 10 Ls).

52

Den Regelungen in § 121 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 SGB III können belastbare Grenzen für die Zumutbarkeit einer Versetzung nicht entnommen werden. Regelungsziel der gesetzlichen Vorschriften über die Ausübung billigen Ermessens ist es, im Einzelfall eine Entscheidung herbeizuführen, die den wechselseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien Rechnung trägt. Das Interesse des Arbeitnehmers an kurzen Pendelzeiten z. B. ist dabei ein wesentliches Kriterium, welches in die Abwägung einzubeziehen ist. Demgegenüber betrifft § 121 SGB III das Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitslosen und der Arbeitsverwaltung. Die Versagung des Arbeitslosengelds bei Ablehnung einer zumutbaren Beschäftigung ist eine öffentlich-rechtliche Sanktion für mangelnde eigene Leistungsbereitschaft des Leistungsempfängers bei Bezug einer sozialversicherungsrechtlichen Leistung (BAG 17.08.2011, a. a. O.).

53

Es ist also zu prüfen, ob die Maßnahme, z. B. eine Versetzung, aus den vom Arbeitgeber genannten Gründen an sich und auch die konkrete Maßnahme aus diesen Gründen der Billigkeit entspricht (Landesarbeitsgericht München 18.09.2002 LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 45). Das schließt die Achtung grundrechtlich geschützter Interessen, z. B. des Rechts des Arbeitnehmers zur Ablehnung von Vertragsverhandlungen, ein (BAG 23.06.2009, a. a. O.; s. Müller FA 2010, 100 ff.). Auch muss der Arbeitgeber z. B. bei der Ausgestaltung von Schichtplänen den Wunsch eines Arbeitnehmers, an Sitzungen einer Gewerkschaft teilnehmen zu können, angemessen berücksichtigen (Art. 9 GG; BAG 13.08.2010, EzA Art. 9 GG Nr. 100).

54

Auch bei der Billigkeitsprüfung einer Versetzung auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz müssen das persönliche Ansehen und die Möglichkeiten der Persönlichkeitsentfaltung des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, die mit dem alten und dem neuen Arbeitsplatz verbunden sind (Landesarbeitsgericht München 18.09.2002 LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 45). Der Arbeitnehmer kann insoweit zudem verlangen, dass der Arbeitgeber einen wesentlichen Umstand, der für die Ermessensentscheidung von Bedeutung ist, nicht fortgesetzt außer Acht lässt oder grds. falsch beurteilt (BAG 11.02.1998, EzA § 315 BGB Nr. 48; Landesarbeitsgericht Köln 26.05.1997 NZA-RR 1997, 466; Nachtwache). Zu den insoweit zu berücksichtigenden wesentlichen Umständen gehören insbesondere die familiären Bindungen und Verpflichtungen des Arbeitnehmers (ArbG Hmb. 19.08.2003 ArbuR 2004, 434 LS; ArbG Hannover 24.05.2007 ArbuR 2007, 280). Dabei ist entscheidend auf die Zumutbarkeit und nicht auf die Betriebszugehörigkeit abzustellen (Landesarbeitsgericht Hamm 28.07.2003, Landesarbeitsgericht-Report 2004, 173).

55

Zusammengefasst sind die Grenzen billigen Ermessens dann gewahrt, wenn der Arbeitgeber z.B. bei der Bestimmung der Zeit der Arbeitsleistung nicht nur eigene, sondern auch berechtigte Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt hat.

56

Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die Beklagte nach Maßgabe des vorliegend dargelegten Prüfungsmaßstabes ein berechtigtes Interesse daran hat, den Kläger nicht mehr an seinen bisherigen Arbeitsplatz zu beschäftigen. Er hat seine ihm dort obliegenden Vertragspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt. Insoweit kommt es vorliegend nicht darauf an, ob das von der Beklagten dem Kläger in allen Einzelheiten zur Last gelegte Verhalten tatsächlich gegeben ist, letztlich auch so wie von der Beklagten zu bewerten und zu würdigen ist. Denn zum einen hat der Kläger unstreitig seiner Pflicht zur Dokumentation des Betreuungsverlaufs nicht genügt. Es handelt sich insoweit um eine wesentliche vertragliche Verpflichtung des Klägers, weil nur so ein Therapieverlauf erkennbar ist, sowohl für den betreuten Klienten, als auch für etwaige den Kläger im Krankheits- und oder Urlaubsfall vertretenden Arbeitnehmer. Dass dies bereits zu Differenzen im Verhältnis zu seiner Vorgesetzten geführt hat, hat der Kläger eingeräumt; im Hinblick auf die Bedeutung dieser Verpflichtung ist dies auch besonders naheliegend. Zu berücksichtigen ist zudem, dass dem Kläger insoweit keine sprachlich ausgefeilten fehlerfreien Texte abverlangt werden; dies hat das Arbeitsgericht zutreffend aus der Lektüre der ausweislich der Namenskürzel von den Kollegen des Klägers verfassten Texte, geschlossen, die keineswegs fehlerfrei verfasst sind. Soweit der Kläger dies auf eine Lese- und Rechtschreibschwäche zurückführt, erschließt sich diese Argumentation der Kammer nicht. Denn die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass die Vernachlässigung der Dokumentationspflicht bereits seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses festzustellen war. Vielmehr wird ein Vergleich mit der Zahl der von den Arbeitskollegen verfassten Vermerke vorgenommen, der deutlich macht, dass die Zahl der gefertigten Vermerke des Klägers weit hinter denen der Arbeitskollegen zurückbleibt, ohne dass dies vom Kläger außer mit dem unvollständigen Hinweis auf eine Lese- und Rechtschreibschwäche nachvollziehbar begründet würde.

57

Im Übrigen ist es unerheblich, auf welchen Krankheitsbildern im Einzelnen die krankheitsbedingten Fehlzeiten beruhten. Tatsache ist, dass die Beklagte den Eindruck gewonnen hat, dass der Kläger erhebliche Probleme hat, mit den ihm anvertrauten Klienten so persönlich umzugehen, wie es der Zweck der Einrichtung gebietet. Nachdem der Kläger ein BEM auch vorliegend in beiden Rechtszügen als sinnlos angesehen, eine Verhaltensänderung seinerseits schlicht in Abrede gestellt hat, hatte die Beklagte bei einer von ihr angenommenen Gefährdung des Vertragszwecks keine andere Möglichkeit, als den Kläger anderweitig einzusetzen in einem Bereich, der einen so engen persönlichen Kontakt zu den Klienten nicht erfordert. Dem ist sie im Rahmen ihrer vertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§§ 241 Abs. 2 BGB, 242 BGB) nachgekommen.

58

Dabei hat sie auch den Interessen des Klägers hinreichend Rechnung getragen. Denn die für ihn vorgesehene Position als Arbeits- und Beschäftigungstherapeut in einer Werkstattgruppe, deren Mitglieder einzeln und in Kursen in Schlüsselqualifikationen zu fördern sind, ist für den Kläger als ausgebildeten Arbeitserzieher ohne Weiteres angemessen, da sie eine typische Beschäftigungsmöglichkeit für Personen mit dieser Ausbildung darstellt. Sie ist auch nicht als geringwertiger anzusehen, als die vom Kläger bisher Ausgeübte. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass unklar ist, warum die vom Kläger beschriebenen Aufgaben wie Kochen, Reparaturarbeiten, Mitwirkung und Mitgestaltung von Umzügen usw. (Seiten 9, 10 der angefochtenen Entscheidung) solche sein sollen, die die Tätigkeit des Klägers in der Tagesstätte gegenüber derjenigen im Bereich S. hervorheben würden.

59

Hinsichtlich des Einwandes des Klägers, er werde überhaupt nicht beschäftigt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (Seite 10 = Bl. 231 d. A.) Bezug genommen.

60

Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus nunmehr auftretenden erhöhten Fahrzeiten. Zwar handelt es sich insoweit um ein berücksichtigungsfähiges Kriterium. Allerdings liegt die dem Kläger neu zugewiesene Arbeitsstelle innerhalb der gleichen Stadt; zwar ist die Verlängerung der Dauer der Anfahrt eine Belastung für den Kläger, sie wiegt aber nicht so schwer, um sich gegenüber den erheblichen berechtigten Interessen der Beklagten durchzusetzen.

61

Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts.

62

Soweit der Kläger darauf hingewiesen hat, der Betriebsrat sei gemäß § 99 BetrVG nicht ordnungsgemäß beteiligt gewesen, ist demgegenüber darauf hinzuweisen, dass die Beklagte den Betriebsrat schriftlich über die aus ihrer Sicht wesentlichen Umstände informiert hat. Der Betriebsrat hat dadurch, dass er die gesetzliche Frist hat verstreichen lassen, der Versetzung zugestimmt. Woraus sich insoweit die Unwirksamkeit der Versetzung ergeben könnte, ist nicht erkennbar.

63

Im Übrigen enthält das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren keine neuen, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierten Tatsachenbehauptungen, die ein abweichendes Ergebnis rechtfertigen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es wird lediglich deutlich, dass der Kläger - aus seiner Sicht verständlich - mit der von der Kammer geteilten Auffassung des Arbeitsgerichts nicht einverstanden ist. Weitere Ausführungen sind folglich nicht veranlasst.

64

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

65

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

66

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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